Aktuelle Lage und Herausforderungen der beruflichen Vorsorge Dr. Hans-‐Ulrich Stauffer, Advokat; Geschä=sführer S@=ung Abendrot; Lehrbeau=ragter an der Universität Basel Delegiertenversammlung S@=ung Abendrot 2015 Worum geht es? Ein aktuelles Thema • Zukun= der Altersvorsorge ist unklar • nebst einigen Durchführungsproblemen zunehmend grosse Finanzierungsprobleme • poli@sche Blockaden: «Me zahlt nyt meh» «Mir wänd meh!» • Zeichnet sich Lösung in der gegenwär@g laufenden parla-‐ mentarischen DebaVe «Altersvorsorge 2020» ab? Wo liegen die Probleme? Ein Stochern im Nebel Aktuelle Herausforderungen Was uns bewegt -‐ demographische Entwicklung -‐ steigende Lebenserwartung -‐ Ertragssitua@on auf Anlagen -‐ Nega@vzinsen -‐ Reformvorhaben «Vorsorge 2020» à Wie hängt das alles zusammen? VerfassungsauArag für die 1. und 2. Säule Art. 111; Alters-‐, Hinterlassenen-‐ und Invalidenvorsorge 1 Der Bund tri] Massnahmen für eine ausreichende Alters-‐, Hinterlassenen-‐ und Invalidenvorsorge. Diese beruht auf drei Säulen, nämlich der eidgenössischen Alters-‐, Hinterlassenen-‐ und Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge und der Selbstvorsorge. Art. 113; Berufliche Vorsorge 1 Der Bund erlässt Vorschri=en über die berufliche Vorsorge. 2 Er beachtet dabei folgende Grundsätze: a. Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-‐, Hinterlassenen-‐ und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. gf s fn?e L e u su eo Säulen der Altersvorsorge Altersvorsorge • beruht auf den beiden Systemen der AHV und der beruflichen Vorsorge • zwei unterschiedliche Systeme – AHV beruht auf dem Umlageverfahren – Berufliche Vorsorge beruht auf dem Kapitaldeckungs-‐ verfahren AHV: Umlageverfahren Umlageverfahren • heute Ak@ve finanzieren Renten • Variablen: Anzahl Ak@ve/Anzahl Rentner; Dauer der Rentenleistung; Höhe der Rentenleistung à mehrere Solidaritäten Problemfelder • Zahl rentenbeziehende Personen nimmt zu: -‐ weniger Ak@ve müssen für mehr Rentenbeziehende audommen -‐ grössere Belastung für Beitragszahlende (mehr Beiträge) BV: Kapitaldeckungsverfahren Kapitaldeckungsverfahren • Altersguthaben als Grundlage der Renten wird individuell angespart • Verrentung: Verteilung des individuell Angesparten à weniger Solidaritäten Problemfelder • Dauer der Rentenleistung • Zins auf abnehmendem Kapitalstock • Sicherheit der Anlagen Ein Blick auf die Problemfelder (1) Biometrische Parameter • Lebenserwartung nimmt zu: pro Jahrzehnt steigt die Lebenserwartung um mehr als 1 Jahr à wirkt sich in AHV und beruflicher Vorsorge aus Zunehmende Lebenserwartung Lebenserwartung bei Pensionierung Lebenserwartung • Männer: 20,4 Jahre • Frauen: 23,1 Jahre (Zahlen 2015) Ein Blick auf die Problemfelder (2) Verhältnis BeschäAigte/Rentenbeziehende • Verhältnis von Erwerbstä@gen zu Rentenbeziehenden ändert sich à wirkt sich in AHV aus Gebärfreudigkeit lässt zu wünschen übrig… GeneraZonenvertrag in Schieflage 1. Säule • Umlageverfahren baut auf der Solidarität der heute Ak@ven mit den Rentnern auf • Rentenbezugsdauer nimmt zu à Ak@ve müssen für länger lebende und in der Anzahl zuneh-‐ mende Rentner audommen 1948: 6.4 Ak@ve pro Rentner 1975: 4.5 Ak@ve pro Rentner 2010: 3.6 Ak@ve pro Rentner 2030: 2.3 Ak@ve pro Rentner Wo soll das enden? Verhältnis Rentner (65+) zur erwerbstä@gen Bevölkerung 120% 100% 100% 80% 74% 80% 63% 54% 60% 50% 49% 48% 44% 43% 42% 40% 31% 25% 27% 24% 20% 0% Schweiz Deutschland Italien Frankreich USA Jahr 2000 Jahr 2010 Quelle: Bureau of Statistics, LABORSTA; Jahr 2030 Projections based on World Population Prospects: The 2000 Revision Ein Blick auf die Problemfelder (3) WirtschaAliches Umfeld Ertragsaussichten für Anlagen Erträge auf den Vermögen sinken • AHV hat kein grosses Vermögen (AHV-‐Ausgleichsfonds, ca. 30 Mia.) • Berufliche Vorsorge (Kapitaldeckung) hat heute ein Vermögen von 800 Mia. à sinkende Erträge wirken sich in der beruflichen Vorsorge aus Folgen • Altersguthaben wächst weniger an • Technischer Zins (d.h. erwartete Rendite) auf Deckungs-‐ kapitalien nach unten zu korrigieren Anlageerträge auf Vermögen Erträge auf einigen gängigen Anlagekategorien Performance 5 Jahre 1 Jahr Ak@en Schweiz SPI 64.51% 3.32% Ak@en Welt 53.03% -‐0.26% Obliga@onen CHF 16.28% 4.07% Obliga@onen FW -‐2.67% -‐3.39% Liquidität -‐0.9% -‐0.70% à 2015 zeichnet sich schwaches Ertragsjahr ab! YTD 1.44% 5.05% 1.9% -‐5.7% -‐0.66% Auswirkungen in 1. und 2. Säule Gleichgewichte kommen ins Rutschen • Kollek@ves Gleichgewicht in der AHV: Beitragszahlungen = Rentenleistungen • Individuelles Gleichgewicht in der beruflichen Vorsorge: Altersguthaben x Rentenumwandlungssatz = Rentenhöhe Folgen des Ungleichgewichts Einnahmen und Ausgaben der AHV Korrekturbedarf (für ausgeglichenes Umlageergebnis bis 2060: • Lohnbeitragssatz schri`weise von 8.4% auf 11.3% erhöhen • MwSt Prozent zugunsten der AHV von 1% auf 3.8% erhöhen • Renten jährlich real um 0.4% bis 0.5% reduzieren • Rentenalter auf rund 70 Jahre erhöhen Erhöhung MwSt. um 1%-‐Punkt (1.1.1999) Quelle: BSV, BAKBASEL, 2012 AHV rutscht in rote Zahlen Lösungsansätze in der AHV Wahrung des Gleichgewichts • höhere Beiträge à belasten Ak@ve • kürzere Bezugsdauer à Heraufsetzung Rentenalter; nicht durchsetzbar • Senkung Rente à Aufgrund Rechtsprechung nicht möglich und poli@sch brisant • Abbau einzelner Leistungen à poli@sch brisant • Querfinanzierung à durch MwSt-‐Beiträge; Tabaksteuer etc. Meccano der beruflichen Vorsorge Individueller Kapitalaukau In der beruflichen Vorsorge wird im Alter verteilt, was während der Erwerbstä@gkeit gespart wurde Grundsatz gilt für BVG-‐System wie auch für System des Leistungsprimats (tradi@onell kantonale Pensionskassen) Leistungsparamater in der beruflichen Vorsorge Spar-‐ und Entsparprozess Knacknüsse in diesem Prozess Beitragsprimat (System BVG) -‐ Verteilung des Angesparten; Beitragslücken werden nicht gedeckt -‐ Unsicherheit über Endleistung Leistungsprimat -‐ Leistungshöhe wird im Voraus versprochen -‐ Auyau des notwendigen Deckungskapitals muss planmässig erfolgen Knacknuss Zins ProblemaZk • im Beitragsprimat Verzinsung bei Auyau flexibel • Abhängigkeit von realen Erträgen • aktuell: Wegfall des «driVen Beitragszahlers» • im Entsparprozess (Rentenbezug) weitere Verzinsung; wird mit «technischem Zins» eingerechnet • im Leistungsprimat wird nicht nur Entsparprozess, sondern auch Auyau des notwendigen Deckungskapitals mit technischem Zins berechnet • Höhe des technischen Zinses über Jahre zwingend Wie können die Eckwerte geändert werden? Fragiles Gleichgewicht • Berufliche Vorsorge arbeitet mit Variabeln • Herr Wölfli ist Geschä=s-‐ führer einer Pensionskasse in Schräglage • Beiträge und Leistungen sind nicht im Gleichgewicht • Was kann Wölfli machen? Die Variablen Leistungshöhe von fünf Variablen abhängig Wie können die Eckwerte geändert werden? Herr Wölfli setzt bei der 5. Variablen an In seinem Visier: Ledige Rentner/innen mit hohen Renten Was macht Wölfli? Problemlage in der beruflichen Vorsorge PoliZsche und wirtschaAliche Rahmenbedingungen • zu hoher Rentenumwandlungssatz • Rentenleistung in CHF soll nicht sinken • driVer Beitragszahler streikt: Erträge fliessen nur noch spärlich • Pensionierungsalter soll nicht erhöht werden Projekt «Altersvorsorge 2020» Grundlage • Teilrevisionen sind in der Vergangenheit gescheitert (11. AHV-‐ Revision; Rentenumwandlungssatzänderung) • AHV und berufliche Vorsorge sollen miteinander revidiert werden • durch Paket soll «runde Lösung» erzielt werden (alle gleich zufrieden oder gleich unzufrieden) Lösungsansätze in der AHV Vorschlag Reform 2020 • höhere Beiträge à belastet Ak@ve • kürzere Bezugsdauer à Heraufsetzung Rentenalter; Anpassung Frauenrentenalter auf 65 • Senkung Rente à Aufgrund Gesetzgebung nicht möglich • Abbau einzelner Leistungen à Einschränkung bei Hinterlassenenrenten • Querfinanzierung à durch höhere MwSt-‐Beiträge Lösungsansätze in der beruflichen Vorsorge Vorschlag Reform 2020 • Senkung Rentenumwandlungssatz ohne Abfederung • zu hoher Rentenumwandlungssatz: soll auf 6 % gesenkt werden à führt zu @eferen Renten • Rentenleistung in CHF soll aber nicht sinken à setzt mehr Beiträge voraus, damit mit @eferem Rentenumwandlungssatz am Schluss wieder nominal gleich hohe Rente erzielt wird. • Pensionierungsalter Frauen: Heraufsetzung auf Alter 65 Vorberatung Parlamentarische Beratung im Ständerat Vorberatende ständerätliche Kommission erarbeitet Kompromiss, um Gesamtprojekt nicht zu gefährden: • leichte Erhöhung der monatlichen AHV (+ 70 CHF) à finanziert durch zusätzliche Lohnabzüge • sonst weitgehend Übernahme des bundesrätlichen Entwurfs Einschätzung Reform 2020 und Beschlüsse Ständerat • Vorschläge gehen in die rich@ge Richtung • Stabilität des Systems wird gefes@gt • Schweiz ist gut aufgestellt Altersvorsorge 2020 – Befreiungsschlag? Neue Herausforderungen: NegaZvzinsen Ausgangslage • Schweiz. Na@onalbank will Zufluss von ausländischen Geldern unaVrak@v machen und verlangt für die bei ihr deponierten Bankengelder Nega@vzinsen • Banken haben bei SNB einen Freibetrag • Banken geben die Nega@vzinsen an Kunden weiter: ausschliesslich an Versicherungen und Pensionskassen; Auslandeinleger erhalten keine Nega@vzinsen • Pensionskassen zahlen 0.75% Nega@vzinsen («Guthaben-‐ gebühr») Neue Herausforderungen: NegaZvzinsen Verschärfung der Anlageschwierigkeiten • Es stehen für Pensionskassen nur beschränkte Anlagemög-‐ lichkeiten offen • Obliga@onen: Zinsfalle • Ak@en: Heisse Lu= • Immobilien: kein Angebot; Blasenbildung • Liquidität: kein Ertrag, nun auch noch Nega@vzinsen • Alterna@ve Anlagen: höhere Risiken; setzen höhere Risikofähigkeit voraus à Vorsorgeeinrichtungen sind bezüglich Anlagen sehr gefordert Neue Herausforderungen: NegaZvzinsen Gibt es Auswege? • Verhandlung mit Banken über Freibetrag betr. Nega@vzinsen • Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten (bspw. Infrastruktur-‐ anlagen, Wandelobliga@onen, Private Equity, Hedgefonds etc.) • Risiko erhöht sich Fazit Ein qualitaZv gutes System • Altersvorsorge in der Schweiz ist gut ausgebaut • Probleme bei Kleinverdienenden und Personen mit gebrochenen Erwerbskarrieren à Ergänzungsleistungen • Umlage-‐ und Kapitaldeckungsverfahren haben beide Mängel; Kombina@on der beiden Systeme mindert jedoch Mängel • Op@mierung ist jedoch notwendig Wir haben die Wahl Treffen wir die richZge! Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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