Antworten auf häufige Fragen zum irreversiblen

Antworten auf häufige Fragen
zum irreversiblen Hirnfunktionsausfall*
* Dieser Text greift die Begrifflichkeiten der aktuellen Richtlinie zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und
des Hirnstamms auf. In dieser Richtlinie wurde der umgangssprachliche Begriff des „Hirntods“ durch die Bezeichnung
„irreversibler Hirnfunktionsausfall“ ersetzt.
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Antworten auf häufige Fragen
Warum ist es wichtig, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden?
In Deutschland wird man erst mit einer schriftlichen oder mündlichen Willenserklärung zur Organspenderin oder zum
Organspender. Deswegen ist es wichtig, mit engen Freunden und Angehörigen über seine Entscheidung zu sprechen und
einen Organspendeausweis bei sich zu tragen.
Hat man noch keine Entscheidung getroffen, werden im Todesfall die nächsten Angehörigen befragt. Diese müssen versuchen, in bestem Wissen den Willen der oder des Verstorbenen zu beachten. Damit sie in der akuten Situation Bescheid wissen, ist es wichtig, sich frühzeitig Gedanken über die Organ- und Gewebespende zu machen und darüber zu
sprechen.
Es ist wichtig eine persönliche Entscheidung zu treffen, damit die eigenen Wünsche hinsichtlich der Organspende -egal
ob einer Spende zugestimmt oder widersprochen wird- umgesetzt werden können. Ihre Entscheidung gibt den Angehörigen, den Ärzten und Pflegenden die Gewissheit, in Ihrem Sinne zu handeln.
Weitere Informationen unter: https://www.organspende-info.de/infothek/faq/organspende
Wenn ich einer Organspende zu Lebzeiten zum Beispiel in einem Organspendeausweis zugestimmt habe,
wird im Fall der Fälle wirklich alles getan, um mein Leben zu retten?
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sind dem Wohl des Patienten verpflichtet; daher ist es das Ziel aller medizinischen Maßnahmen, das Leben des Patienten zu retten. Eine eventuelle (dokumentierte) Organspendebereitschaft spielt
hier keine Rolle.
Sind die Ärzte nicht nur an einer schnellen Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls interessiert,
um an Spenderorgane zu kommen?
Das Transplantationsgesetz (TPG) hat durch seine Regelungen jeglichen Interessenskonflikten vorgebeugt: die an den
Untersuchungen beteiligten Ärztinnen und Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe
und/oder Gewebe des Spenders beteiligt sein. Sie dürfen auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der an diesen
Maßnahmen beteiligt ist. Mit dieser Regelung wird die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls von einer möglichen Organspende und Organtransplantation streng voneinander getrennt.
Wann wird das Thema Organspende bei einem Patienten bedeutsam?
Trotz intensivster Bemühungen der Ärztinnen und Ärzte kann es sein, dass eine Behandlung eines Patienten aussichtslos
geworden ist. Weisen alle Anzeichen auf einen möglichen irreversiblen Hirnfunktionsausfall hin, so muss diese Verdachtsdiagnose abgeklärt werden. Die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls muss exakt nach dem in der
Richtlinie der Bundesärztekammer vorgegebenen Untersuchungsschema durchgeführt werden.
Wurde ein irreversibler Hirnfunktionsausfall bestätigt, ist das Krankenhaus nach dem Transplantationsgesetz verpflichtet, die Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) zu informieren.
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Die Ärzte müssen nun klären, ob der Verstorbene zu Lebezeiten eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende getroffen hat. Hierzu werden die Angehörigen befragt. Hat der Verstorbene keine Entscheidung getroffen, werden die Angehörigen gebeten, nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu entscheiden. Lässt sich dieser nicht ermitteln,
entscheiden die Angehörigen nach ihren eigenen Wertvorstellungen.
Wie wird der irreversible Hirnfunktionsausfall festgestellt?
Die Ärzte müssen die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls exakt nach der Richtlinie der Bundesärztekammer durchführen.
Zunächst muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen für einen irreversiblen Hirnfunktionsausfall vorliegen. Hierzu
wird die Art und Ursache der Hirnschädigung ermittelt, und mögliche reversible Einflüsse auf die Hirnfunktion werden
ausgeschlossen. Sind die Voraussetzungen gegeben, werden die klinischen Symptome des Ausfalls der Hirnfunktionen
und deren Irreversibilität (erneute klinische Untersuchung nach definierter Wartezeit und / oder apparative Zusatzuntersuchung) überprüft. Die gesamten Untersuchungen müssen von zwei Ärztinnen oder Ärzten unabhängig voneinander
durchgeführt und protokolliert werden.
Warum werden bei der Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls Schmerzmittel abgesetzt?
Durch einen irreversiblen Hirnfunktionsausfall ist die Schmerzwahrnehmung erloschen. Das Fehlen von hirngesteuerten
Reaktionen auf Schmerzreize wird im Rahmen der Diagnostik des Hirnfunktionsausfalls überprüft. Um seinen Ausfall sicher feststellen zu können, werden sedierende oder schmerzlindernde Substanzen zuvor abgesetzt. Es ist zu beachten,
dass der irreversible Hirnfunktionsausfall einem typischen klinischen Verlauf folgt und daher die aufgehobene
Schmerzwahrnehmung bei Einleitung der richtliniengemäßen Diagnostik sehr wahrscheinlich ist. Sollte dennoch eine
Reaktion auf den gesetzten Reiz erfolgen, wird das diagnostische Verfahren sofort abgebrochen.
Kann der irreversible Hirnfunktionsausfall nicht mit anderen Erkrankungen (zum Beispiel Koma, Locked-inSyndrom) verwechselt werden?
Der irreversible Hirnfunktionsausfall kann zweifelsfrei von anderen Erkrankungen und Symptomen unterschieden werden. Die Untersuchungen, die im Verlauf der Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls durchgeführt werden
müssen, lassen eine eindeutige Abgrenzung dieses Befundes von anderen Erscheinungen zu.
Kann ein Mensch, bei dem der irreversible Hirnfunktionsausfall festgestellt wurde, wieder ins Leben zurückkehren?
Bestätigt sich die Verdachtsdiagnose „irreversibler Hirnfunktionsausfall“ nach einer korrekt durchgeführten Untersuchung, ist der Tod des Menschen sicher nach neurologischen Kriterien festgestellt. Der irreversible Ausfall der Funktion
von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm bedeutet den Ausfall der Steuerung des Gesamtorganismus.
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Auch wenn unter künstlicher Beatmung das Herzkreislaufsystem aufrechterhalten werden kann, wird bei einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall das Hirngewebe nach und nach vollständig abgebaut. Eine Rückkehr ins Leben ist ausgeschlossen. Immer wieder wird in der Sensationspresse von Fällen berichtet, bei denen ein angeblich hirntoter Mensch
wieder zurück ins Leben gekommen ist. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um Patienten, bei denen die Diagnostik zur
Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls nicht sachgerecht nach den Richtlinien der Bundesärztekammer
durchgeführt wurde: die Untersuchungen waren entweder nicht vollständig und/oder wurden unter Missachtung der
wesentlichen Voraussetzungen durchgeführt. Keiner der behaupteten Fälle hat bisher einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten.
Ist es richtig, dass Unfälle die häufigste Ursache für den irreversiblen Hirnfunktionsausfall sind?
Nein, das ist nicht richtig. Die häufigste Ursache (2013: 55,5%) für den irreversiblen Hirnfunktionsausfall ist eine intrakranielle Blutung (Hirnblutung). Intrakranielle Blutungen können zum Beispiel die Folge eines Bluthochdrucks oder eines
geplatzten Blutgefäßes sein. Schädelhirntraumen, die zum Beispiel im Zuge eines Unfalls erlitten werden/entstehen
können, spielen mit 14,4% (2013) nur eine untergeordnete Rolle.
Warum wird bei einer Organentnahme keine Vollnarkose durchgeführt?
Bei einer lebenden Person soll die Narkose dazu dienen, dass der Patient keine Schmerzen empfindet, in einen schlafähnlichen Zustand versetzt wird und die Muskeln des Patienten entspannt werden.
Für jedes dieser Ziele gibt es ein Medikament:
1. Ein Mittel gegen Schmerzen = Analgetikum,
2. ein Schlafmittel = Hypnotikum und
3. ein Mittel zur Muskelerschlaffung = Muskelrelaxans
Vor einer Organentnahme wurde zweifelsfrei der Tod durch den irreversiblen Ausfall der Hirnfunktionen festgestellt.
Dies bedeutet, dass Rezeptoren im Gehirn funktionslos sind und eine Schmerzwahrnehmung im Großhirn ausgelöscht
ist. Aus diesem Grund kann eine Narkose bei einem Verstorbenen die Schmerzwahrnehmung gar nicht ausschließen.
Muskelrelaxantien werden dagegen verabreicht, um spinale Reflexe, die zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von
Blutdruck und Herzfrequenz während der Organentnahme führen, zu verhindern.
Warum ist ein Anästhesist bei der Organentnahme dabei, wenn eine Vollnarkose nicht notwendig ist?
Der Anästhesist ist anwesend, um zum Beispiel die künstliche Beatmung und die Kreislauftätigkeit zu überwachen. Bei
Menschen mit irreversiblem Hirnfunktionsausfall kommt es zu pathophysiologischen Veränderungen im Körper wie einem instabilen Kreislauf oder erheblichen Störungen in Stoffwechsel, Gerinnung, Blutsalzkonzentrationen oder der
Temperaturregulation. Diese Veränderungen können die Organe schädigen und somit deren Eignung für eine Organübertragung beeinträchtigen. Um dies zu verhindern, muss der Anästhesist u.a. für eine gute Durchblutung und Versorgung der Organe sorgen.
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Wie lange kann ein Mensch mit irreversiblem Hirnfunktionsausfall beatmet werden?
Exakte Angaben in Wochen, Tagen und Stunden sind dazu nicht möglich, da jeder Fall individuell ist. Trotz Beatmung beginnt allerdings etwa 12 Stunden nach dem Ausfall der Hirndurchblutung der Zerfall des Gehirns. Nach etwa einer Woche hat sich das Hirngewebe durch die Wirkung von Enzymen selber aufgelöst und verflüssigt.
Wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall festgestellt wurde, sind dann alle Zellen im Gehirn abgestorben?
Der irreversible Hirnfunktionsausfall ist definiert als Funktionsausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm. Dies hat
den Ausfall der Steuerung des Organismus durch das Gehirn zur Folge. Er entsteht, weil die Hirnzellen durch den Ausfall
der Hirndurchblutung von der Versorgung abgeschnitten werden und dann absterben.
Warum kann eine Schwangere mit irreversiblem Hirnfunktionsausfall ein Kind austragen?
Es tritt äußerst selten ein, dass ein Kind bis zur Lebensfähigkeit in einer Schwangeren mit irreversiblem Hirnfunktionsausfall heranwachsen kann. Die Fortführung einer solchen Schwangerschaft erfordert maximale intensivmedizinische
Maßnahmen und ist nur möglich, weil alle aktiven Stoffwechselleistungen vom Ungeborenen selbst erbracht werden.
Die Schwangerschaft wird durch die hormonelle Steuerung des Mutterkuchens (Plazenta) aufrechterhalten und nicht
vom Gehirn der Mutter. Voraussetzung hierfür ist eine Versorgung des Kindes über den mütterlichen Kreislauf.
Wird eine Diagnose des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls überhaupt durchgeführt, wenn es nicht um eine
Organspende geht?
Die Untersuchung als solche ist vorerst völlig unabhängig von einer Organspende. Wird sie durchgeführt, geht es ausschließlich darum, Sicherheit bezüglich des Zustands des Patienten zu erlangen, weil eine Fortführung der Therapie im
Falle eines irreversiblen Hirnausfalls nicht mehr gerechtfertigt ist. Dies ist gerade im Hinblick auf eine eventuelle Patientenverfügung wichtig.
Ist ein Mensch, bei dem der irreversible Hirnfunktionsausfall festgestellt wurde, wirklich tot, oder ist er ein
Sterbender?
Sterben ist kein punktuelles Geschehen, sondern ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum erstrecken kann.
Mit dem Fortschreiten dieses Prozesses kommt es mehr und mehr zum Zerfall wichtiger Funktionssysteme. Wo genau in
diesem Prozess die Zäsur zwischen Leben und Tod gesetzt werden kann oder soll, ist nicht einfach zu beantworten. Der
irreversible Hirnfunktionsausfall ist deshalb ein maßgebliches diagnostisches Zeichen für den bereits eingetretenen Tod,
weil er eindeutig den unwiederbringlichen Verlust der zentralnervösen Steuerung der elementaren Lebensfunktionen
und die Zerstörung der Einheit des Menschen als körperlich-geistiges Wesen markiert. In der Folge sterben nach und
nach auch alle anderen Körperteile und Körperzellen ab, die letzten sogar erst, nachdem ein Mensch schon lange bestattet wurde. Dies gilt unabhängig davon, unter welchen Umständen und aus welchem Grund der Tod eingetreten ist.
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