EU-Datenschutzgrundverordnung – Auswirkungen

RECHT
EU-Datenschutzgrundverordnung –
Auswirkungen für Schweizer Unternehmen
RA Anselm Filliger
N
achdem mit dem Paukenschlag
vom 6. Oktober 2015 der Gerichtshof der Europäischen Union
(EUGH) das zwischen der EU und der
USA bestehende «Safe Harbor»-Abkommen ausser Kraft setzte – und der EDÖB
in der Folge betreffend das Schweizer «Safe
Harbor»-Abkommen ebenfalls der Ansicht
war, dass dieses keine genügende Grundlage mehr für einen Datentransfer in die
USA bildet – folgte vergangenen Dezember ein weiterer, sich jedoch schon in län-
38
Im Dezember 2015 wurde die endgültige Fassung der
Datenschutzgrundverordnung der EU präsentiert. Die
nachfolgenden Ausführungen dieses Artikels werden kurz die
Neuerungen dieses europäischen Regelwerks und allfällige
Konsequenzen für Schweizer Unternehmen skizzieren.
gerer Vorbereitung befindender Schritt zu
einem stärkeren und strengeren europäischen Datenschutz – und wie beim «SafeHarbor-Entscheid» des EUGH stellt sich
die Frage, welche Auswirkungen dies auf
den Schweizer Datenschutz und damit auf
Schweizer Datenbearbeiter zeitigen wird.
Europäischer Datenschutz
Ausgangspunkt für die neu geschaffene
Datenschutzgrundverordnung war der
Gedanke der Harmonisierung der Rechtsgrundlagen für und innerhalb der EU.
Bisher wurde der Datenschutz innerhalb
der EU insbesondere über die Richtlinie
95/46 verfolgt, wobei jedoch eine entsprechende Umsetzung der Vorgaben dieser
Richtlinie in den verschiedenen EU-Ländern aber nicht zwingend einheitlich erfolgen musste. Durch die neue Datenschutzgrundverordnung wird nun ein
einheitliches Instrument geschaffen, das
eine Harmonisierung der Rechtsgrund-
IT business 1/2016
RECHT
lagen schafft, was zu einer Erhöhung der
Rechtssicherheit führen und dadurch
auch den innerhalb der EU stattfindenden grenzüberschreitenden Datenverkehr
erleichtern soll – kurz: das Ziel eines einheitlich geregelten und dadurch gestärkten
digitalen Binnenmarktes. Auf der anderen
Seite sollen diese einheitlichen Regeln aber
auch dazu führen, dass der Einzelne innerhalb des Binnenmarktes gleich behandelt wird, er überall den gleichen Schutz
geniesst und dem Einzelnen damit mehr
Kontrolle über seine Daten verschafft wird
(Art. 1 Abs. 1 EU-DSGVO: «This regulation lays down rules relating to the protection of individuals with regard to the processing of personal data and rules relating
to the free movement of personal data»).
Die vorgenannten Ziele und Ansprüche
führen zu Neuerungen und Konkretisierungen, die unter anderem auch neue betriebsinterne Massnahmen von den Unternehmen verlangen.
Verstärkung der Rechte
der Betroffenen
So soll der Einzelne besser informiert werden, was mit seinen Daten überhaupt geschieht – es kommt also zu einem Ausbau
der Informationsrechte. Hierzu sieht die
neue Verordnung neben den bereits bestehenden Auskunftsrechten der Betroffenen
auch eine proaktive Informationspflicht
des Datenbearbeiters vor (Art. 14 EU-DSGVO). Dem selben Transparenzgedanken
verpflichtet ist die Bestimmung (Art. 12 EUDSGVO), dass die Informationen, die sich
auf eine Datenbearbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht
zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache («using a clear and plain language») zu übermitteln sind. Allfällige AGB
und andere Vertragsdokumente haben also
in einer äusserst kundenfreundlichen und
leicht verständlichen Sprache verfasst zu
sein. Neben diesen erweiterten Transparenzbestimmungen soll zudem das Recht auf Löschung («Recht auf Vergessenwerden») verbessert werden (Art. 17 EU-DSGVO).
Förderung des technischen
Datenschutzes
Nicht gesetzliche Normen allein sollen einen guten Datenschutz garantieren, sondern daneben soll insbesondere vorbeugend ein technischer Datenschutz zur
IT business 1/2016
Anwendung kommen (u. a. Möglichkeiten
der Anonymisierung). Ganz dem Grundgedanken von Lawrence Lessig entsprechend, dass im Cyberraum der geschaffene
«Code» und die entsprechende Architektur das eigentliche (Natur-)Gesetz darstellt
– und hier entsprechende Normen die Gestaltung dieser Architektur im Sinne des
Datenschutzes beeinflussen sollen. Insbesondere dahingehend, dass es damit zu
einer «privacy by design and by default»
kommt (Art. 23 EU-DSGVO).
Überwachung der
Datenschutzcompliance
Die vorstehend beschriebenen Pflichten
führen auch dazu, dass die DatenschutzCompliance für die Datenbearbeiter ausgeweitet wird. Die Überwachung derselben
kann von einem betriebsinternen Datenschutzbeauftragten übernommen werden
(Art. 35 EU-DSGVO): Dieser hat dann die
Aufgabe, die entsprechenden Massnahmen im Unternehmen einzuführen und
zu kontrollieren. Die Pflicht zur Ernennung eines solchen betriebs­internen (aber
dennoch unabhängigen) Datenschutzbeauftragten trifft insbesondere Unternehmen, deren Kerntätigkeit in der Verarbeitung von Personendaten besteht.
Höhere Strafen
Die Nichteinhaltung der entsprechenden
Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung kann zu empfindlichen Strafen führen. So ist bei bestimmten Verstössen eine
Strafe von bis zu EUR 20 Mio. oder 4 %
des (gesamten weltweiten) Jahresumsatzes vorgesehen (Art. 79 f. EU-DSGVO).
Was hat das mit
der Schweiz zu tun?
Grundsätzlich hat die neue Datenschutzgrundverordnung der EU keine direkte Einwirkung auf Schweizer Datenbearbeiter. Zu
beachten sind aber die folgenden zwei Punkte:
Der räumliche
Anwendungsbereich der
Datenschutzgrundverordnung
Erstens: Die Verordnung sieht in Art. 3 eine
bedeutsame Erweiterung des räumlichen
Anwendungsbereiches vor. Nach dieser Be-
stimmung sind nicht nur Datenbearbeiter
innerhalb der EU der Verordnung unterstellt, sondern auch ausländische Datenbearbeiter können unter die Bestimmungen
der Datenschutzgrundverordnung fallen:
insbesondere dann, wenn der betreffende
Datenbearbeiter Personendaten von in der
EU ansässigen Personen bearbeitet. Sobald
ein ausländischer Datenbearbeiter unter die
Bestimmung von Art. 3 EU-DSGVO fällt,
hat er zudem einen entsprechenden Vertreter innerhalb der EU zu bestellen (Art. 25
EU-DSGVO), welcher in einem der EUMitgliedstaaten niedergelassen sein muss
und als Anlaufstelle für sämtliche Anfragen
im Zusammenhang mit der Verarbeitung
personenbezogener Daten dient.
Revision des DSG
Zweitens: Neben der vorstehend beschriebenen Ausweitung des räumlichen Anwendungsbereichs der EU-Datenschutzgrundverordnung und den daraus folgenden
Konsequenzen ist ebenfalls zu beachten, dass
auch wenn das Recht der EU in der Schweiz
nicht direkt anwendbar ist, der Schweizer
Gesetzgeber dennoch eine Anpassung an das
(Datenschutz-)Recht der EU suchen wird,
um nicht in den Augen der EU als nicht datenschutzkonforme – und damit vom digitalen Binnenmarkt ausgeschlossene – Insel
zu gelten. So hat das EJPD in seiner Medienmitteilung vom April 2015 betreffend
die kommende Revision des Schweizer Datenschutzgesetzes (DSG) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Reformen auf europäischer Ebene berücksichtigt werden. Das
EJPD wurde vom Bundesrat beauftragt, bis
spätestens Ende August 2016 einen Vorentwurf für eine Revision des DSG vorzustellen.
Zu ergreifende Massnahmen
Die Datenschutzgrundverordnung tritt per
Anfang 2018 in Kraft. Die entsprechenden Schweizer Unternehmen, die unter den
räumlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen, haben damit zwei Jahre Zeit,
nach den vorgängig vorzunehmenden Abklärungen die entsprechenden Massnahmen
zu implementieren. Für die übrigen Unternehmen gestaltet sich der Zeitplan noch
nicht so dicht, da noch nicht abzusehen ist,
wann das revidierte DSG in Kraft treten wird
– umsichtige Unternehmen stellen sich jedoch auch schon vorab auf die kommenden
Änderungen und Anforderungen ein. ■
39