SVBB-Fachtagung, 4. September 2015, Seepark Thun Zusammenarbeit und Grenzen der Hilfe mit hochstrittigen Eltern beim persönlichen Verkehr Methodische Anregungen Christoph Heck, Sozialarbeiter FH, Vizepräsident KESB Winterthur-Andelfingen, [email protected] Wesentliche rechtliche Grundlage Persönlicher Verkehr: Art. 273 bis 275 ZGB Information und Auskunft: Art. 275a ZGB sodann: Kindesschutz: Art. 307 ff. ZGB Vollstreckung: Art. 450g ZGB 1 Sozialer Konflikt Ein sozialer Konflikt ist ein Spannungsfeld zwischen Akteuren oder eben Parteien, die mit Nachdruck versuchen ihre teils diametral entgegengesetzten Handlungspläne zu verwirklichen. Sie sind sich ihrer Gegnerschaft bewusst und abhängig voneinander. Die Ursache sozialer Konflikte können in der Sache als auch in der Person liegen. Sie werden von Persönlichkeitsmerkmalen der Parteien (den einzelnen Denk-/Deutungs – und Verhaltensstilen) beeinflusst. Strittiger persönlicher Verkehr Anspruchsvoll für Fachleute ist die Regelung oder Konfliktlösung insbesondere aufgrund der Haltung und dem Verhalten der Akteure der daraus resultierenden Dynamik im System und der häufigen Vielschichtigkeit (Nebenkampfschauplätze) 2 Strittiger persönlicher Verkehr Was kann a) die anordnende Behörde b) die Mandatsperson beitragen, damit die Ausübung des persönlichen Verkehrs zum Wohle des Kindes gelingt? Was ist also nebst der rechtlichen Bewerkstelligung/Klärung von Seiten Sozialer Arbeit/Mandatsführung wie behandelbar/beeinflussbar? Positive und negative Konnotation zum Thema Konflikt positiv negativ + Verweist auf Probleme - fördert Widerstand + verhindert Stagnation, ist Wurzel für Veränderung - weckt Angst, Ärger, Frust, Schmerz, Verletzungen, Stress, Unzufriedenheit + regt Interesse, Neugierde an - führt zu «dicker Luft» + verhilft zu Lösungen - begünstigt Schuldzuweisungen + führt zu Selbsterkenntnis der Persönlichkeit - hinterlässt Gewinner und Verlierer + wirkt als «reinigendes Gewitter» + fördert gemeinsame Diskussionen 3 Ungünstige Streittechniken «nett»/passiv Agressiv Beschwichtigen anklagen und gegenanklagen dumm spielen besser wissen, intellektualisieren Missverstehen Gespräch dominieren, viel reden nicht richtig zuhören unterbrechen Verwirren Moralisieren schmollen, beleidigt sein Entwerten, ins Lächerliche ziehen sich zurückziehen Blossstellen still sein Schwache Stellen ansprechen, treffen weinen (als Strategie) Einschüchtern, drohen, erpressen Vergessen (von Versprechungen/Abmachungen) befehlen, überreden widerwillig nachgeben Stereotypisieren («typisch..») verschieben, vertrösten Gedanken lesen (ich weiss was du denkst) günstige Konfliktbearbeitungsmuster; Handlungsmaximen für die Gesprächsführung (1/3) Aufmerksam wahrnehmen, zuhören. Achten Sie auf Inhalt der Botschaft Gefühle des Senders Bedürfnisse des Senders mögliche Apelle des Senders (vierseitig hören, vierseitig reden: Sache, Beziehung, Selbstmitteilung, Apell) Seien Sie empathisch Machen Sie klare Aussagen, «Ich» statt «man» Zeigen Sie Interesse am Wesentlichen Strukturieren Sie, ohne für das Gegenüber wichtige Aspekte, welche Sie als unwesentlich erachten, zu negieren Fragen Sie nach, fassen Sie zusammen Geben Sie Rückmeldungen 4 günstige Konfliktbearbeitungsmuster; Handlungsmaximen für die Gesprächsführung (2/3) Nehmen Sie ggf. Stift und Papier zur Visualisierung Halten Sie wichtige Punkte, Abmachungen schriftlich fest Halten Sie Zeiten ein. Ein Gespräch sollte eine Stunde nicht überschreiten. Verbleiben Sie klar. Wer macht was (bis) wann. Was folgt als Nächstes für wen. Wie wird zwischenzeitlich kommuniziert/wie nicht Seien Sie authentisch, transparent und fair Seien sie engagiert in der Sache und bleiben sie gelassen (auch Humor darf Platzen haben) Achten Sie auf Ihre eigenen Gefühle; halten Sie diese im Griff Achten Sie auf Ihre Deutungsmuster (u.a. Gefahr von Stereotypisierung) Achten Sie auf die Körpersprache (eigene, die ihrer Gesprächspartner) Seien Sie «Dossierfest» (relevante Sachlage kennen) günstige Konfliktbearbeitungsmuster; Handlungsmaximen für die Gesprächsführung (3/3) Paraphrasieren (umschreiben) In eigenen Worten fassen. Spiegeln (zeigen, dass ich zuhöre und verstehe. Gibt dem Gegenüber die Möglichkeit zur Reflexion) Reframing (Umdeutung/positives Übersetzen) Abwertenden, negative Äusserungen versuchen anders anzusprechen (Emotionen/Bedürfnisse); verletzenden Äusserungen die Zähne ziehen. Ziel: bisheriger Denkrahmen/Verhaltensmuster zu erweitern Interessen und Bedürfnisse herausarbeiten Weg von den Positionen, und weg von den Argumenten, welche diese stärken und hin zu den Interessen und Bedürfnissen, die dahinter stecken. Ziel: Parteien gelingt es Situationen aus anderer Perspektive zu sehen. 5 Verantwortung ob ich also ein Sachverhaltsabklärungsgespräch oder eine Verhandlung als Behördenmitglied oder ein Beratungsgespräch als Mandatsperson führe: ich übernehme dabei Verantwortung für ein Verfahren, eine Verhandlung oder für einen Beratungsprozess im Zwangskontext. verantwortliches Handeln Eigenverantwortlichkeit Pflichterfüllung Dabei geschieht verantwortliches Handeln im Rahmen von Pflichterfüllung und Eigenverantwortlichkeit. Das gilt auch für die Eltern. Verantwortung; nicht-kongruente Delegationselemente Fall A Fall B Aufgabe Kompetenz Verantwortung Aufgabe Kompetenz Verantwortung Fall C Fall D Aufgabe Kompetenz Verantwortung Aufgabe Kompetenz Verantwortung nach Leuzinger & Luterbach 1987 in Boneberg 2003, S. 148 II 6 meine Rolle als Mandatsperson Vgl. Steiger/Lippmann 2003 I 59 Rollenübernahme Rollendefinition (Aufgabenverständnis) Klarheit über Erwartungen bezüglich Aufgaben und Kompetenzen, Verantwortung fachliche, persönliche Kompetenzen Verhalten Rollengestaltung Person: Fähigkeiten Identifikation Hemmnisse Organisation: strukturelle Voraussetz. Kooperation, Hindernisse Rollendurchsetzung Perönliche institutionlelle Ermächtigungen persönliche Anteile Erfolg (bzw. Konfliktpotential) Anforderungen Unterstützung institutionelle Autorität organisationale Anteile Negativbeispiel aus der Praxis nebenstehend Auszug aus einem Gerichtsurteil Anordnung zum Persönlichen Verkehr Eine Delegation der behördlichen Verantwortung zur Regelung des Persönlichen Verkehrs an die Beistandsperson ist unzulässig (BSK ZGB I Breitschmid, Art. 308 N14/17). Lediglich Modalitäten können durch die Beistandsperson festgelegt werden. Es ist nicht gesetzeskonform, die Beistandsperson mit der Kompetenz auszustatten, die Besuche in Begleitung anzuordnen und hernach zu erweitern oder ganz einzuschränken. 7 Problematische Aufträge begünstigen Missverständnisse und Widerstand Beobachtete Formen des Widerstands von Klienten im Zwangskontext: Missverstehen bzw. Nichteinhalten von getroffenen Vereinbarungen Verbergen von Vorbehalten hinter überschwänglicher Kooperation Einbeziehen anderer, neuer Beteiligter, um von sich abzulenken Der Fachperson Kompetenzen absprechen, Zweifel an Sinn und Zweck äussern jedoch: Reaktanz ist einen normale Reaktion Vgl. Kähler/Zobrist 2013, 52ff. Aufgaben der Behörde Zentrale Aufgaben der Abklärungs- und Anordnungstätigkeit 1. die Gefährdungslage richtig einschätzen 2. die Verfahrensleitung rechtmässig gestalten 3. den Einbezug der Akteure zielführend vornehmen 4. die Wahl wirkungsvoller Methoden in der Abklärungstätigkeit 5. die Aufträge im Rahmen der Massnahmen zweckmässig ausgestalten 6. die Plausibilitätsprüfung der anzuordnenden Massnahme 7. die Instruktion und Beratung der Mandatsführenden vgl. Heck Christoph, Handout Referat Vernetzungstagung KES-14, HSLU, FHNW, AvenirSocial, 07.11.2014 8 Primärer Wirkungsanspruch von zivilrechtlichen Kindesschutzmassnahmen: Schutz und Sicherung des Kindswohls vgl. kjz-Portfolio 2014 des Amt für Jugend und Berufsberatung Kanton Zürich Aufgaben der Mandatsperson Zentrale Aufgaben in der Mandatsführung (Umsetzung der behördlichen Anordnung) Angemessene Methoden- und Gesprächsettingwahl Kooperationsfördernder Kommunikationsstil zwecksmässige (Selbst-) Organisation und Mitteleinsatz Aufgaben-, Rollen, und Verantwortungsklarheit für sich selber und die weiteren Akteure kontinuierliche Risikoeinschätzung Wirkungsprüfung der Interventionen Im Verlauf: Überprüfung der Indikation der ursprünglichen Anordnungen 9 Arbeitsinstrumente für die Beratung mit Eltern in Trennung Die emotionale Brücke nach Joachim Schreiner vgl. und Kinder Nr. 76/2005 S. 63ff oder Sozial Aktuell 3/2012 S. 22ff. Die Kinderperspektive Erforschung von Kindeswille und Kindeswohl ist im professionellen Kindesschutz zielführende Sichtweise und in hohem Masse handlungsleitend 10 Hilfsmittel 20 Wünsche von Kindern an ihre getrennt lebenden Eltern … Verplant nie die Zeit, die mir mit meinem anderen Elternteil gehört. Ein Teil meiner Zeit gehört meiner Mutter und mir, ein Teil meinem Vater und mir. Haltet euch daran. … Gebt mich nicht wie ein Paket vor der Haustür meines anderen Elternteils ab. Bittet den Anderen für einen kurzen Moment rein und redet darüber, wie ihr mein schwieriges Leben einfacher machen könnt. Wenn ich abgeholt oder gebracht werde, gibt es kurze Momente, in denen ich euch beide habe. Zerstört das nicht dadurch, dass ihr euch anödet oder zankt. … Lasst möglichst viel in meinem Leben so, wie es vor eurer Trennung war. Das fängt bei meinem Kinderzimmer an und hört bei den kleinen Dingen auf, die ich mit euch gemeinsam oder ganz allein mit meinem Vater oder meiner Mutter gemacht habe. Es sind kostbare Erinnerungen für mich und helfen mir, meine neue Familiensituation zu verkraften. … Seid optimistisch. Eure Ehe habt ihr nicht hingekriegt – aber ihr seid immer noch meine Eltern. Also lasst uns wenigstens die Zeit danach gut hinbekommen. Ich glaube, es hilft uns allen, wenn ihr meine Bitten an euch ernst nehmt. Vielleicht redet ihr miteinander darüber. Aber streitet nicht. Benutzt meine Bitten nicht dazu, dem anderen vorzuwerfen, wie schlecht er zu mir ist. Wenn ihr das macht, habt ihr nicht kapiert, wie es mir jetzt geht und was ich brauche, um mich wohler zu fühlen. vgl. https://www.familienhandbuch.de/trennungscheidung/zwischen-trennung-und-gerichtlicher-scheidung/20-bittenvon-kindern-an-ihre-geschiedenen-oder-getrennten-eltern (12.08.2015) Hilfsmittel Broschüren zur Kindesanhörung «Es geht um dich – deine Meinung ist gefragt» Broschüren des MMI und UNICEF für Fachleute, Eltern und Kinder/Jugendliche, je nach Alterskategorie vgl. https://www.unicef.ch/de/shop/publikationen (12.08.2015) 11 Kontext I – typischer Fokus: «Recht im Zentrum» vgl. Wider/Pfister-Wiederkehr , Seminarunterlagen Besuchsrecht regeln, HSLU, AJB, 2008 Kontext II – idealtypischer Fokus: «Kind im Zentrum» vgl. Wider/Pfister-Wiederkehr , Seminarunterlagen Besuchsrecht regeln, HSLU, AJB, 2008 12 Kontext von Besuchsrechtsproblemen Fokus I Fokus II Gesetz Recht vs. Unrecht Nutzen/Sinn für das Kind Kindswohl Kontrolle Lösung durch Eltern Rolle Entscheider/in Inhaltsebene Berater/in im Zwangskontext Prozesseben Persönliches Eigene Werte Eltern haben Pflicht zur Lösung Ebene Paarebene Elternebene vgl. Wider/Pfister-Wiederkehr , Seminarunterlagen Besuchsrecht regeln, HSLU, AJB, 2008 Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB (persönlicher Verkehr) Anregungen für einen zielführenden Einstieg in die Mandatsführung; Konzept für das Erstgespräch vgl. Handout zum Referat in den Tagungsunterlagen 13
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