April 2016 Angedacht von Pastor Jannasch: Von der Kunst, eine Meinung zu bilden Wann haben Sie sich das letzte Mal öffentlich zu etwas bekannt? Unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden werden das in den Konfirmationen diesen Monat tun. Sie werden öffentlich bestätigen, dass sie Christen sind und sein wollen und damit ihr Taufbekenntnis ablegen. Dieses Taufbekenntnis hatten vor Jahren Eltern und Paten für sie gesprochen. Nun tun sie es selbst. Öffentliche Bekenntnisse sind in letzter Zeit sehr leicht geworden. Durch das Internet und soziale Netzwerke kann ich mit wenig Aufwand der ganzen Welt meine Meinung kund tun. Menschen bekennen sich dabei zu vielem: Zu ihrem Fußballverein, zu ihrer Musik, zu einer Freundschaft, zu ihrer Sexualität oder zu einer politischen Richtung. Das ist erst mal eine großartige neue Möglichkeit der Kommunikation. Aber der Ton im Netz wird rauher. Immer mehr läuft über Abgrenzung, ja häufig Beleidigung der jeweils Andersdenkenden. Das geht schnell, wenn ich nur ein paar Klicks brauche, um meine spontane Meinung um den Globus zu schicken und wenn zwischen mir und den Anderen immer der Bildschirm ist. Das Bekenntnis der Konfirmandinnen und Konfirmanden ist wohltuend anders. Es ist zwar öffentlich, wird jedoch zunächst nur von den Menschen die am Gottesdienst teilnehmen gehört. Aber die sind extra gekommen, sind in echt da und nicht nur virtuell. Außerdem wird dieses Bekenntnis in die Gegenwart Gottes hinein gesprochen, in die Unendlichkeit gesagt. Damit hat es eine Art Reichweite, die das Internet niemals erreichen kann. Und es ist gründlich vorbereitet. Über ein Jahr lang haben wir sehr offen mit der ganzen Gruppe über die Gemeinde und den Glauben gesprochen, haben beides erlebt in wachsender Gemeinschaft auf einem gemeinsamen Weg. Ich glaube, das kann uns Vorbild sein, gerade in diesen Zeiten hitziger Debatten und einer drohenden Spaltung unserer Gesellschaft in unversöhnliche Lager: -Sich Zeit zu nehmen für Begegnung, für das Kennenlernen der Anderen und das Reifen meiner eigenen Überzeugungen in offenem Austausch. -Zu hören auch auf das, worauf ich im tiefsten Grunde angewiesen bin und das Gebet wagen. -Öffentlich bekennen was ich glaube und einstehen für meine Überzeugungen – vor echten Menschen überall da, wo ich bin: Zu Hause, in der Schule, bei der Arbeit, im Verein oder auch in der Politik und dann schließlich auch im Netz. Das geht nicht so schnell und kann mich manches bequeme Vorurteil kosten. Aber es ist ein guter Weg sowohl wahrhaftig als auch respektvoll, sowohl offen als auch klar eine Meinung zu bilden und gemeinsam weiter zu kommen. Herzliche Grüße - Ihr Pastor Stephan Jannasch
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