Universität Paderborn Fakultät der Kulturwissenschaften: Institut für Germanistik und vergleichende Literaturwissenschaft Proseminar: Pragmatik (mit fachdidaktischem Anteil) Dienstags 09 – 11 Uhr Wintersemester 2008 / 2009 Leitung: Frau Dr. Marina Iakushevich Referat von Jennifer Nienhaus Implikatur 1) Allgemeine Definition - Implikatur = pragmatische Schlussfolgerung / erschlossene Gesprächsandeutung 2) Grice’ Implikaturtheorie Herbert Paul Grice (*1933 g1988) - Bedeutungsminimalist = neigt zur Annahme minimaler Wortbedeutungen und eindeutiger Wörter - geht also davon aus, dass es eine Menge übergreifender Annahmen gibt, die den Gesprächsverlauf steuern - Theorie = Theorie des Sprachgebrauchs - Grundlagen der Kooperation: Kooperationsprinzip & Konversationsmaxime Kooperationsprinzip: Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so, wie es die anerkannte Zielsetzung / Richtung des Gesprächs, an dem du beteiligt bist, zum betreffenden Zeitpunkt erfordert. 1 Konversationsmaxime: a) Maxime der Quantität: 1. Mach deinen Beitrag so informativ, wie es der gegenwärtige Konversationszweck verlangt. 2. Mach deinen Beitrag nicht informativer, als verlangt. b) Maxime der Qualität: Versuche, einen wahren Beitrag zu geben: 1. Sage nichts, was du für falsch hältst. 2. Sage nichts, wofür du keine hinreichenden Beweise hast. c) Maxime der Relevanz / Relation: Sei relevant. d) Maxime der Modalität / Art und Weise: Sei verständlich: 1. Vermeide Unklarheit im Ausdruck. 2. Vermeide Doppeldeutigkeit / Mehrdeutigkeit. 3. Fasse dich kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit). 4. Verwende die richtige Reihenfolge. Æ Kooperationsprinzip und Konversationsmaxime dienen einem möglichst klaren Gespräch ohne Missverständnisse Æ Maxime legen fest, was Gesprächsteilnehmer tun müssen, um ein Gespräch möglichst effizient, rational und kooperativ zu führen – sie sollten sich aufrichtig, relevant und klar ausdrücken und dabei hinreichende Informationen liefern Beispiel (lt. Grice): Anna: „Und wie geht es Charlie in seinem neuen Job?“ Berta: „Ach, bisher gut; im Gefängnis ist er noch nicht gelandet.“ Æ zusätzliche Bedeutung = konversationelle Implikatur der Äußerung 2 Konversationelle Implikaturen werden durch den Schlussprozess ermittelt: Vorgehen in Bezug auf das oben genannte Beispiel: 1. Schritt: - Berta hat bei ihrer Äußerung anscheinend a) die Maxime der Relation verletzt (was hat ihre Antwort mit meiner Frage zu tun?) b) die Maxime der Quantität verletzt (sie hat zu viel gesagt) - aber ich habe keinen Grund zu denken, dass Berta die Maxime verletzten wollte 2. Schritt: - ich weiß, dass a) Charlie bei seinem letzten Bankjob unter verdächtigen Umständen gekündigt worden ist b) Berta das auch weiß - ich kann Bertas Äußerung nur dann als relevant ansehen und annehmen, dass sie das Kooperationsprinzip einhalten will, wenn ich annehme, dass sie darauf abzielt, dass Charlie potentiell unehrlich ist - Gefängnis konnte bisher vermieden werden, also geht es Charlie gut 3. Schritt: - Berta weiß, dass ich diese Implikatur herausarbeiten kann - Berta hindert mich nicht daran, diese Implikatur herauszuarbeiten, indem sie irgendwelche Zusätze macht → ich nehme an, dass Berta implikatieren wollte, dass Charlie potentiell unehrlich ist → Konversationelle Implikaturen können also immer durch scheinbare Verletzungen oder Befolgungen des Kooperationsprinzips und der Konversationsmaximen auftreten. → Verletzungen / Befolgungen werden aus dem Schlussprozess ermittelt a) Verletzung: Aussage von B passt im ersten Moment nicht zur Aussage von A b) Befolgung: es ist klar, was gemeint ist → mit der scheinbaren Verletzung und Befolgung des Prinzips und der Maximen kann man Äußerungen beschreiben, bei denen über das wörtlich Gesagte hinaus noch eine zusätzliche Bedeutung erschlossen wird, welche nicht Teil der wörtlichen Bedeutung der Äußerung ist: Implikatur 3 Typische Eigenschaften der Implikaturen: 1) Aufhebbarkeit / Streichbarkeit = gedachtes fällt weg und es folgen weitere Aussagen des Sprechers, sodass eine Implikatur unnötig ist 2) Nichtabtrennbarkeit = Implikatur am semantischen Gehalt des Gesagten festgemacht und lässt sich nicht abtrennen, auch wenn man andere Wörter nutzt = mitgedachtes erfolgt automatisch 3) Berechenbarkeit = Implikaturen sind aufgrund des Gesprächs meistens vorherzusehen 4) Nicht – Konventionalität = Implikaturen sind kein Teil der konventionellen Bedeutung sprachlicher Ausdrücke, d.h. jede kann eigenes schlussfolgern 5) Kontextabhängigkeit = konversationelle Implikatur ist von dem Kontext abhängig, in dem sie auftritt 6) Rekonstruierbarkeit = konversationelle Implikaturen sind aus a) der wörtlichen Bedeutung des geäußerten Satzes b) dem Kooperationsprinzip c) seinen Konversationsmaximen d) dem jeweiligen Kontext mithilfe eines Schlussprozesses rekonstruierbar ¾ Eigenschaften lassen sich zugleich als Tests benutzen, sodass man feststellen kann ob der bei einer Äußerung auftretender Bedeutungseffekt eine konversationelle Implikatur ist ¾ Implikatur liegt vor, wenn der Bedeutungseffekt rekonstruierbar, kontextabhängig und streichbar ist 4 3) Arten von Implikaturen 1. Standardimplikaturen = beruhen auf der Annahme, dass der Sprecher die Maximen befolgt 2. Implikaturen, bei denen eine Missachtung der Maxime vorliegt 3. generelle konversationelle Implikaturen = entstehen, ohne dass ein bestimmter Kontext erforderlich ist 4. partikuläre konversationelle Implikaturen = benötigen einen bestimmten Kontext 5. konventionelle Implikaturen = Begriff betrifft die Semantik = es handelt sich um nicht konversationelle Implikaturen, denn die Kriterien der Streichbarkeit, Kontextabhängigkeit und Rekonstruierbarkeit sind nicht anwendbar = Implikatur, die auf die konventionelle (rechtliche festgelegte) Bedeutung von Wörtern basiert = z.B. Sätze mit ‚aber’: „Tom ist reich, aber unglücklich.“ Abgrenzung zur Implikation - den Begriff ‚Implikation’ gibt es auch, hat jedoch mit der Implikatur nichts zu tun - in jeder Situation, wo Satz A wahr ist, muss auch Satz B war sein, in jeder Situation, wo Satz B falsch ist kann Satz A nicht wahr sein Beispiel: A) Tom küsste Lena leidenschaftlich. B) a. Tom küsste Lena. b. Lena wurde von Tom geküsst. muss war sein, wenn c. Lena wurde geküsst. A wahr ist d. Tom berührte Lena mit seinen Lippen. Æ ist a. – d. falsch, kann A) niemals wahr sein ¾ semantische Implikation bezieht sich auf Wahrheitsbedingungen von Sätzen ¾ konversationelle Implikaturen sind unabhängig von Wahrheitsbedingungen 5 4) Fazit ¾ Implikaturen = Mechanismen, bei denen der Sprachgebrauch auf die Sprachstruktur zurückwirkt und sie beeinflusst 5) Literaturangaben Meibauer, Jörg: Pragmatik. Zweite, verbesserte Auflage. Stauffenburg Verlag. Tübingen 2008. S.24 – 43 Levinson, Stephen C.: Pragmatik. Neu übersetzt von Martina Wiese. Niemeyer Verlag. Tübingen 2000. S.107 - 181 6
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