Voll besetzter Saal bei Münchner VDE-Kolloquium Intelligente Medizinelektronik kommt viel zu langsam in Fahrt Smarte Medizinelektronik wird schon in naher Zukunft in unserer Gesundheitsversorgung unverzichtbar sein, aber sie kommt viel zu langsam in Fahrt – das ist das Ergebnis des Münchner VDE-Kolloquiums, das Anfang Juli stattgefunden hat. Eigentlich könnten Anwendungen wie intelligente elektronische Implantate oder telemedizinische Assistenzsysteme längst weit verbreitet sein, aber verschiedene Rahmenbedingungen erschweren das, so das Credo der anwesenden Experten. Rund 70 Wissenschaftler, Industrievertreter und Interessierte diskutierten an diesem Abend nicht nur heiß, sondern schwitzten bei sommerlicher Hitze im voll besetzten Saal auch ordentlich. Prof. Dr. Bernhard Wolf, der Leiter des Heinz Nixdorf-Lehrstuhls für Medizinische Elektronik an der TU München, zeichnete in seiner Keynote die Medizinische Entwicklung von der Kräutermedizin der vergangenen Jahrhunderte („Medizin 1.0“) über die Medizin mit Antibiotika und Röntgentechnik („Medizin 2.0“) hin zur modernen Medizin mit NMR und Operationsrobotern („Medizin 3.0“) nach. Heute stehe man an der Schwelle zur „Medizin 4.0“, die sich durch intelligente elektronische Systeme auszeichne, durch die Therapien vollkommen personalisiert werden könnten. Dadurch ließe sich die Medizin zum Wohle des Patienten wesentlich verbessern und gleichzeitig das Gesundheitswesen entlasten. All das sei heute technisch realisierbar, werde aber kaum umgesetzt, so Prof. Wolf. Prof. Dr.-Ing. Petra Friedrich, die am CoKeTT-Zentrum der Hochschule Kempten telemedizinische Assistenzsysteme entwickelt und testet, bestätigte in ihrem Vortrag, dass viele dieser Systeme einwandfrei funktionieren und längst marktreif sind. Sie zeigte anhand der Daten aus Anwendertests, dass mit Hilfe telemedizinischer, therapeutischer Feedbackkonzepte beim Patienten langfristige gesundheitliche Erfolge erzielt werden können, etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Adipositas. Auch der gesamtgesellschaftliche Nutzen solcher Systeme sei nicht zu unterschätzen. In der anschließenden Podiumsdiskussion kristallisierte sich schnell heraus, dass zum einen die ungünstige Struktur der Forschungsförderung in Deutschland die medizinelektronischen Entwicklungen bremst, zum anderen zur Einführung dieser Systeme klinische Test nötig seien, deren Finanzierung aber schwierig sei, stelle Prof. Wolf fest. Neue Strukturen zur Finanzierung solcher Projekte könnten die Situation entschärfen. Weiterhin ergab die Diskussion, dass Ärzte intelligente elektronische Systeme nicht verschreiben können, weil es dafür bislang keine Abrechnungskennziffern gibt. Mit denen sei aber früher oder später zu rechnen, so Ministerialrat Alexander Kraemer, der im Bayerischen Ministerium für Ge- sundheit und Pflege unter anderem für Telemedizin zuständig ist. Konkrete Zeitpunkte konnte er allerdings auch nicht nennen. Ministerialrat Kraemer betonte, dass das neue E-HealthGesetz, das demnächst wohl verabschiedet werde, immerhin in die richtige Richtung zeige. Es sieht vor, dass Anwendungen wie elektronische Arztbriefe und Medikationspläne schon bald zum Standard werden. Sehr kontrovers debattierten die Teilnehmer beim Münchner VDE-Kolloquium über die Tatsache, dass viele Bürger bedenkenlos ihre Daten herausgeben, wenn es um Soziale Medien und Quantified Self geht, bei medizinelektronischen Anwendungen aber massive Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes haben. Auch hier, so war aus den Wortbeiträgen zu hören, könne das E-Health-Gesetz möglicherweise mehr Vertrauen bringen – zumindest sieht der Gesetzestext eine Stärkung des Datenschutzes vor. Im Anschluss an die offizielle Diskussionsrunde setzten die Teilnehmer ihre Gespräche bei kühlenden Getränken und einem Imbiss fort. Weitere Informationen: VDE-Bezirksverein Südbayern e. V., Hohenlindener Str. 1, 81677 München, Tel. 089-289-22967, E-Mail: [email protected]
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