PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT I WINTERSEMESTER 2015/16 JURISTISCHE FAKULTÄT LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG PROF. DR . STEPHAN LORENZ F ALL 4 – L ÖSUNG I MMER NOCH ZU SPÄT ? A USGANGSFALL A. Anspruch zum Preis von € 81.500,– .................................................................................. 2 I. Anspruch entstanden ................................................................................................. 2 1. Einigung .............................................................................................................. 2 a) Angebot ......................................................................................................... 2 aa) Tatbestand einer Willenserklärung ............................................................. 2 bb) Wirksamwerden ........................................................................................ 3 (1) Abgabe ............................................................................................... 3 (2) Zugang ............................................................................................... 3 (3) Kein Widerruf ..................................................................................... 3 cc) Zwischenergebnis ..................................................................................... 3 b) Annahme ....................................................................................................... 3 2. Zwischenergebnis ................................................................................................ 4 II. Ergebnis .................................................................................................................... 4 B. Anspruch zum Preis von € 81.000,– .................................................................................. 4 I. Anspruch entstanden ................................................................................................. 4 1. Einigung .............................................................................................................. 4 a) Angebot ......................................................................................................... 4 aa) Tatbestand einer Willenserklärung ............................................................. 4 bb) Wirksamwerden ........................................................................................ 5 (1) Abgabe ............................................................................................... 5 (2) Zugang ............................................................................................... 5 cc) Zwischenergebnis ..................................................................................... 5 b) Annahme ....................................................................................................... 5 aa) Tatbestand und Wirksamwerden ................................................................ 5 bb) Annahmefähigkeit des Angebots ................................................................ 6 c) Zwischenergebnis........................................................................................... 6 2. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ................................... 6 3. Zwischenergebnis ................................................................................................ 6 II. Anspruch erloschen (Rechtsvernichtende Einwendungen) ............................................ 6 VERONIKA EICHHORN AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG SEITE 2 VON 11 III. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden).......................... 6 1. Gegenseitiger Vertrag .......................................................................................... 7 2. Keine Vorleistungspflicht...................................................................................... 7 3. Nicht-Bewirken der Gegenleistungspflicht ............................................................. 7 4. Geltendmachung der Einrede ................................................................................ 7 5. Zwischenergebnis ................................................................................................ 7 IV. Ergebnis – Schlussfolgerung ...................................................................................... 7 A. Anspruch zum Preis von € 81.500,– M könnte von G Lieferung der 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso verlangen, wenn sie einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Uhren Zug-um-Zug gegen Bezahlung von € 81.500,– hat. Ein solcher könnte sich aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Anspruch der M gegen G auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren zunächst entstanden, nicht wieder erloschen und auch durchsetzbar ist. I. Anspruch entstanden Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. 1. Einigung G und M müssten eine Kaufvertrag über 10 Luxusuhren der Marke JaegerLeCoultre Reverso zum Stückpreis von € 8.150,– geschlossen haben. Ein Kaufvertrag kommt durch eine Einigung zustande, die in Form zweier auf Abschluss eines Kaufvertrags gerichteter, übereinstimmender und gültiger Willenserklärungen vorliegen könnte, nämlich in Form eines Angebots und einer Annahme (vgl. §§ 145, 147 BGB). a) Angebot 1 Es müsste ein Angebot vorliegen. Ein auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtetes Angebot muss als notwendigen Inhalt (sog. essentialia negotii) die Parteien des Kaufvertrags, den Kaufgegenstand und den Kaufpreis enthalten, vom Erklärenden willentlich abgegeben wurde und dem Vertragspartner zugegangen sein. aa) Tatbestand einer Willenserklärung G könnte mit dem Schreiben vom 21.10. ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über 10 Luxusuhren zum Preis von je € 8.150,– gemacht haben. Das Schreiben vom 21.10. enthält alle vertragswesentlichen Bestandteile (essentialia negotii) eines Kaufvertrags – Vertragsparteien, Kaufgegenstand, Preis. Das Schreiben erfüllt somit alle Voraussetzungen eines Angebots. 1 Nachdem dieser Prüfungspunkt unproblematisch ist, könnte dieser auch kürzer ausfallen. Zur Einübung des Gutachtenstils bleibt die Lösung hier ausführlich. AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG bb) Wirksamwerden Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es wird daher nur wirksam, wenn es von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben) wurde, dem Erklärungsempfänger zugegangen ist und nicht rechtzeitig widerrufen wurde. (1) Abgabe Die Abgabe liegt vor, wenn der Erklärende alles seinerseits Erforderliche getan hat, damit die Willenserklärung wirksam werden kann. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist dafür die willentliche Entäußerung in Richtung auf den Erklärungsempfänger nötig, sodass unter Zugrundelegung gewöhnlicher Umstände mit Zugang gerechnet werden kann. Mit dem Einwurf des Briefes in den Postkasten der M hat G sich seiner Erklärung willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger entäußert, sodass bei Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse mit Zugang zu rechnen war. Damit hat er alles seinerseits Erforderliche getan, damit das Angebot wirksam werden kann. Er hat es mithin abgegeben. (2) Zugang Bei dem brieflichen Angebot des G handelt es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden, sodass die Zugangsvoraussetzungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu beurteilen sind. Der Zugang i.S.v. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert nach überwiegender Auffassung, dass die Willenserklärung entweder vom Adressaten tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde oder zumindest so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat und mit Kenntnisnahme bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse zu rechnen ist. Mit Einwurf des Schreibens in den Briefkasten der M am Vormittag des 21.10. ist die Willenserklärung in den Machtbereich der M gelangt und diese hätte bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt von dem Schreiben Kenntnis nehmen können. Damit ist die Willenserklärung des G der M zugegangen. (3) Kein Widerruf 2 Eine Widerrufserklärung des G ist nicht ersichtlich. Daher ist das Angebot des G nicht unwirksam gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. cc) Zwischenergebnis Somit liegt ein wirksames Angebot des G zum Abschluss eines Kaufvertrags über 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso zum Preis von € 81.500,– vor. b) Annahme M müsste das Angebot des G auch rechtzeitig angenommen haben. Annahme ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot. 2 Dieser Prüfungspunkt wird der Vollständigkeit halber genannt, um die Prüfung der Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung einzuüben. Nachdem der Sachverhalt hierzu jedoch keinen Anlass bietet, ist dieser ein einem „normalen“ Gutachten nicht zu nennen. SEITE 3 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG SEITE 4 VON 11 In der telefonischen Erklärung der M, dass ihr der Preis zu teuer sei und sie einen Stückpreis von € 8.100,– vorschlage bringt sie zum Ausdruck, dass sie nur zu einem Stückpreis von € 8.100,– kaufen wolle. Ihre Erklärung ist allenfalls als abändernde Annahme zu verstehen und damit nicht deckungsgleich mit dem Angebot, sodass keine Annahme, sondern gem. § 150 Abs. 2 BGB allenfalls ein neues Angebot vorliegen könnte. 3 Damit hat M das Angebot abgelehnt. 2. Zwischenergebnis Eine Einigung ist nicht zustande gekommen. Ein Anspruch der M gegen G auf Übereignung und Übergabe der 10 Luxusuhren zum Stückpreis von € 8.150,– ist nicht entstanden. II. Ergebnis M hat keinen Anspruch gegen G auf Übereignung und Übergabe von 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso Zug-um-Zug gegen Bezahlung von € 81.500,–. B. Anspruch zum Preis von € 81.000,– M könnte gegen G einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso Zug-um-Zug gegen Bezahlung von € 81.000,– hat. Ein solcher könnte sich aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Anspruch der M gegen G auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren zunächst entstanden, nicht wieder erloschen und auch durchsetzbar ist. I. Anspruch entstanden Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. 1. Einigung G und M müssten eine Kaufvertrag über 10 Luxusuhren der Marke JaegerLeCoultre Reverso zum Stückpreis von € 8.100,– geschlossen haben. Ein Kaufvertrag kommt durch eine Einigung in Form von Angebot und Annahme zustande (vgl. §§ 145, 147 BGB). a) Angebot Es müsste ein wirksames Angebot mit allen essentialia Vertragsparteien, Kaufgegenstand und Kaufpreis – vorliegen. negotii – aa) Tatbestand einer Willenserklärung Hier könnt eine Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag vorliegen. Dies setzt gem. § 150 Abs. 2 BGB voraus, dass M eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erklärt hat. 3 S. sogleich unten Ausgangsfall A.I.1.a). AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG In der telefonischen Erklärung der M, dass ihr der Preis zu teuer sei und sie einen Stückpreis von € 8.100,– vorschlage bringt sie zum Ausdruck, dass sie zu einem Stückpreis von € 8.100,– kaufen wolle. Damit hat sie eine Annahme unter Änderung des Kaufpreises erklärt. Im Übrigen stimmt ihre Willenserklärung inhaltlich mit dem schriftlichen Angebot des G vom 21.10. überein. Die telefonische Erklärung der M gilt somit als neuer Antrag. bb) Wirksamwerden Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es wird daher nur wirksam, wenn es von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben) wurde, dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. 4 (1) Abgabe M hat die Erklärung am Telefon willentlich in Richtung des G entäußert. Bei Zugrundelegung gewöhnlicher Umstände war mit Zugang zu rechnen. Damit hat sie alles ihrerseits Erforderliche getan, damit das Angebot wirksam werden kann. Sie hat es mithin abgegeben. (2) Zugang Eine telefonische Willenserklärung gilt gem. § 147 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB als Willenserklärung unter Anwesenden. Damit ist § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nicht direkt anwendbar. Entsprechend dem in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundgedanken ist eine nicht verkörperte Willenserklärung unter Anwesenden dann zugegangen, wenn sie so geäußert wird, dass der Erklärende nach den für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen kann, dass der Empfänger sie richtig und vollständige verstanden hat (sog. eingeschränkte Vernehmungstheorie) Für M bestanden vernünftigerweise keine Zweifel, dass G ihre Erklärung richtig und vollständig vernommen hat. Die Erklärung der M wurde daher mit ihrer Vernehmung durch G wirksam. cc) Zwischenergebnis Somit liegt ein wirksames Angebot der M zum Abschluss eines Kaufvertrags über 10 Luxusuhren zum Preis von € 81.000,– vor. b) Annahme G müsste das Angebot der M auch rechtzeitig angenommen haben (§ 147 BGB). Annahme ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot. aa) Tatbestand und Wirksamwerden G war einverstanden. Seine Annahmeerklärung hat er am Telefon in Richtung auf M entäußert. Weiter bestanden für ihn auch keine vernünftigen Zweifel, dass M seine Erklärung richtig und vollständig vernommen hat. Mithin hat G 4 Nachdem der Sachverhalt keine Hinweise auf eine vor- oder gleichzeitige Widerrufserklärung enthält, wird dieser Prüfungspunkt – insbesondere weil es sich um eine telefonische Willenserklärung handelt – weggelassen. SEITE 5 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG die Annahmeerklärung abgegeben und sie ist der M zugegangen (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB entspr.) bb) Annahmefähigkeit des Angebots Das Angebot müsste zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens Annahmeerklärung noch annahmefähig gewesen sein. der Die Annahme der M könnte jedoch verspätet und somit das Angebot des G bereits gem. § 146 Alt. 2 BGB erloschen sein. Dies ist dann der Fall, wenn M den Antrag gegenüber G nicht nach den §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen hat. Gem. § 147 Abs. 1 S. 1 BGB kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden. Dies gilt gem. § 147 Abs. 1 S. 2 BGB auch von einem mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachten Antrag. G hat das Angebot der M noch während des Telefongesprächs angenommen. Die Annahme erfolgte folglich rechtzeitig i.S.d. § 147 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB. Das Angebot war somit zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahmeerklärung noch annahmefähig und damit nicht gem. § 146 Alt. 2 BGB erloschen. c) Zwischenergebnis G und M haben daher einen wirksamen Kaufvertrag über die 10 Luxusuhren zum Stückpreis von € 8.100,– geschlossen. 2. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse 5 Der Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte, die der Wirksamkeit dieses Vertrags entgegenstehen könnten. Dem geschlossenen Kaufvertrag stehen damit keine sog. rechtshindernden Einwendungen entgegen. 3. Zwischenergebnis Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso zum Stückpreis von € 8.100,– ist entstanden. II. Anspruch erloschen (Rechtsvernichtende Einwendungen) 6 Für sog. rechtsvernichtende Einwendungen des G enthält der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Der aus dem Kaufvertrag resultierende Anspruch der M auf Übergabe und Übereignung der 10 Uhren ist noch nicht erloschen. III. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) Diesen Anspruch müsste M jedoch durchsetzen können. Das ist dann der Fall, wenn G keine rechtshemmende Einwendung (Einrede) geltend machen kann. Hier könnte G dazu berechtigt sein, seine Leistung nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB zu verweigern. Die dilatorische (= aufschiebende) Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Kaufvertrag ein gegenseitiger Vertrag, G nicht vorleistungspflichtig und die Gegenleistung noch nicht bewirkt worden ist. Zudem muss die Einrede geltend gemacht werden. 5 6 Bei fehlenden Hinweisen im Sachverhalt wird dieser Prüfungspunkt i.d.R. weggelassen. Bei fehlenden Hinweisen im Sachverhalt wird dieser Prüfungspunkt i.d.R. weggelassen. SEITE 6 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG 1. Gegenseitiger Vertrag Nachdem bei einem Kaufvertrag sich der Käufer nur deshalb zu einer Preiszahlung verspricht, damit der Verkäufer die Übergabe und Übereignung der Kaufsache verspricht, stehen Leistung und Gegenleistung in einem Austauschverhältnis. Mithin handelt es sich bei einem Kaufvertrag um einen gegenseitigen Vertrag i.S.d. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB dar. 7 2. Keine Vorleistungspflicht G könnte sich nicht auf die Einrede aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wenn er vorleistungspflichtig ist. Da G und M weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Abrede getroffen haben, ist G nicht vorleistungspflichtig gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB. 3. Nicht-Bewirken der Gegenleistungspflicht Weiter könnte sich G nicht auf die Einrede aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wenn die Gegenleistung bereits bewirkt worden ist. Weder M noch ein Dritter haben bisher den Kaufpreis bezahlt. Somit ist die Gegenleistung i.S.d. § 433 Abs. 2 BGB noch nicht bewirkt. 4. Geltendmachung der Einrede G müsste die Einrede ferner noch geltend machen. 5. Zwischenergebnis G kann folglich noch die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB erheben. Diese hat dann jedoch nur die Wirkung, dass M die Leistung nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 81.000,– verlangen kann (vgl. § 322 Abs. 1 BGB entspr.). IV. Ergebnis – Schlussfolgerung M kann von G Übergabe und Übereignung von 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB Zug-um-Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises i.H.v. € 81.000,– verlangen. 7 Dies ist völlig unproblematisch und sollte daher in einem Gutachten möglichst kurz abgehandelt werden. SEITE 7 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG SEITE 8 VON 11 A BWANDLUNG A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 8 I. Einigung ................................................................................................................... 9 1. Angebot ............................................................................................................... 9 2. Annahme ............................................................................................................. 9 a) Tatbestand einer Willenserklärung .................................................................. 9 b) Wirksamwerden .............................................................................................. 9 aa) Abgabe .................................................................................................... 9 bb) Zugang .................................................................................................... 9 cc) Zwischenergebnis ................................................................................... 10 c) Annahmefähigkeit des Angebots .................................................................... 10 aa) Fristversäumnis ...................................................................................... 10 bb) Fiktion der Rechtzeitigkeit ...................................................................... 10 (1) Erforderlichkeit der Verspätungsanzeige ............................................ 10 (2) Verspätung der Anzeige .................................................................... 10 (3) Zwischenergebnis ............................................................................. 10 cc) Zwischenergebnis ................................................................................... 11 d) Zwischenergebnis......................................................................................... 11 3. Zwischenergebnis .............................................................................................. 11 II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ...................................... 11 III. Zwischenergebnis .................................................................................................... 11 B. Anspruch erloschen (Rechtsvernichtende Einwendungen) ................................................ 11 C. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) ............................. 11 D. Ergebnis – Schlussfolgerung .......................................................................................... 11 M könnte gegen G einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso Zug-um-Zug gegen Bezahlung von € 81.500,– hat. Ein solcher könnte sich aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Anspruch der M gegen G auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren zunächst entstanden, nicht wieder erloschen und auch durchsetzbar ist. A. Anspruch entstanden Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG I. Einigung G und M müssten eine Kaufvertrag über 10 Luxusuhren der Marke JaegerLeCoultre Reverso zum Stückpreis von € 8.150,– geschlossen haben. Ein Kaufvertrag kommt durch eine Einigung in Form von Angebot und Annahme zustande (vgl. §§ 145, 147 BGB). 1. Angebot Ein wirksames Angebot des G zum Abschluss eines Kaufvertrags mit M über 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso zu einem Gesamtpreis von € 81.500,– liegt vor (s.o.). 8 2. Annahme M müsste dieses Angebot des G auch rechtzeitig angenommen haben. Annahme ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot. a) Tatbestand einer Willenserklärung Im Schreiben vom 21.10. erklärt M die vorbehaltlose Annahme des von G abgegebenen schriftlichen Angebots vom 21.10. Das Schreiben erfüllt somit alle Voraussetzungen einer Annahme. b) Wirksamwerden Eine Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wird daher nur wirksam, wenn sie von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben) wurde, dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. 9 aa) Abgabe Mit der Aufgabe zur Post hat sich M ihrer Erklärung willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger entäußert, sodass bei Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse mit Zugang zu rechnen war. Damit hat sie alles ihrerseits Erforderliche getan, damit die Annahme wirksam werden kann. Sie hat sie mithin abgegeben. bb) Zugang Bei dem Antwortschreiben der M handelt es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden, sodass die Zugangsvoraussetzungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu beurteilen sind. Mit Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des G am 29.10. ist die Willenserklärung in den Machtbereich des G gelangt und dieser hätte bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt von dem Schreiben Kenntnis nehmen können. Wann er genau Kenntnis davon genommen hat ist nicht ersichtlich. Damit ist die Willenserklärung der M dem G gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen. 8 Ausgangsfall A.I.1.a). Nachdem der Sachverhalt keine Hinweise auf eine vor- oder gleichzeitige Widerrufserklärung enthält, wird dieser Prüfungspunkt nun weggelassen. 9 SEITE 9 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG cc) Zwischenergebnis Die Annahmeerklärung der M wurde am 29.10. wirksam. c) Annahmefähigkeit des Angebots Das Angebot müsste zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens Annahmeerklärung noch annahmefähig, hier also nicht erloschen sein. der Die Annahme der M könnte jedoch verspätet und somit das Angebot des G bereits gem. § 146 Alt. 2 BGB erloschen sein. Dies ist dann der Fall, wenn M den Antrag gegenüber G nicht nach den §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen hat. aa) Fristversäumnis M könnte eine von G gesetzte Frist für die Annahme versäumt haben. Wenn der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt hat, dann kann die Annahme gem. § 148 BGB nur innerhalb der Frist erfolgen. G hat in seinem Angebot vom 21.10. eine Frist zu Annahme bis zum 28.10. gesetzt. Die Annahmeerklärung der M ist dem G jedoch erst am 29.10. zugegangen und damit wirksam geworden. Folglich war die Annahmefrist zum Zeitpunkt der Annahme bereits verstrichen. bb) Fiktion der Rechtzeitigkeit Die Annahme der M könnte jedoch gem. § 149 S. 2 BGB als nicht verspätet gelten, wenn G die Absendung der nach § 149 S. 1 BGB erforderlichen Verspätungsanzeige verzögert hat. (1) Erforderlichkeit der Verspätungsanzeige Wenn die dem G verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden ist, dass sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und der G dies erkennen musste, dann hat er gem. § 149 S. 1 BGB die Verspätung der M unverzüglich nach dem Empfang der Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher geschehen ist. Die dem G erst am 29.10. zugegangene Annahmeerklärung hat M bereits am 21.10. zur Post gegeben. Bei einer regelmäßigen Postlaufzeit im Inland von einem Tag 10 wäre die Annahmeerklärung bereits am 22.10. zugegangen. G musste dies auch erkennen, da der Poststempel vom 21.10. datierte und gut lesbar war. Damit war eine Verspätungsanzeige erforderlich. (2) Verspätung der Anzeige G hielt die Sache jedoch für erledigt und kümmerte sich nicht mehr darum. Daher unterließ er es, die Verspätung der Annahmeerklärung der M überhaupt anzuzeigen. (3) Zwischenergebnis Folglich gilt die Annahme der M als nicht verspätet. 10 Laut Angaben der Deutschen Post AG beträgt die Laufzeit für normale Briefpost innerhalb Deutschlands „E+1“ (= Einlieferungstag + 1 Werktag). SEITE 10 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 4 –LÖS UNG cc) Zwischenergebnis Das Angebot des G wurde gem. § 149 S. 2 i.V.m. S. 1 rechtzeitig angenommen und ist daher nicht gem. § 146 Alt. 2 BGB erloschen. d) Zwischenergebnis Die M hat das Angebot des G schließlich wirksam angenommen. 3. Zwischenergebnis G und M haben daher einen wirksamen Kaufvertrag über die 10 Luxusuhren zum Stückpreis von € 8.150,– geschlossen. II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse 11 Der Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte, die der Wirksamkeit dieses Vertrags entgegenstehen könnten. Dem geschlossenen Kaufvertrag stehen damit keine sog. rechtshindernden Einwendungen entgegen. III. Zwischenergebnis Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung der 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso zum Stückpreis von € 8.150,– ist entstanden. B. Anspruch erloschen (Rechtsvernichtende Einwendungen) 12 Für sog. rechtsvernichtende Einwendungen des G enthält der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Der aus dem Kaufvertrag resultierende Anspruch der M auf Übergabe und Übereignung der 10 Uhren ist noch nicht erloschen. C. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) Diesen Anspruch müsste M jedoch durchsetzen können. Das ist dann der Fall, wenn G keine rechtshemmende Einwendung (Einrede) geltend machen kann. Vorliegend kann G jedoch die dilatorische Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB erheben. 13 Diese hat dann jedoch nur die Wirkung, dass M die Leistung nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 81.500,– verlangen kann (vgl. § 322 Abs. 1 BGB entspr.). D. Ergebnis – Schlussfolgerung M kann von G Übergabe und Übereignung von 10 Luxusuhren der Marke Jaeger-LeCoultre Reverso aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB Zug-um-Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises i.H.v. € 81.500,– verlangen. 11 Bei fehlenden Hinweisen im Sachverhalt wird dieser Prüfungspunkt i.d.R. weggelassen. Bei fehlenden Hinweisen im Sachverhalt wird dieser Prüfungspunkt i.d.R. weggelassen. 13 S. Ausgangsfall oben. 12 SEITE 11 VON 11
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