Schwyzer Swisscoys helfen auch über die Feiertage, den Frieden zu

Reportage
Montag, 28. Dezember 2015
Liessen sich vor Ort über die Swisscoy-Tätigkeit informieren: (v. l.) die stellvertretende Botschafterin im Kosovo, Anita Schlüchter, der
Walliser Staatsrat Oskar Freysinger, Korpskommandant André Blattmann und die Waadtländer Staatsrätin Béatrice Métraux.
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Kam nicht nur mit Dankesworten: Der Chef der Armee, André Blattmann, bedankte sich bei
Bilder Stefan Grüter
jedem Swisscoy-Angehörigen mit einem Sackmesser und Schokolade.
Schwyzer Swisscoys helfen auch über
die Feiertage, den Frieden zu fördern
Der Chef der Armee, der gebürtige Wollerauer André Blattmann, bedankte sich an der Weihnachtsfeier
des 33. Swisscoy-Kontingents kurz vor Weihnachten in Prizren/Kosovo bei den «Friedenssoldaten» für ihren Einsatz.
W
von Stefan Grüter
ährend in unseren
Breitengraden friedliche Weihnachten
und der Jahreswechsel gefeiert werden,
sind Angehörige der Schweizer Armee
unter anderem im Kosovo im Einsatz,
um dort ihren Beitrag zur Friedensförderung zu leisten. Keine Selbstverständlichkeit. Manche von ihnen würden wohl lieber zu Hause mit ihren
Liebsten die Feiertage verbringen, doch
sie haben sich einst entschieden, im
Rahmen des Swisscoy-Auftrages Dienst
zu leisten. Ein Dienst, der sich lohnt.
Wertschätzung von höchster Stelle
«Die ganze Welt braucht Sicherheit.
Ihr helft mit, diese Sicherheit zu garantieren. Und es ehrt euch nochmals,
dass ihr dies über die Weihnachtsfeiertage tut.» Damit bedankte sich kurz
Die Lage
im Kosovo
Im laufenden Jahr war die allgemeine
Sicherheitslage im Kosovo ruhig und
stabil, wie es im aktuellen Bericht über
den Einsatz der Swisscoy heisst.
­Ethnische Spannungen bestehen vorwiegend im Norden des Landes mit
serbischer Mehrheit, wo die Situation
unbeständig bleibt. Es haben sich jedoch seit mehr als einem Jahr keine
Vorfälle grösseren Ausmasses ereignet;
die Gewalt ist punktuell und vergleichsweise gering. In den übrigen Teilen des Kosovos sind interethnische
Vorfälle vorwiegend auf die desolate
wirtschaftliche Lage zurückzuführen.
«Im Kosovo grassiert die Kleinkriminalität; dies hat mehr mit der Unfähigkeit der kosovarischen Behörden als
mit ethnischen Spannungen im Land
zu tun. Die Ausprägung der Kleinkriminalität ist in beiden ethnischen Gruppen – Kosovo-Serben und Kosovo-Albaner – vergleichbar. Der Unterschied
liegt hauptsächlich darin, dass Vorfälle,
welche die serbische Gemeinschaft betreffen, stärker mediatisiert werden», so
der Bericht. Vonseiten der Swisscoy-Angehörigen werden in Sachen Sicherheit
Vergleiche mit der Schweiz gezogen:
«Ich fühle mich in Prizren gleich sicher
wie in der Schweiz. Auch hier hat es natürlich Quartiere, wo man besser nicht
hingeht», sagt Sandro Wälti, der ein LMTeam leitet, das täglich den Puls in der
Bevölkerung fühlt. ( fan)
vor Weihnachten Korpskommandant
André Blattmann, der Chef der Armee,
höchstpersönlich bei den über 200
Angehörigen des 33. Swisscoy-Kontingents. Der gebürtige Höfner Blattmann
war mit einer Delegation, der unter anderem auch die Waadtländer Staatsrätin Béatrice Métraux und der Walliser alt Nationalrat und amtierende
Staatsrat Oskar Freysinger angehörten,
in den Kosovo gereist, um zusammen
mit den Swisscoy-Angehörigen Weihnachten zu feiern.
Engagement seit 16 Jahren
Seit 16 Jahren ist die Schweiz mit Freiwilligen, die Blattmann als «Friedenssoldaten» bezeichnete, im Kosovo vor
Ort und erfüllt zusammen mit anderen Nationen unter der Ägide der Nato
einen Uno-Auftrag. Das Schwergewicht
der Leistungen liegt bei Logistik und
Transport, Genie und Kampfmittelbeseitigung sowie Nachrichten- und
Informationsbeschaffung. Vor allem
mittels Nachrichten- und Informationsbeschaffung leisten die Schweizer
anerkannt gute und sehr wichtige
Arbeit, denn von politischer Stabilität
kann in dem erst seit 2008 selbstständigen, ehemaligen jugoslawischen Teilstaat noch nicht wirklich gesprochen
werden. Spannungen zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern liegen
permanent in der Luft.
Trotz dieses Hintergrundes gilt es,
in diesem von der Schweiz anerkannten Staat eine Entwicklung voranzutreiben, welche die Bewohner nicht
mehr zur Flucht nach Mitteleuropa
treibt.
Enge Verbindung
Die Schweiz hat eine enge Verbindung
zum Zwei-Millionen-Einwohner-Land
Kosovo, leben doch rund 200 000 Kosovaren zum Teil seit Jahrzehnten in
unserem Land. Das macht die Arbeit
der sogenannten Liaison and Monitoring Teams (LMT), die für die Nachrichtenbeschaffung zuständig sind, um
­einiges einfacher, denn oft werden die
Swisscoy-Angehörigen während ihrer
Arbeit mitten unter den Kosovaren auf
Schweizerdeutsch angesprochen.
«Grüezi mitenand», ruft ein Ehepaar, das 1988 aus Prizren nach St. Gallen ausgewandert ist und jetzt die
Weihnachtstage in seiner Geburtsstadt verbringt. Schnell ist das Gespräch hergestellt, und schnell zeigt
sich auch, dass die beiden Ex-Kosovaren und Neo-Schweizer die Arbeit der
Schweizer Armeeangehörigen schätzen. Aber nicht nur sie. Bei der einheimischen Bevölkerung geniesst die
Swisscoy ein hohes Ansehen. Dadurch,
dass die Schweiz neutral ist, keine koloniale Vergangenheit hat und im Ausland keine nationalen Interessen vertritt, bleibt sie glaub- und vertrauenswürdig.
«Das kommt auch der Schweiz zugute»
Mit Karl Inderbitzin, Arth, und Ralph Fischlin, Steinerberg, sind unter
anderen zurzeit auch zwei Schwyzer im Swisscoy-Einsatz im Kosovo.
Der 21-jährige Karl Inderbitzin aus Arth
leistet zurzeit seinen Friedenseinsatz als
Munitions-Chef bei der Swisscoy.
«Ich leiste hier einen Beitrag zur Erhaltung des Friedens in Europa. Das
kommt auch der Schweiz zugute», ist
der 21-jährige Wachtmeister Karl Inderbitzin aus Arth überzeugt. Schon während der Rekrutenschule liebäugelte
der gelernte Logistiker, der im Swisscoy-Camp in Prizren als MunitionsChef tätig ist, damit, einen Auslandeinsatz zu leisten. Die Swisscoys sind be-
waffnet, zu ihrem eigenen Schutz,
­Zwischenfälle gab es aber bisher keine.
Inderbitzin nutzt den Friedenseinsatz
aber auch zur eigenen Weiterbildung:
«Ich möchte nach meinem halbjährigen Einsatz Schweizer Gardist werden.» Der Friedenseinsatz im Kosovo
wird seine Chancen bei der päpstlichen
Sicherheitstruppe erhöhen.
Ralph Fischlin aus Steinerberg weilt
bereits das dritte Mal für einen halbjährigen Einsatz als Swisscoy im Kosovo. Der gelernte Zimmermann ist Chef
der Schreinerei, die ausschliesslich
Arbeiten für den Betrieb der Swisscoy-Truppe ausführt. Der 29-Jährige schätzt vor allem die Herausforderung, die er in beruflicher Hinsicht zu
bestehen hat: «Es braucht Kreativität.
Wir müssen mit den hier vorhandenen Mitteln unsere Aufträge ausführen
können.» Auch Fischlin ist überzeugt,
mit diesem Einsatz seine beruflichen
Qualifikationen verbessern zu können,
«denn ein solcher Einsatz kann nicht
jeder ausweisen.»
Beide – Karl Inderbitzin und Ralph
Fischlin – stossen mit ihrer Tätigkeit
als Friedenssoldaten im Kosovo bei
ihren Freunden und Angehörigen in
der Schweiz auf viel Interesse. «Nein,
überhaupt nicht, wir werden nirgend-
Bereits zum dritten Mal ist der 29-jährige
Wachtmeister Ralph Fischlin aus
Bilder Andrea Jaeggi
Steinerberg im Kosovo. wo belächelt. Im Gegenteil, man interessiert sich für unsere Arbeit.» Sie beide empfehlen jedem jungen Menschen,
ob Mann oder Frau, einen solchen
Einsatz wärmstens. «Und wenn wir
unseren Freunden und Verwandten
erzählen, was wir hier tun, so verstärkt
dies die Meinung, dass die Schweiz
davon auch einen echten Nutzen
zieht.» ( fan)
Ganz ohne Eigeninteresse ist das
Schweizer Engagement nicht. «Kriege,
Flüchtlinge, die aufgrund von Armut
eine bessere Welt suchen, und Terrorismus – das sind die Gefahren und
­Phänomene der heutigen Zeit, welche
die Stabilität in Europa bedrohen.
Wirtschaft, Bildung, Kultur, Forschung
und Sport brauchen aber Stabilität
und Sicherheit, um sich entwickeln zu
können», so André Blattmann. «Die
Lage ist ernster geworden.» Deshalb
­
brauche es auch die «verantwortungsbewussten Bürger», die ernsthaft einen
Beitrag zur Stabilität leisten.
Blattmann reiste aber nicht nur
mit Worten der Wertschätzung an die
Swisscoy-Weihnachtsfeier in den Kosovo, er bedankte sich bei jedem einzelnen Mitglied mit Handschlag, einer
Spezialausführung eines Messers der
Schwyzer Victorinox AG und einem
Stück Schweizer Schokolade aus dem
Hause Läderach aus Ennenda.
Anforderungsprofil
für Friedenssoldaten
Das Swisscoy-Detachement im Kosovo
besteht derzeit aus 220 Angehörigen.
Es steht Männern und Frauen im Alter von 20 bis 55 Jahren offen; teilweise, je nach gefragter beruflicher Qualifikation, stehen auch Personen im Einsatz, die das 55. Altersjahr überschritten haben.
Grundvoraussetzung ist eine erfolgreich absolvierte Rekrutenschule, ausgenommen sind Fachspezialisten.
Fachausbildung im Einsatzbereich und
Berufserfahrung gehören weiter zum
Anforderungsprofil, ebenso ein Fähigkeitszeugnis und der Schweizer Pass.
Fremdsprachenkenntnisse sind von
Vorteil. Die gesamte Verfügbarkeit
muss acht bis neun Monate umfassen.
Dies beinhaltet einerseits einen Ausbildungskurs, der in Stans geleistet und
erfolgreich absolviert werden muss.
Der eigentliche Einsatz im Kosovo dauert jeweils sechs Monate, wobei die
Teilnehmenden Anspruch auf 20 Ferientage haben.
Die Arbeitswoche umfasst sechs
Tage. Die Entschädigung richtet sich
nach üblichen, schweizerischen Ansätzen. Für Unterkunft und Verpflegung
vor Ort kommt die Schweiz auf. Die Infrastruktur in den Camps entspricht
ebenfalls schweizerischen Verhältnissen, von Einkaufs-, Sport- und Kommunikationsmöglichkeiten bis hin zur
medizinischen Versorgung. ( fan)