Die Kündigung des Kredites in der Krise des Bankkunden

Die Kündigung des Kredites in
der Krise des Bankkunden
§ 490 Abs. 1 BGB –
Voraussetzungen, Erkenntnisdefizite und Risiken für
den Darlehensgeber
Priv.-Doz. Dr.Thomas Regenfus, RiLG
AUSGANGSSITUATION

Kreditkündigung als Voraussetzung von Titulierung,
Zwangsvollstreckung und Sicherheitenverwertung

Ordentliches Kündigungsrecht
Nur bei unbefristetem Darlehen
 Evtl. Einschränkung aus § 242 BGB


Außerordentliches Kündigungsrecht aus § 314 BGB


Setzt Pflichtverletzung (hier:Verzug) voraus
außerordentliches Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB

trotz pflichtgemäßen Verhaltens des Darlehensnehmers
Krise des Darlehensnehmers wird verschärft, Sanierung verhindert
 Darlehensgeber riskiert, „zu früh“ zu kündigen

PD Dr. Thomas Regenfus – 29. September 2015
2
VORAUSSETZUNGEN
DES
KÜNDIGUNGSRECHTS
AUS § 490 ABS. 1 BGB
§ 490 BGB
Außerordentliches Kündigungsrecht
(1)
Wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der
Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche
Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung
des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, kann
der Darlehensgeber den Darlehensvertrag vor Auszahlung des Darlehens im
Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen
(2)
…
(3)
Die Vorschriften der §§ 313 und 314 bleiben unberührt.
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TATBESTANDSVORAUSSETZUNGEN (1)
 Gefährdung
§ 490 Abs. 1 BGB
Wenn in den Vermögensverhältnissen des
Darlehensnehmers…
eine
wesentliche
Verschlechterung eintritt oder einzutreten
droht, durch die die Rückerstattung des
Darlehens, auch unter Verwertung der
Sicherheit,
gefährdet
Darlehensgeber
den
wird,
kann
der
Darlehensvertrag…
nach Auszahlung nur in der Regel fristlos
kündigen.
der Realisierung des
Anspruchs auf Rückzahlung
◦ bei Überschuldung gegeben
◦ maßgeblich: Zerschlagungswerte des
haftenden Vermögens
◦ Relevanter Zeitraum: bis zur
Befriedigung
 Verschlechterung
der
Vermögensverhältnisse
◦
Vergleich:Vertragsschluss  aktuell
 „wesentlich“
◦ Absolute Komponente: muss Gefährdung
auslöse
◦ Relative Komponente:Veränderung muss
signifikant sein
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TATBESTANDSVORAUSSETZUNGEN (2)
§ 490 Abs. 1 BGB
 „eintritt
Wenn in den Vermögensverhältnissen des
droht“
Darlehensnehmers…
eine
wesentliche
Verschlechterung eintritt oder einzutreten
droht, durch die die Rückerstattung des
Darlehens, auch unter Verwertung der
Sicherheit,
gefährdet
Darlehensgeber
den
wird,
kann
der
Darlehensvertrag…
nach Auszahlung nur in der Regel fristlos
kündigen.
 „nur
oder einzutreten
in der Regel“
◦ Praktisch nur Fälle des § 242 BGB
◦ „Kündigung zur Unzeit“: nur bei ordentl.
Kdg.
 Obliegenheit
zu Abmahnung?
◦ nicht explizit ( § 314 BGB)
◦ aber: Darlehensnehmer kann
Kündigungsgrund entfallen lassen
(frisches Eigenkapital, weitere
Sicherheiten)
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BESONDERHEITEN BEI
SANIERUNGSDARLEHEN

allgM: Ausschluss der Kündigung durch Darlehensgeber,
solange Sanierung planmäßig verläuft

(u.U. konkludente) Sanierungsvereinbarung relevant nur
bei ordentlicher Kündigung,

§ 490 Abs. 1 BGB bereits (-) weil (mangels relevanter
negativer Entwicklung) keine wesentliche
Verschlechterung

Anders bei Scheitern des Sanierungsversuchs
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PROGNOSECHARAKTER

Prognosebegriffe: „einzutreten droht“, „gefährdet wird“
Eine Prognose ist fehlerfrei, wenn der Sachverhalt vollständig ermittelt
wurde und sie unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse in einer der Materie
angemessenen und methodisch vertretbaren Weise erarbeitet wurde

Erforderliche Eintrittswahrscheinlichkeit
◦ „sichtbar abzeichnen“

Prognosezeitpunkt
◦ Ausspruch der Kündigung

Prognosebasis
◦ alle Umstände, ob bekannt oder nicht
◦ aber Wechselspiel mit möglicher Verzögerung und weiterer Verschlechterung

Objektive Sichtweise
◦ kein Einschätzungs- oder Beurteilungsspielraum des Darlehensgebers
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HAFTUNGSRISIKEN BEI
UNBERECHTIGTER KÜNDIGUNG
GEGENÜBER DEM KREDITNEHMER

Anspruchsgrundlagen
◦ Verletzung des Darlehens-/Sicherungsvertrags (§ 280 Abs. 1 BGB)
◦ § 826 BGB


Eigensüchtigkeit scheidet aus wenn TB des § 490 Abs. 1 BGB gegeben
Obliegenheit zur Informationsverschaffung
◦ Grundlage: Darlehensvertrag, vgl. § 18 KWG
◦ Obliegenheit des Darlehensgebers, Darlehensnehmer Gelegenheit zu
geben, Bedenken auszuräumen, insbes. wenn lediglich Indizien vorhanden
◦ Verbreitert Prognosebasis + kann Verschulden entfallen lassen

Darlegungs- und Beweislast trägt Darlehensgeber
◦ Dokumentation des sich bietenden Bildes für späteren Rechtsstreit
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HAFTUNGSRISIKEN
GEGENÜBER DRITTEN
BEI ABSEHEN VON KÜNDIGUNG

Anspruchsgrundlagen
◦ § 826 BGB
◦ § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Insolvenzverschleppung




kein Vorsatz bei berechtigten Zweifel am Vorliegen der
Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB
keine Verpflichtung zu Kündigung gegenüber Dritten
Beurteilung als „sittenwidrig“ nur aufgrund des Gesamtbilds
Zu beachten: Wertungen der Privatautonomie, Eigenverantwortung
Bankaufsichtsrecht
 Sanierungsfähigkeit gegeben  bloßes Hinauszögern zwecks Verbesserung der
eigenen Position
 Falsche Signalwirkung
 Faktische Geschäftsführung
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HAFTUNGSRISIKEN
FÜR VERANTWORTLICHE DES
DARLEHENSGEBERS

AG-Vorstand: § 93 Abs. 1 S. 2 AktG („BusinessJudgement-Rule“)
 unternehmerische Entscheidung
 auf der Grundlage angemessener Information
 Annahme, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln
 Ggf. Beachtung interner Vorgaben

Arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierungen
 Dito.
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GEGENSTRATEGIEN GESTALTUNGSPRAXIS

Vertragliche Kündigungsregelungen
statt auslegungsbedürftiger gesetzlicher Tatbestandsmerkmale
 Loan-to-Value-Klausel
 Change-of-control-Klausel
 Kennzahlen (financial covenants)
 Bedienung der LV, mit der Rückzahlung erfolgen soll

Aber: Ausübungskontrolle
 Vorbehalt von Treu und Glauben
 einfacher Verstöße genügt daher i.d.R. nicht für Kündigung
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ZUSAMMENFASSUNG UND
BEWERTUNG
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Herzlichen Dank!
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