SoSe 15 - Universität Bremen

Erasmus + / Studienjahr 2014/15
Universidad de Alcalá
Erfahrungsbericht Erasmus Plus in Alcalá de H., Februar bis Juni 2015
Während einer längeren Reise durch Spanien, bei der ich Freunde in Madrid, Sevilla und
Barcelona besuchte, entschloss ich mich spontan noch einmal ein Erasmusstipendium zu beantragen. Zwar wurde ich in Bremen mehrfach gefragt, ob ich mich dafür nicht zu alt fühlen
würde, was ich angesichts meiner 27 Jahre jedoch als etwas sonderbar empfand. Mich interessierten nicht die organisierten Erasmuspartys, sondern viel mehr stand der persönliche Bezug
zu Spanien und meine sprachliche Weiterentwicklung im Vordergrund: Seit dem ich vor 5
Jahren ein Erasmusjahr in Sevilla gemacht habe, verbinden mich nach wie vor gute Freundschaften und die Erinnerung an eine einmalige Zeit mit Spanien. Aus diesem Grund und um
als zukünftiger Spanischlehrer meine sprachlichen und kulturellen Kenntnisse zu vertiefen,
wollte ich vor Ende meines Studiums unbedingt noch einmal die bereichernde Erfahrung eines Auslandssemesters machen. Aufgrund von persönlicher Beziehungen und aus Interesse an
der Stadt entschied ich mich für Madrid bzw. Alcalá de Henares.
1. Vorbereitung
Die Bewerbung für einen Erasmusaufenthalt erfolgt in der Regel ca. 0,5 bzw. 1 Jahr vor Beginn des Aufenthaltes, ist – wie in meinem Fall – aber auch als Spätbewerbung auf Restplätze
möglich. Dies ist allerdings nur zu empfehlen, wenn man nicht auf einen bestimmten Ort festgelegt ist, da die bekanntesten Erasmusdestinationen recht schnell vergeben sind. Madrid bietet mit seinen drei großen Universitäten viele Erasmusplätze an und zumindest im Sommersemester waren noch einige davon zu vergeben.
Die einzureichenden Unterlagen und Bewerbungsfristen sind auf der Website der Universität
Bremen einzusehen. Aufgrund der eher mäßigen Informationslage auf der Website der Universität Alcalá, war es schwierig bzw. unmöglich, im Vorhinein verlässliche Angaben zur
Aufenthaltsdauer und zu den von mir belegten Kursen zu machen (dazu mehr unter Punkt 4).
2. Formalitäten
Aus Deutschland sind keine besonderen Unterlagen mitzubringen. Es empfiehlt sich lediglich
mehrere Passfotos im Gepäck zu haben, da man jeweils eines für vorläufigen und endgültigen
Studentenausweis sowie die ÖPNV-Monatskarte braucht. Um letzteres zu beantragen, muss
man bei den Verkehrsbetrieben einen Termin ausmachen (im Internet oder den Informationsstellen in den größeren Metrostationen) und bekommt dann eine Verkaufsstelle zugewiesen.
Danach kann der monatliche Betrag an jedem Automaten bezahlt werden. Die Monatskarte
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gilt für alle Verkehrsmittel (Bus, Cercanías, Metro etc.) und kostet für die Strecke Madrid Alcalá de Henares (Zone B3) monatlich 83€. Der Kauf lohnt sich nur wenn man seine Wohnung in Madrid hat oder die Strecke aus anderen Gründen extrem häufig fährt. Ansonsten
würde ich zu den Zehnerkarten der Cercanías (vergleichbar S-Bahn) raten, welche ca. 24€
kosten. Die Eröffnung eines Bankkontos ist nicht notwendig, zumindest wenn man über eine
Bankkarte verfügt, die das kostenlose abheben im EU-Ausland ermöglicht. Mieten usw. werden in Spanien i.d.R. bar bezahlt. Für den Kauf einer Telefon-Prepaid-Karte sollte ich beim
Billiganbieter Yoigo zunächst spanischer Staatsbürger werden, was man mit Hilfe der Unterschrift eines spanischen Mitbewohners oder durch den Gang zum teureren Anbieter Movistar
umgehen kann. Hier kostet der Prepaid-Datentarif 5€ (300mb schnelles Internet, nach Verbrauch bis Monatsende langsames Internet) und bei Nutzung von WhatsApp und Freunden
mit Telefonflat kam ich selten über 10€ im Monat.
3. Allgemeine Informationen zur Partnerhochschule
Die Universität Alcalá ist über die ganze Stadt verteilt. Meine Fakultäten lagen alle im Zentrum der Stadt und waren von meiner Wohnung in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Zu
Beginn meines Aufenthaltes hatte ich überlegt, mir in Madrid eine Wohnung zu suchen und
wie andere Studenten täglich mit Bus oder Bahn anzureisen. Diesen Plan verwarf ich angesichts der Reisezeit von gut 3 Stunden täglich, der hohen Kosten für die Monatskarte und der
deutlich teureren Mieten in Madrid aber schnell wieder (dazu mehr unter Punkt 5).
Die Einrichtungen der Universität sind bis auf wenige Ausnahmen in historischen Gebäuden
untergebracht. Insbesondere das Colegio de Málaga ist ein wunderschöner Bau, der direkt an
der zentralen Plaza Cervantes liegt und einen sehr schönen Garten bietet. Leider ist es bis auf
die Klassenräume und wenige weitere Bereiche ungeheizt, sodass man sich im kurzen Winter
andere Orte zum Arbeiten suchen sollte. Hierfür bietet sich die weitläufige Bibliothek an, die
im Sommer klimatisiert ist und sechs Tage die Woche 24 Stunden geöffnet hat. Zum Ausleihen von Büchern sowie die Nutzung der Drucker dient die elektronische Studentenkarte, welche man leider erst nach einigen Monaten erhält. Fürs Kulinarische ist die Cafetería im
Colegio de Málaga zu empfehlen, welche sich preislich jedoch nur unwesentlich von der
günstigen spanischen Gastronomie unterscheidet, die sich in Alcalá de Henares durch eine
ausgeprägte Tapas-Kultur auszeichnet. Hier sind insbesondere die Bars „Rusti“, „Balcones de
Alcalá“, „El quinto Tapon“ und „Lindalo“ zu empfehlen.
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Von Seiten der Universität habe ich keine Angebote für Freizeitaktivitäten erhalten, mich aber
auch nicht aktiv darum bemüht bzw. informiert. Aufgrund des längeren Wintersemesters und
dem frühen Beginn des Sommersemesters in Spanien, kam ich erst nach Ende der Orientierungswoche in Alcalá an und kann diesbezüglich keine Aussagen machen. Auch an Erasmusaktivitäten habe ich nicht teilgenommen, da ich mich für das „übliche Klientel“ zu alt fühlte
und nicht als „Erasmus-Opa“ gelten wollte. Zudem hatte ich mir vorgenommen, das Semester
– wie schon meinen ersten Erasmusaufenthalt – intensiv zu nutzen um mit Einheimischen in
Kontakt zu kommen und mich sprachlich weiterzuentwickeln. Diese Kontakte ergaben sich
auch schnell, sodass sich die Frage nach Erasmuspartys nicht mehr stellte.
4. Akademisches Leben
Die Planung, welche man vor der Abreise in Form eines Learning Agreement machen musste,
muss i.d.R. nach der Anreise an die Realität angepasst werden: In meinem Fall brauchte es ca.
6-10 Veränderungen des Learning Agreements, da die von mir gewählten Kurse nicht angeboten wurden und die Belegung von Masterkursen generell recht kompliziert war: Der
Master ist in Spanien nicht Teil des eigentlichen Studiums, sondern gilt als Zusatzqualifikation und wird häufig erst Jahre nach dem „Grado“ (etwa Bachelor) oft berufsbegleitend absolviert. Trotz des neuen „Erasmus-Plus-Programms“, welches Erasmusaufenthalte explizit in
jeder Studienphase vorsieht und offiziell auch in Spanien bekannt ist, dauerte es ca. 4 Monate
(kurz vor Ende des Semesters) bis ich an der Universität eingeschrieben war. Für jeden von
mir belegten Masterkurs musste die Erasmusbeauftragte einen offiziellen Brief an die Masterbeauftragten schicken und um Erlaubnis für meine Teilnahme bitten. Nicht nur die Erasmusbeauftragte, die mir trotz meiner anfänglich wöchentlichen Besuche und dem enormen Aufwand sehr freundlich geholfen hat, trieb dieses Feuerwerk spanischer Bürokratie in die Verzweiflung - auch mich machte das monatelange Warten auf Zulassung anfänglich etwas nervös und ich überlegte kurzzeitig den Aufenthalt abzubrechen, um nicht ein Semester mit warten zu verbringen. Allerdings wurde ich schnell entspannter, besuchte ohne Immatrikuliert zu
sein die gewählten Kurse und ließ mich auch durch die Information des Immatrikulationsamtes, man wisse nicht wie man mich Immatrikulieren sollte, nicht aus der Ruhe bringen.
Schließlich klappte es dann ja auch doch noch. Im Bachelor sind die Einschreibung sowie die
Kurswahl deutlich einfacher. Masterstudenten, die mit einem Erasmusstipendium studieren
wollen, waren an der UAH aber offenbar noch eine exotische Spezies – laut der Erasmusbeauftragten war ich der erste dieser Art, was den enormen Aufwand für meine Einschreibung
erklären dürfte.
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Die Lehrveranstaltungen haben mir – bis auf eine Ausnahme – überhaupt nicht gefallen.
Beim planen meiner Kurse hielt ich es für extrem kleinlich, dass mir die spanischen Lehramtskurse nicht für die deutschen Äquivalente anerkannt werden konnten, obwohl diese größtenteils einen identischen Titel trugen. Mittlerweile bin ich nahezu froh darüber, dass ich mir
diese ‚nur‘ für fachwissenschaftliche Kurse anerkennen lassen kann, da sie formal und qualitativ in keiner Weise der deutschen Lehrerbildung entsprechen. In Spanien werden im Bachelor (derzeit 4 Jahre) lediglich fachwissenschaftliche Inhalte vermittelt und erst der einjährige Master behandelt lehramtsspezifische Themen wie Pädagogik und Didaktik. Die in den
Kursen behandelten didaktischen Methoden waren veraltet und sahen ein Lehren nach dem
„Paukprinzip“ (direkte Grammatikvermittlung usw.) vor, womit sich die meisten Dozenten
selber entsprachen. Die Inhalte waren kaum theoretisch fundiert sondern stark emotionsgeleitet, Reflektion spielte keine Rolle, Diskussionen waren unerwünscht und anstatt einer vernünftigen qualitative Auseinandersetzung mit einem Thema zu fördern, ging es den Dozenten
augenscheinlich eher um Masse: In einem Kurs mussten 14 Bücher und 30 Artikel gelesen
werden und zu jedem Termin eine winzige Ausarbeitung von 500 Zeichen angefertigt werden
– kein Student konnte und wollte diese wahnwitzige Lektüreanforderungen erfüllen, doch für
die Ausarbeitung mussten wie in allen Kursen keine Quellenangaben gemacht werden... Die
einzige Ausnahme stellte ein Lektürekurs da, welcher spanische Literatur vom 12. bis ins 19.
Jahrhundert behandelte und in dem sich der Dozent auf das Lesen dieser Texte und die Gabe
einiger weniger Hintergrundinformationen beschränkte. Der Dozent besaß eine hervorragende
Lesestimme und konnte die Stimmung in den Gedichten extrem gut vermitteln und bei mir
erstmals Interesse für historische Literatur wecken.
5. Unterkunft
Während man in Madrid in der Regel rund 400€ für ein WG-Zimmer einkalkulieren muss,
findet man in Alcalá der Henares problemlos schöne, zentrale Unterkünfte für gut 200€. Auf
die Unterkunftsliste der Universität sollte man sich nicht verlassen, da die dort gelisteten
Zimmer häufig „Erasmus-Pensionen“ sind, in denen man vergeblich nach einheimischen Mitbewohnerinnen/ Mitbewohnern sucht. Ich habe über die Seiten „Pisocompartido.com“ und
„Idealista.com“ Zimmer gesucht und bin schnell fündig geworden. Anders als bei der Liste
der Universität sind hier oftmals Beschreibungen und Fotos vorhanden, sodass man sich
vorab ein Bild machen kann. Für mein Zimmer (ca. 10m²), welches ca. 5 Gehminuten von der
zentralen Plaza Cervantes entfernt lag, habe ich 240€ (inklusive Putzfrau für Gemeinschafts-
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flächen, Müllabholung durch Portier und hauseigenes Schwimmbad) gezahlt. Ich wohnte mit
zwei Spaniern und einem Iren zusammen und habe mich in der Wohnung sehr wohl gefühlt.
WG-Castings wie in Deutschland sind in Spanien eher selten, da hier in der Regel der Vermieter die neuen Mitbewohner auswählt und man als Bewohner kein Mitspracherecht hat. Mit
meiner Vermieterin hatte ich großes Glück, da diese sehr freundlich und aufgeschlossen war
und bei Problemen in der Wohnung immer zur Stelle war – sie bot mir sogar an, mir bei einer
Erkältung eine Hühnersuppe zu kochen. So unkompliziert und angenehm das Verhältnis mit
meiner netten Vermieterin auch war; generell gilt, dass die Beziehung zwischen Mieter und
Vermieter in Spanien ungeregelter als in Deutschland ist und die Rechte als Mieter deutlich
begrenzter sind: Je nach Vermieter kann dies negative Auswirkungen haben, da dieser i.d.R.
ohne Vorankündigung in die Wohnung kommt und wenn man ganz viel Pech hat, die Unterbringung von Besuch untersagt. Die Miete wird für gewöhnlich bar bezahlt und man erhält
eine Quittung. Mietverträge gibt es nicht immer.
6. Studentenjobs
Ich habe nicht nach Studentenjobs gesucht, da aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation in Spanien die Arbeitsmarktlage sehr angespannt ist und die Aussicht auf Erfolg begrenzt ist. Hinzukommt, dass ich niemandem einen der wenigen Arbeitsplätze wegnehmen
wollte, der vielleicht dringender darauf angewiesen ist als ich. Allerdings hatte ich überlegt,
mir eine ehrenamtliche Beschäftigung in der Behindertenhilfe zu suchen, da ich auch in
Deutschland in diesem Bereich arbeite. Aufgrund der Kürze der meines Aufenthaltes und der
Notwendigkeit sich dafür ein stückweit zeitlich einzuschränken, habe ich dieses Ziel nicht
weiterverfolgt.
7. Nach der Rückkehr
Leider konnte die Anerkennung von Studienleistungen noch nicht vorgenommen werden, da
das betreffende Dokument von der Gasthochschule noch nicht eingetroffen ist.
8. Besondere Erlebnisse im Gastland und Fazit
Wie schon während meines ersten Erasmusjahres in Sevilla, bei dem ich von meiner Mitbewohnerin ganz selbstverständlich in ihren Freundeskreis integriert worden war, erfuhr ich
selbiges auch durch meinen Mitbewohner in Alcalá. Dieser stellte mich seinen Freunden vor,
nahm mich mit in sein Dorf bei Zamora und trug damit erheblich dazu bei, dass ich erneut
eine unvergessliche Zeit in Spanien hatte. Ich konnte viele neue Freundschaften knüpfen und
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meine Sprachkenntnisse enorm verbessern. Während der Zeit in Spanien habe viele weitere
kulturelle, gesellschaftliche und landschaftliche Aspekte dieses beeindruckenden Landes kennengelernt, die mir sehr gefallen haben und wegen denen ich unbedingt bald für längere Zeit
zurückkehren möchte. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass ich durch diesen zweiten längeren
Aufenthalt einen realistischeren Blick auf Spanien bekommen habe und mir auch gesellschaftliche Probleme (Auswirkungen der Krise, Umgang mit Franco-Diktatur und Bürgerkrieg, Korruption und Machtmissbrauch etc.) bewusst geworden sind, die mir während meines ersten Erasmus nicht in dieser Form aufgefallen waren. Insgesamt konnte ich mein Bild
über Spanien dadurch weiter vervollständigen, was ich neben meiner stark verbesserten
sprachlichen Fähigkeiten, als wichtigste Vorbereitung auf meinen zukünftigen Beruf als Spanischlehrer betrachte. Sowohl persönlich als auch professionell haben sich meine Erwartungen an dieses halbe Jahr in vollstem Umfang erfüllt. Persönlich war die Einladung zur Hochzeit meiner Mitbewohnerin aus Sevilla der krönende Abschluss dieses Erasmussemesters. Die
Erfahrung, eine andalusisch-mexikanische Hochzeit zu erleben, viele Freunde und Bekannte
wiederzutreffen und zu sehen, dass die Freundschaf-ten auch nach mehreren Jahren noch halten, war sehr schön und ein gelungener Abschluss meines letzten Erasmusaufenthaltes in Spanien.
Colegio de Málaga, Quelle: https://portal.uah.es/portal/page/portal/servicio_comunicacion/sala_prensa/recursos_multimedia/imagenes/2011/02/400_anios_malaga/01.jpg
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