Pragmatik HA 4 – Lösungsvorschläge Meibauer, S. 41, Übung 3: Einfachstes Vorgehen zum Nachweis, dass es sich nicht um semantische Implikationen (= entailments) handelt: Anwendung des Streichbarkeits-Tests. Und das geht so: Satz i) wird durch etwas ergänzt, was inhaltlich einer Negation von ii) gleichkommt (unten jeweils blau geschrieben), also einer „Streichung“. Wenn das Ergebnis keine Kontradiktion (= kein wörtlicher Widerspruch) ist, kann es sich bei ii) nicht um eine Implikation von i) handeln, denn Implikationen sind nicht streichbar (d.h. hier: negierbar). a) Sie schlug nach dem Ball, und diesmal verfehlte sie ihn nicht. Implikatur-Herleitung für den Normalfall: 1. Das KP wird beachtet. 2. Also auch: Quantität (einschlägige Untermaxime: „so viel Information, wie der gegenwärtige Gesprächszweck verlangt“). 3. Im Kontext eines Gesprächs über den Verlauf eines Ballspiels ist es informativ zu wissen, ob eine Spielerin den Ball trifft oder verfehlt, wenn sie danach schlägt. 4. Der Sprecher hat diese Information dennoch nicht geliefert. 5. Man kann diese Quantitäts-Maximenverletzung als gerechtfertigt ansehen, wenn der Sprecher es dadurch vermeiden kann, etwas Peinliches offen auszusprechen (er kann die Verletzung einer zusätzlichen „Höflichkeits-Maxime“ vermeiden). 6. Den Ball verfehlen ist (für die Ausführende) peinlicher als den Ball treffen. 7. Also hat der Sprecher implikiert, dass „sie“ den Ball verfehlt hat. [Anmerkung: Es ist m.E. nicht ganz klar, ob Meibauer zurecht annimmt, dass Sie schlug nach dem Ball den Satz Sie verfehlte den Ball implikiert. Man kann Sie schlug nach dem Ball auch als neutral in Bezug auf das Treffen oder Nicht-Treffen des Balls auffassen. Deshalb ist es auch nicht sicher, ob die Herleitung oben richtig formuliert ist. Andere Herleitungen sind vorstellbar, zumal bei Meibauer keine Überlegungen zu Höflichkeit angestellt werden.] [Zum Vergleich: Beispiel für ein Satzpaar, wo ii) eine Implikation von i) ist, und somit der Streichbarkeits-Test ein negatives Ergebnis liefern würde: i) Sie schlug nach dem Ball. ii) Sie versuchte den Ball zu treffen. # Sie schlug nach dem Ball, aber sie versuchte gar nicht, den Ball zu treffen. nach etwas schlagen impliziert versuchen zu treffen.] b) A: Hey super, alle denken, dass meine Lösung hinhaut! B: Halt, nicht so voreilig...Ich denke nämlich nicht, dass deine Lösung hinhaut. – Aber pass auf, damit will ich gar nicht sagen, dass ich denke, deine Lösung haut nicht hin. Es ist nur so, dass ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht habe! Implikatur-Herleitung für den Normalfall: 1. Das KP wird beachtet. 2. Also auch: Quantität (so viel Info wie nötig, aber nicht mehr). 3. Der Sprecher hat etwas darüber gesagt, was er denkt: wörtlich: Das, was er denkt, beinhaltet nicht, dass A’s Lösung hinhaut. Er kann also alles mögliche denken, außer dass meine Lösung hinhaut. 4. Semantisches Wissen: Dass er sagt, dass er nicht denkt, dass meine Lösung hinhaut, ist damit verträglich, dass er denkt, dass meine Lösung nicht hinhaut. 5. Wegen Quantität: Das wäre gleichzeitig das Informativste, was B in Bezug auf das Hinhauen meiner Lösung denken kann. 6. B hat nichts getan, um mich davon abzuhalten zu schließen, dass er denkt, dass meine Lösung nicht hinhaut. 7. Also implikiert B, dass er denkt, dass meine Lösung nicht hinhaut. c) Anna hat einen Mann aus Paris mitgebracht. Wie man hört, ist es ihr neuer Ehemann. Implikatur-Herleitung für den Normalfall: 1. Das KP wird beachtet. 2. Also auch: die Quantitäts-Maxime (so viel Info wie möglich, nicht mehr als nötig) 3. Wenn man das Zusammensein einer Frau mit einem Mann erwähnt, ist es informativ zu wissen, wenn die beiden ein (Ehe)Verhältnis zueinander haben. Dafür gibt es im Deutschen eine Standard-Ausdrucksform: das Possessiv-Pronomen sein / ihr. Wird diese Standardform nicht verwendet, kann man darauf schließen, dass kein Verhältnis zwischen der Frau und dem Mann besteht. 4. Der Sprecher hat das Possessiv-Pronomen nicht benutzt. 5. Also kann ich schließen, dass er auf der Basis der ihm zugänglichen Informationen nicht in der Lage ist zu behaupten, dass ein Verhältnis zwischen den beiden Referenten besteht. 6. Der Sprecher hat nichts getan, um mich vor der Standard-Interpretation des Passivs als einer generischen Form abzuhalten. d) Ich frage mich wieviel Uhr es ist. Von dir will ich es gar nicht wissen, denn deine Uhr geht ja eh immer falsch. Implikatur-Herleitung für den Normalfall: 1. Das KP wird beachtet. 2. Also auch die Qualität. Zur Qualitäts-Maxime im weiteren Sinn gehört nicht nur, dass man nur das sagt, was man für wahr hält und wofür man genügend Evidenz hat, sondern auch, dass man Fragen gerne beantwortet hätte. i) ist zwar eine deklarative Satzform (Der Sprecher stellt fest: „Ich frage mich...“), die aber oft dazu benutzt wird, eine Frage zu stellen (das ist allgemeines sprachliches Wissen). 2 3. Folglich ist der Hörer in der Regel berechtigt, die Implikatur zu ziehen, dass ii). e) Die Arbeit von Hans wird respektiert – wenn auch nur von seinen zwei alten Freunden. Implikatur-Herleitung für den Normalfall: 1. Das KP wird beachtet. 2. Sprachliches Wissen: Passivsätze (des Deutschen) haben oft einen generischen Charakter. Das soll heißen, dass sie dazu benutzt werden, um eine allgemein oder mindestens weithin gültige Aussage zu machen (vgl. Kiwis werden in Neuseeland produziert, Der Müll wird hier jeden Mittwoch abgeholt, etc.). Nun gilt im Falle von e): Wenn die Arbeit von Hans respektiert wird, muss es viele Menschen geben, die seine Arbeit respektieren. Das ergibt die Verkehrung des Passiv-Satzes in einen Aktiv-Satz mit dem Wissen, dass nur Menschen die Arbeit anderer Menschen respektieren können, nicht Tiere oder unbelebte Objekte. 3. Der Sprecher hat nichts getan, um mich vor der Standard-Interpretation des Passivs als einer generischen Form abzuhalten. 4. Folglich ist der Hörer berechtigt, die Implikatur zu ziehen, dass ii). f) Anna und Hans gingen ins Kino – Anna ging mit Ulla in Das Omen, und Hans ging mit Petra in Indiana Jones. Implikatur-Herleitung für den Normalfall: 1. Das KP wird beachtet. 2. Also auch Quantität. 3. Mit und koordinierte Nominalphrasen (A und B) werden wenn möglich so interpretiert, dass die beiden Referenten der Subjekts-Nominalphrase (hier: Anna und Hans) gemeinsam an dem Ereignis beteiligt waren ,das Haupt-Prädikat (hier: gingen ins Kino) bezeichnet. [Anmerkung: Es ist nicht ganz klar, woher die Präferenz-Regel in 3. stammt. Es ist eine Art sprachliches Wissen, aber nicht von der gleichen Art wie wir z.B. das Wissen um die feststehende Bedeutung von Wörtern als sprachliches Wissen bezeichnen. Vielleicht resultiert die Regel in 3. aus unserer statistischen Erfahrung mit der intendierten Interpretation dieser Strukturen.] 4. Der Sprecher hat nichts getan um den Hörer davon abzuhalten zu schließen, dass diese Interpretationsmöglichkeit hier zutrifft (etwa durch die Ergänzung jeder für sich). 5. Folglich ist der Hörer berechtigt, die Implikatur zu ziehen, dass ii). 3. Informieren Sie sich in Meibauer S.33 über den Unterschied zwischen „generalisierten“ und „partikularisierten“ Implikaturen. Geben Sie eine Implikatur aus B‘s Antwort-Sätzen an, wo möglich mit Skizze eines Schlussverfahrens. Um welchen Typ von Implikatur handelt es sich jeweils, generalisiert oder partikularisiert? Warum? 1. A: Kommst du nachher mit ins Kino? B: Ich habe morgen eine Klausur. 3 Herleitung der Implikatur: 1. Das KP wird beachtet. 2. B hat etwas gesagt, was nicht optimal relevant war (optimal wäre Ja oder Nein gewesen) 3. Wegen 1: A hat trotzdem das Relevanz-Prinzip beachtet, also kann man aus seiner Antwort erschließen, wie er zu dem Vorschlag steht, mit ins Kino zu kommen. 4. Weltwissen: Wenn man am nächsten Tag eine Klausur schreibt, geht man am Abend davor aus Zeitgründen eher nicht mehr aus. 5. B wird heute Abend nicht ausgehen. 6. Eine Einladung kann man annehmen oder ablehnen; aus Gründen der Höflichkeit ist es üblich, bei Ablehnung eine Begründung mitzuliefern. 7. Aus 4-6: B’s Antwort kann als Ablehnung des Angebots verstanden werden. 8. B hat nichts getan, um diese Inferenz zu blockieren. 9. Also: B hat implikiert, dass er das Angebot ablehnt („Nein“). partikularisierte Implikatur, da spezielles Weltwissen über Kino-Gänge und PrüfungsVorbereitungen herangezogen werden muss. 2. A: Wie ist Georg eigentlich als Fußballspieler? B: Er spielt solide. Herleitung der Implikatur: 1. Das KP wird beachtet. 2. B hat bei seiner Einschätzung ein Wort verwendet, dass auf einer Horn-Skala angesiedelt ist: solide Die Horn-Skala sieht in etwa so aus: <ausgezeichnet, solide, mäßig> 3. Prinzip der Horn-Skalen: Die jeweils linken, informativ „stärkeren“ Elemente können vom Sprecher nicht verwendet werden. 4. B hat nichts getan, um diese skala-basierte Inferenz zu blockieren. 5. Also: B hat implikiert, dass Georg nicht ausgezeichnet spielt. generalisierte Implikatur, da kein spezielles, auf einer bestimmten Erfahrung basierendes Weltwissen herangezogen werden muss, nur die allgemeingültige Skala. [Anmerkung: Nicht alle KursteilnehmerInnen teilen die Intuition, dass man mit solide eine bessere Wertung abgegeben kann als mit mäßig. In dem Fall kann man in dem Beispiel auch solide durch gut ersetzen.] 3. A: Wie komme ich heute Abend nur in die Stadt? B: Ich habe noch einen Platz im Auto frei. Herleitung der Implikatur: 1. Das KP wird beachtet. 2. A’s Aussage kann als Nachfrage an B verstanden werden, ihm bei der Lösung des Problems zu helfen, wie er heute Abend in die Stadt kommt. 3. Wegen KP-Beachtung: B sagt etwas, das dafür relevant ist. 4. Weltwissen: B geht heute Abend auch in die Stadt (spezifisches Wissen) Mit dem Auto kommt man von hier aus in die Stadt (generelleres Wissen) 5. Die Tatsache, dass B noch einen Platz frei hat, bedeutet, dass A mitfahren kann. 4 6. B hätte das nicht erwähnt, wenn er es nicht als Angebot an A gemeint hätte (Wenn B zwar noch einen Platz frei hätte, aber nicht will, dass B mitfährt, hätte seine Äußerung keine Relevanz) 7. Also: B hat implikiert, dass A mit ihm in die Stadt fahren kann. partikularisierte Implikatur, da spezielles Weltwissen über Autos und die Entfernung zwischen dem Gesprächsort und der Stadt herangezogen werden muss. 4. A: Hast du die Fahrräder alle sauber gemacht? B: Ich hab die meisten sauber gemacht. Herleitung der Implikatur: 1. Das KP wird beachtet. 2. 2. B hat in seiner Äußerung ein Wort verwendet, dass auf einer Horn-Skala angesiedelt ist: die meisten. Die Horn-Skala sieht in etwa so aus: <alle, die meisten, ein paar> 3. Prinzip der Horn-Skalen: Die jeweils linken, informativ „stärkeren“ Elemente können vom Sprecher nicht verwendet werden. 4. B hat nichts getan, um diese skala-basierte Inferenz zu blockieren. 4. Also: B hat implikiert, dass er nicht alle Fahrräder sauber gemacht hat. generalisierte Implikatur, da kein spezielles, auf einer bestimmten Erfahrung basierendes Weltwissen herangezogen werden muss, nur die allgemeingültige Skala. 5
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