Pragmatik_HA5_Lösungen

Pragmatik HA5 – Lösungsvorschläge
1. Meibauer, S.42, Nr.5 (ohne: „Rekonstruieren Sie den Schlussprozess“)
Der Text enthält eine Reihe skalarer Implikaturen mit Ausdrücken, die eine direkte oder
indirekte Beurteilung der Leistungen von Herrn Baumeier enthalten. Durch die Wahl eines
„schwächeren“, d.h. hier weniger positiv wertenden Ausdrucks wird nahegelegt, dass Herr
Baumeier das jeweils stärkere, d.h. positiver wertende Prädikat, nicht erfüllen konnte. Solche
Implikaturen sind typisch für Arbeitszeugnisse, da dieser Textsorte eine Konvention zugrunde
liegt, nichts offensichtlich (d.h. wörtlich ausgedrücktes) Negatives über den Beurteilen zu
schreiben. Damit der kundige Leser (d.h. in erster Linie der nächste mögliche Arbeitgeber)
sich dennoch ein adäquates Bild vom Bewerber machen kann, werden negative Urteile in den
Implikaturen „versteckt“, sodass sie zwar erkenntlich sind, aber nicht offen ausgedrückt
werden müssen. Oft sind diese Implikaturen auch nur für Arbeitgeber erkenntlich, die sich mit
den unausgesprochenen „Codes“ dieser Art von Zeugnissen auskennen. Oft ist es deshalb so,
dass ein Ausdruck, der für den „normalen“ Leser durchaus positiv klingt, in Wahrheit gar
nichts so Positives über den Beurteilten aussagt: Im Code der Arbeitszeugnis-Schreiber gibt
es nämlich einen *noch* freundlicheren Ausdruck um zu übermitteln, dass der Beurteilte
„wirklich“ gut war. Siehe dazu auch Aufgabe 5b): ohne Vorbehalte / mit Nachdruck.
Beispiele:
1. hat sich stets bemüht +> er hat es nicht stets geschafft / er ist manchmal gescheitert
Zugrunde liegende Skala:
< etwas schaffen, um etwas bemüht sein>
2. nicht wenige Kontakte hergestellt +> nicht sonderlich viele Kontakte hergestellt (es hätten
auch mehr sein können).
Zugrunde liegende Skala (?):
< sehr viel(e), viel(e), nicht wenige, einige>
Anmerkung: Diese Skala gibt uns das gewünschte Ergebnis (nicht wenige +> nicht viele),
allerdings ist es allgemein nicht klar, wie man negierte Ausdrücke in eine Skala einzuordnen
hat, die sonst nur aus nicht-negierten Ausdrücken besteht (s. dazu auch 3b unten). Vielleicht
könnte man die obige Implikatur auch mit der Modalitäts-Maxime erklären: nicht wenige ist
wörtlich genommen etwa gleichbedeutend mit zahlreiche, ist jedoch weitschweifiger in dem
Sinne, dass extra eine Negation benutzt wird, wo doch ein einfacherer positiver Ausdruck
existiert (Negation ist immer irgendwie „markiert“, d.h. es braucht einen Grund, warum man
eine Negation benutzt). Der Grund für diese Maximenverletzung wäre dann wieder, nicht
direkt sagen zu wollen, dass der Beurteilte nicht viele Kontakte hergestellt hat.
3. mehrere Kunden +> nicht (sonderlich) viele
Zugrunde liegende Skala:
<sehr viele, viele, mehrere, ein paar>
Zudem kommt die Formulierung Er war berechtigt, Werbevorführungen zu organisieren.
Dies ist eine Tatsache, die einen Leser des Zeugnisses so nicht interessieren wird: Dem
potenziellen Arbeitgeber geht es nämlich nicht darum zu erfahren, zu was der Bewerber
berechtigt war (dies ist vermutl. einfach ein Teil seiner Stellenbeschreibung), sondern darum,
was er aus dieser Berechtigung gemacht hat, d.h. was er auf dem Gebiet geleistet hat. Somit
verletzt der Beurteiler hier die Relevanz-Maxime. Indem er dies tut, implikiert er, dass er
nichts Relevantes über den Mitarbeiter auf dem Gebiet der Organisation von
Werbevorführungen zu sagen gibt, bzw., dass das, was er zu sagen hätte, nur negativ wäre
(dass er nichts Negatives sagen darf folgt aus den Konventionen für Arbeitszeugnisse).
2. Legen Sie Paul Äußerungen in den Mund, sodass aus Bernds Erwiderung Sie hat 500 Euro
für Ihr neues Kleid ausgegeben fünf verschiedene Implikaturen ableitbar sind. Formulieren
Sie die Implikaturen und entscheiden Sie jeweils, ob es sich um partikularisierte oder
generalisierte Implikaturen handelt.
Paul: ______________________________________ .
Bernd: Sie hat 500 Euro für Ihr neues Kleid ausgegeben.
1. Paul: Glaubst du, Maria ist reich?
Partikularisierte Implikatur aus Bernds Aussage: Ich glaube, Maria ist reich.
2. Paul: Wie viel hat Maria für ihr Kleid bezahlt?
Generalisierte Implikatur aus Bernds Aussage: Sie hat nicht viel mehr als 500 Euro für ihr
Kleid ausgegeben.
Diese Implikatur ist auch aus vielen der anderen Äußerungen von Paul ableitbar.
Anmerkung: 500 ist ein großes Numeral. In solchen Fällen tritt zu der „nicht mehr als“Implikatur eine gewisse Vagheit hinzu. Die Implikatur besagt offenbar nicht, dass Maria nicht
501 Euro für ihr Kleid bezahlt hat, wohl aber doch, dass sie nicht 600 Euro bezahlt hat.
3. Paul: [in der Stadt beim Shopping mit Maria, Paul und Bernd]: Ich hab kein Bargeld
mehr. Glaubst du, wir können uns von Maria noch ein bisschen was leihen?
Partikularisierte Implikatur aus Bernds Aussage: Wahrscheinlich können wir uns kein Geld
von Maria leihen.
4. Paul: Sag mal ist es wahr, dass Maria 500 Euro für Ihr neues Kleid ausgegeben hat und
dann mit Egon eine Nacht im Hilton verbracht hat?
Generalisierte Implikatur aus Bernds Aussage: Es stimmt nicht, dass Maria mit Egon eine
Nacht im Hilton verbracht hat. (Diese Implikatur bezeichne ich als generalisiert, da man
immer dann, wenn p und q? gefragt wird und nur mit p oder nur mit q geantwortet wird,
schließen kann, dass das andere Konjunkt nicht zutrifft.)
Paul: Ob Maria wohl Wert auf modische Kleidung legt?
Partikularisierte Implikatur aus Bernds Aussage: Maria legt sehr großen Wert auf modische
Kleidung.
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3. Welche skalaren Implikaturen können Sie in folgenden Beispielen erkennen? Geben Sie die
zugrunde liegenden Horn-Skalen und die jeweilige Implikatur an.
a) Sebastian trinkt manchmal abends ein Bier.
+> Sebastian trinkt nicht oft abends ein Bier.
Skala: <immer, oft, manchmal>
b) Nicht alle Jungen gingen mit zum Schwimmen.
+> Es ist nicht der Fall, dass nicht viele Junge mit zum Schwimmen ging.
≡ Viele Jungen sind mit zum Schwimmen gegangen.
Erklärung: Bei Negation einer ganzen Skala wird jeder Wert negiert und die Werte der Skala
genau andersherum angeordnet, also: <nicht einige (=keine),nicht viele, nicht alle>.
nicht einige ist also informativ stärker als nicht viele und nicht alle.
Daher können wir aus dem obihen Satz die Implikatur „Es ist nicht der Fall, dass nicht viele
Junge mit zum Schwimmen gingen“ ≡ „Viele Jungen sind mit zum Schwimmen gegangen“
ziehen.
c) Hans versuchte, den Gipfel zu erreichen.
+> Hans schaffte es nicht, den Gipfel zu erreichen.
Skala: <gelingen, versuchen>
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