Geschlecht – Macht – Wissen in der Transplantation: Vom Mythos

Geschlecht – Macht – Wissen in der Transplantation:
Vom Mythos zur biomedizinischen Realität am Beispiel der Nierentransplantation
Programm „Geschlecht - Macht - Wissen", Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Hauptantragstellerin/Sprecherin: Prof. Dr. Dr. Anette Melk
Päd. Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen, MHH
Mitantragstellerinnen/Mitantragsteller:
Prof. Dr. Birgit Babitsch, New Public Health, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Christine S. Falk, Transplantationsimmunologie, MHH
Prof. Dr. Siegfried Geyer, Medizinische Soziologie, MHH
Dr. Bärbel Miemietz, Gleichstellungsbüro, MHH
PD Dr. Bernhard M.W. Schmidt, Nieren- und Hochdruckkrankheiten, MHH
Zusammenfassung
Das Geschlecht beeinflusst die Gesundheit (rsp. Krankheit) und folglich auch die
Gesundheitsversorgung in hohem Maße. Die Analyse dieses komplexen Themenfeldes hat in der
sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung eine lange Tradition
und wird jüngst mit der Etablierung der geschlechtersensiblen Medizin verstärkt. Beide Perspektiven
komplementieren sich; jedoch hat eine Synergie der jeweiligen Forschungsansätze bis dato nur
vereinzelt stattgefunden. Hier besteht nicht nur Handlungs- sondern auch theoretisch-konzeptioneller
und methodologischer Entwicklungsbedarf, den wir mit diesem Antrag am Beispiel der der
Transplantationsmedizin adressieren wollen. Aus dem Bewusstsein heraus, dass neben dem reinen
medizinischen Fachwissen auch fälschliche Annahmen („Mythos“) der Behandelnden bzgl. bestimmter
Krankheiten bei Frauen und Männern die medizinische Versorgung stark beeinflussen, werden wir
einige dieser Mythen hinterfragen, und so die aus ihnen resultierende Ungleichbehandlung der
Geschlechter durch verbesserter Diagnostik und Therapie auf einem neuen, höheren Niveau
angleichen Als Beispiel für einen Mythos soll hier das oft auch nur unbewusst angenommene
geringere kardiovaskuläre Risiko bei Frauen gegenüber Männern erwähnt sein, das im Bereich der
Transplantationsmedizin z.T. zu einer inadäquaten Diagnostik und Behandlung von Frauen auf Grund
des unterschätzen Risikos führt.
Diese
innovative,
interdisziplinäre
Herangehensweise
wird
am
Beispiel
der
Nierentransplantation aus dem epidemiologischen, internistischen, immunologischen und
soziologischen Blickwinkel heraus erprobt. Hierdurch können neben einer wissenschaftlichen
Bewertung
auch
die
in
der
Behandlungspraxis
vorherrschenden
Annahmen
zu
Geschlechterunterschieden überprüft und ggf. korrigiert werden. Die Ergebnisse des
Forschungsvorhabens sind zum einen unmittelbar handlungsrelevant und können durch die
Einspeisung in Leitlinienprozesse langfristig verstetigt werden. Zum anderen kann der hier gewählte
Forschungsansatz wichtige Impulse für komplexe und integrative geschlechterspezifische
Forschungsvorhaben in der gesamten Medizin über die Transplantationsforschung hinaus geben.
Darstellung der Teilprojekte und ihrer Thematik.
Der Forschungsverbund wird systematisch und interdisziplinär
geschlechterspezifische Unterschiede im Hinblick auf den Zugang
zur Nierentransplantation und die medizinische Vor- und Nachsorge untersuchen.
In einem epidemiologischen Ansatz werden am Beispiel
Niedersachsen die tatsächlich für Deutschland relevanten Daten
(Zugang zur Warteliste, Transplantationshäufigkeit, Risiko für
Transplantatverlust) erhoben (TP1). Parallel hierzu wird eine
Kohorte nierentransplantierter Patienten/-innen an der MHH
hinsichtlich potentieller Einflussfaktoren auf mögliche Unterschiede bezogen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (TP2) und die
immunologische Reaktivität (TP3) untersucht. TP4 wird die
Ergebnisse aus TP1-3 in einem iterativen Prozess gezielt in der
Datenbank aus TP1 abfragen und damit nachhaltig unterstützen.
Die Erkenntnisse sollen durch die Umsetzung in Leitlinien (TP5)
sowie durch nationale und internationale Treffen (TP6) die
geschlechtersensible Medizin stärken und werden als „Blaupause“
für andere Transplantationsbereiche dienen.