Predigt von Erzabt Wolfgang am Benediktustag 2015

Fest unseres hl. Vater Benedikt 12. Juli 2015
Benediktustag in St. Ottilien
„Ich aber bin unter euch wie einer der dient.“
Erzabt Wolfgang Öxler OSB
Eines Tages sagte der Meister: Es ist so viel leichter zu reisen, als innezuhalten“
„Warum? „ Wollten die Jünger wissen. Der Meister antwortete: „Solange ihr zu
einem Ziel unterwegs seid, habt ihr einen Traum. Wenn ihr anhaltet, müsst ihr
euch der Wirklichkeit stellen.“
„Wie können wir uns je ändern, wenn wir keine Ziele und keine Träume haben?“
fragten die Jünger. Der Meister sagte: „Die wahre Veränderung ist nicht
gewollt. Stellt euch der Wirklichkeit und es wird unvorhergesehene
Veränderungen geben.“
Liebe Sr. und Br.,
Jesus stellt sich auch der Wirklichkeit. Es ist eine für mich beruhigende
Wirklichkeit, dass sogar die Jünger im Beisein von Jesus auch schon gestritten
haben. … wer ist der Größte unter uns. Und Jesus sagte der größte unter euch
ist der, der dient. Das ist für die Jünger unbegreiflich. Der hl. Benedikt nimmt
diese Botschaft in sein 7. Kapitel der Demut auf. Demut ist heute für viele
Menschen kein verständliches Wort mehr. Demut kommt vom althochdeutschen
Wort diomuoti und bedeutet: Mut zum Dienen. Demut ist um es mit der
eingangs erzählten Geschichte in Verbindung zu bringen, die höchste
Wirklichkeit.
1. Einander dienen – warum eigentlich?
Diese Frage ist die Grundfrage – die Frage, die gerade in unserer Zeit schnell
gestellt wird: “Warum soll ich dem anderen dienen? Ich habe doch selber genug
zu tun!” “Und wer dient mir?”
Schon Kinder fragen: “Warum immer ich? Der andere kann doch auch etwas
tun ...”
2. Die erste und einfachste Antwort auf diese Frage lautet:
Weil Jesus uns gedient und uns dadurch ein Vorbild hinterlassen hat, dem wir
nachfolgen sollen (Joh.13,15). Er hat seine Dienstbereitschaft am deutlichsten
gezeigt, als er seinen Jüngern die Füße gewaschen hat. Wenn Sie das Bild am
Haupteingang hinter mir betrachten, dann sehen sie wie unbegreiflich der Petrus
die Tat Jesu einschätzt. Jesus will dem Petrus die Füße waschen und Petrus langt
sich an den Kopf. Er kann es nicht verstehen.
Als ich heute früh die Leiter für die Predigt aufstellte gingen auch Mitbrüder an
mir vorüber und dachten sich wahrscheinlich jetzt spinnt er wieder. Vielleicht
muss man ein Stück verrückt sein. Das sich die Dinge Verrücken. Was oben ist
kommt noch unten und was unten ist nach oben.
Jesus sagt: “Ich bin unter euch wie ein Diener gewesen” (Lk.22,27)
Es war der Zweck seines Kommens in die Welt, dass er “diene und gebe sein
Leben als Lösegeld für viele” (Mk.10,45). Jesus selber sagt, dass, wer in der
Jüngerschaft, in der Gemeinde groß sein will, der sei aller Diener (Mt.20,26).
Er fordert seine Nachfolger dazu auf, seinem Vorbild zu folgen und den anderen
zu dienen.
3. Wie können wir dienen?
3.1. Im Gebet
Das Gebet ist ein wichtiger Dienst, den wir für den anderen tun können, indem
wir mit ihm oder für ihn beten. Dieser Dienst ist nicht einfach, vor allem wenn
wir anhaltend für einen anderen beten wollen oder sollen. Das erfordert
Disziplin und kostet uns Zeit und wirkliches Interesse am anderen.
Dienst findet statt
3.2. Gastfreundschaft
Gastfreundschaft heißt, dass Leute bereit sind, nicht nur ihr Herz, sondern auch
ihr Haus für andere zu öffnen – Leben und Güter mit anderen zu teilen.
3.3. Wort
Der einfachste Dienst durch das Wort ist, wenn wir einem anderen ein
tröstendes, ermutigendes Wort zusprechen. Auch Ermahnung und
Zurechtweisung ist ein Dienst mit Worten, den wir unseren Brüdern und
Schwestern tun dürfen, weil wir ihnen dabei helfen zurechtzukommen und auf
dem Weg der Nachfolge voranzukommen
3.4. Einsatz praktischer Gaben
Praktische Gaben sind z.B. Mitteilen, d.h. das Geben von Geld, Barmherzigkeit,
die sich z.B. in Besuchsdiensten oder praktischer Hilfeleistung äußert, die
Leitungsgabe oder sogar Wunderwirkungen und Krankenheilung.
Gemeinschaft leben – einander dienen.
Einander dienen – wozu?
“Damit in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus”. Unser Dienst ist
kein Selbstzweck und auch nichts, wodurch Einzelne sich profilieren. Als
Christen sind wir dazu berufen, etwas zu sein zum Lob der Herrlichkeit Gottes.
Darauf zielt das ganze Wirken von Jesus (Mt.6,9f) und dass Wirken des hl.
Benedikt aus. Jesus geht es um eine Lebenshaltung, nicht um eine
Dienstleistung.
4. Dem Frieden dienen:
Frieden stiften kann nur wer den Frieden in sich hat. Wer von den Mönchen
weniger braucht, danke Gott und sei nicht traurig. Sie sollen sich auch nicht
erheben und Stolz werden, weil sie weniger brauchen. Wer mehr braucht
demütige sich wegen seiner Schwäche und überhebe sich nicht, weil man auf
ihn Rücksicht nimmt. Auf diese Weise bleiben alle Glieder in Frieden.
5. Demut –Klebstoff für unsere Beziehungen.
Demut ist das Fundament von Gemeinschaft, Freundschaft und Liebe. Der
Egoismus zerstört. Papst Franziskus schreibt in seiner Umweltenzyklika
„ Laudato si“, dass der Mensch sich zum Herrn des Universums macht. Er will
sein wie Gott und macht sich zum Mittelpunkt.
Das Gegenteil von Demut ist der Stolz. Nicht ein Stolz im Sinne, dass ich etwas
gut gemacht habe ist gemeint. Der Mensch erhebt sich und möchte wie Gott sein
und gebraucht dabei die Menschen und die Dinge. Das sieht Papst Franziskus
als eine zentrale Ursache der ökologischen Krise.
Ich habe heute dieses Bild der Leiter, dass auch in meinem Abtswappen ist
aufgegriffen. Die Leiter ist für mich auch immer ein Zeichen, dass den Himmel
mit der Erde verbindet. Der hl. Benedikt spricht im 7. Kapitel von den zwölf
Stufen der Demut. Es geht um zwölf Bereiche, wo wir Menschen wachsen
können. Es wird auf den Kopf gestellt. Oben ist tatsächlich unten und Demut ist
Erhöhung. Es geht nicht um mich, es geht um Gott. Wir steigen durch
Selbsterhaltung hinunter und durch Demut hinauf. Benediktinische Spiritualität
lädt ein, diese Welt auf deine andere Weise zu sehen Wir leben nicht für uns
selber. Ich habe eine Leiter aufgestellt und die 12 Stufen kurz umschrieben. Sie
können nach dem Gottesdienst die Leiter näher in Betracht ziehen.
6. Die 12 Stufen der Demut
1. Stufe: Mensch hüte dich Gottvergessen zu leben. Wir vergöttlichen so
viele Dinge in unserem Alltag. So mancher pflegt sein Auto mehr als
seine Frau. Die Zeit die ich in der Pflege des Gartens aufwende, könnte
ich auch für meinen Partner aufwenden
2. Stufe: Auf Gottes Willen hören, Gottes Willen tun und für mich
annehmen. Wir wollen ja oft unseren eigenen Willen durchdrücken. Das
ist auch eine große Demutsübung: hinzuhören was Gott von mir will.
3. Stufe: Unter der Führung einer mir gegebenen Autorität mein Leben
gestalten und gestalten lassen. Mir von jemand anderem was sagen lassen.
Im Kloster hat diese Rolle der Abt. Ich höre öfters mal den Satz: „Von
dem lasse ich mir nichts sagen. Wenn mir einer was sagen möchte, dann
muss er schon weit besser sein als ich“. Vielleicht sind gerade Menschen
mit ihren Schwächen für uns gute Wegweiser. Religion ist Unterbrechung. Da wo das Gewohnte unterbrochen wird, da offenbart sich Gott.
4. Stufe: Schwierigkeiten anzunehmen. Man kann nicht immer vor allem
davonrennen. Man muss Dinge im Leben aushalten können und dazu
braucht es oft viel emotionale Reife.
5. Stufe: Böse Gedanken dem Abt nicht zu verheimlichen. Wer wachsen will
muss mit seinen Schwächen und Begrenzungen umgehen. Die Gedanken
hindern uns oft am Leben. Die alten Väter sagen: Gedanken sind wie
Affen: „Wenn man sie vorne hinunterschickt, dann kommen sie hinten
wieder hoch“. Es gibt auch die Einladung zur Feier der Versöhnung zu
gehen und seine Gedanken Gott hinzulegen.
Nette Geschichte:
Ein Mann kommt zur Beichte. Der Pfarrer frägt ihn: So, was haben wir
denn? Mann: Was man halt so hat. Pfarrer: Ja, dann haben wir es ja
schon.
6. Stufe: Einfaches Leben
Ein Fach haben und nicht mehrere Schubladen. Die Kinder wissen genau
was sie den Papa fragen müssen und was sie die Mama fragen müssen.
Es werden mehrere Schubladen bedient. Das ist im Kloster auch so. Die
Mitbrüder wissen genau, wann sie den Erzabt fragen und wann den Prior.
Wenn jemand einen Wunsch im Essensbereich hat, dann wendet er sich an
den Subprior P. Ludger.
Zufrieden sein mit dem einfachen. Immer das Beste haben zu wollen ist
Besessenheit (beste Rennrad , bestes Handy…)
Was ich zum glücklich sein brauche ist nicht von dieser Welt.
7. Stufe: Sich als geringsten sehen. Nicht sagen so bin ich halt. Ein neuer
Blick für das Leben. Ich kann immer wieder wachsen.
8. Ich tue nichts was der Regel und dem Beispiel der Älteren widerspricht.
Lernen von denen die vor uns gelebt haben. Gemeinschaft als Quelle der
Weisheit.
9. 10. 11. Stufe: Rede sanft, nicht hart, nicht laut und grob. Ernste Dinge
nicht ins lächerliche ziehen und nicht über andere lustig machen. Nicht
arrogant aufzutreten
12.Stufe: Nicht nur im Herzen demütig sein sondern auch nach außen.
Keine Überheblichkeit, keine Distanz, kein Sarkasmus, keine Wichtigtuerei und kein verächtliches Gehabe. Mit den Grenzen der anderen umgehen
können. Zugeständnis dass Gott in meinem Leben gegenwärtig ist. Mögen
andere billige Kopien des Lebens suchen und sich darum streiten. Wir haben
das Wahre gefunden. Demut zu den Gaben Gottes zu stehen und anzuerkennen, dass sie mir für die anderen gegeben sind.
Schluss:
Ich lade Sie ein auf der Leiter der Demut aufzusteigen. „Eine Kirche die nicht
dient, dient zu nichts“. Benedikt hat sich in den Dienst nehmen lassen. Dienen
darf keine lästige Pflicht sein. Dient dem Herrn mit Freude, so heißt es im Psalm
100. Wer dient, dessen Herz empfängt viel Freude. Lassen Sie sich in Dienst
nehmen und stellen sie sich der Wirklichekt: Vielleicht kommen Sie dann auf
der Himmelsleiter Gott schon ein ganzes Stück entgegen.
Stufe 1: Nicht Gottvergessen leben
Stufe 2: Gottes willen tun
Stufe 3: Unter der Führung einer Autorität
Stufe 4: Schwierigkeiten annehmen
Stufe 5: Wer wachsen will muss mit seinen Begrenzungen umgehen
Stufe 6: Ein-fach leben
Stufe 7: Ein neuer Blick für mein Leben
Stufe 8: Gemeinschaft als Quelle für mein Leben
Stufe 9, 10, 11: Nichts ins Lächerliche ziehen
Stufe 12: Gott ist gegenwärtig.