Digitalisierung ist ein Instrument, nicht das Ziel

aktuell Digitalisierung
„Digitalisierung
ist ein Instrument,
nicht das Ziel“
Zeitersparnis, höhere Effizienz in der Kanzlei und
beim Klienten, harmonischere Prozesse und damit
besseres Verständnis der Mitarbeiter für die Arbeit
der anderen. Das sind Ziele, die Teilnehmer am
Projekt „Digitaler Workflow“ definieren. Wir stellen
Ihnen heute drei Teilnehmer vor.
Interexpert
Felix Hammerschmidt und sein Bruder haben die Interexpert von
ihrem Vater übernommen und führen die Kanzlei mit insgesamt
rund 35 Mitarbeitern jetzt gemeinsam. Das Thema EDV wurde sehr
früh als zukunftsweisend erkannt, weil der Vater von den technischen
Möglichkeiten begeistert war und selbst Rechnungswesensoftware
programmiert hat, als es noch keine Standardsoftware gab. „Unter gewissen Schmerzen“, wie Felix Hammerschmdt es heute formuliert,
erfolgte dann der Übergang zur Standardsoftware von BMD, mit der
die Kanzlei heute weitgehend arbeitet. Durch die frühe IT-Affinität
ist es gelungen, Rationalisierungpotenziale auszunützen, allerdings
noch nicht zur vollen Zufriedenheit. Versuche, Belege zu scannen
und die Verarbeitung zu automatisieren, waren bislang nicht ausreichend erfolgreich. Die Fehlerquote ist noch so hoch, dass die Nacharbeit fast genauso aufwändig ist wie das händische Erfassen der Belege, beschreibt Hammerschmidt den Status quo. Eingesetzt wurde die
Scan-Software bei zwei Klienten, deren Struktur dafür besonders geeignet erschien, und dabei ist es bis heute im Wesentlichen geblieben.
„Die Fehlerquote ist noch so hoch,
dass die Nacharbeit genauso
aufwändig ist wie das händische
Erfassen der Belege.“
Felix Hammerschmidt
Ein Stichtag ist für die Umsetzung notwendig
Das Projekt „Digitalisierung des Workflows“ sieht Hammerschmidt
sehr positiv. „Gut, dass sich die KWT des Themas angenommen hat.
Jedem ist klar, dass sich die Welt in wenigen Jahren dramatisch verändern wird und die Kanzleien sich anpassen müssen.“ Den Übergang
sieht Hammerschmidt als laufenden Prozess. „Ein Big Bang ist für
mich nicht notwendig. Es muss nicht alles zu einem Stichtag umgestellt werden. Wo es praktisch ist, gibt es auch in Zukunft ein
Papier.“ Für mich ist Digitalisierung ein Instrument und nicht
das Ziel.“ Das erste Umstellungsprojekt der Interexpert ist die
Lohnverrechnung, einfach deswegen, weil dort bereits die
meisten Daten in digitaler Form vorliegen. In der Buchhaltung
ist die Zettelwirtschaft viel stärker ausgeprägt. Das entsprechende Softwaremodul ist bereits installiert. Hammerschmdt:
„Im Dezember läuft die Schulung und dann wollen wir Anfang
2016 in der LV den elektronischen Akt haben.“
Hammerschmdt erwartet sich in der LV „eine gewisse Zeitersparnis“.
Noch wichtiger sei aber, dass die Kanzlei damit für junge Mitarbeiter,
die sich die volle Digitalisierung erwarten, attraktiver werde. Die LV
werde dann der Musterfall für die Buchhaltung.
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Digitalisierung aktuell
Interrevision
Dieter Derntl und sein Team
entschieden sich 2008 für die
schrittweise Umstellung auf eine papierarme Kanzlei. Softwarepartner ist seither DATEV. Papierarm heißt, dass im Wesentlichen alles elektronisch erfasst wird, die Dokumente aber für die Bearbeitung ausgedruckt werden dürfen, wenn das dem Mitarbeiter lieber ist. Dieser hat aber dafür zu sorgen, dass die Veränderungen wieder im
System erfasst werden, beispielsweise durch das Scannen des bearbeiteten Papiers. Papierarm heißt aber auch, dass nicht um jeden Preis alles elektronisch ablaufen muss. Derntl: „Wir waren da
nie extrem. Wo die digitale Verarbeitung möglich ist und Sinn ergibt, setzen wir darauf. Aber die letzten 10 % sind oft zu aufwändig.“ In der eigenen Buchhaltung hält die Interrevision derzeit
bei rund 90 %. In der Lohnverrechnung sollte der Output möglichst vollständig elektronisch erfolgen. Das KWT-Projekt sieht
Derntl als willkommenen Anstoß, die Digitalisierung der Kanzlei weiter voranzutreiben. „Man muss sich immer wieder selber
motivieren. Die Digitalisierung ist ja keine einmalige Umstellung,
sondern ein andauernder Prozess.“ Als Ziel formuliert Derntl die
möglichst harmonische und damit effiziente Gestaltung der Prozesse. Dadurch wachse auch das Verständnis zwischen den Abteilungen. Der monetäre Aspekt müsse nicht unbedingt im Vordergrund stehen.
„Durch die Automatisierung
kann den Klienten eine
Reihe von ­Zusatz­leistungen
angeboten werden.“
Dieter Derntl
Eine qualifiziertere Arbeit ist möglich
Zu vernachlässigen sei dieser Aspekt der Digitalisierung aber
auch nicht. Vor zehn Jahren habe sich die Kanzlei ernsthaft die
Frage gestellt, ob sich die Buchhaltung überhaupt noch auszahle
oder mangels Ertragskraft nicht besser zugesperrt werde. Derntl:
„Davon kann heute keine Rede mehr sein.“ Dank der Automatisierung werde hier wieder Geld verdient und durch die Automatisierung könne den Klienten eine Reihe von Zusatzleistungen angeboten werden, die gute Deckungsbeiträge liefern. Derntl: „Das
macht auch die Mitarbeiter stolz. Es ist eine höher qualifizierte
Arbeit und wir sorgen über ein Prämiensystem dafür, dass der einzelne Mitarbeiter davon auch profitiert.“
Falcon
Andreas Maitzen sieht das Thema Digitalisierung zwangsläufig unter dem internationalen Aspekt. Falcon ist neben Österreich in Ungarn, Tschechien und der Slowakei mit jeweils eigenen Tochtergesellschaften präsent und wird „gerade ein bisschen
italienisch“. Das bedingt, dass über die unterschiedlichen Steuerund EDV-Systeme ein Verwaltungssystem gelegt werden muss,
das die Informationen rasch, einheitlich und über alle Tochtergesellschaften hinweg verfügbar macht. Als Beispiel führt Maitzen
eine konsolidierte Konzernbilanz an, wo aus der konsolidierenden Zentrale auf die Arbeitsunterlagen der Töchter zugegriffen
wird und sich jeder in der Ablage der einzelnen Länder zurechtfinden muss.
„Potenzial sehe ich noch in der
Steigerung der internen Effizienz,
obwohl Falcon bereits alle
Dauerakte elektronisch anlegt.“
Andreas Maitzen
Einheitliche Wege und Qualitätskriterien
Es gehe grundsätzlich um einheitliche Wege und klare Qualitätskriterien. Maitzen: „Jedes Land hat andere Vorschriften, beispielsweise hinsichtlich der Einreichung von Jahresabschlüssen oder der Offenlegungspflichten. Trotzdem muss jederzeit ersichtlich sein, wie der Status quo ist, was rechtzeitig
hinausgegangen oder noch offen ist.“ Falcon soll
bis Ende 2016 zur Gänze digital arbeiten. IGEL
ist Softwarepartner. Maitzen: „Prinzipiell erfinden
wir nichts Neues. Die Prozesse sind ja da. Es geht
nur um ein neues Medium.“ Allerdings erfordere die
elektronische Verarbeitung oft ein wesentlich genaueres
Durchdenken und eine präzisere Definition der Abläufe. Potenzial sieht Maitzen auch noch in der Steigerung der internen
Effizienz, obwohl Falcon bereits alle Dauerakte elektronisch anlegt. „Wir finden Dokumente relativ rasch, aber es lässt sich sicher
noch Zeit und Weg einsparen. Das ist auch notwendig, weil immer mehr Information zur Verfügung steht. Dieses Wissen muss
so organisiert werden, dass es jederzeit auffindbar ist, und zwar für
jeden.“
Die Entscheidung zur Digitalisierung ist vor zwei Jahren gefallen.
Ende kommenden Jahres soll bei Falcon der Workflow der Kanzlei zur Gänze umgestellt sein. Maitzen: „Das KWT-Projekt hilft,
die daraus entstehenden Verpflichtungen umzusetzen.“
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