Rekrutierung an die neuen Herausforderungen anpassen

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Strategie & Management
Human Resource Management, Teil 1 / 5
Rekrutierung an die neuen
Herausforderungen anpassen
Im Kampf um die besten Mitarbeiter müssen Personalmanager immer wieder auch alte
Wege verlassen. Neue Wertvorstellungen, soziale Medien und Big Data prägen zunehmend
das Human Resource Management. Aber ist es damit getan, sich zukünftig vermehrt auf die
elektronischen Medien zu konzentrieren, damit die Firma den Anschluss nicht verliert?
Megatrends beachten
Eine kurze Literaturrecherche zu diesem
Thema führt zuerst zu Zukunftsforscher
Matthias Horx, welcher mit «seinen»
Megatrends Globalisierung, Frauen, Individualisierung, Downaging, Gesundheit, New York und Connectivity schon einige wichtige Anhaltspunkte gibt. Eine
weitere interessante Zusammenstellung
wurde im «Harvard Business Manager»,
November 2012, veröffentlicht, bei der
vier Thesen aufgestellt wurden, wie die
Personalauswahl und -entwicklung im
Jahr 2020 aussehen werden. Einige Aus-
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die Bereitschaft zum Wechseln verstärkt.
Der demografische Wandel verschärft
zudem die Knappheit. Und so viele junge
Arbeitskräfte gibt es ja gar nicht, um all
diejenigen zu ersetzen, welche in den
nächsten Jahren pensioniert werden oder
werden sollten. Also wird entweder der
Kampf um die Jungen verstärkt geführt
oder die älteren Mitarbeiter werden entsprechend gepflegt. Nicht selten hören
wir von 50plus-Mitarbeitern die Aussage,
sie würden gerne über das Pensionierungsalter hinaus arbeiten. So oder so
wird das Reservoir aber immer kleiner.
Vorausgesetzt, das Wirtschaftswachstum
hält wie vorgesehen an, so wird sich der
Arbeitsmarkt vermehrt in Richtung Angebotsmarkt für den Stellensuchenden
entwickeln.
Generation Y
››Ulrich von Känel
Sicher werden diese neuen Medien und
Plattformen einen wesentlichen Raum
einnehmen, aber vermutlich werden trotzdem nicht ganz alle Anforderungen damit abgedeckt sein. Um festzustellen,
welchen Aspekten in der Zukunft der
Rekrutierung vermehrt Beachtung geschenkt werden muss, lohnt es sich, die
aktuellen gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen zu analysieren
und zu fragen: Welche Trends haben eine
Auswirkung auf die Rekrutierung und
wie – falls überhaupt – nehmen wir diese
Trends auf?
sagen aus diesem Artikel werden im Folgenden noch zitiert. Daneben gibt es
zahlreiche weitere Publikationen zum
Stichwort Megatrends, welche wenn
nicht die gleichen, so doch sehr ähnlichen
Aussagen machen.Wie wirken sich diese
Trends nun auf die Rekrutierung der Zukunft aus? Um das Resultat vorwegzunehmen: Die Rekrutierung der Zukunft
verlangt:
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kurz & bündig
Mit dem steigenden Kostendruck
können sich Unternehmen immer
weniger eine Fehlbesetzung vakanter Stellen leisten.
Die Untersuchungen zeigen, dass
drei Viertel der Kandidaten bereits
schon nach 20 Minuten den Prozess ihrer Online-Bewerbung abbrechen, weil dieser wenig benutzerfreundlich ist.
Die heutigen Stellensuchenden
sind oft derart gut auf Bewerberinterviews und Assessments vorbereitet, dass es differenzierte Selektions-Instrumente braucht.
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Strategie & Management
››ein verstärktes Employer Branding
››den Einsatz von ausgefeilteren Selektionsinstrumenten
››den Aufbau und Betrieb eines effizienten und benutzerfreundlichen E-Recruiting.
Zusätzlich werden noch die Auswirkungen der Masseneinwanderungs-Initiative
zu berücksichtigen sein. Mit der Generation Y kommt ausserdem eine Generation
auf den Markt, bei welcher die Karriere
nicht immer das oberste Ziel aller Dinge
darstellt. Der Umgang mit solchen und
weiteren Ansprüchen wird für Firmen
eine spezielle Herausforderung bedeuten. Das steigende Gesundheitsbewusstsein sowie der Trend, das persönliche
Wohlbefinden in den Mittelpunkt zu stellen, verstärken dies. Möglicherweise wird
es in Zukunft weniger Führungskräfte geben, welche für das Unternehmen die
gesamte Freizeit, ihre Gesundheit und /
oder Familie opfern wollen.
Alle diese Faktoren führen dazu, dass
die Unternehmen in einem pickelharten
Wettbewerb zueinander stehen, die bes-
ten Arbeitskräfte für sich zu gewinnen.
Ein verstärktes Employer Branding hilft,
dies zu erreichen.
Neues Potenzial gesucht
Nach Erfahrung des Autors ist eine Tendenz
festzustellen, dass Unternehmen zunehmend eine völlige Übereinstimmung zwischen Kandidat und ihrem Anforderungsprofil anstreben. Nicht nur der Kandidat,
auch das Unternehmen entwickelt sich in
Richtung Individualisierung und nur die
Employer Branding
Eine zunehmende Mobilität ist nicht nur
auf der Strasse oder Schiene festzustellen, sondern auch im Hinblick auf den
Wechsel von einem zum anderen Unternehmen. Eine Untersuchung von Xing ergab, dass es drei Mal mehr latent- als aktiv-Suchende gibt. Zwar seien 88 Prozent
der Angestellten zufrieden mit ihrem Job,
dies hindert aber 53 Prozent aller Angestellten nicht, wechselwillig zu sein und
sich nach neuen Gelegenheiten umzuschauen.
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Im Klartext: Jeder zweite Mitarbeiter ist
auf dem Absprung – möglicherweise
nicht einmal diejenigen, die die Unternehmen am besten verkraften können.
Mit zunehmender Bedeutung der Direktansprache, sei dies über Prämien für Mitarbeiter, die einen Kandidaten vermitteln, oder über professionelle Büros, wird
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exakt passende Person scheint den geforderten Ansprüchen zu genügen. Zusätzlich
wird eine hohe Flexibilität verlangt. Der
Mitarbeiter muss nicht nur seine jetzige
Funktion erfüllen, sondern auch das Potenzial haben, sich mit der rasch wandelnden
Firma zu entwickeln und zukünftige Herausforderungen zu meistern.
Mit dem steigenden Kostendruck kann
man sich auch immer weniger eine Fehlbesetzung leisten. Von Prof. Dr. Daniela
Eberhardt, Leiterin des Institut für Angewandte Psychologie an der ZHAW,
stammt der Satz «Führungspersonen der
Zukunft sind flexibel, resilient, agil, systemisch und authentisch.» Schon nur um
diese geballte Ladung an Eigenschaften
zu eruieren, braucht es entsprechende
Diagnose-Instrumente in der Selektion.
Ausserdem sind die heutigen Stellensuchenden zum Teil derart gut auf Bewerberinterviews und Assessments vorbereitet, dass es differenzierte Selektionsinstrumente braucht. Man will ja schliesslich nicht (nur) einen guten Schauspieler anstellen, sondern eine qualifizierte
Führungskraft. Laut des erwähnten Artikels aus dem «Harvard Business Manager» von November 2012 braucht es im
Jahre 2020 für jede Stelle ein methodisch
sauberes Anforderungsprofil und es werden mindestens drei verschiedene diagnostische Instrumente eingesetzt.
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Buch-Tipp: Erfolgsfaktoren im Personalmanagement
Unternehmen müssen attraktive Arbeitsplätze schaffen und sich dadurch positiv
weiterentwickeln. Ein steigendes Lohnniveau sowie innovative Arbeitsmodelle bringen neue Herausforderungen. Stichworte
wie mobiles Arbeiten, Jobsharing, gezielte
Weiterbildung, Talentförderung, Teamentwicklung, Laufbahnplanung, Standortbestimmung, familienfreundliche Arbeitszeiten sowie massgeschneiderte Programme
mehrt spielerischen Umgang mit den verschiedenen Kanälen. Versuchen wir doch
mal, verschiedene Inseratetexte auszutesten und schauen, welche die meisten
Klicks erhalten. Die Wirksamkeit der eigenen Rekrutierungsstrategie kann heute
wesentlich genauer festgestellt werden,
als dies früher der Fall war. Zum E-Recruiting gehört auch ein benutzerfreundlicher Dialog mit dem zukünftigen Mitarbeiter. Untersuchungen zeigen, dass drei
Viertel der Kandidaten schon nach 20 Minuten den Prozess ihrer Online-Bewerbung abbrechen, weil dieser wenig benutzerfreundlich ist (Stichwort: Employer
für Wiedereinsteigerinnen und Beschäftigte über das Pensionsalter hinaus prägen die
Szene. Firmenchefs und ihre HR-Abteilungen sind gefordert wie kaum zuvor. Attraktive Arbeitgeber haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Das Buch zum Thema ist für 25 Franken zuzüglich Versandspesen erhältlich bei:
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Branding) und dass sie sich oftmals kurz
vor dem Interview per Smartphone über
den zukünftigen Arbeitgeber und die besetzende Stelle informieren. Der erste
Versuch von Allianz Deutschland, den Bewerbungsprozess ganz ohne Lebenslauf
und Anschreiben abzuwickeln, ist zwar
gescheitert, aber es wird nicht der letzte
Versuch gewesen sein. Der Autor würde
nicht so weit gehen wie Eric Schmidt von
Google, der sagt: «If you don’t have a mobile strategy, you don’t have a future strategy.» Doch die Gefahr, ohne «mobile
strategy» etwas zu verpassen, steigt von
Jahr zu Jahr an. «
Porträt
Ulrich von Känel
Partner
E-Recruiting
Die technologische Entwicklung zwingt
uns förmlich dazu, uns mit diesem Thema
E-Recruiting zu befassen. Trotz gewisser
Gegentrends ist es nicht abzusehen, dass
die Verbreitung sozialer Medien rückgängig gemacht wird. Die Geschwindigkeit und der existierende Kostendruck
zwingen uns dazu, uns mit dem E-Recruiting vertieft auseinanderzusetzen. Neue
Plattformen wie Experteer, Recomy oder
Whatachado bieten den Kontakt zu spezifisch interessierten oder geeigneten
Personen. Die heutigen Auswertungen erlauben es zudem, die Wirksamkeit der
verschiedenen Kommunikationskanäle
zu erfassen. Das ermöglicht einen ver-
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Ulrich von Känel ist Partner beim Personaldienstleister
Schärpartners AG, Burgdorf. Schärpartners ist Mitglied des
interdisziplinären Beraternetzwerks Swissconsultants.ch.
Es besteht aus 23 inhabergeführten qualifizierten Mitgliederfirmen.
Swissconsultants.ch ist das nach eigenen Angaben breiteste Netzwerk für business
contacts in der Schweiz mit acht Bereichen: Marketing und Kommunikation, Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand, Recht, Personalberatung, IT-Beratung sowie neutrale Versicherungsberatung und Vorsorge.
Kontakt
[email protected], [email protected], www.swissconsultants.ch
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