OGH aktuell – Auf einen Blick! 2016/1 Nicht alle hier angeführte Entscheidungen sind bereits im ris veröffentlicht. EinbruchsdiebstahlsV; Gefahrerhöhung; Glückspielautomat VersVG §§ 23 ff: Ob das Aufstellen eines Glückspielautomaten in einem Lokal geeignet ist, eine Gefahrerhöhung zu bewirken, bleibt offen. Jedenfalls nur unerhebliche Gefahrerhöhung, wenn der erzielte Umsatz jeden Abend aus dem Gerät entnommen wird und die leere Geldlade durch ein Fenster auch von außen sichtbar offengelassen wird. OGH 2.7.2015, 7 Ob 98/15k KaskoV; unmittelbare Einwirkung Hochwasser; „Wasserschlag“ AKKB 2007 Art 1 Z 1 lit a: Fährt ein Fahrzeug in einen überschwemmten Strassenbereich ein, was zu einem Motorschaden wegen Wasserschlags führt, liegt keine unmittelbare Einwirkung des Elementarereignisses Hochwasser vor. Das Hochwasser ist nämlich in diesem Fall nicht einzige oder letzte Ursache des Schadens. ABGB § 864a; AKKB 2007 Art 1 Z 1 lit a: Die nur die unmittelbare Einwirkung von Naturgewalten umfassende primäre Risikobeschreibung ist keine überraschende, ungewöhnliche Klausel. OGH 10.6.2015, 7 Ob 86/15w KaskoV; Rettungsobliegenheit; GPS-Ortungssystem VersVG § 62: Den VN trifft die Obliegenheit, den Eintritt des Versicherungsfalls durch zumutbare Maßnahmen unverzüglich möglichst abzuwenden und den Schaden möglichst zu mindern, auch wenn der Erfolg der Maßnahmen zweifelhaft ist. Die Rettungsobliegenheit gilt zeitlich unbeschränkt. Zumutbar ist, was ein nicht Versicherter mit verkehrsüblicher Sorgfalt unternommen hätte. Die Aktivierung eines GPS-Ortungssystem, dass das Auffinden des gestohlenen Fahrzeugs erleichtern könnte, ist zumutbar, auch wenn dafür Kosten entstehen. Der Versicherer beweist den Verstoß. Der VN beweist das Fehlen groben Verschuldens und der Beweis, welcher Teil des Schadens mit Sicherheit auch bei korrektem Verhalten entstanden wäre (Kausalitätsgegenbeweis). OGH 2.9.2015, 7 Ob 120/15w SturmschadenV; Ausschluss „baufällige Gebäude“; Ausschluss „mangelhafte Errichtung“ ABGB § 914; Besondere Bedingungen für die Versicherung von Wohn- und Bürogebäuden 2007: Die Klausel schließt die Haftung des Versicherers für Schäden wegen Baufälligkeit und wegen mangelhafter Errichtung und Instandhaltung aus. Es handelt sich nicht um eine Instandhaltungsobliegenheit des VN, sondern um einen Risikoausschluss. Die in derselben Ausschlussklausel genannten Kriterien „Baufälligkeit“ und „mangelhafte Errichtung“ müssen nicht kumulativ vorliegen; es handelt sich um zwei 1 unterschiedliche Tatbestände. Baufälligkeit kann auch nach und völlig unabhängig von einer mangelhaften Errichtung eintreten. OGH 2.9.2015, 7 Ob 48/15g Kfz-HaftpflichtV; Überlassung Probefahrtkennzeichen an Dritten KFG § 45 Abs 1; KHVG § 24: Probefahrtkennzeichen sind nur Erzeugungs- oder Handelsbetrieben zugewiesen, die sie nur im Rahmen ihres Betriebs und nur zu Probefahrten verwenden dürfen. Probefahrten dienen der Feststellung der Gebrauchs- oder Leistungsfähigkeit von Kraftfahrzeugen sowie zur Vor- und Überführung. Bei unzulässiger Verwendung des Probefahrtkennzeichens Leistungsfreiheit des Kfz-Haftpflichtversicherers. OGH 9.5.2015, 7 Ob 7/15k Kfz-HaftpflichtV; Probefahrtkennzeichen; Verwendungsklausel; äquivalenzwahrende Obliegenheiten; Probefahrt/Privatfahrt; Aufklärung nach Versicherungsfall; Regress; Mitverschuldenseinwand; Schadensregulierungskosten VersVG § 6 Abs 1a S 1: Um in den Genuss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei äquivalenzwahrenden Obliegenheiten zu gelangen, muss der VN beweisen, dass es sich um eine solche Obliegenheit handelt. Dies liegt nur vor, wenn die vereinbarte Prämie niedriger ist als die für das höhere Risiko tarifmäßig vorgesehene Prämie. AKHB 2007 Art 9.1.1: Der VN hat die Obliegenheit, Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeugs einzuhalten (hier: Probefahrten). KFG § 45 Abs 1; AKHB 2007 Art 9.1.1: Begriff der Probefahrt, Abgrenzung zur Privatfahrt. Die Verwendung von Probefahrtkennzeichen zu privaten Zwecken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ist auch dann unzulässig, wenn mit der Fahrt ein geschäftlicher Hauptzweck verbunden ist (hier: Fahrt vom Wohnort zu Kundentermin, Mitnahme der Ehegattin zur einem auf dem Weg gelegenen Ziel). Lediglich kurze, unvermeidliche Unterbrechungen machen eine Probefahrt nicht zur Privatfahrt. VersVG § 6 Abs 3; AKHB Art 9.3.4: Vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit, unverzüglich und umfassend zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen, wenn der VN nicht angibt, dass er die „Probefahrt“ von seinem Wohnort aus gestartet und seine Gattin mitgenommen habe, um sie unterwegs abzusetzen. KHVG § 24 Abs 4; ABGB § 1304: Der VN kann gegen die Regressforderung des KfzHaftpflichtversicherer ein Mitverschulden seines Unfallgegners einwenden. Das Mitverschulden des Unfallgegners mindert dagegen nicht die Schadenersatzansprüche der ebenfalls geschädigten Beifahrer und damit auch nicht deren auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche. ABGB § 1037; KHVG § 24 Abs 4: Dem Versicherer stehen im Regressfall auch Schadensregulierungskosten in Höhe des dem Haftpflichtigen verschafften klaren und überwiegenden Vorteil zu. Das Mitverschulden des Unfallgegners spielt in Bezug auf diesen Anspruch keine Rolle. OGH 2.7.2015, 7 Ob 81/15k 2 PflichthaftpflichtV Versicherungsvermittler; Agent; Mehrfachagent; Makler; Anscheinsmakler VersVG § 43, §§ 158b ff; MaklerG § 26 Abs 1; GewO §§ 137 ff, § 137 Abs 2, § 137c: Der Haftpflichtversicherungsschutz des Versicherungsvermittlers kann wirksam auf die Tätigkeit als Makler oder die Tätigkeit als Agent eingeschränkt werden. Der Haftpflichtversicherer haftet nur im Rahmen sachlicher, zeitlicher und örtlicher Grenzen der von ihm übernommenen Gefahr. GewO § 137f, § 137f Abs 1, Abs 2, Abs 3, Abs 9; MaklerG § 26 Abs 1, § 28 Z 3: Zum Umfang der Deklarations- und Offenlegungspflichten des Versicherungsvermittlers, insbesondere des Mehrfachagenten. Wenn ein Mehrfachagent seine Deklarations- und Offenlegungspflichten gegenüber dem Kunden erfüllt, ist eine Maklertätigkeit hinsichtlich der mit ihm verbundenen Versicherungsunternehmen ausgeschlossen; in diesem Fall handelt er in Bezug auf den konkreten Vertrag wie ein Einzelagent. Sobald ein Mehrfachagent jedoch signalisiert, für den Kunden eine ausgewogene Marktuntersuchung (§ 137f Abs 9) vorzunehmen und das den Kundenbedürfnissen am besten entsprechende Produkt auszuwählen, tritt er als Makler auf. Erklärt sich der Kunde damit zumindest schlüssig einverstanden, kommt ein Maklervertrag zustande. Spätestens in dem Moment, in dem der Kunde beim Mehrfachagenten nicht nur materiellen Rat in Bezug auf Versicherungsschutz bei einem bestimmten, für den Kunden bereits feststehenden Versicherer sucht, sondern dem Mehrfachagenten auch die Auswahl des Versicherers überlässt, handelt der Agent als Makler (Anscheinsmakler). Er hat in diesem Fall für die Pflichten eines Maklers einzustehen. OGH 2.7.2015, 7 Ob 92/15b RechtsschutzV; Schadenersatz- und Vertragsrechtsschutz; Ausschluss Spekulationsgeschäfte; Fremdwährungskredit ABGB § 914, § 1270, § 1272; ARB 2003 Art 7 Z 1.10: Zur Auslegung des Rechtsbegriffs „Termingeschäft“. ARB 2003 Art 7 Z 1.10: Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind neben Ansprüchen aus Spiel-, Wettund Termingeschäften nur solche Spekulationsgeschäfte, die Termingeschäften ähneln. Die Aufnahme eines endfälligen Fremdwährungskredits (Schweizer Franken) zum Erwerb von Aktien als Tilgungsträger für die Finanzierung eines Genossenschaftsanteils ist kein dem Termingeschäft vergleichbares Spekulationsgeschäft. OGH 26.11.2014, 7 Ob 191/14k RechtsschutzV; Schadenersatz- und Vertragsrechtsschutz; Ausschluss Spekulationsgeschäfte; Fremdwährungskredit ABGB § 914, § 1270, § 1272; ARB 2000 Art 7 Z 1.13: Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind neben Ansprüchen aus Spiel-, Wett- und Termingeschäften nur solche Spekulationsgeschäfte, die Termingeschäften ähneln. Die Aufnahme eines endfälligen Fremdwährungskredits (Schweizer Franken) zur Beschaffung von Wohnraum und Einrichtungsgegenständen ist kein dem Termingeschäft vergleichbares Spekulationsgeschäft. OGH 2.9.2015, 7 Ob 111/15x 3 RechtsschutzV; Schadenersatz- und Vertragsrechtsschutz; Ausschluss Spekulationsgeschäfte; „Pyramidenspiel“; Aufklärungsobliegenheiten ARB 2003 Art 7 Z 1.10: Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind neben Ansprüchen aus Spiel-, Wettund Termingeschäften nur solche Spekulationsgeschäfte, die Termingeschäften ähneln (hier: Investition in „Indices“, wohl in Gestalt eines „Pyramidenspiels“; keine Klärung der Frage, ob eine Termingeschäften ähnliche Spekulation vorlag). VersVG § 6 Abs 3; ARB 2003 Art 8 Z 1.1: Der VN hat den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgetreu über die jeweilige Sachlage aufzuklären. Verstößt er vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen diese Obliegenheit, steht im der Kausalitätsgegenbeweis offen. OGH 10.6.2015, 7 Ob 70/15t UnfallV; Fahrsicherheitstraining gedeckt; Ausschlussfrist Invalidität; Makler als Anscheinsagent VersVG §§ 23 ff, § 179 ff; UVB 2000 Art 5.1.5: Nach der hier maßgeblichen Klausel ist ein auf dem Übungsgelände eines Autofahrerclubs abgehaltenes Fahrsicherheitstraining ohne Wettbewerbscharakter und ohne Zeitnehmung gedeckt. Fehlende Straßenverkehrstauglichkeit des bei Fahrsicherheitstraining auf gesperrter Strecke verwendeten Motorrads muss keine relevante Gefahrerhöhung sein. VersVG § 179 ff; UVB 2000 Art 2 1.1.1, Art 7, Art 8: Die 15-Monatsfrist für die Geltendmachung dauernder Invalidität ist eine Ausschlussfrist. Wird sie versäumt, erlischt der Anspruch auf Invaliditätsabgeltung, auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Die Berufung auf den Fristablauf kann aber unter Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen. VersVG § 43 Abs 1 l Hs, § 179 ff; UVB 2000 Art 2 1.1.1, Art 7, Art 8: Ein Versicherungsmakler ist dem Versicherer als Anscheinsagent zuzurechnen, wenn der Versicherer einen äußeren Tatbestand schafft, aus dem der sorgfältige VN schließen darf, der Versicherer habe den Makler als Versicherungsagent betraut (hier: „Sie werden betreut von …“ und Kontaktdaten des Maklers, aufgedruckt auf Polizze). Eine tatsächliche Betrauung muss nicht vorliegen, es genügt, dass der Makler mit Wissen und Billigung des Versicherers auftritt, als sei er Agent. OGH 16.10.2015, 7 Ob 161/15z UnfallV; kein Versicherungsschutz für bloßes Fahren auf Rennstrecke; keine gesetzwidrige Klausel ABGB § 914; VersVG § 179 ff; AUVB Art 22 Z 2: Auch bloßes Fahren auf Rennstrecken ist nach der hier maßgeblichen AVB-Klausel von der Deckung der Unfallversicherung ausgeschlossen. ABGB § 869, § 864a, § 879 Abs 3: Die Ausschlussklausel ist weder unklar, noch überraschend oder gröblich benachteiligend. OGH 2.9.2015, 7 Ob 132/15k 4 UnfallV; Unfallbegriff; Wespengift-Allergie (Änderung der Rechtsprechung); Gebrechen; Anrechnung Mitwirkungsfaktoren; Sozialversicherung VersVG §§ 179 ff; AUVB 2005 Art 6 Z 1, Z 3: Bisse, Tritte, Stiche und Kratzer von Tieren sind Unfallereignisse. Dazu zählen auch Bisse oder Stiche von Insekten. VersVG §§ 179 ff; AUVB 2005 Art 7, Art 18 Z 1, Z 3: Allergien sind unter den Begriff "Gebrechen" zu subsumieren. Ihr Vorliegen führt daher wie bei diesen zu Abzügen. Allfällige Abzüge betreffen sämtliche Leistungsbestandteile. Die Abzüge können auch 100% betragen. Aus Art 18.3. AUVB 2005 ergibt sich, dass bei der Quantifizierung des Mitwirkungsanteils vom konkreten Versicherungsnehmer und seiner individuellen Körpergestaltung auszugehen ist. Der Versicherer beweispflichtig. ist für Vorliegen und Ausmaß der Mitwirkungsfaktoren ASVG § 175: Die Rechtslage und Judikatur zu § 175 ASVG kann nicht auf eine private, vertraglich vereinbarte Unfallversicherung übertragen werden, deren Grundlage die jeweiligen vereinbarten AVB sind. OGH 2.9.2015, 7 Ob 103/15w LebensV; fehlerhafte Belehrung über Rücktrittsrecht VersVG § 165a Abs 2 idF BgBl I 2004/62, § 165a Abs 2a; ABGB § 863: Ausgehend von der Judikatur des EuGH steht dem VN bei fehlerhafter Belehrung über das Rücktrittsrecht der Rücktritt auch nach Ablauf der gesetzlichen Rücktrittsfrist zu (hier: Rücktritt nach sieben Jahren). In der Bezahlung der Prämien über einen die Frist übersteigenden Zeitraum liegt kein schlüssiger Verzicht auf das Rücktrittsrecht. OGH 2.9.2015, 7 Ob 107/15h 5
© Copyright 2024 ExpyDoc