Interdisziplinäre Tagung Transplantation – Transmortalität Zusammen mit dem UniversitätsSpital Zürich und der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste veranstaltete das Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae (MERH) am 26. Juni 2015 die Tagung „Transplantation – Transmortalität“. Diese interdisziplinäre Tagung hatte zum Ziel, medizinische, rechtliche und ethische Fragen im Bereich der Organtransplantation zu diskutieren und unterschiedliche Aufgaben sowie Problemstellungen in den verschiedenen Bereichen aufzuzeigen und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Gleichzeitig stellte die Veranstaltung den Abschluss der gelungenen Kooperation zwischen dem UniversitätsSpital Zürich, dem Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae (MERH), der Europäischen Akademie der Wissenschaften der Künste und der VW Stiftung im Zusammenhang mit dem Projekt: „Tot und toter Körper. Zur Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft“ dar. Die Debatte über den Hirntod Zentrales Thema bei der Debatte über die Organspende und somit auch wichtiger Diskussionspunkt an der Tagung, stellte der weit verbreitete Begriff des „Hirntods“ als Bezeichnung für den irreversiblen Ausfall des gesamten Hirns und des Hirnstamms dar. Der Begriff des Hirntodes stammt aus der deutschsprachigen Übersetzung des von Mollaret und Goullon 1951 bezeichneten Zustandes des „coma depasseé“ (jenseits des Komas oder endgültiges Koma). Da sich aufgrund moderner Medizin die Kreislauffunktionen eines hirntoten Menschen noch für längere Zeit aufrechterhalten lassen, stösst der Begriff des Hirntodes als endgültiger Tod des Menschen, welcher zur Organentnahme berechtigt, auf grosse Skepsis in der Bevölkerung. Deshalb spricht sich Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Unger für eine Umbenennung des Begriffs des „coma depassé“ in „coma egressum“ aus. Dieser Begriff bedeute das endgültige, über den Tod hinausreichende Koma, das den körperlichen Tod des Menschen bedingt und aus dem der Mensch nicht mehr erwache. Ziel sei, sich mit diesem Begriff von einer durch den Begriff des Hirntodes entstandenen Objektivierung des Spenders zu distanzieren und sich hin zu einer Sichtweise zu bewegen, die den Spender als Subjekt ins Zentrum rücke. Mit dieser Differenzierung erhofft sich Herr Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Unger eine grössere Akzeptanz in der Bevölkerung in Bezug auf die Organspende sowie eine grössere Bereitschaft Organe zu spenden. Die Feststellung des Hirntodes eines Menschen ist Voraussetzung für die Entnahme der Organe eines Spenders. Dass sowohl bei der DBD Variante (Donor after Brain Determination of Death), bei der unter erhaltener Kreislauffunktion die Hirnperfusion erliegt als auch bei der Situation eines DCD (Donor after Circulatory Determination of Death) eine Hirntoddiagnostik zwingende Voraussetzung ist, verdeutlichte der Vortrag von Prof. Dr. med. Müller. Bei einem Donor after Circulatory Determination of Death wird der Hirntod nach einem Kreislaufstillstand und einer Karenzfrist („no touch period“) festgestellt. Diese Karenzfrist beträgt in der Schweiz 10 Minuten, variiert jedoch je nach Land von 2 bis zu 20 Minuten. Sowohl die DBD- als auch die DCD-Spender seien bei der Organentnahme hirntot. Der Unterschied liege allerdings darin, dass DCD-Spender im Zeitpunkt der definitiven Entscheidung zur Organspende noch nicht hirntot seien. In der Schweiz werde bei den DCD-Spendern insbesondere aufgrund des Verfahrens der Rekonditionierung erfolgreich die Maastricht-Kategorie 3 praktiziert. Hier werde eine Organentnahme vorgenommen, nachdem der Patient infolge eines Abbruchs der lebenserhaltenden Therapie bei Erkrankung mit aussichtsloser Prognose verstorben sei. Es werde dabei strikt zwischen Therapieabbruch aufgrund einer infausten Prognose und der Entscheidung zur Organentnahme unterschieden. Der Beschluss eine Organentnahme vorzunehmen werde erst gefällt, wenn über den definitiven Therapieabbruch entschieden worden sei. Aufgrund dieser strikten Trennung und des Erfordernisses des unausweichlichen Todeseintritts des Patienten, könne in der Schweiz in einem solchen Fall nicht von Tötung gesprochen werden. Dies sei eine Vorgehensweise, welche in Deutschland auf breite Inakzeptanz stossen würde, erklärt Frau Prof. Dr. iur. Ruth Rissing-van Saan, die Vorsitzende des 2. Strafsenats des deutschen Bundesgerichtshofes ist. Die Organentnahme bei Spenderinnen und Spendern mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand sei in Deutschland undenkbar. Da hier noch Reanimationsmassnahmen vorgenommen werden können, könne noch nicht von einem Toten gesprochen werden. Die Organentnahme sei in diesem Fall als Tötungsdelikt zu qualifizieren, wobei bei Habgier sogar der qualifizierte Tatbestand des Mordes denkbar sei. Organallokation und deren Probleme In der Schweiz wird ein Patient, welcher eine Lebertransplantation benötigt, auf der zentralen, nationalen Warteliste von Swisstransplant registriert. Der Patient, der in dieser Liste die höchste Dringlichkeit aufweist, erhält die Leber. Prof. Dr. med. Dr. phil. Rogler erklärt, dass die Beurteilung der Dringlichkeit einer Lebertransplantation durch den sogenannten MELD-Score festgestellt werde. Mit ihm könne die Schwere einer chronischen Lebererkrankung im Endstadium gut eingeschätzt werden. Ein hoher MELD-Score bedeute ein grösseres Risiko, innerhalb der nächsten 3 Monate zu versterben. Diese Allokationspraxis der verfügbaren Organe beinhalte allerdings das Manko, dass Patienten so lange zuwarten müssten, bis sie so schwer krank seien, dass nur noch mit schlechten Erfolgsaussichten transplantiert werden könne. Das Kriterium der Dringlichkeit ist somit oft nicht vereinbar mit einem effizienten Einsatz der knappen Ressourcen und den Erfolgsaussichten einer Transplantation. Diese der Organallokation immanenten Probleme können zu Missbräuchen führen und der MELD-Score kann manipuliert werden, wie dies Herr Prof. Dr. med. Dr. phil. Rogler am Beispiel des Göttinger Transplantationsskandals erläutert. Allerdings sei der Einfluss des behandelnden Arztes nicht vermeidbar und es handle sich immer um Einzelfall Entscheidungen. Es könne keine einheitlichen Regeln für alle geben. Einheitlicher Konsens der Förderung des Vertrauens in die Organspende Einheitlicher Grundkonsens der Referierenden sowie Teilnehmenden der Tagung ist das Bewusstsein der zwingenden Notwendigkeit, das Vertrauen in die Organtransplantation zu fördern. Das gegenseitige Vertrauen müsse sowohl in der Bevölkerung wie auch zwischen Ärzten, Juristen und Ethikern gestärkt werden. Ein Zusammenwirken von Medizinern, Juristen sowie Ethikern sei unabdingbar. Nur so können Sicherungsmassnahmen geschaffen und bestehendes Misstrauen abgebaut werden. Wichtig seien insbesondere die gegenseitige Kommunikation und das Verständnis für die jeweiligen Aufträge. Die Durchführung solcher Tagungen leiste einen wichtigen Beitrag dazu, so Staatsanwalt lic. iur. Alex de Capitani.
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