Digitalisierung am Bau - Hauptverband der Deutschen Bauindustrie

Titelthema
Gesellschaft „planen-bauen 4.0“ gegründet
Wirtschaftszweig
profitiert von
niedrigen Zinsen
Digitalisierung am Bau:
„Das ist wirklich historisch“ W
rindt eine Vorreiterrolle übernommen. Wir
hoffen, dass die öffentliche Hand jetzt auch im
Hochbau verstärkt auf BIM setzt. Hier kann
aus unserer Sicht noch deutlich mehr Effizienzpotenzial gehoben werden. Erste Ansätze, wie beim Großprojekt Humboldt-Forum in
Berlin, gibt es ja bereits. Alles in allem gehen
wir davon aus, dass die Digitalisierung am Bau
nicht mehr aufzuhalten ist. Es stellt sich nur
die Frage, wie schnell wir jetzt vorankommen,
um die Vorteile nutzen zu können.
Prof. Thomas Bauer
WIRTSCHAFT NORDHESSEN: Ihr Verband
hat vor etwas mehr als einem halben Jahr die
„planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH“ gegründet. Wie lauten die Zielsetzungen?
Prof. Thomas Bauer: Die Gesellschaft wird als
Plattform und nationales Kompetenzzentrum
die Einführung von Building Information Modeling (BIM), das heißt von digitalen Geschäftsprozessen in der Wertschöpfungskette
Planen, Bauen und Betreiben, in Deutschland
begleiten. Sie ist auch zentrale Ansprechpartnerin für Bund, Länder und Kommunen bei der
Digitalisierung des Bauens und in den
Bereichen Forschung, Regelsetzung
und Marktimplementierung unterstützend tätig. Mit der Plattform ist es
gelungen, die Interessen eines so großen Wertschöpfungsbereichs wie der
Bauwirtschaft auf ein gemeinsames Ziel zu
verpflichten. Das ist wirklich historisch.
WN: In welchen Bereichen lässt sich die Digitalisierung am Bau in den nächsten Jahren
gut umsetzen?
Bauer: Building Information Modeling (BIM)
lässt sich grundsätzlich bei allen Baumaßnahmen im Hoch- oder Tiefbau beziehungsweise
bei Brücken einsetzen. Darüber hinaus ist BIM
neben dem Neubau auch für Sanierungen,
wenn beispielsweise überwiegend digitale Daten aus anderen Quellen wie Laserscan, Lichtoder Energieanalysen, genutzt werden, geeignet. Um die Digitalisierung jetzt auch in ganzer Breite voranzubringen, fehlt es bislang von
Seiten der öffentlichen Hand an Entschlossenheit. Mit den jetzt auf den Weg gebrachten
vier Pilotprojekten – jeweils zwei im Bereich
der Schienen- beziehungsweise Straßeninfrastruktur – hat Bundesminister Alexander Dob-
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Wirtschaft Nordhessen 7.2015
WN: Wo sehen Sie Hürden?
Bauer: Manchen Unternehmer treibt die Sorge
um, dass sich BIM negativ auf seinen Tätigkeitsbereich auswirken könnte. Das ist falsch.
BIM stellt eine Methode dar, mit deren Hilfe
Planungs-, Ausführungs- und Bewirtschaftungsprozesse optimiert werden können, ist
aber kein neues Geschäftsmodell. Gebäude
müssen wie bisher geplant, gebaut und bewirtschaftet werden. Meines Erachtens brauchen wir jetzt klare und einheitliche Anforderungen von Auftraggeberseite, wie der Prozess
in Zukunft gestaltet werden soll, insbesondere
auch von Seiten der öffentlichen Hand. Dies
brächte mehr Sicherheit und Orientierung.
WN: Wie kann hier die neue Plattformgesellschaft planen-bauen 4.0 unterstützen?
Bauer: Die Gesellschaft wird vielfältige Aufgaben haben, beispielsweise die Begleitung
von Pilot- und Referenzbauvorhaben,
Wissensvermittlung zum Thema Digitalisierung in der Bau- und Immobilienwirtschaft oder Mitwirkung bei der
Weiterentwicklung von BIM-kompatiblen Vertragsmustern. Geplant sind auch die
Entwicklung von Richtlinien zur Sicherstellung der Qualität in der Bereitstellung von
Software, Produkten und Dienstleistungen
und deren Zertifizierung sowie die Einwerbung, Vergabe und Verwaltung von Fördermitteln und Forschungsgeldern. Wichtig ist derzeit aber vor allem die Entwicklung von klaren
und einheitlichen Anforderungen, die die
Marktteilnehmer nicht überfordern. Die planen-bauen 4.0 GmbH bietet hierzu insbesondere der öffentlichen Hand ihre Hilfe an und
entwickelt derzeit mit dem Bund ein Konzept,
um die Digitalisierung voranzubringen.
Die Fragen stellte
WN-Redakteur Andreas Nordlohne �
Prof. Thomas Bauer ist der Präsident des
Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.
Die Organisation repräsentiert 2000 große und
mittelständische Unternehmen.
ährend der Staat immer weniger für
Bauvorhaben ausgibt, boomt es im Bereich der privaten Haushalte. „Erst wenn Straßen oder Schulen so marode sind, dass es nicht
mehr geht, wird investiert“, stellt Hanns-Jörg
Müller fest, Inhaber der Caspar Müller Bauunternehmung GmbH & Co. KG in Kassel.
Auch Jochen Wachenfeld-Teschner befürchtet eine weitere Verschlechterung des
Zustands der Straßen. Der geschäftsführende
Gesellschafter der JOH. WACHENFELD GmbH
& Co. KG Bauunternehmung in Korbach hält
das Finanzierungskonzept der hessischen Landesregierung für unzureichend. Als positiv
wertet er den Trend zur Digitalisierung beim
Bau (s. Interview links). Die Methode des Building Information Modeling (BIM) verbessere
die Kosten- und Zeiteffizienz. Da sein Betrieb
schon vor Jahren begonnen habe, sich auf die
Digitalisierung einzustellen, sieht er diese als
einen wichtigen Wettbewerbsvorteil an.
Kritisch werten die nordhessischen Bauunternehmer die Art und Weise der Umsetzung
der mit dem Mindestlohn einhergehenden Dokumentationspflichten. „Damit sollen schwarze Schafe in der Branche erkannt werden. Es
werden aber leider auch die übrigen Firmen
unnötig mit zusätzlichem bürokratischem
Aufwand belastet“, so Hanns-Jörg Müller.
Einen Sonderaufschwung bescherten die
niedrigen Zinsen der Baubranche. Gleichzeitig
erschwere aber der Fachkräftemangel, der
Nachfrage nachzukommen: „Gerade im Sanierungsbereich suchen wir Allrounder, die mit
viel Kompetenz und Köpfchen arbeiten.“ Nicht
besser mache die Situation, dass „es immer
schwieriger wird, ausbildungsfähige und ausbildungswillige Jugendliche vor Ort zu finden“.
Deshalb kooperiert Müller mit der Ullrich Akademie in Kaufungen, um motivierte Auszubildende aus Spanien anzuwerben, die in ihrer
Heimat keinen Ausbildungsplatz erhalten.
Silvia Kählert �
Die zukünftige Lage
im regionalen Baugewerbe
Gleichbleibend
Eher ungünstig
Quelle: IHK-Konjunkturbericht
Eher günstig