Folie 1

Abgrenzung
Arbeitnehmerüberlassung/Werkvertrag
Reinbek – 16. September 2015
I.
Vorbemerkungen und Trends
II. Überblick Arbeitnehmerüberlassung
III. Gesetzesänderungen und aktuelle
Rechtsprechung zur AÜ
IV. Werkverträge
V. Ausblick
I. Vorbemerkungen und Trends
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
•
letzte Neuregelung zum 01.12.2011 (01.05.2012),
davor weitgehende Änderungen zum 01.01.2004
•
vorher:
Verhinderung der Zurückdrängung von
unbefristeter Vollzeitbeschäftigung
•
dann:
Arbeitnehmerüberlassung als Möglichkeit
zur Bekämpfung der
Massenarbeitslosigkeit
•
jetzt:
erneute Zurückdrängungstendenz und
Verhinderung von gesehenem Missbrauch
„Vorübergehend“ - § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG
„Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt
vorübergehend.“
Aktuelle Trends in der Arbeitnehmerüberlassung
•
massive Aufwertung der Mitbestimmung bei ANÜ
durch das BAG
•
Verteuerungstendenz durch Branchentarifverträge
und Mindestlohn
•
„Drohverhalten“ des Gesetzgebers –
neuerdings rückläufig
•
hohe Dichte an gerichtlichen Verfahren
•
Ausweichtendenz auf andere Vertrags- und
Durchführungsarten (auch: Missbrauch)
Koalitionsvertrag 2013 –
„Weiterentwicklung“ der Arbeitnehmerüberlassung:
•
Höchstüberlassungsdauer 18 Monate
•
tariflich oder betrieblich vereinbarte Abweichungen
zulässig
•
Equal-Pay nach 9 Beschäftigungsmonaten im
Entleiherbetrieb (branchenunabhängig)
•
Streikbruchverbot
•
grundsätzliche Berücksichtigung bei
betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten
Koalitionsvertrag 2013 –
Verhinderung von Missbrauch bei Werkverträgen:
•
Verhinderung von
„rechtswidrigen Vertragskonstruktionen“
•
Kompetenzerweiterung Schwarzarbeitskontrolle
•
Informationsrechte Betriebsrat
•
keine Besserstellung bei Vorlage einer
Verleiherlaubnis
•
Abgrenzung anhand Kriterien des ordnungsgemäßen
und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatzes
II. Überblick Arbeitnehmerüberlassung
Definition
Arbeitnehmerüberlassung
AÜ ist die im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit
erfolgende Überlassung von Arbeitnehmern zur
Arbeitsleistung an einen Dritten, die dieser nach seinen
Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene
Arbeitnehmer einsetzt.
Abgrenzung zu anderen Vertragsarten
Werkvertrag
Dienstvertrag
Abordnung
Bedienpersonal
Arbeitsvermittlung
Risiken bei fehlerhafter Arbeitnehmerüberlassung:
•
Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum
„Entleiher“
•
Ordnungswidrigkeit nach § 16 AÜG
bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung des
„Verleihers“ (§ 1 AÜG) oder verdeckter Überlassung
Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen
Verleiher
Arbeitsvertrag
Zeitarbeitnehmer
Verleihvertrag
Entleiher
tatsächliche Überlassung
Verleihvertrag
Verleiher
Entleiher
Verleiher verpflichtet sich zur zeitweisen
Überlassung von Arbeitnehmern mit bestimmter
Qualifikation gegen Entgelt
Arbeitsvertrag
Verleiher
Zeitarbeitnehmer
„Normaler“ Arbeitsvertrag
Besonderheit:
Verpflichtung zur Arbeitsleistung bei Dritten
tatsächliche Überlassung
Entleiher
Zeitarbeitnehmer
•
bleibt Arbeitnehmer des Verleihers
•
arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht für Entleiher
•
Zeitarbeitnehmer in Rechtsstellung der
Stammbelegschaft stark angenähert
•
Direktionsrecht geht auf Entleiher über
Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen
Verleiher
Arbeitsvertrag
Zeitarbeitnehmer
DR
Verleihvertrag
Entleiher
tatsächliche Überlassung
Direktionsrecht (Weisungsrecht):
Nähere Bestimmung der im Arbeitsvertrag nur
rahmenmäßig beschriebenen Leistungspflicht des
Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach
- Zeit
- Art und
- Ort der Leistung
Rechtsgrundlage: § 315 Abs. 1 BGB, § 106 GewO
vorgegebene Grenze des Direktionsrechts:
Ausübung nach „billigem Ermessen“
Das Direktionsrecht umfasst in der Praxis im Kern:
•
Zuweisung eines betrieblichen Arbeitsplatzes
•
Befugnis zur Übertragung konkreter
Arbeitsaufgaben
•
Einteilung in bestimmte Schichten/
Arbeitszeitmodelle
III. Gesetzesänderungen und aktuelle
Rechtsprechung AÜ
„Vorübergehend“ - § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG
„Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt
vorübergehend.“
Arbeitsrechtlich berührte Bereiche:
Individualarbeitsrecht
Betriebsverfassungsrecht
Individualarbeitsrecht
Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung –
BAG Urt. v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13
• keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem
Entleiherbetrieb bei Vorliegen einer AÜ-Erlaubnis
• mangels planwidriger Lücke keine Analogie
Betriebsverfassungsrecht
Einsatz von Zeitarbeitnehmern –
Zustimmungsverweigerung („vorübergehend“) –
BAG Beschl. v. 10.07.2013 – 7 ABR 91/11
• „vorübergehend“ ist nicht bloß Programmsatz,
sondern Verbotsvorschrift
• BR kann Zustimmung verweigern, wenn Überlassung
nicht bloß vorübergehend
• keine Zeitschranke genannt!
Betriebsverfassungsrecht
Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern auf
Dauerarbeitsplätzen –
LAG Schleswig-H. Beschl. v. 08.01.2014 – 3 TaBV 43/13
• Zustimmungsverweigerungsrecht des BR bei
Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern auf
Dauerarbeitsplätzen
„Drehtürklausel“ - § 3 Abs. 1 Ziff. 3 AÜG
6-Monats-Sperre für Abweichung vom Equal-Pay bei
vormals beim Entleiher beschäftigten Zeitarbeitnehmern
Information über freie Arbeitsplätze – § 13 a AÜG
•
•
•
•
•
durch Entleiher für seinen Betrieb
möglich durch allgemeine Bekanntgabe an
geeigneter Stelle
keine Vorrangregelungen für Einstellung
kein Einstellungsanspruch
bußgeldbewehrt
Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten
– § 13 b AÜG
•
•
•
gleiche Bedingungen wie Stammbelegschaft
unterschiedliche Behandlung aus sachlichen
Gründen gerechtfertigt
Beispiele:
Kinderbetreuung, Kantine,
Beförderungsmittel
III. Werkverträge
Werkverträge § 631 BGB
•
Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur
Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller
zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung
verpflichtet.
•
Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die
Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch
ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung
herbeizuführender Erfolg sein.
„Maßschuhe, Diesellokomotiven und Industrieanlagen
werden in Deutschland nach den selben Vorschriften
hergestellt.“
Kernmerkmale eines Werkvertrags:
•
geschuldet wird Erfolg, nicht Bemühen
•
Abnahme des Werks
•
Auftragnehmer erledigt in Eigenverantwortung
•
Auftragnehmer erledigt mit eigenen Arbeitsmitteln
Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen
Werkunternehmer
Arbeitsvertrag
Arbeitnehmer des
Werkunternehmers
DR
Werkvertrag
Werkbesteller
Einsatz im Rahmen des
Werkvertrags
Abgrenzung von Arbeits- und Werkvertrag –
BAG Urt. v. 25.09.2013 – 10 AZR 282/12
1. Ein Werkunternehmer ist selbständig. Er organisiert
die für die Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs
notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen
Voraussetzungen und ist für die Herstellung des
geschuldeten Werks gegenüber dem Besteller
verantwortlich.
•
•
•
•
selbständige Organisation
Eigenverantwortung
kein Direktionsrecht
abgrenzbares, als eigene Leistung zurechenbares Werk
2. Ob ein Werkvertrag, ein Dienst- oder ein
Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche
Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen
für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch
abbedungen werden, dass Parteien ihrem
Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben.
• tatsächliche Durchführung maßgeblich
• vertragliche Einkleidung nicht entscheidend
3. Richten sich die vom Auftragnehmer zu
erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen
Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein
Indiz gegen eine werk- und für eine
arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa wenn mit
der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt,
Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit
entschieden wird. Wesentlich ist, inwiefern
Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem
Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig
organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist.
• Bedarfsabhängigkeit vom Auftraggeber
• keine Eingliederung in einen bestellerseitig
organisierten Produktionsprozess
• selbständige Organisation
• Eigenverantwortung
• kein Direktionsrecht
• abgrenzbares, als eigene Leistung zurechenbares Werk
• tatsächliche Durchführung maßgeblich
• vertragliche Einkleidung nicht entscheidend
• Bedarfsabhängigkeit vom Auftraggeber
• keine Eingliederung in einen bestellerseitig
organisierten Produktionsprozess
Beispiel 1:
Ein Herbststurm entblättert das Dach der Halle 5 der Firma
Schröder GmbH. Die Dachdeckerei Petersen GmbH wird
mit der Schadensbeseitigung beauftragt. Geschäftsführer
Schröder steht an der Halle und gibt den fünf Dachdeckern
der Firma Petersen aufgeregt Anweisungen, wie das Dach
am besten zu reparieren sei.
Beispiel 2:
Die Personaldienstleistung GmbH wird mit dem
eigenständigen Betrieb des Bereichs Lager/Logistik der
Schröder GmbH beauftragt. Dort arbeiten ausschließlich
Mitarbeiter der P GmbH mit eigenen Vorgesetzten. Bei
Problemen und Auftragsanpassungen wendet sich
Schröder an die Geschäftsführung der P GmbH. Diese
erteilt dann Anweisungen an die Mitarbeit vor Ort.
Beispiel 3:
Beim Einzelhändler Schwedenmode GmbH arbeiten
Mitarbeiter der S GmbH mit Mitarbeitern der
Personaldienstleister GmbH im Rahmen eines
Werkvertrags in den Filialen Hand in Hand. Der
Personalstand der P-Mitarbeiter ist abhängig von Urlaub,
Krankheit usw. der Stammbelegschaft. Was gemacht
werden soll, teilt den P-Mitarbeitern entweder die PGmbH mit oder auch häufiger Mitarbeiter/Vorgesetze der
S direkt.
Filiale A
Personaldienstleister P
P1
P2
P3
Filiale B
F1
F2
F3
V
Personaldienstleister P
V
P1
P2
P3
Filiale C
F1
F2
F3
V
Personaldienstleister P
V
P1
P2
P3
Diskutierte Fallgruppen verdeckter AÜ:
• zwischengeschaltete Aufsichtsperson
(bloße Weitergaben von Weisungen)
• Rahmenvertrag mit Einzelbestellungen
• „Atomisierung“ in kleinste Leistungspäckchen
• Verlagerung von Weisungen in den Werkvertrag
• Weisungsfreie Tätigkeit im Fremdunternehmen
Weitere Merkmale, die gegen das Vorliegen eines
Werkvertrags sprechen können:
• keine Haftung für Ergebnis der Arbeiten
• Identität der Arbeitsleistung zu der von Stammpersonal
• Verwendung von Werkzeug und Material des
Werkbestellers
• Vergütung nach Zeiteinheiten
Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung –
BAG Urt. v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13
Analogie zu Werkverträgen denkbar?
„Rechtsfolge einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines Werkvertrags“
Rechtsfolgen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung im
Rahmen eines Werkvertrags:
•
Begründung eines Arbeitsverhältnisses bei
Nichtvorliegen einer AÜ-Genehmigung
•
Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche
Mitbestimmungsrechte – keine Einstellungsanhörung
•
Ordnungswidrigkeiten § 16 AÜG
Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem
(Werk-)Auftraggeber bei Arbeitnehmerüberlassung trotz
vorsorglicher Überlassungsgenehmigung –
LAG Baden-W. Urt. v. 03.12.2014 – 4 Sa 41/14
• widersprüchliches Verhalten führt zur Rechtsfolge des
Entstehen eines Arbeitsverhältnisses
• Überlassungsgenehmigung hilft nicht gegen
Rechtsfolge des Entstehens des Arbeitsverhältnisses
• Berufung auf Überlassungsgenehmigung ist
unzulässig, AV mit „Verleiher“ nichtig
Keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem
(Werk-)Auftraggeber bei Arbeitnehmerüberlassung bei
vorsorglicher Überlassungsgenehmigung –
LAG Baden-W. Urt. v. 07.05.2015 – 6 Sa 78/14 (Revision)
• keine Rechtsfolge des Entstehen eines
Arbeitsverhältnisses mit Werkauftraggeber
• AV mit „Verleiher“ ist gültig
Kernvoraussetzungen einwandfreier werkvertraglicher
Handhabungen:
•
organisatorisch-funktionale Abgrenzbarkeit
(Isolation statt Integration)
•
keine Ausübung von arbeitsrechtlichen Weisungen
Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen
Werkunternehmer
Arbeitsvertrag
Arbeitnehmer des
Werkunternehmers
DR
Werkvertrag
Werkbesteller
Einsatz im Rahmen des
Werkvertrags
IV. Ausblick
Arbeitsrechtlich berührte Bereiche durch die Änderung
in § 1 Abs. 1 AÜG – „vorübergehend“:
Individualarbeitsrecht
Betriebsverfassungsrecht
Koalitionsvertrag 2013 –
„Weiterentwicklung“ der Arbeitnehmerüberlassung:
•
Höchstüberlassungsdauer 18 Monate
•
tariflich oder betrieblich vereinbarte Abweichungen
zulässig
•
Equal-Pay nach 9 Beschäftigungsmonaten im
Entleiherbetrieb (branchenunabhängig)
•
Streikbruchverbot
•
grundsätzliche Berücksichtigung bei
betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten
Koalitionsvertrag 2013 –
Verhinderung von Missbrauch bei Werkverträgen:
•
Verhinderung von
„rechtswidrigen Vertragskonstruktionen“
•
Kompetenzerweiterung Schwarzarbeitskontrolle
•
Informationsrechte Betriebsrat
•
keine Besserstellung bei Vorlage einer
Verleiherlaubnis
•
Abgrenzung anhand Kriterien des ordnungsgemäßen
und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatzes
Von der Rechtsprechung zu erwartende Trends:
•
weitere Aufwertung betriebsverfassungsrechtlicher
Mitbestimmungsrechte bei AÜ und Werkvertrag
•
weiter verkomplizierende Differenzierung der
Abgrenzungskriterien zwischen AÜ und Werkvertrag
•
Ausweichen auf Punkt, ab dem der Gesetzgeber
gefordert wäre