Religionsphilosophie Vorlesung Prof. Dr. Miriam Rose WiSe 2012/13 Wiederholung o. Wie „löst“ Leibniz das Theodizee-Problem? 1.Wie stellt Kant das Verhältnis von Moral und Religion dar? 2. Was hat Religion mit dem Begriff „Zweck“ zu tun? 3. Wie heißt die zentrale Schrift Kants zur Religion? 2 Schleiermachers frühe Religionstheorie 3 Diskurskontext - Kants Religionsphilosophie - Aufklärungsdiskurse, insbesondere über Natürliche Religion - Jacobi - Frühromantische Religionsdiskurse 4 Friedrich Schleiermacher 1768-1834 5 Religionsbegriff der „Reden“ „Sie muss doch etwas Eigenes sein, was in der Menschen Herz hat kommen können, etwas Denkbares, wovon sich ein Begriff aufstellen läßt, über den man reden und streiten kann, Und ich finde es sehr unrecht, wenn Ihr selbst aus so disparaten Dingen etwas Unhaltbares zusammennähet, das Religion nennt.“ 6 Religionsbegriff der „Reden“ „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ 1799 7 Religionsbegriff der „Reden“ Metaphysik: will das Universum seiner Natur nach bestimmen und erklären Moral: will aus Kraft des Freiheit es Menschen das Universum fortbilden und gestalten; sie entwickelt ein System von Pflichten Religion: das Universum anschauen, sich von ihm ergreifen lassen 8 Religionsbegriff der „Reden“ „Ihr Wesen ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl.“ 9 Religionsbegriff der „Reden“ „Religion ist Sinn und Geschmack für das Unendliche“ 10 Religionsbegriff der „Reden“ „und so alles Einzelne als einen Teil des Ganzen, alles Beschränkte als eine Darstellung des Unendlichen hinnehmen, das ist Religion“ (2. Rede) 11 Religionsbegriff der „Reden“ Strikte Trennung von Religion, Wissen und Moral, aber auch spezifischer Zusammenhang: „Alles eigentliche Handeln soll moralisch sein und kann es auch, aber die religiösen Gefühle sollen wie eine heilige Musik alles Tun des Menschen begleiten; er soll alles mit Religion tun, nichts aus Religion.“ 12 Religionsbegriff der „Reden“ Bezug auf Universum: Anschauen will sie das Universum, in seinen eigenen Darstellungen und Handlungen will sie es andächtig belauschen, von seinen unmittelbaren Einflüssen will sie sich in kindlicher Passivität ergreifen lassen. Religion will im Menschen nicht weniger als in allen anderen Einzelnen und Endlichen das Unendliche sehen, dessen Abdruck, dessen Darstellung. 13 Inhalt I Begriff des Universums - Das Unendliche (Unendlichkeits-Moment) - Die (unendliche) Natur (Zusammenhangs-Moment) - Der Weltgeist (Ordnungsmoment) - Einheit in der Vielheit (Einheitsmoment) - Es handelt, es stellt sich dar, (Aktivitätsmoment) - Ewige Liebe (Positivitätsmoment) 14 Religionsbegriff der „Reden“ Anschauung des Unendlichen im Endlichen - Alles Endliche besteht nur durch die Bestimmung seiner Grenzen, die aus dem Unendlichen gleichsam herausgeschnitten werden müssen. - Symbol und Darstellung des Unendlichen: in Individualität und Mannigfaltigkeit 15 Religionsbegriff der „Reden“ Begriff der Anschauung (des Universums) - Alles Anschauen gründet in einem Handeln des Angeschauten auf den Anschauenden (Beispiel Licht) - Anschauungen stehen je für sich, sie sind jeweils in einem Augenblick unmittelbar und in sich wahr 16 Religionsbegriff der „Reden“ Begriff der Anschauung (des Universums) - Passivitätsmoment - Evidenzmoment / Gewissheitsmoment - Unmittelbarkeitsmoment - Sinnlichkeitsmoment - Zusammenhang mit Gefühl 17 Aufbau der „Reden“ 1. Apologie 2. Über das Wesen der Religion 3. Über die Bildung zur Religion 4. Über das Gesellige in der Religion 5. Über die Religionen 18 Leistung des frühen Religionsbegriffs - Die Eigenständigkeit und damit Unersetzbarkeit der Religion behauptet - Einen neuen Zugang zur Religion eröffnet - Theologie und Romantik/Kunst in Verbindung gebracht - Individualität in der Religion positiv bewertet - Toleranzgedanken und Religion verbunden 19 Probleme des frühen Religionsbegriffs - Begriff des Universums versucht Gottes- und Weltidee (strukturell) zu synthetisieren - Anschauungsbegriff - Beziehung des (religiösen) Gefühls auf andere Gefühle offen 20 Religion als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit DIE GLAUBENSLEHRE Schleiermacher Bewusstseinstheoretische Ausarbeitung, • in: Der christliche Glaube im Zusammenhange dargestellt, 1822/23 und 1830/31 („Glaubenslehre“) • Religionstheorie, die zur Grundlage einer Systematischen Theologie werden kann Schleiermacher Glaubenslehre § 3 • Die Frömmigkeit, welche die Basis aller kirchlichen Gemeinschaften ausmacht, ist rein für sich betrachtet, weder ein Wissen noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewusstseins. Schleiermacher Glaubenslehre § 3 • Die Frömmigkeit, welche die Basis aller kirchlichen Gemeinschaften ausmacht, ist rein für sich betrachtet, weder ein Wissen noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewusstseins. Schleiermacher Glaubenslehre § 3 • Die Frömmigkeit, welche die Basis aller kirchlichen Gemeinschaften ausmacht, ist rein für sich betrachtet, weder ein Wissen noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewusstseins. Schleiermacher • Glaubenslehre § 3 Bewusstsein: Selbstbewusstsein und gegenständliches Bewusstsein Unmittelbares und gegenständliches Selbstbewusstsein Beispiel: Versus: Freude / Leid Selbstbilligung / Selbstmissbilligung Schleiermacher §3 • Die Frömmigkeit, welche die Basis aller kirchlichen Gemeinschaften ausmacht, ist rein für sich betrachtet, weder ein Wissen noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewusstseins. • Überprüfung: Frömmigkeit als ein Wissen; als ein Tun, als eine Verbindung von Wissen, Tun, Gefühl Schleiermacher §3 • Die Frömmigkeit, welche die Basis aller kirchlichen Gemeinschaften ausmacht, ist rein für sich betrachtet, weder ein Wissen noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewusstseins. Plausibilisierung des gefühlstheoretischen Frömmigkeitsbegriffs aus sich heraus: Es gibt Gefühle, die wir als solches als fromm beschreiben: Reue, Zerknirschung, Hoffnung, Vertrauen auf Gott Schleiermacher Glaubenslehre § 4 • Das Gemeinsame aller noch so verschiedenen Äußerungen der Frömmigkeit, wodurch diese sich zugleich von allen anderen Gefühlen unterscheiden, also das sich selbst gleiche Wesen der Frömmigkeit , ist dieses, daß wir uns unsrer selbst als schlechthin abhängig, oder, was dasselbe sagen will, als in Beziehung mit Gott bewußt sind. Schleiermacher Glaubenslehre § 4 • Das Gemeinsame aller noch so verschiedenen Äußerungen der Frömmigkeit, wodurch diese sich zugleich von allen anderen Gefühlen unterscheiden, also das sich selbst gleiche Wesen der Frömmigkeit , ist dieses, daß wir uns unsrer selbst als schlechthin abhängig, oder, was dasselbe sagen will, als in Beziehung mit Gott bewußt sind. Schleiermacher Glaubenslehre § 4 • Duplizität des Selbstbewusstseins: Empfänglichkeit und Selbsttätigkeit • Bewusstsein der Wechselwirkung • Bewusstsein relativer Freiheit und relativer Abhängigkeit Schleiermacher Glaubenslehre § 4.3 • „Allein eben das unsere gesamte Selbsttätigkeit, also auch, weil diese niemals Null ist, unser ganzes Dasein begleitende, schlechthinnige Freiheit verneinende Selbstbewußtsein ist schon an und für sich ein Bewußtsein schlechthinniger Abhängigkeit; denn es ist das Bewußtsein, daß unsere ganze Selbsttätigkeit ebenso von anderwärts her ist, wie dasjenige ganz von uns her sein müßte, in Bezug worauf wir ein schlechthinniges Freiheitsgefühl haben. Ohne alles Freiheitsgefühl aber wäre ein schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl nicht möglich.“ Schleiermacher Glaubenslehre § 4 • Das Gemeinsame aller noch so verschiedenen Äußerungen der Frömmigkeit, wodurch diese sich zugleich von allen anderen Gefühlen unterscheiden, also das sich selbst gleiche Wesen der Frömmigkeit , ist dieses, daß wir uns unsrer selbst als schlechthin abhängig, oder, was dasselbe sagen will, als in Beziehung mit Gott bewußt sind. Schleiermacher Leiten Sie daraus Schleiermachers Auffassung vom Gebet ab. Schleiermacher Glaubenslehre § 5 • „Das Beschriebene bildet die höchste Stufe des menschlichen Selbstbewusstseins, welche jedoch in ihrem wirklichen Vorkommen von der niederen niemals getrennt ist, und die die Verbindung mit derselben zu einer Einheit des Momentes auch Anteil bekommt an dem Gegensatz des Angenehmen und Unangenehmen.“ Schleiermacher Worin besteht nun die “Lösung” der drei anfangs genannten Probleme des frühen Religionsbegriffs? Schleiermacher Glaubenslehre § 11 • „Das Christentum ist eine der teleologischen Richtung der Frömmigkeit angehörige monotheistische Glaubensweise, und unterscheidet sich von andern solchen wesentlich dadurch, daß alles in derselben bezogen wird auf die durch Jesum von Nazareth vollbrachte Erlösung.“ Aufbau der Glaubenslehre 1822/23 und 1830/31 Entwicklung des frommen Selbstbewusstsein, wie es in jeder frommen Gemütserregung vorausgesetzt und enthalten ist Selbst Gott Welt Entwicklung des frommen Selbstbewusstseins, wie es durch den Gegensatz von Sünde und Gnade bestimmt ist. Selbst Entwicklung des Bewusstseins Welt der Sünde Gott Selbst Entwicklung des Bewusstseins Welt der Gnade Gott
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