Erika Binder ist gestorben Dokumentationsstätte zu

ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
DEZEMBER 2015
D o k u m e n tat i o n s s tät t e z u K r i e g s g e s c h e h e n
u n d ü b e r F r i e d e n s a r b e i t S i e v e r s h a u s e n e .V.
ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
DEZEMBER 2015
Antikriegshaus Sievershausen Kirchweg 4A 31275 Lehrte Tel.: 05175-5738 mail: [email protected]
Erika Binder ist gestorben
Am 29. November starb unerwartet unser langjähriges Mitglied Erika Binder mit 95 Jahren im Krankenhaus Lehrte.
Sie war eine außerordentliche Persönlichkeit in der
Friedensbewegung und viele Jahre in verschiedenen Gruppen aktiv. Sie hat die schrecklichen Folgen
des 2. Weltkrieges in der Familie und in dem Verlust von Heimat und Hof in Pommern erlitten. Sie ist
als Flüchtling in Sievershausen gelandet, wo sie es
schwer hatte Fuß zu fassen. Sie fand eine Stütze im
Pastor Klaus Rauterberg, der unser Antikriegshaus
mit seiner Initiative aufgebaut hat. Lange Zeit half sie
ihm als Küsterin. Dies war, wie alles andere, was dann
folgte, ihre Antwort auf den Hitler-Faschismus, den
sie erleiden musste: Nie wieder Krieg! Und so setzte
sie sich tatkräftig beim Aufbau unseres Hauses ein.
Und es folgten Initiativen, bei denen sie maßgeblich
mitwirkte, so u.a. bei dem „Marsch der Frauen für
den Frieden“ von Dortmund nach Brüssel und bei der
Seniorenblockade in Mutlangen gegen die Stationierung von Pershing-Raketen. Sie war nicht wegzudenken auf Friedensdemos. Selbstverständlich war sie
bei Evangelischen Kirchentagen dabei und hat bis ins
hohe Alter Standdienste auf dem „Markt der Möglichkeiten“ ausgeübt. Ihre Erinnerungsarbeit war bei
der AG Bergen-Belsen.
Ein großer Schwerpunkt der letzten Jahre war ihr
Verein „Heimstatt Tschernobyl“ in Weißrussland mit
dem neugeschaffenen Dorf Drushnaja für die Vertriebenen der Reaktorkatastrophe von 1986. Besuche
der Freunde von dort bei uns haben das Projekt weithin bekannt gemacht. Immer wieder organisierte sie
Konzerte in der Martinskirche, deren Erlöse in den
Aufbau von Drushnaja gingen.
Sie hat zusammen mit ihren Kindern und Enkelkindern noch in ihrer Wohnung in Sievershausen ihre
Erinnerungen so zu Papier bringen können, dass da-
raus ein Buch entstand: „Stationen meines Lebens“.
Schülern hat sie daraus vorgelesen und mit ihnen
über das Vergangene und Erlittene gesprochen; denn
es ging ihr immer darum, den jungen Menschen die
Wahrheit über die deutsche Vergangenheit nahe zu
bringen.
Sie hatte ein kämpferisches und erfülltes Leben 95
Jahre lang.
Wir haben eine großartige und mutige Freundin verloren, die einen langen Weg auch mit uns gegangen
ist.
Klaus-Peter Großmann
Eine angemessene Würdigung Erika Binders
werden wir in unserem nächsten Newsletter
vornehmen.
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ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
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Sonntag, 6. Dezember, um 17 Uhr
Kobane - Ein Leben in Trümmern
Eröffnung der Ausstellung mit Fotografien von Robin Hinsch
Wer den Flüchtlingsstrom nach Europa
verstehen will, muss den Ort seiner Wurzeln aufsuchen. Der Fotojournalist Robin
Hinsch hat die syrischen Grenzstadt Kobane , zur Zeit des Angriffs durch den IS im
Frühjahr für ein paar Tage im Fokus der
Medien, nach der Rückeroberung durch
kurdische Kräfte mit seiner Kamera eingefangen. Von den etwa 400.000 EinwohnerInnen sind dreihunderttausend vor den
Terrormilizen geflohen, nur ein Viertel der
Einwohnerschaft blieb zurück. Die Fotos
schildern die Zerstörung der Stadt und das
Leben derjenigen, die dort geblieben sind.
Zur Eröffnung der Ausstellung im Antikriegshaus Sievershausen lädt amnesty international Hannover zu einem Gespräch
mit Robin Hinsch und Amill Gorgis, SyrienExperte und ökumenischer Beauftragter
der Syrisch-Orthodoxen Kirche in Berlin,
ein.
Robin Hinsch, geboren 1987, wurde, obwohl noch Studierender, bereits mit zahlreichen internationalen Fotografiepreisen
ausgezeichnet und vollendet zur Zeit sein
Masterstudium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.
Seine Ausstellung „Ein Leben in Trümmern“ wird bis Ende Januar im Antikriegshaus zu sehen sein.
In dieser Ausgabe:
Editorial
Ein Rückblick
Impressum: Newsletter Dezember 2015
Antikriegshaus Sievershausen
Kirchweg 4A 31275 Lehrte-Sievershausen
[email protected] Tel: 05175-5738
Öffnungszeiten: di, fr 10-17 Uhr, sa 15-17 Uhr
www.antikriegshaus.de
Konto bei der Evangelischen Bank eG
IBAN DE13520604100000006076
BIC GENODEF1EK1
Inhaber: Kirchenkreisamt Burgdorfer Land
Aus der Stiftung Frieden ist ein
Menschenrecht
Positive Geschichten
Ein Zwischenruf von Lutz Krügener
Für den Frieden arbeiten - das Beispiel
Forum Ziviler Friedensdienst
Bericht vom Internationalen Workcamp 2015
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Veranstaltungshinweise
ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
DEZEMBER 2015
Liebe Freundinnen und Freunde des Antikriegshauses
In unserem ersten Newsletter dieses Jahr
schrieben wir von den Flüchtlingen in einer
unfriedlichen Welt und davon, dass diejenigen, die unter den Bedingungen von Krieg und
Gewalt aufwachsen, nicht lernen Frieden zu leben. Leider hat das Jahr mit seinen vielen Anschlägen keine Hoffnung auf Frieden gemacht,
obwohl es auch positive Ansätze gab: das Abkommen mit dem Iran, das Ende der Eiszeit
zwischen USA und Kuba, die Verabschiedung
der UN-Nachhaltigkeitsziele, die beginnenden
Verhandlungen zur Situation in Syrien. Ganz
viel Hoffnung machen die vielen Menschen in
Deutschland, die den Flüchtlingen ein herzliches Willkommen bereiten und trotz aller Unkenrufe der Politik in ihren Bemühungen nicht
nachlassen.
Der Dezember ist oft der Monat des Zurückschauens, und so halten auch wir es in diesem
Newsletter. Wir schauen noch einmal auf das
ablaufende Jahr, auf das, was hier im Antikriegshaus gelaufen ist, und wir tun dies mit
einer positiven Ausrichtung. Wir brauchen für
unsere Hoffnung, für unsere tägliche Arbeit
positive Bilder und Geschichten, gerade weil
die Themen, mit denen wir uns beschäftigen,
oft einen dunklen niederdrückenden Beiklang
haben. Wir brauchen die Ermutigung positiver
Beispiele, um selbst Veränderungen zu bewirken. Deshalb finden Sie in diesem Newsletter
Geschichten von gelungenen Alternativen des
nachhaltigen Wirtschaftens, die unsere dies-
jährige Reihe „Wie wollen wir leben?“ ergänzen sollen. Und wir geben in einem längeren
Redeausschnitt von der Feier der Sievershäuser Ermutigung 2014 einen Einblick in die konkrete, mühevolle Friedensarbeit von Friedensfachkräften in Konfliktgebieten, die, wenn sie
denn ähnlich gefördert würde wie militärische
Einsätze, wohl viel mehr Frieden bewirken
könnte als jene.
Wir sagen Dank an all diejenigen, die unsere
Arbeit wichtig finden und unterstützen. Wir
versuchen mit der Stiftung Frieden ist ein
Menschenrecht diese Arbeit auf wirtschaftlich gesunde Füße zu stellen, viele haben dabei dieses Jahr mit ihrem Beitrag geholfen. Das
großartige ARTonal-Konzert am Volkstrauertag
in der Sievershäuser Kirche zeigte, in welchem
Spannungsfeld sich Friedensarbeit bewegt: so
hell und klar wie die Stimmen der Sänger und
Sängerinnen und so düster wie die gesungenen Texte, dass es manchmal schwer auszuhalten war. Wir werden uns weiterhin in diesem
Spannungsfeld bewegen und hoffentlich ein
klein wenig zum Frieden in der Welt beitragen
können.
Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Fest des
Friedens.
Das Team vom Antikriegshaus
„Wie wollen wir leben?“ - ein Rückblick
haben, dass sie sich schon intensiv Gedanken
machen über Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit, ohne die es Frieden nicht geben wird. Je
ungerechter die weltweiten Strukturen, desto
mehr Konflikte wird es geben – und wir können diese Konflikte nicht durch neue Zäune
aussperren.
Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr die
neuen Nachhaltigkeitsziele verabschiedet,
die den Kampf gegen Hunger und Armut beinhalten, aber auch die Erreichung von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. In der
„Agenda for Sustainable Development“ heißt
es: „Wir beschließen, eine bessere Zukunft für
„Wie wollen wir leben?“ hat das Antikriegshaus in diesem Jahr gefragt und das Thema
Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in einer ganzen Veranstaltungsreihe behandelt. Frieden,
Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung
gehören für uns untrennbar zusammen, und
deshalb müssen wir uns immer wieder Gedanken darüber machen, ob unsere Gesellschaften, unser Leben diesen Zielen dienen oder
eher widersprechen. Dabei geht es nicht um
unser Leben im reichen Deutschland allein,
es muss vielmehr die globale Situation in den
Blick geraten. Es hat uns gefreut, dass viele
Menschen in unseren Veranstaltungen gezeigt
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ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
alle Menschen zu schaffen, einschließlich der
Millionen, die bisher keine Chance auf ein annehmbares, würdevolles und auskömmliches
Leben haben.“ Das ist schnell dahingesagt,
aber eine schwierigere Aufgabe ist kaum vorstellbar. Geht doch die Tendenz eher dahin,
dass die Reichen nicht abgeben wollen und
wir alle nicht in unser Bewusstsein aufnehmen, wie verletzlich die ökologischen Strukturen sind und dass wir durch unser alltägliches
Verhalten mit dazu beitragen, diese (über-)
lebenswichtigen Strukturen zu zerstören. Die
Klimakonferenz in Paris wird zeigen, ob die
Politik zu Schritten bereit ist, die tatsächlich
etwas bewirken können. Aber es kommt nicht
nur auf die Politik an, sondern wir alle sind gefragt. Wir haben bei unseren Veranstaltungen
gehört, wie die Art unseres Konsums einen erheblichen Einfluss auf die globalen Verhältnisse hat und dass eine Veränderung dieses Konsums durchaus Veränderungen (zum Guten
wie zum Schlechten) bewirken kann.
„Damit wir klug werden“, hat der diesjährige
Kirchentag in Stuttgart dies als Motto zusammengefasst, und klug wäre es allemal, nicht
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nur auf unser eigenes Wohlleben zu achten,
sondern das gute Leben in aller Welt im Auge
und im Sinn zu behalten. Wobei das gute Leben nur zu einem gewissen Teil in Geldscheinen zu messen ist. Wohlstand drückt sich auch
und gerade in immateriellen Werten aus: Zeitwohlstand zum Beispiel, an dem es bei uns
mehr und mehr fehlt.
Frieden ist einer dieser Werte, die gar nicht
hoch genug bemessen werden können. Leider
ist auch in diesem Jahr die Welt nicht friedlicher geworden. Für Europa und Deutschland
ist es ein Jahr des Erkennens, dass die Konflikte, die weit weg erscheinen, doch direkte Auswirkungen auf unser Leben hier haben. Vielleicht führt diese Erkenntnis zu der Einsicht,
wie wenig militärisches Eingreifen bewirkt,
wie viel mehr wir in friedenssichernde und
friedensschaffende zivile Mittel investieren
müssen. Die internationalen Workcamps, die
im Antikriegshaus stattfinden – und von denen
wir dieses Jahr sogar zwei hatten -, sind eine
solche Investition in Friedensarbeit. Sie bedeuten für unser Team viel Arbeit, aber Frieden ist nicht ohne Arbeit und ohne Ressourcen
zu erreichen. Gewaltfreie Konfliktbearbeitung
beginnt weit im Vorfeld von möglichen Konflikten. Wenn junge Menschen aus aller Welt
für zwei Wochen hier friedlich zusammenleben, voller Neugier für die oder den anderen,
voller Bereitschaft, aufeinander zu zu gehen
und sich positiv zueinander zu verhalten - und
dabei noch theoretisches Rüstzeug erhalten,
wie mit Konflikten konstruktiv umzugehen ist,
so ist das friedensschaffend im besten Sinne
des Wortes.
Wenn junge Menschen in Syrien oder Eritrea
sich dem Krieg verweigern und in die ungewisse Fremde gehen, so ist das in einem gewissen
Sinn positiv zu sehen. Oskar Ansull hat im Antikriegshaus am Beispiel des Ersten Weltkriegs
gezeigt, wie der Hurra-Patriotismus eine ganze
Gesellschaft durchdrungen hat. Auch heute
nehmen Medien und viele Politiker das Wort
„Krieg“ schon wieder ganz unbedarft in ihre
Veröffentlichungen auf. Lasst uns lieber für
den Frieden arbeiten... Der junge Musiker aus
Konstanz, der mit seinem Klavier an Brennpunkte von Auseinandersetzungen fährt und
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setzesverschärfungen rufen. „You can count
on me“, „Du kannst auf mich zählen“ - das war
die Botschaft der jungen Leute unseres Friedenscamps – darin steckt die Hoffnung, mit
der wir unsere Arbeit hier tun.
dort für eine freie, friedliche Welt aufspielt –
z.B. das wunderbare „Imagine“ von John Lennon nach den Anschlägen von Paris – , trifft
den Nerv unserer Gesellschaften vielleicht
eher als all die Politiker, die nach weiteren Ge-
Aus der Stiftung Frieden ist ein Menschenrecht
Unsere Stiftung, die die Arbeit des Antikriegshauses finanziell unterstützen soll, ist auf
einem guten Weg. Das Anfangskapital von
80.000 Euro ist durch einige große und viele
kleine Zustiftungen und die Hilfe der Landeskirche schon um 75% gewachsen, wenn es so
weitergeht, ist die erste große Aufgabe, einen
bedeutenden Teil des Preisgeldes für die Sievershäuser Ermutigung beizusteuern, bis 2017
zu schaffen. Das Benefiz-Konzert am Volkstrauertag, das das Vokalensemble ARTonal als
Unterstützung der Stiftung gegeben hat, war
für uns eine wunderbare Ermutigung und ein
eindrucksvolles Klangerlebnis. Wir danken allen Beteiligten ganz herzlich!
Die Stiftung hat zudem Botschafterinnen und
Botschafter aus dem öffentlichen Leben für
sich gewinnen können, die ihre Ziele unterstützen. So schreibt Matthias Miersch, SPDAbgeordneter des hiesigen Wahlkreises: „In
einer Zeit, die international durch gravierende
Konflikte geprägt ist, braucht es Friedensinitiativen auf allen politischen Ebenen. Ich sehe
die Arbeit der Stiftung und den damit verbundenen Friedenspreis als einen Mosaikstein hin
zu einer besseren Welt.“
Wenn auch Sie sich für die Stiftung engagieren wollen, kommen Sie auf uns zu oder informieren Sie sich unter www.frieden-ist-einmenschenrecht.wir-e.de.
Positive Geschichten
Tagtäglich umgeben uns schlechte Nachrichten. Die Medien leben davon, der medieninterne Spruch „Bad news are good news“ zeugt
davon. Wenn wir Dinge verändern wollen,
brauchen wir aber positive Beispiele, Vorbilder, an denen wir uns orientieren können und
die uns ermutigen, selbst Veränderungen in
die Wege zu leiten. Ergänzend zu unserer Veranstaltungsreihe „Wie wollen wir leben?“ soll
hier von solchen positiven Beispielen die Rede
sein.
Wir haben in unserer Veranstaltungsreihe
über die vielen negativen Auswirkungen einer
Textilindustrie berichtet, der es nur auf den
Profit ankommt, die deshalb die Produktion in
Billiglohnländer auslagert, zu sehr schlechten
Arbeitsbedingungen produzieren lässt und der
Menschenrechte und Umwelt nebensächlich
sind. Es gibt in Deutschland neben etlichen
anderen ein Gegenbeispiel, das fasziniert:
„Wir können die Welt nicht verändern, aber
jeden Tag ein bisschen besser machen.“
Die manomama GmbH, eine Textilfabrik in
Augsburg, gegründet von einer jungen Frau,
die zuvor mit ihrem Mann eine Werbeagentur
leitete. Sie baute entgegen aller Warnungen,
dass so etwas in Deutschland nicht funktionieren kann, 2010 eine Textil-Manufaktur auf,
die sie nach und nach erweiterte. Im Mittelpunkt stehen für Sina Trinkwalder dabei der
Mensch und die Umwelt. 150 Menschen arbeiten inzwischen bei manomama. Sie stellt
vor allem Menschen mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“ ein, die in den Jobcentern
kaum Chancen haben, bei manomama aber in
unbefristeten, familienfreundlichen Arbeitsverhältnissen bei mindestens 10 Euro Stundenlohn arbeiten. Mit strengen ökologischen
Vorgaben und einer in der Region verankerten Produktion achtet sie aber auch auf eine
„sanfte Produktionsweise“. Auf ihrer Webseite
(manomama.de) steht:
„Eine herkömmliche Jeans umkreist zweimal
den Globus, bis sie in allen Bestandteilen fertig ist und beim Kunden landet. „Ein Wahnsinn!“, dachten wir – und änderten es. Bei
uns kommen alle Rohstoffe, sofern verfügbar,
aus der Region. Darunter zählen Hanf, Leder,
Schurwolle und Viskose. Einzig die Biobaumwolle wächst nicht in unseren Breitengraden.
Deshalb beziehen wir sie vom nächstgelegenen Punkt: der Türkei und Tansania. Auch die
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Weiterverarbeitungsschritte wie Spinnen, Weben, Stricken und Ausrüsten sowie alle Zutaten (Reißverschlüsse, Knöpfe, Nähfäden etc.)
werden im Umkreis von 300 Kilometer von
Augsburg realisiert. Klappt das mal nicht, machen wir gerne einen Ausflug nach NRW oder
Brandenburg – dann immer aber ‚Hergestellt
in Deutschland‘.“
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heide-Chorin mit 2.500 Hektar Teil des größten
zusammenhängenden Bio-Ackergürtels Europas. Inzwischen hat die BioBodenGenossenschaft insgesamt bereits 3.700 Hektar Land erworben. Das Gute: jedermensch kann Mitglied
werden und ihren oder seinen kleinen Beitrag
dazu leisten, dass Bio-Landwirte Flächen oder
Höfe übernehmen können. Näheres unter
www.bioboden.de.
Sie hat Erfolg, auch weil die Jeans von manomama nicht teurer sind als andere Markenware. Sie treibt keinen Aufwand für Werbung,
setzt dagegen auf Transparenz und faire Strukturen. Über das Projekt manomama hat Sina
Trinkwalder ein Buch geschrieben: „Wunder
muss man selber machen“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Auch die Solidarische Landwirtschaft (Solawi)
ist ein Konzept einer gemeinschaftlich getragenen Landwirtschaft – eine Landwirtschaft,
die eine Gemeinschaft von Menschen ernährt.
Hierbei schließt sich ein landwirtschaftlicher
Betrieb oder eine Gärtnerei mit einer Gruppe
privater Haushalte zusammen. Der Landwirt
oder die Gärtnerin legen ihre geschätzten Jahreskosten offen, die Haushalte verpflichten
sich, diese gemeinsam im Voraus an den Hof
zu zahlen und bekommen im Gegenzug die
produzierten Lebensmittel. Damit wird dem
(Garten-)Bauer die Abnahme der Erzeugnisse
garantiert, die Ernte wird faktisch vorfinanziert. Alle gemeinsam teilen sich Risiko und
Verantwortung. Die KonsumentInnen erfahren
mehr über Landwirtschaft und Gartenbau und
vor allem über die Lebensmittel, die sie konsumieren und können oft sogar mitbestimmen,
was angebaut wird, der Landwirt / die Gärtnerin machen sich marktunabhängiger und gewinnen so mehr Sicherheit. Die Lebensmittel
müssen nicht auf große Reise gehen, sondern
gelangen direkt und frisch zum Verbraucher.
Inzwischen sind schon zahlreiche Solawis entstanden und tragen mit ihren Gemeinschaften
zu einer vielfältigen, kleinbäuerlichen Landwirtschaft bei, stärken regionale Strukturen
und legen vielleicht den Grundstein für eine
andere Landwirtschaft.
In unserer Veranstaltung „Wir haben es satt“
über Landwirtschaft und Ernährung kam auch
der Landraub zur Sprache,
der weltweit den Bauern
das nötige Land und die
Lebensgrundlage entzieht,
weil Ackerland inzwischen
zum Spekulationsobjekt
und zur Geldanlage geworden ist. Auch in Deutschland gibt es diesen Prozess:
So sind z.B. durch die florierenden Biogasanlagen
die Pacht- und Kaufpreise
für landwirtschaftliche Flächen so sehr in die Höhe
gegangen, dass viele altJanna Rassmann (VEN) leitete
eingesessene Bauern sie
die Veranstaltung „Wir haben
sich nicht mehr leisten
es satt“
können. In Ostdeutschland
verkauft die BVVG, Nachfolgerin der Treuhand, solche Flächen dem
Meistbietenden, das ist nur selten derjenige
Landwirt, der sie gerade bewirtschaftet. In
der Uckermark taten sich daraufhin Biobauern
zusammen und gründeten mit der GLS Bank
die BioBodenGenossenschaft, die über einen
Fonds der BVVG Land abkauft und für die biologische Landwirtschaft sichert. Heute sind
diese Flächen im Biosphärenreservat Schorf-
Die Geschichten von „manomama“ und Solidarischer Landwirtschaft sind neben vielen
anderen im „FUTURZWEI-Zukunftsalmanach
2015/16“ erzählt, der gelebte Alternativen
zur ‚Leidkultur‘ des Wachstums und der Verschwendung gesammelt hat. Ein lesenswertes
und Hoffnung gebendes Buch.
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Lutz Krügener
Ein Zwischenruf
Der Text des Propheten Jeremia , im 8. Kapitel,
Verse 4 – 7( Text im ganzen lesen) ist als Lesungstext für den Volkstrauertag vorgesehen
und er spricht bis heute, in diese kriegerische
Zeit die passende Mahnung: „Warum will dies
Volk irregehen für und für?“ „Sie laufen ihren Lauf wie ein Hengst, der in die Schlacht
stürmt.“ „Mein Volk will das Recht des Herrn
nicht wissen.“ Eine bittere Erkenntnis Gottes über uns Menschen: Wir handeln gegen
seinen Willen und gegen den sogenannten
„gesunden Menschenverstand“, ja, letztlich
gegen die eigenen Interessen von Menschen.
Denn es liegt doch auf der Hand: - Jede und
jeder der fällt, will aufstehen. - Wer sich verirrt sucht den richtigen Weg. Doch nicht so
die Menschen, an die Gott damals dachte und
auch wir nicht, über 2500 Jahre später: „Sie
laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in
die Schlacht stürmt.“ Für jedes Pferd ist dies
widernatürlich. Nur mit gebrochenem Willen,
getreten von den Menschen und mit Scheuklappen, stürmt der Hengst in die Schlacht,
denn eigentlich ist das Pferd ein Fluchttier. Für
uns sollte es auch widernatürlich sein, in die
Schlacht zu ziehen. Schon aus Überlebensinstinkt sollten wir uns den Friedenswillen als
Menschheit nicht brechen lassen, sondern
sollten uns die Scheuklappen von den Augen
reißen und von den Kriegstreibern auf allen
Seiten nicht mehr treten lassen. Oft genug, zu
oft, haben Menschen die Leiden des Krieges
erfahren und stürmen immer wieder hinein.
Deutschland stürmte im letzten Jahrhundert
allen voran. Und aktueller: 2001 – wurde der
Krieg gegen den Terror ausgerufen und was
hat er gebracht? Unzählige Tote, Billionen von
verbrannten Dollar und menschlicher Intelligenz und schließlich: Nur noch mehr Terror.
2003 – zog die „Koalition der Willigen“ in den
Krieg im Irak, völkerrechtswidrig und mit der
Lüge, Massenvernichtungswaffen zu zerstören und die Demokratie zu bringen. Dieser
Krieg zerstörte ein Land, brachte in der Folge
100000 – fachen Tod und legte den Grund für
Lutz Krügener
Beauftragter Friedensarbeit
Haus kirchlicher Dienste
der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers
den heutigen Terror des IS. 2011 – Wurde der
Diktator Gaddafi „liquidiert“ und ein Land und
eine ganze Region ins Chaos gestürzt und die
Waffen in ganz Nordafrika verbreitet. 2011 –
begann sich der Konflikt in Syrien zu einem
Bürgerkrieg zu entwickeln und wurde nach
den jeweiligen Interessenlagen befeuert mit
Waffen und Geld – das Ergebnis sehen wir.
Was haben wir gelernt? – Nichts. Brauchen
wir 70 Jahre nach dem grausamsten und niederträchtigsten Krieg, den es je gegeben hat,
wieder und wieder Kriege, um zu begreifen
was gilt: „Nie wieder Krieg!“ „Die Waffen nieder!“ Muss wieder Krieg sein, wie ihn nun alle
herbei schreien, damit wir endlich weltweit,
dass zu schätzen wissen, was wir, Gott sei es
von ganzem Herzen gedankt, seit 70 Jahren in
Deutschland leben dürfen – Frieden?! Oder ist
immer noch nicht genug, stürmt der Hengst
wieder und weiter in die Schlacht? Hat Jeremia recht, dass wir Menschen nicht so klug
sind wie die Turteltaube und der Kranich, die
ihren Weg kennen? Nutzen wir unsere Gott
geschenkte Freiheit immer wieder falsch?
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hineinzustecken. Ich schließe mich Bernd Ulrich an, der am 19.11. in der „Zeit“ schrieb: “
Entweder wir helfen ihnen (den Flüchtlingen)
in bisher nie gekannter Weise bei der Verbesserung ihrer Lebensumstände in ihrer Heimat
– oder sie kommen und bleiben…. Darin liegt
der politische Kern der Willkommenskultur:
Was wir hier mit den Arabern machen, wird
das Bild, das sie in der Region von uns haben,
prägen…. Wegen dieser historischen Aussichten wäre es äußerst kurzsichtig, nun zu versuchen, das leidlich freundliche Willkommen
wieder in eine Abschreckungskultur zu verwandeln. Sollte diese Chance zur Versöhnung
verspielt werden, entsteht so viel neue Wut,
dass wir sie militärisch und geheimdienstlich
nicht wieder einfangen können….Vielleicht
einen Marshallplan für die Region und die
Öffnung des europäischen Marktes.“ - Wir
müssen dazu kommen, die friedensethischen
Grundsätze unserer Kirche wirklich anzuwenden und umzusetzen:“ Vorrang für Zivil“;
„Vorrang für Gewaltfreiheit“. - Die „Friedenslogik“ muss leitend werden und nicht die
„Sicherheitslogik“. Nur mit der Friedenslogik
kann es gelingen präventiv zu handeln und
den Frieden „vom Ende her“ zu denken und
nicht nach kurzfristig sicherheitspolitischen
Maßnahmen. (Konzept von Hanne – Margret
Birckenbach, in Wissenschaft und FriedenDossier 75, 2/2014) - Nur wenn dies alles die
Grundlage unseres Handels ist, können wir
eingestehen, dass in besonderen Situationen
zur unmittelbaren Gefahrenabwehr und zum
direkten Schutz von Menschen auch Gewaltmittel, auf der strengen Grundlage des Völkerrechts eingesetzt werden dürfen. Hierbei
denke ich nur an Formen der polizeilichen
Gewalt, wie es in dem Konzept des „just policing“ entwickelt wurde. (z.B. bei Fernando
Enz, in : Junge Kirche 4/2015) Es gibt immer
Alternativen zum Krieg!
Wir wissen, was wir den Völkern Afrikas und
im mittleren Osten angetan haben mit unserem Kolonialismus und den Grenzziehungen
nach unseren Interessen. Wir wissen darum,
was wir der Welt antun mit unserem Ressourcenverbrauch, unseren Atomwaffen, der Waffenproduktion, den ungerechten Strukturen,
…aber wir ändern - viel zu wenig. Wir wissen,
dass Kriege um Öl, Land, Reichtum und Macht
betrieben werden und ändern – nichts. Wir
wissen, dass Jesus Gebot der Nächsten- und
Feindesliebe die entscheidende Orientierung ist und leben sie doch nicht, sondern es
bleibt: „ …mein Volk will das Recht des Herrn
nicht wissen.“ Was wäre zu tun? Als erstes
unsere Schuld bekennen. Unser Versagen
eingestehen, dass niemand eine einfache
Antwort hat. Eingestehen, dass militärische
Einsätze langfristig keine Lösungen bringen.
Eingestehen, dass wir wieder versagt haben,
wenn wir uns in die Lage bringen, dass sich
der Einsatz von Gewalt nicht vermeiden lässt.
Und dann endlich das tun und mit aller Energie umsetzen, was schon lange bekannt ist:
- Auf allen Ebenen für gerechte Strukturen
in der Welt sorgen, in der demokratischen
Beteiligung, der Wirtschaft, der Verteilung
der Güter,… - Die Profit- und die Machtgier
ächten und nicht belohnen. - Das Klima und
die Umwelt endlich konsequent schützen. Dies im kleinen der einzelnen Gesellschaften
beginnen und bis in die Weltgemeinschaft
tragen. - Waffenexporte einstellen, Atomwaffenarsenale abschaffen und nicht modernisieren, die eingesparten Gelder einsetzen
für zivile Konfliktbearbeitung. - Und ganz
aktuell: Verstehen lernen und fördern, dass
eine Willkommenskultur für Flüchtlinge ein
vielversprechender und umsetzbarer Ansatz
ist, um dem Terrorismus die Grundlagen zu
entziehen. Hier könnten Wege der Aussöhnung mit Muslimen beginnen. Hier lohnt es
alle diplomatische und finanzielle Energie
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Für den Frieden arbeiten – das Beispiel Forum Ziviler Friedensdienst
Vor einem Jahr haben wir die Sievershäuser
Ermutigung an das Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD) vergeben und in der Feierstunde von der Friedensarbeit dieser Organisation gehört. Wir wollen ein paar Gedanken
des Geschäftsführers Oliver Knabe hier zitieren, um das Spektrum aufzuzeigen, das zivile
Konfliktbearbeitung umfasst. Die gesamte
Dokumentation der Feierstunde wird in Kürze
fertiggestellt sein und kann beim Antikriegshaus angefragt werden.
Mindanao. Eine große Insel auf den Philippinen; ein Bürgerkrieg, den viele nicht mitgekriegt haben, der aber doch über 100.000 Tote
gefordert hat. Es gibt einen Friedensvertrag.
Alles in Ordnung? Beileibe nicht! Es braucht,
um dauerhaften Frieden herzustellen, nicht
nur die Entscheider, die etwas unterschreiben,
sondern es braucht auch die Mehrheit, die
diesen Vertrag trägt, sonst ist er schnell wieder am Ende. Was ist passiert in den letzten
Tagen? Zum Beispiel das Caraga Peace Gender
Meeting: 13 NGO’s auf Mindanao, die wir eingeladen haben und die gemeinsam darüber
nachdenken, welche Punkte aus dem Friedensabkommen sie betreffen und bei denen
sie mitreden müssen, damit es eine dauerhafte Unterstützung für den Friedensprozess gibt
und es nicht eine erneute Wiederbewaffnung,
einen erneuten Ausbruch der Konflikte gibt.
Dann das Mindanao-Filmfestival, bei dem wir
uns mit Konflikt-sensiblem Journalismus befasst haben. Ich glaube, was wir im UkraineKonflikt gesehen haben hier in Deutschland,
war oft nicht sonderlich Konflikt-sensibel, sondern eher ein Konflikt-anheizender Journalismus.
Dann habe ich in Jerusalem die Combatants
for Peace getroffen: Das ist eine Gruppe von
israelischen und palästinensischen Ex-Soldaten, Kämpferinnen und Kämpfern, die sich
zusammen getan haben, um miteinander zu
reden. Aber nicht nur das, sondern auch, um
politisch aktiv zu werden und sich mit einem
Kernproblem des Nahostkonflikts – nämlich
der Besatzung – zu beschäftigen, zu protestieren da, wo Siedlungen ausgeweitet werden, und öffentlich gemeinsam als ehemalige
Kämpfer Stellung zu beziehen – politisch.
Wir unterstützen diese Combatants for Peace,
wir beraten sie. Wir hatten kürzlich ein Seminar mit ihnen und einigen anderen. Die Rückmeldung, die sie uns dann gaben, war: „Ihr
habt uns ein Stück weit gerettet, in unserer
Erschöpfung, in diesem Friedensprozess nicht
aufzugeben.“ Sie sind es, die die Arbeit tun,
aber einen Partner von außen zu haben, der
zuhört, der Anstöße gibt, Ideen zum Weiterdenken – „Warum sind wir eigentlich immer
noch in der Minderheit? Warum werden wir
Oliver Knabe:
„Was wir tun, ist
schon erzählt worden: wir bilden aus.
Ich will es nur noch
einmal kurz erwähnen: wir bilden Friedensfachkräfte aus,
fünfhundert an der
Zahl, nicht besonders
viele, ich weiß, für
uns aber ein großer
Erfolg. Diese arbeiten
in Friedensprojekten:
Das ist eine Verknüpfung, die einen großen Mehrwert bietet.
Ich hatte die Gelegenheit, gerade eine Woche in Jerusalem bei
unseren Fachkräften zu sein, die in den palästinensischen, besetzten Gebieten und in Israel
arbeiten. Da war Susanne Luithlen, die gerade
eben zitiert wurde, mit zu Gast. Sie hat viel von
dem, was an Wissen und Erfahrung, was die
Leute in den Projekten entwickelt haben, mitgenommen in die Ausbildung, und gleichzeitig
konnte sie Modelle aus der Friedensforschung
in die Debatte um die konkrete Projektarbeit
einfließen lassen: Das ist ein Mehrwert, wo ich
sage: Das ist ein Glücksfall, dass wir das in unserem Verein so verbinden können.
Dann haben wir die Friedensprojekte. Und damit Sie wissen, was Sie da unterstützen, habe
ich ein paar Beispiele aufgeschrieben, von denen ich Ihnen erzählen möchte – einfach Sachen, die in den letzten Tagen passiert sind:
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nicht mehr? Was müssen wir tun, um gesellschaftliche Mehrheiten in der zersplitterten
israelischen Gesellschaft zu schaffen?“ – dabei
können wir helfen. Wir sind wenige, aber wir
können als Katalysatoren dazu beitragen, dass
Ansätze, die vor Ort da sind, lokale Friedenskapazitäten, gestärkt werden.
Noch zwei Beispiele:
Libanon: da sind die Flüchtlingsprobleme im
Moment – hier (in Deutschland) auch, aber da
noch ein gehöriges Stück mehr: jeder Vierte
ein Flüchtling. Wir sind dort in den Kommunen
unterwegs und unterstützen diese dabei, mit
den Konflikten, die sich aus dieser Kriegslage
in Syrien und Irak ergeben, umzugehen.
Tilman Evers war kürzlich auf einer Veranstaltung und wurde gefragt: „Würden Sie denn
Ihre Friedensfachkräfte nach Kobane schicken?“ – Nein, natürlich nicht! Aber was würden wir tun? Wer tatsächlich interessiert ist,
Verantwortung in der Region wahrzunehmen,
der wird dafür sorgen, dass man im Libanon
jetzt die politisch Verantwortlichen, die Kommunen, die NGO‘s unterstützt, um den drohenden Konflikt, die drohende Gewalt dort zu
stoppen und einzugreifen.
DEZEMBER 2015
Also es gibt Chancen, die wir heute nutzen
können, um dort zu helfen. Und ich wünschte
mir, dass ein Stück von der Aufregung und von
dem Engagement, das zu hören war, als wir
über Kobane geredet haben vor einigen Wochen, heute zu hören wäre. Für den Libanon
zum Beispiel, für den Süd-Sudan. Was höre
ich? Dass die UN nicht mehr genug Mittel hat
für die Lebensmittelhilfe.
Wir haben auch kommunale Konfliktbearbeitung in Deutschland, weil sich die Konflikte
nicht so sehr unterscheiden und vieles auf
die gleichen menschlichen Verhaltensweisen
zurückzuführen ist. Auch hier wollen wir niemanden ersetzen, aber wir können dadurch,
dass wir in eine Gemeinde kommen, Leute
befragen, vielen eine Stimme geben, die in einem Konflikt in Kommunen bislang nicht gehört worden sind, und die Verantwortlichen
in der Verwaltung, in der Politik gemeinsam
in einen Lernprozess versetzen, um sozusagen die kommunalen Selbstheilungskräfte in
schwierigen Situationen, zum Beispiel da, wo
sehr viele Flüchtlinge kommen, zu aktivieren
und zu nutzen.“
Internationales Workcamp im Antikriegshaus Sievershausen 2015
Auch in diesem Sommer kamen 20 junge Erwachsene aus aller Welt nach Sievershausen,
um sich in Theorie und Praxis mit dem breiten
Themenbereich „Gerechtigkeit – Frieden – Bewahrung der Schöpfung“ auseinanderzusetzen: Vom 02. bis 16. August lebten, lernten
und arbeiteten die jungen Menschen aus Chi-
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na, Mexiko, Indien, Japan, Serbien, Frankreich,
Georgien, Russland, Südkorea, Italien, Spanien, der Türkei sowie die Teamerin und der
Teamer aus Deutschland gemeinsam – auch
um das Erlernte zukünftig nach Möglichkeit
im eigenen Umfeld anwenden zu können. In
der Antikriegswerkstatt, dem Seminar- und
ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
Übernachtungshaus des Vereins, fühlten sich
alle Workcamp-Teilnehmenden wohl. Zudem
konnte – bei sommerlichem Wetter – das Außengelände bestens genutzt werden.
Im Studienteil des Workcamps erhielten die
Teilnehmenden als Einführung in die Friedensarbeit ein zertifiziertes Basistraining in Gewaltfreier Konfliktbearbeitung. Hierzu gehörte
unter anderem die Auseinandersetzung mit
Begriffen wie Stereotypen, Vorurteile und Rassismus, deren Entstehung und mögliche Folgen. Nicht zuletzt die eigene Erfahrung durch
das Zusammenleben in dieser Zeit machte
allen Beteiligten deutlich, dass ein friedliches
Zusammenleben – auch über alle scheinbaren
kulturellen Unterschiede hinweg – möglich ist.
Außerdem setzten sich die Workcamp-Teilnehmenden mit der jüngeren deutschen und
europäischen Geschichte auseinander sowie
übergreifend mit der Bedeutung von Menschenrechten und Menschenwürde. In diesen
thematischen Komplex gehörte auch ein Besuch der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen sowie der Sowjetischen Kriegsgräberstätte Bergen-Hörsten.
Anlässlich der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 8. August 1945
wurde am Morgen des 6. August eine Andacht
gehalten, die von einem Mitarbeiter des Antikriegshauses durchgeführt wurde. Am darauf
folgenden Abend brachten sich WorkcampTeilnehmende in der Nagelkreuzandacht, die
ebenfalls unter diesem Thema stand, aktiv ein.
Seit September letzten Jahres sind Antikriegshaus und Sievershäuser Kirchengemeinde gemeinsam Mitglied in der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry.
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DEZEMBER 2015
Im praktischen Teil des Workcamps waren –
wie immer – künstlerische sowie handwerkliche Fähigkeiten gefragt.
Unter dem selbst gewählten Thema Krieg Frieden haben die Teilnehmenden ein dreiteiliges »Wandgemälde« gestaltet: „IT’S IN OUR
HANDS“ – dieses Triptychon hängt nun ein
Jahr lang öffentlich an einer Hauswand in der
Nähe des Sievershäuser Friedenszentrums –
und somit sichtbar auch für Außenstehende.
Alternativ bot sich der weitere Ausbau des Aktionsparcours des Vereins als Betätigungsfeld
an: Für einen „Zick-Zack-Parcours“, der als ein
Element des Niedrigseilgartens (ein Ergebnis
des Workcamps 2013) angelegt worden ist,
mussten Baumstümpfe mit Hammer und Beitel bearbeitet werden.
Außerdem standen Malerarbeiten im neuen
Anbau und im Veranstaltungsraum des Antikriegshauses auf dem Programm. Hier war
Team-Arbeit besonders gefragt! Insbesondere die handwerklichen Aufgaben stellten für
manch eine/n eine Herausforderung dar, die
zumeist mit Kreativität und viel gemeinsamem
Spaß gemeistert wurde.
Auch die Freizeit verbrachten die jungen Menschen größtenteils in Gruppen, Fahrten nach
Hannover, Hamburg, Frankfurt oder Berlin
rundeten das Programm ab. –
Begegnung und gegenseitiges Kennenlernen
sind wichtige Bestandteile der Workcamps,
und so gehören der ‚Abend der Begegnung‘
und der ‚Familienabend‘ fest zum Programm.
Während die Workcamp-Teilnehmenden zum
einen selber Gastgeber für Menschen aus dem
Dorf und der Region im Rahmen eines bunten
Abends mit internationalen Speisen, selbst
gestalteten Vorführungen und interessanten
Gesprächen sind, ermöglicht ihnen der ‚Familienabend‘ wiederum ein „Eintauchen“ in das
hiesige Leben. Diese Abende sind sowohl für
Freunde des Vereins als auch für Außenstehende immer wieder ein willkommener Anlass, das Friedenszentrum zu besuchen.
Der Verein dankt der Heinrich-Dammann-Stiftung für die finanzielle Unterstützung dieses
Workcamp-Projektes!
ANTIKRIEGSHAUS NEWSLETTER
DEZEMBER 2015
Unser nächster Termin im Antikriegshaus
Sonntag, 31. Januar 2016, 16.00 Uhr
Lerne, mit dem Herzen zu denken
Szenische Lesung über die kurzen Leben von Sophie Scholl
und Cato Bontjes van Beek
Hinweise auf weitere Veranstaltungen
Lehrte
Donnerstag, 17 Dezember 2015, 19.00 Uhr
Alte Schlosserei
Amon - mein Großvater hätte mich erschossen
Lesung mit Jennifer Teege
Enkelin des KZ-Kommandanten Amon Göth
Eintritt frei
Impressum: Newsletter Dezember 2015
Antikriegshaus Sievershausen
Kirchweg 4A 31275 Lehrte-Sievershausen
[email protected] Tel: 05175-5738
Öffnungszeiten: di, fr 10-17 Uhr, sa 15-17 Uhr
www.antikriegshaus.de
Konto bei der Evangelischen Bank eG
IBAN DE13520604100000006076
BIC GENODEF1EK1
Inhaber: Kirchenkreisamt Burgdorfer Land
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