Fall 08 Lösung - Juristische Fakultät

PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT I
WINTERSEMESTER 201 5/16
JURISTISCHE FAKULTÄT
LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES
PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG
PROF. DR . STEPHAN LORENZ
F ALL 8 – L ÖSUNG
S CHÖNFELDER -S ARTORIUS -S CHWÄCHE
A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 2
I.
Einigung ................................................................................................................... 2
1.
Angebot ............................................................................................................... 2
a)
Tatbestand einer Willenserklärung .................................................................. 2
b) Wirksamwerden .............................................................................................. 3
aa) Abgabe .................................................................................................... 3
bb) Zugang .................................................................................................... 3
cc) Zwischenergebnis ..................................................................................... 3
2.
Annahme ............................................................................................................. 3
a)
Tatbestand einer Willenserklärung .................................................................. 3
b) Wirksamwerden .............................................................................................. 3
aa) Abgabe .................................................................................................... 3
bb) Zugang .................................................................................................... 4
cc) Annahmefähigkeit des Angebots ................................................................ 4
dd) Zwischenergebnis ..................................................................................... 4
3.
Zwischenergebnis ................................................................................................ 4
II. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 4
B. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) ............................... 4
I.
Keine Vorleistungspflicht ........................................................................................... 4
II. Gegenseitiger Vertrag ................................................................................................ 4
III. Nicht-Bewirken der Gegenleistungspflicht ................................................................... 4
IV. Geltendmachung der Einrede ...................................................................................... 5
V. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 5
C. Ergebnis und Antwort auf die Fallfrage ............................................................................. 5
VERONIKA EICHHORN
AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16
FALL 8 – LÖ SUNG
K könnte von V den „Schönfelder“ verlangen und müsste sich nicht mit dem
unkommentierten „Sartorius“ zufrieden geben, wenn er einen Anspruch
gegen V auf Übereignung und Übergabe des „Schönfelders“ Zug-um-Zug
gegen Bezahlung von € 50,– haben. Ein solcher könnte sich aus Kaufvertrag
gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben.
Voraussetzung hierfür ist, dass ein Anspruch des K gegen V auf Übergabe
und Übereignung des „Schönfelder“ zunächst entstanden, nicht wieder
erloschen und auch durchsetzbar ist.
A.
Anspruch entstanden
Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein.
Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB
entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags.
I.
Einigung
K und V müssten einen Kaufvertrag über den Schönfelder zum Preis von
€ 50,– geschlossen haben.
Ein Kaufvertrag kommt durch eine Einigung zustande, die hier in Form
zweier auf Abschluss eines Kaufvertrages gerichteter, übereinstimmender
und gültiger Willenserklärungen vorliegen könnte, nämlich in Form eines
Angebots und einer Annahme (vgl. §§ 145, 147 BGB).
1.
Angebot
Es müsste ein Angebot vorliegen. Ein auf den Abschluss eines Kaufvertrags
gerichtetes Angebot muss als notwendigen Inhalt (sog. essentialia negotii)
die Parteien des Kaufvertrags, den Kaufgegenstand und den Kaufpreis
enthalten, vom Erklärenden willentlich abgegeben wurde und dem
Vertragspartner zugegangen sein.
a)
Tatbestand einer Willenserklärung
Ein auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichteter Antrag könnte in der
Erklärung des K zu sehen sein, V ihren „Sartorius“ für € 50,– abkaufen zu
wollen. Bei einem „Sartorius“ handelt es sich jedoch um die Sammlung der
Verfassungs- und Verwaltungsgesetze des Bundes. K wollte hingegen ein
Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über einen „Schönfelder“, die
Gesetzessammlung im Zivilrecht, abgeben. Somit ist zunächst der Inhalt der
von K abgegebenen Erklärung durch Auslegung zu ermitteln.
Die Äußerung, den „Sartorius“ kaufen zu wollen, stellt den Auslegungsgegenstand
dar. Auslegungsgegenstand ist das konkrete Verhalten oder die konkrete Äußerung,
welchen eine Erklärung entnommen werden soll. Auslegungsmittel sind die
Umstände, die zur Erhellung des Sinnes dieses Verhaltens heranzuziehen sind.
Grundsätzlich sind empfangsbedürftige Willenserklärungen nach dem
objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen. Die
Erklärung gilt so, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte.
Von dieser Warte aus liegt ein Angebot über die Sammlung der Verfassungsund Verwaltungsgesetze des Bundes vor.
Haben die Parteien eine Erklärung jedoch übereinstimmend in einem
bestimmten Sinn verstanden, ist dieser Sinn maßgebend und es kommt nicht
darauf an, welchen objektiven Erklärungswert die Erklärung besaß. Denn bei
Übereinstimmung des Parteiwillens geht die von § 133 BGB forcierte
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FALL 8 – LÖ SUNG
Willenserklärung der in § 157 BGB kodifizierten Erklärungstheorie vor. Dies
soll der Privatautonomie Rechnung tragen. Maßgebend ist dann gem. § 133
BGB das von den Parteien tatsächlich Gewollte.
Hier sind K und V übereinstimmend subjektiv davon ausgegangen, dass es
sich bei einem „Sartorius“ um die Gesetzessammlung im Zivilrecht namens
„Schönfelder“ handele. Somit beinhaltet die Willenserklärung des ein
Angebot über den Kauf eines „Schönfelders“ zum Preis von € 50,–.
b)
Wirksamwerden
Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es wird daher nur
wirksam, wenn es von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben)
wurde und dem Erklärungsempfänger zugegangen ist.
aa) Abgabe
K hat das Angebot willentlich in Richtung auf V entäußert. Bei
Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse war mit Zugang zu rechnen. K
hat die Willenserklärung damit abgegeben.
bb) Zugang
Entsprechend dem in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck kommenden
Grundgedanken ist eine nicht verkörperte Willenserklärung unter
Anwesenden dann zugegangen, wenn sie so geäußert wird, dass der
Erklärende nach den für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen kann,
dass der Empfänger sie richtig und vollständige verstanden hat (sog.
eingeschränkte Vernehmungstheorie).
Für K bestanden vernünftigerweise keine Zweifel, dass V seine Erklärung
richtig und vollständig vernommen hat. Daher ist das Angebot des K mit
seiner Vernehmung durch V zugegangen.
cc) Zwischenergebnis
Das Angebot des K ist wirksam.
2.
Annahme
V müsste das Angebot angenommen haben, § 147 Abs. 1 S. 1 BGB. Annahme
ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot.
a)
Tatbestand einer Willenserklärung
Da beide Parteien übereinstimmend einen Vertrag über den gut
kommentierten „Schönfelder“ abschließen wollten, besteht ein tatsächlicher
Konsens, der zu beachten ist. Die übereinstimmende Falschbezeichnung der
Parteien ist unschädlich (falsa demonstratio non nocet). V hat dieses Angebot
angenommen.
b)
Wirksamwerden
aa) Abgabe
V hat die Annahmeerklärung willentlich in Richtung auf K entäußert. Bei
Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse war mit Zugang zu rechnen. V
hat die Annahme abgegeben.
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FALL 8 – LÖ SUNG
bb) Zugang
Für V bestanden vernünftigerweise keine Zweifel, dass K ihre Erklärung
richtig und vollständig vernommen hat. Damit ist die Annahmeerklärung mit
der Vernehmung durch K zugegangen.
cc) Annahmefähigkeit des Angebots
Das
Angebot
müsste
zum
Zeitpunkt
des
Wirksamwerdens
der
Annahmeerklärung noch annahmefähig gewesen sein gem. § 146 Alt. 2 i.V.m.
§ 147 Abs. 1 S. 1 BGB.
Nachdem V dem Angebot des K noch in Anwesenheit des K zugestimmt hat,
hat sie es sofort und mithin rechtzeitig i.S.v. § 147 Abs. 1 S. 1 BGB
angenommen. Das Angebot war noch nicht erloschen gem. § 146 Alt. 2 BGB.
dd) Zwischenergebnis
V hat das Angebot des K wirksam angenommen.
3.
Zwischenergebnis
V und K haben daher einen Kaufvertrag über den „Schönfelder“ zum Preis
von € 50,– geschlossen.
II. Zwischenergebnis
Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung des „Schönfelders“ ist
entstanden.
B.
Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden)
Diesen Anspruch müsste K jedoch durchsetzen können. Das ist dann der Fall,
wenn V keine rechtshemmende Einwendung (Einrede) geltend machen kann.
Hier könnte V dazu berechtigt sein, ihre Leistung nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB
zu verweigern.
Die dilatorische (= aufschiebende) Einrede des nichterfüllten Vertrags gem.
§ 320 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Kaufvertrag ein gegenseitiger
Vertrag, V nicht vorleistungspflichtig und die Gegenleistung noch nicht
bewirkt worden ist. Zudem muss die Einrede geltend gemacht werden.
I.
Keine Vorleistungspflicht
V könnte sich nicht auf die Einrede aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wenn
sie vorleistungspflichtig ist.
Da V und K weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Abrede
getroffen haben, ist V nicht vorleistungspflichtig gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB.
II. Gegenseitiger Vertrag
Der Kaufvertrag müsste ein gegenseitiger Vertrag i.S.d. § 320 Abs. 1 S. 1
BGB sein. Bei einem Kaufvertrag verpflichtet sich der Käufer nur deshalb zu
einer Preiszahlung, damit der Verkäufer die Übergabe und Übereignung der
Kaufsache verspricht (do ut des). Folglich stehen die jeweiligen Pflichten in
einem Austauschverhältnis. Ein Kaufvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag.
III. Nicht-Bewirken der Gegenleistungspflicht
Weiter könnte sich V nicht auf die Einrede aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB
berufen, wenn die Gegenleistung bereits bewirkt worden ist.
Nachdem weder K noch ein Dritter bisher den Kaufpreis bezahlt haben, ist
die Gegenleistung i.S.d. § 433 Abs. 2 BGB noch nicht bewirkt.
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FALL 8 – LÖ SUNG
IV. Geltendmachung der Einrede
V müsste die Einrede ferner noch geltend machen.
V. Zwischenergebnis
V kann folglich noch die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320
Abs. 1 S. 1 BGB erheben. Diese hat dann jedoch nur die Wirkung, dass K die
Leistung nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 50,–
verlangen kann (vgl. § 322 Abs. 1 BGB entspr.)
C.
Ergebnis und Antwort auf die Fallfrage
K hat gegen V einen Anspruch aus Kaufvertrag auf Übergabe und
Übereignung des „Schönfelders“ Zug-um-Zug gegen Bezahlung von € 50,–
Somit kann K von V den „Schönfelder“ verlangen und muss sich nicht mit
dem unkommentierten „Sartorius“ zufrieden geben.
Rechtsprechung:
RGZ
99, 147 („Haakjöringsköd“) (als pfd-Datei abrufbar über Juris)
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