IKB-Kapitalmarkt-News – Niedriges Wachstum des Welthandels: Folge einer fortgeschrittenen Globalisierung 19. August 2015 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Die Globalisierung der deutschen Wirtschaft offenbart sich nicht nur in einem hohen Offenheitsgrad und einem hohen Exportwachstum. Globalisierung bedeutet auch, dass Produktionsprozesse mehr und mehr internationalisiert werden. Diese Entwicklung findet somit nicht nur auf der Nachfrage- sondern auch auf der Angebotsseite statt. Denn nur durch die Globalisierung ihrer Produktionsketten können deutsche Unternehmen mit dem hohen weltweiten Wachstum annähernd Schritt halten und ihre Marktanteile festigen. Grundsätzlich kann dieser Prozess verschiedene Stadien durchlaufen. Oftmals liegt zu Anfang der Fokus auf Exportwachstum und einer höheren Nachfrage, die eine Öffnung der Volkswirtschaft durch den Welthandel mit sich bringt. Danach folgt die Öffnung der Angebotsseite, also die weltweit ausgerichtete Produktion von Gütern. Globalisierung auf der Angebotsseite fördert das potenzielle Weltwachstum, da eine effizientere Allokation von Produktionsfaktoren sichergestellt wird. Als Folge steigen die Importquoten der Volkswirtschaften und sie spezialisieren sich auf ihre relativen Wettbewerbsvorteile. Im Falle Deutschlands liegen diese unter anderem bei Forschung und Entwicklung, wie Abb. 1 zeigt. Daraus resultiert eine zunehmende Spezialisierung der deutschen Produktionskette auf hochwertige technologische Produkte. Das spiegelt sich auch in den Bilanzen vieler Unternehmen, in denen immaterielle Vermögenswerte einen immer bedeutenderen Anteil haben. Abb. 1: Welthandelsanteile von technisch hochwertigen Erzeugnissen* in % 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Deutschland China USA 2000 Japan Korea Frankreich UK 2013 *Gütergruppen mit einem Anteil der FuE-Ausgaben am Umsatz zwischen 3,5 % und 9 % (Anteil >9 % entspricht Spitzentechnologie). Quellen: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung; IKB Die Globalisierung von Nachfrage- und Angebotsseite fördert den Welthandel, der in den letzten Jahrzehnten deutlich höheres Wachstum als das Welt-BIP verzeichnen konnte. Doch nach dem globalen Zugang zu Absatzmärkten und der internationalen Nutzung von Wettbewerbs- und Kostenvorteilen gibt es ein weiteres Stadium der Globalisierung. Es ist teilweise eine Umkehr der ersten beiden Stadien und fokussiert sich wieder auf die Produktion von Gütern im und für den lokalen Markt. Es handelt sich um die Globalisierung von Investitionen und Kapazitäten – getrieben einerseits durch Kostenvorteile und andererseits durch das Wachstum der lokalen Nachfrage in anderen Ländern. Aus dieser Sicht wäre eine strukturelle Verlangsamung des Welthandelswachstums kein Zeichen konjunktureller Schwäche oder reduzierter Globalisierung. Im Gegenteil, es wäre ein Zeichen für die verstärkte Globalisierung von Investitionen. Das schon länger anhaltende niedrige Wachstum des Welthandels wird mit Sorge betrachtet. Ein langsameres Wachstum des Welthandels gilt als mögliches Indiz für steigende Risiken der Weltkonjunktur. Allerdings scheint sich bereits während der letzten Jahre das Wachstums-Verhältnis zwischen Welt-BIP und Welthandel verändert zu haben. Kapitalmarkt News Abb. 2: Wachtum des weltweiten BIP und der weltweiten Exporte in % zum Vorjahr 15 10 5 0 -5 -10 -15 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Reale Wachstumrate des globalen BIP Reale Wachstumsrate der weltweiten Exporte Quellen: IWF; IKB Abb. 2 zeigt, dass das Wachstum des Welthandels immer höher war als das des Welt-BIP – außer in Zeiten weltweiter Rezessionen, in denen die Dynamik des Welthandels deutlich hinter dem des globalen BIP zurückblieb. Dies war in den Jahren 1982, 2001 und 2009 der Fall. Wann immer also die Weltkonjunktur unverkennbar nachlässt, ist dies vor allem im schwachen Verlauf des Handelsvolumens zu erkennen, der dann einbricht, zumindest aber stagniert. Wenn das Wachstum des Welthandels als Barometer für die Weltkonjunktur verwendet wird, so würden geringe Zuwächse des Handels folglich nicht auf eine weltweite Rezession hindeuten. So mag das Wachstum im Handel zwar niedriger sein als vor der Finanzkrise, eine erhöhte Rezessionsgefahr ist dadurch jedoch nicht ersichtlich. Zudem zeigen statistische Analysen, dass der Welthandel kein Frühindikator für die Weltkonjunktur darstellt und sich das Verhältnis zwischen Welt- und Handelswachstum in den letzten Jahren und insbesondere seit der Finanzkrise deutlich verändert hat. Somit kann von einem niedrigeren Wachstum im Welthandel nicht abgeleitet werden, dass auch die Weltkonjunktur stottert. Dass der Welthandel relativ zur Konjunktur an Dynamik verloren hat, zeigt sich auch am Verhältnis der Exporte zum BIP, das seit der Finanzkrise tendenziell rückläufig ist. Doch nicht nur der weltweite Handel verändert sich, auch die deutschen Exporte verlieren schon seit Jahren Marktanteile im weltweiten Handel, auch wenn Deutschland bei hochwertiger Technik – wie in Abb. 1 dargestellt – noch leicht zulegen konnte aufgrund anhaltender globaler Spezialisierung und trotz niedrigem potenziellen Wachstums. Lag der deutsche Exportanteil an der Weltwirtschaft Anfang der 90er Jahre noch bei über 12 %, so ist er inzwischen auf rund 8 % gesunken. Abb. 3: Anteil deutscher Ausfuhren an weltweiten Exporten in % 14 12 10 8 6 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Quellen: EIU; IKB Insbesondere hat China seit der Finanzkrise seinen Einfluss auf die Entwicklung des Welthandels gesteigert: Steigt die Gewichtung Chinas in der Weltwirtschaft, so scheint dies einen negativen Einfluss auf die Wachstumsrate des Welthandels zu haben. Dies würde die These stützen, dass die Größe Chinas und die Notwendigkeit, deshalb vor Ort zu produzieren, Gründe sind, dass das Wachstum des Welthandels in den letzten Jahren eher niedrig ausfällt. Empirische Analysen deuten zudem an, dass die zunehmende Bedeutung Chinas in der Weltwirtschaft auch ein Grund für den Kapitalmarkt News Rückgang der deutschen Exportquote sein könnte. Dies mag an der aufsteigenden Rolle Chinas als Exportnation liegen, mit der Deutschland in vielen Branchen im Wettbewerb steht. Hier dokumentiert sich aber auch, dass der bedeutende chinesische Markt mehr und mehr durch lokale Produktion deutscher Unternehmen bedient wird, was das deutsche Exportwachstum dämpft. Wie oben erläutert, so ist solch eine Entwicklung angesichts der Wachstumsunterschiede zwischen Deutschland und seinen Handelspartnern notwendig, um die weltweite Nachfrage nach deutschen Produkten ausreichend bedienen zu können. Fazit: Globalisierung spiegelt sich nicht nur im Exportwachstum, sondern auch in einer global aufgestellten Angebotsseite und damit weltweiten Wertschöpfungskette wider. Im weiteren Sinne bedeutet es zudem verstärkte globale Investitionen in Auslandsmärkte, was die Dynamik des Welthandels verändert. Deshalb sollte das aktuell relativ niedrige globale Handelswachstum und dessen Einfluss auf die Weltkonjunktur nicht überbewertet werden. Denn die niedrigen Wachstumsraten des Welthandels stehen weniger mit einer globalen konjunkturellen Abschwächung in Verbindung als mit strukturellen Veränderungen im Globalisierungsprozess. Auch Deutschlands Exportanteil sinkt schon länger, was angesichts der Wachstumsunterschiede beim BIP zwischen Deutschland und einigen Handelspartnern nicht überraschend ist. Deutschland kann die dynamisch wachsende Nachfrage aus Ländern wie China nur durch Produktion vor Ort ausreichend bedienen. Als Folge der starken Nachfrage aus China und anderen großen Absatzmärkten, des Wettbewerbs mit globalen Firmen aber auch der zunehmenden Produktion vor Ort sinkt der deutsche Anteil am Weltexport. Doch dies ist kein Zeichen einer langsameren Wachstumsdynamik, sondern eher eines reifenden Globalisierungsprozesses. 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