Trends - Berenberg

TRENDS
18. November 2015
OLYMPIA 2024 IN HAMBURG – DIE KOSTENSCHÄTZUNG
von Dr. Jörn Quitzau, Berenberg Volkswirt
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Gemäß der Kostenabschätzung des Hamburger
Senats würden die Olympischen Spiele in Hamburg 11,2 Mrd. Euro kosten. Nach Abzug der erwarteten Einnahmen bleibt eine Finanzierungslücke von rund 7,4 Mrd. Euro. Davon würde die
Stadt Hamburg 1,2 Mrd. Euro übernehmen.
Der Finanzbericht ist gut durchdacht, differenziert
und er geht von realistischen Zahlen aus. Ein großer Pluspunkt ist die Konzentration auf die Kostenabschätzung. Der Bericht wird nicht durch
Hinweise auf vermeintlich volkswirtschaftliche Effekte verwässert.
Bedauerlich, dass der nüchtern-sachliche Finanzreport und die Abstimmung der Bürger über das
größte Sportereignis der Welt in diesen Tagen von
Ereignissen überlagert werden, die rein gar nichts
mit dem Sport zu tun haben.
ran, soviel Transparenz wie möglich in den aktuellen Stand
der Planungen zu bringen und die Bevölkerung aktiv einzubeziehen – die ehemaligen Mitbewerberstädte Toronto
und Boston scheiterten an der Ablehnung der eigenen Bürger.
Am Sonntag (29. November) stimmen die Hamburger Bürger darüber ab, ob sich die Hansestadt für die Ausrichtung
der Olympischen Spiele 2024 bewerben soll. Olympische
Spiele stellen für die Bürger der Stadt nicht nur ein einmaliges Erlebnis dar, die Spiele kosten auch viel Geld. Zu einer
fundierten Entscheidung gehört deshalb neben dem Blick
auf den Nutzen auch ein Blick auf die zu erwartenden Kosten. Wir hatten im Februar, bevor die nationale Entscheidung für Hamburg und gegen Berlin fiel, bereits die wichtigsten Fakten und grundsätzlichen Argumente zur Olympia-Entscheidung in einer Publikation dargelegt.1 Damals
fehlte noch eine solide Abschätzung der voraussichtlich
anfallenden Kosten. Inzwischen hat die Senatskanzlei einen
114 Seiten umfassenden Finanzreport über den Stand der
Kostenermittlung und die Erlöserwartungen vorgelegt.2
Diese Kostenabschätzung ist für die Hamburger Bürger ein
wichtiger Entscheidungsbestandteil. Hamburg tut gut da-
Wir wollen deshalb in aller Kürze auf die wichtigsten Daten
aus dem Finanzreport eingehen: Die Gesamtkosten der
Olympischen Spiele sollen sich bis 2024 auf rund 11,2 Mrd.
Euro belaufen. Darin sind die Kosten für die Organisation
und die Durchführung der Spiele in Höhe von knapp 3,4
Mrd. Euro enthalten, die vollständig durch Einnahmen des
Organisationskomitees (u.a. IOC-Beitrag, Sponsoren, Eintrittskarten) gedeckt sind. Weitere Einnahmen in Höhe von
gut 350 Mio. Euro ergeben sich aus dem Verkauf der
Grundstücke auf dem künftigen Olympia-Gelände.
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Vgl. Berenberg/HWWI, Olympische Spiele in Hamburg? Die
wichtigsten Fakten und Argumente im Überblick.
2 Vgl. Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg (2015),
Finanzreport – Stand der Kostenermittlung und Erlöserwartungen, September 2015.
1
Die vorläufige Kostenaufstellung
Die Terroranschläge von Paris haben den Sicherheitsaspekt, der bei sportlichen und gesellschaftlichen MegaEvents immer eine wichtige Rolle spielt, zusätzlich in den
Fokus gerückt. Es ist wahrscheinlich, dass auch die Entscheidung der Hamburger Bürger durch die sehr frischen
Eindrücke aus Paris und nach der Absage des FußballLänderspiels in Hannover beeinflusst wird. Als Volkswirte
können wir wenig zu den sicherheitsrelevanten Fragen
beitragen, zumal Olympia 2024 noch in ferner Zukunft
liegt.
Damit bleibt eine Finanzierungslücke in Höhe von rund 7,4
Mrd. Euro (insbesondere für Bau- und Infrastrukturmaßnahmen), die von der öffentlichen Hand zu schließen ist.
Die Stadt Hamburg würde sich von 2018 bis 2023 mit 200
Mio. Euro pro Jahr, also insgesamt mit 1,2 Mrd. Euro an
der Finanzierung der Olympischen Spiele beteiligen. Die
verbleibenden 6,2 Mrd. müssten vom Bund übernommen
werden. Eine Zusage gibt es dafür noch nicht, aber scheitern lassen würde es der Bund an seiner finanziellen Beteiligung vermutlich auch nicht.
Trends | 18. November 2015
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Wie solide sind die Zahlen?
Die skizzierten Zahlen sind das Ergebnis vorläufiger Berechnungen. Insbesondere die Erfahrungen mit dem Bau
der Elbphilharmonie rechtfertigt eine gewisse Skepsis gegenüber derartigen Analysen. Deshalb die Frage: Wie solide
sind die Zahlen?
Der Finanzbericht ist gut durchdacht, differenziert und er
geht – gemessen am aktuellen Planungsstand – von realistischen Zahlen aus. Für die Kostenschätzung wurden Experten zu Rate gezogen und nach der Maßgabe des „Kostenstabilen Bauens“ gerechnet. Dabei wurden zunächst die
Basiskosten ermittelt, also Kosten, die nach heutigem Stand
als realistisch gelten dürfen. Um kalkulatorische Ungewissheiten zu berücksichtigen, wurden Kostenabweichungen in
Höhe von 20 % auf die Basiskosten aufgeschlagen. Zudem
wurde eine Inflationsrate von 2 % pro Jahr aufgeschlagen
und es wurden Baunebenkosten in Höhe von 25 bis 30 %
einkalkuliert. Schließlich wurden die ermittelten Kosten mit
den tatsächlichen Kosten ähnlich gelagerter Projekte verglichen. Insbesondere die Kosten einzelner Projekte bei den
Olympischen Spielen in London wurden zum Vergleich
herangezogen. Dies ist ein geeigneter Plausibilitätstest.
in der Bevölkerung geweckt, weil Konjunktur und Wachstum in nennenswertem Umfang von Sportgroßveranstaltungen wie Olympia oder Fußball Welt- und Europameisterschaften profitieren sollten. Tatsächlich sind derartige
volkswirtschaftliche Effekte kaum messbar. Wären diese
Mega-Events Konjunkturprogramme, dann müsste Brasilien gerade einen beispiellosen Boom erleben. Doch ein Jahr
nach der Fußball-WM und ein Jahr vor den Olympischen
Spielen steckt Brasilien in der Krise. Von einer WM/Olympia-Sonderkonjunktur ist rein gar nichts zu spüren.
Es zeigt sich, dass andere Faktoren eine viel größere Rolle
spielen – Brasilien leidet unter anderem unter wirtschaftspolitischen Fehlern und niedrigen Rohstoffpreisen.
Der Hamburger Finanzreport hebt sich von derlei Konjunkturträumereien wohltuend ab. Bedauerlich, dass der
nüchtern-sachliche Finanzreport und die Abstimmung der
Bürger über das größte Sportereignis der Welt in diesen
Tagen von Ereignissen überlagert werden, die rein gar
nichts mit dem Sport zu tun haben.
In der Vergangenheit haben die Ausrichter Olympischer
Spiele oft den Fehler gemacht, nicht ausreichend über
Nachnutzungsmöglichkeiten für die olympischen Sportanlagen nachgedacht zu haben. Das Hamburger Konzept hat
diesen Fehler nicht begangen und hat für alle Anlagen, die
eigens für Olympia 2024 gebaut werden, sinnvolle Nachnutzungskonzepte. Einige Anlagen werden partiell umoder zurückgebaut. Die dadurch anfallenden Kosten sollen
privat finanziert werden.
Der Finanzreport überzeugt auch deshalb, weil die Herangehensweise durchaus selbstkritisch und risikosensibel ist.
Der Blick geht über den Tellerrand hinaus, wenn mögliche
Kampfmittelfunde aus dem 2. Weltkrieg bei Baumaßnahmen im Hafengebiet oder Evakuierungsmöglichkeiten im
Notfall thematisiert werden. Gemessen am früheren Planungsstandard ist der Report schon sehr detailliert ausgefallen.
Verzicht auf übertrieben positive Erwartungen
Ein großer Pluspunkt ist die Konzentration auf die Kostenabschätzung. Der Bericht wird nicht durch Hinweise auf
vermeintlich volkswirtschaftliche Effekte verwässert. Sehr
oft wurden in der Vergangenheit überzogene Erwartungen
Trends | 18. November 2015
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