Steht der Datenschutz der schönen, neuen Welt des

13.11.2015
Steht der Datenschutz der
schönen, neuen Welt des
Big Data wirklich im Weg?
Ansichten eines Praktikers
David Rosenthal
10. November 2015
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Das Schreckgespenst …
— Worum geht es?
— Sammeln und Analysieren grosser "Datenhaufen" z.B. im Bereich der
Gesundheit zur Vorhersage von Epidemien oder zum Erkennen von
Zusammenhängen in der Diagnostik
— Möglichkeiten nehmen zwar laufend zu, Big Data gibt es aber seit langem
— Warum ein Thema im Datenschutz?
— Angst, dass aus der Verknüpfung "anonymer" Daten plötzlich Rückschlüsse
auf jeden von uns möglich werden (Möglichkeit der "Re-Identifikation")
— Angst, dass bisher versteckte Dinge über jeden von uns entdeckt werden
— Angst, dass diese Erkenntnisse gegen jeden von uns eingesetzt oder sonst
missbraucht werden
— In solchen Fällen erfolgt regelmässig der Ruf nach einer Verschärfung der
Datenschutzgesetze, um das (gefühlte) Problem zu lösen …
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Die üblichen Lösungsansätze
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Einfach mal verbieten
Technische Lösungen (wie die Vermeidung von Personendaten)
Zwang zu mehr Information und Auskunft
Behördliche Registrier- und Meldepflichten
Zum Einholen einer Einwilligung verpflichten
Mitspracherechte schaffen
Steine in den Weg legen
Zertifizieren lassen
Drakonisch sanktionieren
— Oder: Keine neuen Regeln, aber Bereitstellung genügender Ressourcen, um bei
Hinweisen auf Verletzungen rasch aufklären und intervenieren zu können
— Konzeptionell lässt sich "Big Data" schon mit heutigen Regeln erfassen …
— Branchenspezifische Risiken sinnvoller über Spezialgesetze eindämmen
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Die bestehenden Regeln?
— Im privaten Bereich gibt es drei mögliche Lösungsansätze
— Ansatz 1: Es wird verhindert, dass Personendaten vorliegen Art. 3 DSG
— Datenschutzgesetz (DSG) ist nur auf Personendaten anwendbar
— Ansatz 2: Die Bearbeitungsgrundsätze werden befolgt Art. 4, 5, 7 und 12 DSG
— Prinzip der Zweckbindung
— Prinzip der Verhältnismässigkeit
— Prinzip der Transparenz
— Recht der betroffenen Person, einer Datenbearbeitung zu widersprechen
— Ansatz 3: Die Bearbeitung wird rechtlich gerechtfertigt
— Einwilligung
— Gesetzliche Pflicht
— Überwiegendes privates oder öffentliches Interesse
Art. 13 DSG
— Am Ende ist alles eine Frage der Wertung (das DSG selbst ist wertneutral)
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Personendaten
— Personendaten = jede Information, die sich auf eine bestimmte oder
bestimmbare Person bezieht
— Bestimmbarkeit: Identifizierung muss
— objektiv möglich sein, und
— die Bearbeiter müssen bereit sein,
den Aufwand auf sich zu nehmen
— Besteht die reale Gefahr, dass Daten eines Tages
jemandem zugänglich sind, der sie ganz oder
teilweise bestimmten Personen zuordnen kann?
— Vermeidung durch Einschränkung?
— Vermeidung durch Anonymisierung?
(vgl. dazu https://goo.gl/RrskAC)
— Was ist die "Halbwertszeit" bestimmter Daten?
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Bearbeitungsgrundsätze
— Unproblematisch: Auf die Erhebung der Daten, deren Verwendungszweck und
die sonstigen wesentlichen Parameter der Datenbearbeitung wurde bei der
Erhebung hingewiesen
— Problematisch: Einst nur für den Zweck A erhobene Personendaten erweisen
sich neu als interessant für den Zweck B und sollen hierfür ausgewertet werden
— z.B. Auswertung von Kundentransaktionen für geschäftsfremde Zwecke
— Und eine vorgängige Anonymisierung? Auch sie ist eine "Bearbeitung" …
— Problematischer: Anonymisiert geglaubte Daten werden mit Dritten geteilt;
dann wird plötzlich eine Re-Identifikation der Daten möglich und realistisch
— z.B. de-identifizierte Handy-Bewegungsdaten (vgl. dazu http://goo.gl/f23gkF)
— Jede weitere Bearbeitung unterliegt fortan dem DSG
— War die vorgängige Bekanntgabe eine unerlaubte Bearbeitung?
— Sind Massnahmen auch bezüglich anonymisierter Daten erforderlich?
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Rechtfertigung
— Persönlichkeitsverletzungen sind zulässig, sofern sie durch Einwilligung, Gesetz
oder überwiegendes privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt sind
— Einwilligung: Der Betroffene muss über beabsichtigte Bearbeitung im Bilde
gewesen sein, da seine Einwilligung sonst ungültig ist (Art. 4 Abs. 5 DSG)
— Aber: Einwilligungen können grundsätzlich jederzeit widerrufen werden
— Gesetz: Nur wenige Fälle (z.B. Geldwäscherei)
— Überwiegende private Interessen des Datenbearbeiters fallen nach Art. 13
Abs. 2 DSG insbesondere in Betracht wenn …
— In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung
eines Vertrags über ihren Vertragspartner bearbeitet werden (Bst. a), oder
— Personendaten werden zu nicht personenbezogenen Zwecken insb. in der
Forschung, Planung und Statistik bearbeitet und die Ergebnisse so
veröffentlich, dass die Betroffenen nicht mehr bestimmbar sind (Bst. e)
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Überwiegende Interessen?
— Scope: Es können nicht nur wirtschaftliche Interessen des Datenbearbeiters
selbst berücksichtigt werden, sondern die Interessen aller Personen
— Auch die Interessen der betroffenen Personen und anderer Personen sowie
der Öffentlichkeit können berücksichtigt werden
— z.B. zur Bekämpfung von Missbräuchen vorgenommene Analysen
— Gewichtung: Je stärker die Bearbeitung eingeschränkt wird und je geringer die
Verletzung der Persönlichkeit ausfällt, desto eher lässt sie sich rechtfertigen
— z.B. nicht personenbezogene Auswertung sind leichter zu rechtfertigen, wenn
die Daten frühzeitig anonymisiert und vor Fremdzugriffen geschützt sind
— Genügt ein überwiegendes Interesse oder braucht es noch mehr?
— Beispiel: Sollen Krankenkassen Daten, die sie schon verarbeiteten und ihnen
an sich zugänglich sind, nutzen, um die Gesundheit und Gesundheitsversorgung
der Schweizer Bevölkerung zu verbessern? Falls ja, unter welchen Umständen?
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Alles Wertungsfragen …
— Wie werten wir im Datenschutz?
— Chancen, Risiken
— Hoffnungen, Ängste
— Nutzen, Kosten
— Interessen
— Eine Frage des Bauchgefühls, der Überzeugung …
— Wissen wir jeweils wirklich, …
— Was die betroffenen Personen wollen?
— Welche Risiken mit Personendaten und der Möglichkeit deren Bearbeitung
verbunden sind?
— Was die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensschwere ist oder stützen wir
uns in unserer Wertung vor allem auf diffuse Ängste und nicht repräsentative,
aber öffentlichkeitswirksame Einzelfälle?
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Empfehlungen
— Sich nicht nur um die Legalität des Vorhabens kümmern, sondern auch um
dessen Legitimität
— Legalität: Anonymisierung von Daten? Transparenz? Rechtfertigungsgrund?
— Legitimität: Der gefühlte Datenschutz? (vgl. dazu http://goo.gl/8Y52O0)
— Es kann nötig sein, weiter zu gehen, als das DSG dies an sich erfordert
— Mögliche Datenschutzrisiken identifizieren und Massnahmen vorsehen
— Es gibt keine Absolution – es bleibt eine "risk based decision"
— Legal Opinion eines Datenschutzexperten ist kein Garant
— Comfort Letter der Behörden birgt zusätzliche Risiken (z.B. prüft der EDÖB
Vorhaben tw. nach strengeren bzw. anderen Regeln als im DSG vorgesehen)
— Bereitschaft, Anpassungen und Abstriche am Vorhaben vorzunehmen
— Kommunikation ist wesentlich
— Schrittweise vorgehen bzw. in kleinem Kreis anfangen
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Was kommt noch?
— Projekt zur Schaffung einer Datenschutzgrundverordnung in der EU
— Modernisierung der Konvention 108 des Europarats
— Arbeiten zur Revision des DSG
— Evaluationsbericht und Expertenpapier gibt es; Vorentwurf bis August 2016
— Womit muss (mindestens) gerechnet werden?
— Gendaten und biometrische Informationen neu als besonders schützenswert
— Einwilligung muss "free, specific, informed and unambiguous" sein
— Ausbau der Informationspflichten (z.B. neu auch Rechtsgrundlagen, Rechte)
— Auskunftspflicht neu auch betr. Berechnungsweise von Resultaten
— Recht auf Anhörung durch Menschen bei computergestützten Entscheiden
— Datenverluste neu meldepflichtig
— Pflicht zur vorgängigen Durchführung von "Privacy Impact Assessments"
— Einführung von Verwaltungssanktionen, EDÖB soll verfügen können
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
David Rosenthal
[email protected]
T +41 43 222 10 00
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