03. P. Kalvari Mangelernaehrung im Alter 14.11.15

Mangelernährung im Alter
Frühzeitig erkennen und behandeln
14. November 2015
24. Fortbildungstagung für DiätassistentInnen
Marienhaus Münster
Peter Kalvari
Mangelernährung
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ist die häufigste Komorbidität im Alter.
verlängert den Krankenhausaufenthalt.
erhöht die Komplikationsrate.
geht mit einer hohen Mortalität einher.
verursacht hohe Kosten im
Gesundheitswesen. (1)
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(1) Tucker et al. (1996), Nutr Reviews
Normale Funktion
Toleranzzeit
Funktionsstörung
O2
H 2O
essentielle
Nährstoffe
kcal
Toleranzzeit
Funktionsverlust
Nährstoffgruppen
• Mikronährstoffe
– Vitamine
– Spurenelemente
– Sekundäre Pflanzeninhaltstoffe
• Makronährstoffe
– Kohlenhydrate
– Fette
– Eiweiß
Mirkonährstoffe
ß-Carotin
Mangan
Kupfer
Neuropsychiatric disorders caused by cobalamin
deficiency in the absence of anemia or
macrocytosis
Lindenbaum et al., N Engl J Med 1988
• 141 konsekutive Patienten mit neuropsychiatrischen Störungen durch
Cobalamin-Mangel
• 40 Patienten hatten keine Anämie oder
Makrozytose
• Alle Patienten profitierten von der
Cobalamin-Therapie
• Verbesserung der neuropsychiatrischen
Störungen bei 100 % der Patienten
High-Dose B Vitamin Supplementation and
Cognitive Decline in Alzheimer Disease
Aisen PS et al. JAMA 2008; 300: 1774-1783
• Doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte,
multizentrische Studie
• 409 Probanden mit milder bis moderater Alzheimer
Demenz ohne Vitamin-Mangel
• 18 Monate Intervention
• Trotz Senkung des Homocystein-Spiegels kein
Unterschied in kognitiver Leistung!
Vitamin B Substitution hilft nicht gegen Alzheimer-Demenz.
Ohne Vitaminmangel helfen Vitamine nicht!
Therapie eines Vitamin B12 – Mangels bei
Demenz
Abyad A; J Nutr Health Aging; 2002
• 56 Patienten mit Cobalamin < 300 pg/ml und
kongnitiver Dysfunktion
• Hochdosierte Vitamin B 12 – Therapie
• Nach 12 Monaten 40 von 56 Patienten kognitiv
verbessert
• Bei kognitiven Defiziten < 12 Monaten, MMSE im
Mittel um 6 Punkte verbessert
• Bei kognitiven Defiziten > 12 Monaten, MMSE im
Mittel um 4 Punkte verbessert
• 6 Patienten mit kognitiven Defiziten seit 3 – 6
Monaten, MMSE normalisiert (1,2,3,6,9 Punkte)
Vitamin B12 – Mangel im Alter
Andrès et al. CMAJ 2004
• ist häufig und betrifft etwa 20 % der Älteren
• Ursachen sind
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60 – 70 % Malabsorption des Nahrungs-Cobalamins
15 – 20 % Perniziöse Anämie
5 % mangelnde Zufuhr
5 % Cobalamin-Malabsorption (Z.n. Gastrektomie)
5 – 10 % andere / seltene Ursachen
Nährstoffgruppen
• Mikronährstoffe
– Vitamine
– Spurenelemente
– Sekundäre Pflanzeninhaltstoffe
• Makronährstoffe
– Kohlenhydrate
– Fette
– Eiweiß
Anteil Überlebender %
Überleben und Gewichtsentwicklung
in der SENECA-Studie
Stabil
Zunahme > 5 kg
Abnahme > 5kg
Überlebenszeit (Tage)
De Groot CPGM, van Staveren WA, Clin Geriatr Med 2002
Deutsche Definition
DGEM-Leitlinie
1. Unterernährung:
vermindertes
Energiereservoir
verminderte Fettmasse
BMI < 18,5 kg/m2
(Erwachsene)
BMI < 20,0 kg/m2 (Senioren)
Deutsche Definition
DGEM-Leitlinie
2. Mangelernährung
krankheitsassoziierter
Gewichtsverlust:
signifikanter Gewichtsverlust
mit Krankheitsaktivität
> 5 % in 3 Monaten
> 10 % in 6 Monaten
Deutsche Definition
DGEM-Leitlinie
2. Mangelernährung
2. Eiweißmangel
- verminderte Eiweißmasse
- verminderte Muskelmasse
Deutsche Definition
DGEM-Leitlinie
2. Mangelernährung
3. Spezifischer Nährstoffmangel
Mangel essentieller
Nährstoffe
(Wasser, Vitamine, Mineralien,
Spurenelemente, essentielle
Fettsäuren)
Definition DGEM-Leitlinie vs.
Realität der Altersmedizin
Unterernährung
Eiweißmangel
Gewichtsverlust
chronische / subakute /
akute Malnutrition
Ursachen und Risikofaktoren der
Mangelernährung (im Alter)
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Medikamente
schlechter Zahnstatus
Dysphagie
Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
Allgemeinerkrankungen
verminderte Geruchs- und
Geschmackswahrnehmung
Depression / Demenz
schlechter sozioökonomischer Status
geringe Nährstoffdichte der Nahrung
Vermindertes Hunger- und Durstgefühl
Malnutrition durch
Arzneimittel
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Appetitlosigkeit
Übelkeit und Erbrechen
Mundtrockenheit
Somnolenz
Gestörtes Geschmacksempfinden
Gestörter Stoffwechsel
Gestörte Nährstoffabsorption
Zahnstatus und Kaubeschwerden
Schlecht
sitzender
Zahnersatz
Fehlende
Zähne
Mundtrockenheit
Entzündungen
Pilzbefall
Ulzera
Kaubeschwerden
Gesunde Senioren
(„Ernährung ab 65“; n=1550)
18,7 %
Geriatrische Patienten (n=300)
(Bethanien-Ernährungsstudie)
46,3 %
nach Volkert
Dysphagie
• Gesunde Senioren
(„Ernährung ab 65“; n=1550) 6,1 %
• Geriatrische Patienten (n=300)
(Bethanien-Ernährungsstudie) 17,7 %
nach Volkert
Schlucken - Schlucken Schlucken
• 1 Mal / Minute
• 1000 – 2000 x/ d
• 0,5 ml Speichel
• 750 ml Speichel / d
• 56 Muskeln
• (un)bewusst
Dysphagie / Aspiration
Transnasale Videoendoskopie
(FEES, fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing)
Mechanische Probleme bei
der Zubereitung der Nahrung
• Gesunde Senioren
(„Ernährung ab 65“; n=1550) 7,5 %
• Geriatrische Patienten (n=300)
(Bethanien-Ernährungsstudie) 44,7 %
Gewichtsverlust bei Demenz
Ist ein Prädiktor für:
• Morbidität (Mazzali et al. 2002)
• Erkrankungsschwere (White et al. 1998)
• Erkrankungsprogress (White et al. 1998)
• Verhaltensstörungen (Gilette-Guyonnet et al. 2000)
• reduzierte Lebensqualität (Crogan et al. 2003)
• Mortalität (White et al. 1998)
Weight loss in people with Alzheimer's disease:
a prospective population based analysis
Cronin-Stubbs D et al.; BMJ 1997;314:178
BMI – 0,14 kg/m2/y
Faktor 3,7
BMI – 0,52 kg/m2/y
R. Wirth 2010
Entwicklung von Demenz und
Gewichtsverlust
Body weight
Ursachen von Gewichtsverlust bei Demenz
Störung von Appetit und Homöostase bei
Neurometabolischen Veränderungen
Hypometabolismus in Gyrus cinguli, Hypothalamus
Neuropathologischen Veränderungen
präklinische
Phase
Atrophie von Hippocampus, mes. Temporallappen
Veränderungen in Bulbus olfactorius, Riechhirn
Metabolischen Allgemeinveränderungen
erhöhte Zytokinspiegel (TNF )
erhöhte Körperkerntemperatur
Genetischer Prädisposition (ApoE- 4)
Aufmerksamkeitsstörung mit
Frühphase
mangelnder Nahrungszufuhr und
ungünstiger Nahrungsauswahl
erhöhter Energiebedarf durch
psychomotorische Unruhe, Verhaltensstörungen
Sekundärerkrankungen
mangelnde Energiezufuhr bei
Pflegebedürftigkeit (Abhängigkeit)
Apraxie, Dysphagie
sedierender pharmakologischer Therapie
Spätphase
Entwicklung von Demenz und
Gewichtsverlust
Body weight
Entwicklung von Demenz und
Gewichtsverlust
Body weight
Teufelskreis der
Mangelernährung
Erkrankung
akut
chronisch
Kauprobleme
Dysphagie
Hyposmie
Arzneimittel-NW
Psychische
Störung
Depression
Demenz
Behinderung
Nährstoffdichte ↓
Soziale Isolation
Ökonom.
Probleme
Malnutrition
Funktionalität↓
Inappetenz
Erkrankung
(nach Volkert 1989)
Gewichtsentwicklung
Phasen der Malnutrition
76
Tod des Partners
Körpergewicht (kg)
74
OSH-Fraktur
72
70
Cholezystektomie
Pneumonie
68
66
64
62
70
71
72
73
74
75
Alter (J)
76
77
78
79
80
Diagnostik
BMI?
Körpergewicht (kg) / Körpergröße (m) ²
•65 kg / 1,70 m² = BMI 22,5
•57,5 kg / 1,60 m² = BMI 22,5
Bedeutsamer Gewichtsverlust
*
• 5 % in 3 Monaten
• 10 % in 6 Monaten
*Blackburn et al. 1977, Mitchel et al. 1982, Schlenker 1993
Wie groß ist das
Energiedefizit?
Energie- und Flüssigkeitsbedarf (im
Alter)
30 kcal/kg KG / d
30 ml/kg KG / d
anpassen an
Metabolismus !
(Erkrankung, körperlicher
Aktivität und Zielgewicht)
Therapieansätze
Stufentherapie der Malnutrition
künstliche
Ernährung
Trinksupplemente
Anreicherung der Nahrung
Soziale / pflegerische Unterstützung
Auswahl energiedichter Lebensmittel
Identifizierung und Behandlung der Ursachen
A nutritional education program could prevent
weight loss and slow cognitive decline in
Alzheimer‘s disease.
Riviere S et al. J Nutr Health Aging 2001, 5 (4): 295-9
Angehörigenberatung
Intervention: 9 Ernährungsschulungen, jeweils 1 h, über 1
Jahr
Probanden: 151 AD Patienten und deren Pflegende
74 AD Patienten als Kontrolle
Ergebnis:
Interventionsgruppe + 0,7 kg
Kontrollgruppe - 0,7 kg; p<0,05
MMSE-Entwicklung – 2,3 vs. – 3,4 pts.; p<0,05
Effect of family style mealtimes on quality of life, physical
performance, and body weight of nursing home residents
Nijs K, de Graaf C, Kok FJ, van Staveren WA; BMJ 2006
244 Pflegeheimbewohner in 5 Pflegeheimen
Intervention (133/95):
1. Family-style-meals ( 6 Bewohner + 1 Pflegeperson / Tisch)
2. Tischgestaltung
3. Mahlzeiten-Service
Kontrollgruppe (112/83): keine Änderung
beide Gruppe erhielten die gleichen Mahlzeiten
Ergebnisse nach 6 Monaten (178 Bewohner):
Energieaufnahme : + 959 kJ (229 kcal) / d (CI: 504 – 1479)
Körpergewicht : + 1,5 kg (CI: 0,6 – 2,4)
Nahrungsmittelzusätze
Hilfsmittel
Protein and energy supplementation in
elderly people at risk from malnutrition
Milne AC et al., Cochrane Review 2009
• 62 RCT mit 10.187 Probanden
• Signifikante Reduktion der Mortalität um 21%
bei Malnutrition
• Signifikante Reduktion der Mortalität um 11%
in der Gesamtgruppe, wenn ≥ 400 kcal/d
angeboten wurden.
• Signifikante Senkung der Komplikationsrate
um 14% in der Gesamtgruppe.
125 ml mit 2,4 kcal/ml (300 kcal)
Sondenernährung
• Wenn erhebliches Energiedefizit
• Wenn Prognose des Patienten akzeptabel
Das Refeeding-Syndrom
• Elektrolyt-Entgleisung
– Hypernatriämie
– Hypokaliämie
– Hypomagnesiämie
– Hypophosphatämie
• Thiamin-Mangel
• Hyperammonämie
NICE – Kriterien zur Beurteilung des
Risikos für ein Refeeding-Syndrom
• Patienten mit einem der folgenden Kriterien:
– BMI < 16 kg/m²
– Unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 15 % in den letzten 3 – 6
Monaten
– Geringe oder keine Nahrungszufuhr über mehr als 10 Tage
– Niedrige Phosphat-, Magnesium- oder Kaliumspiegel vor Beginn
der Ernährung
• Patienten mit > 1 der folgenden Kriterien:
– BMI < 18,5 kg/m²
– Unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 3 – 6
Monaten
– Geringe oder keine Nahrungszufuhr über mehr als 5 Tage
– Vorgeschichte mit Alkoholabusus, Insulintherapie,
Chemotherapie, Antacida oder Diuretika
b
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit !