Ähnlichkeit - konstanz|university press

Ähnlichkeit
Anil Bhatti, geboren 1944, ist Professor Emeritus am Centre of German
Studies der Jawaharlal Nehru University, New Delhi und forscht schon lange
u. a. in Konstanz und Tübingen über das Thema dieses Buches.
Dorothee Kimmich, geboren 1961, ist Professorin für Neuere Deutsche
Literatur an der Universität Tübingen. Bei Konstanz University Press erschien
zuletzt Lebendige Dinge in der Moderne.
Ähnlichkeit
Ein kulturtheoretisches Paradigma
Herausgegeben von Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
unter Mitarbeit von Sara Bangert
Konstanz University Press
Gefördert mit Mitteln des im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder
eingerichteten Exzellenzclusters der Universität Konstanz Kulturelle Grundlagen von Integration.
Umschlagabbildung: Voronoi Diagramm, © Creative Commons, Lerichard
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© 2015 Konstanz University Press, Konstanz
(Konstanz University Press ist ein Imprint der
Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG,
Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn)
www.fink.de | www.k-up.de
Einbandgestaltung: Eddy Decembrino, Konstanz
Printed in Germany
Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn
ISBN 978-3-86253-074-8
Inhalt
Einleitung 7
Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
I. Theoretischer Teil
Ähnlichkeit
Valenzen eines post-postkolonialen Konzepts 35
Albrecht Koschorke
Zum Humanismus der Ähnlichkeit 47
Jan Assmann
Arbeit der Ähnlichkeiten – Arbeit an Ähnlichkeiten
Walter Benjamin und Sigmund Freud 61
Ulrike Kistner
Ähnlichkeit – Divergenz – Konvergenz
Für eine Historiographie relationaler Prozesse 75
Jürgen Osterhammel
Ähnlichkeit
Funktionen und Bereiche eines umstrittenen Begriffs 93
Klaus Sachs-Hombach
Ähnlichkeit als differenztheoretisches Konzept
Zur Reformulierung der Modernisierungstheorie 105
Andreas Langenohl
Der Ort von Vergleich und Transnationalität
Ein Plädoyer für vergleichende Geisteswissenschaften 129
Naoki Sakai
Jenseits von Differenz und vollkommener Identität
Das Konzept der Ähnlichkeit in den Sozialwissenschaften 153
Gurpreet Mahajan
6 Inhalt
II. Fallstudien
Ähnlichkeit als Performanz
Ein neuer Zugang zu Identitätskonstruktionen und Empathie-Regimen 167
Aleida Assmann
Orte der Ähnlichkeit
Literarische Aushandlungen im bürgerlichen Realismus 187
Dorothee Kimmich
Das Differente im Ähnlichen
Zu einem Modus ästhetischen Vergleichens bei
Hofmannsthal, Trakl, Novalis und Thomas Mann 203
Rüdiger Görner
Kakanische Mischungen
Von der Identitäts- zur Ähnlichkeitswissenschaft 219
Johannes Feichtinger
Ähnlichkeit und Differenz der Religion(en) 1750–1850 245
Rudolf Schlögl
Klassifikation und Vergleich in der Religionswissenschaft
Das Beispiel indigener Diskurse 255
Johan Strijdom
Verfängliche Ähnlichkeiten innerhalb und außerhalb der Ethnologie 277
Thomas G. Kirsch
Kampf um Hegemonie
Die Türkische Republik am Wendepunkt 307
Levent Tezcan
Auswahlbibliographie 323
Autorinnen und Autoren 337
Einleitung
Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
Der Gedanke, dass die Sicht auf ›Ähnlichkeit‹ eine neue, alternative Vorgehensweise in den Kulturwissenschaften anbieten könnte, entstand in ersten Diskussionen
zwischen Wissenschaftlern aus Indien (New Delhi) und Deutschland (Konstanz,
Tübingen).1 Anschließend wurden verschiedene Konzepte der Ähnlichkeit von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen im
Rahmen von drei Tagungen überprüft, die von der Fritz-Thyssen-Stiftung, dem
Exzellenzcluster 16 »Kulturelle Grundlagen von Integration« der Universität Konstanz, dem Deutschen Seminar der Universität Tübingen und dem Forum Scientiarum an der Universität Tübingen unterstützt wurden. Dieser Band versammelt
Beiträge, die aus diesen Treffen hervorgegangen sind.
Es ist nicht das Ziel dieses Bandes, eine umfassende Geschichte der Ähnlichkeit
bzw. des Denkens in Ähnlichkeiten vorzulegen. Dies würde nicht nur eine komplette Durchsicht der Philosophiegeschichte von Aristoteles bis Nelson Goodman
verlangen, sondern auch eine Übersicht erfordern über viele andere Wissensbereiche, in denen verwandte Begriffe wie Mimikry, Mimesis, Analogie, Assimilation
und Nachahmung Kernkonzepte sind; das heißt, es würde verlangen, auch kunsthistorische und psychologische, ebenso wie kognitionswissenschaftliche und biologische Wissenstraditionen vorzustellen.
Hier sollen dagegen insbesondere für die kulturwissenschaftliche Forschung
wichtige Sondierungen vorgenommen und exemplarische Interpretationen vorgestellt werden. Die Beiträge stammen daher aus verschiedenen einschlägigen fachlichen Richtungen – neben Literatur- und Kulturwissenschaft vor allem aus Philosophie, Politikwissenschaft, Soziologie, Ethnologie und den Geschichtswissenschaften. Die Aufsätze wurden nach systematischen Gesichtspunkten angeordnet:
Dabei geht es in einem ersten Teil um eher konzeptionelle Versuche, der Ähnlichkeit
Relevanz für kulturwissenschaftliche Forschungen zu verleihen, in einem zweiten
Teil werden Anwendungsmodelle erprobt.
1
Vgl. Anil Bhatti et al., »Ähnlichkeit. Ein kulturtheoretisches Paradigma«, in: Internationales Archiv
für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 36, 1 (2011), S. 233–247.
8 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
›Ähnlichkeit‹ in der Wissensgeschichte (Dorothee Kimmich)
1 Warum Ähnlichkeit?
›Ähnlichkeit‹ ist kein neuer Begriff und soll hier auch nicht als ein Forschungsparadigma ohne jede Tradition vorgestellt werden: Ganz im Gegenteil, prominente
Autoren von der Antike bis zur klassischen Moderne haben an zentralen Stellen
ihrer Werke die Bedeutung von Ähnlichkeit als erkenntnisleitender Idee – und als
orientierungsstiftender Praktik – hervorgehoben. ›Ähnlichkeit‹ als heuristisches
Konzept ist allerdings gerade im 20. Jahrhundert immer wieder sehr kritisch beurteilt worden, ohne dadurch jedoch vollkommen obsolet zu werden. Es fehlt bisher
eine brauchbare Aktualisierung des Ähnlichkeitsdenkens im Rahmen kulturwissenschaftlicher Debatten.
Während der Begriff des Unterschieds, der ›Differenz‹, in der Theoriegeschichte
des 20. Jahrhunderts Schule machte und in den verschiedensten Wissenschaften
eine enorme Konjunktur entfaltete, haben Konzepte der Ähnlichkeit wenige
Anhänger gefunden. Nicht nur strukturalistische und poststrukturalistische Theoreme haben die Differenz bzw. ihr spezifisch dekonstruktivistisches Pendant, die
différance, zu einem Paradigma der Wissensorganisation erklärt, auch die Kulturwissenschaften haben mit dem Begriffspaar von ›Identität‹ und ›Alterität‹ operiert
und so kulturelle Differenzen herauszuarbeiten und Hierarchien aufzubrechen versucht.2 Weit davon entfernt, nur ein Beschreibungs- und Analysekonzept zu sein,
bekam das Denken in Differenzen insbesondere im Kontext der Gender Studies und
der Postcolonial Studies auch politische Valenz.3
Kulturelle Differenzen wurden allerdings nicht nur als hierarchisierende Distinktionsmerkmale markiert und kritisiert, sondern erfuhren in bestimmten politischen und wissenschaftlichen Kontexten eine nachhaltige Ideologisierung: »In the
post-Cold War world, the most important distinctions among peoples are not
ideological, political, or economic. They are cultural.«4 Diese von Samuel P. Hun 2
Vgl. etwa den Sonderforschungsbereich 541 der DFG: »Identitäten und Alteritäten. Die Funktion
von Alterität für die Konstitution und Konstruktion von Identität«, Freiburg 1997–2003.
3
Diese Überlegungen gelten nicht nur für kulturtheoretische Fragen im Kontext transkultureller
Thematiken, sondern auch im Bereich von Gender-Forschung und damit auch in einem anderen
Politik- und Praxisbereich: Theorien, die in der Differenz ihre klassifikatorische und konzeptuelle
Grundlage sahen, prägten auch die feministische Theorie; die Gender-Debatte seit den 80er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts, insbesondere Bereiche wie die Queer Studies, beginnen, dieses Konzept zu verabschieden und experimentieren mit neuen Konzepten, die denjenigen der Ähnlichkeit
durchaus verwandt sind; allerdings gibt es noch keine grundlegenden kulturtheoretischen Konzepte (vgl. Béatrice Dumiche, Ortrud Gutjahr, Vivian Liska (Hg.), Geschlechterdifferenzen als Kulturkonflikte, Bern u. a. 2007 [= Akten des XI. Internationalen Germanistenkongresses Paris 2005:
Germanistik im Konflikt der Kulturen, Bd. 10]).
4
Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, New York 1996,
S. 21.
Einleitung 9
tington in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur politischen Kampfparole erhobene These sieht sich in ihrer Wirkung und Akzeptanz nicht auf das
Feld politischer Theorie beschränkt, sondern repräsentiert, fordert und fördert eine
bis heute politisch und sozial höchst wirksame Praxis kulturalistischer Ausdifferenzierung, Alterisierung und sogar Diskriminierung.
Nicht zuletzt aufgrund der globalen politischen Ereignisse der vergangenen
Jahrzehnte ist mittlerweile sowohl der Identitäts- als auch der Alteritätsbegriff
immer fragwürdiger geworden: Der ›Clash of Civilizations‹ ist dabei als Erklärungs- und Handlungsmuster ebenso problematisiert worden wie die Annahme
einer kulturellen Identität,5 die im Zeitalter postmoderner Migrationsströme
zunehmend unangemessen zu werden scheint.6 Daher muss aktuell nicht nur diskutiert, sondern reflektiert werden, ob es neben dem Konzept der kulturellen Differenz auch eines der kulturellen Ähnlichkeit geben könnte, also einen Bereich des
›Sowohl-als-auch‹ und damit etwas wie eine Philosophie der Ähnlichkeiten.7 Dabei
5
Vgl. Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften, Bd. 2, hg. und übers. von
Ulrich Mehlem, Hamburg 2008; vgl. auch Jörg Zirfas, Benjamin Jörissen, Phänomenologien der
Identität. Human-, sozial- und kulturwissenschaftliche Analysen, Wiesbaden 2007, S. 243–252;
vgl. Jurij Lotman, Boris Uspenskij, »Die Rolle dualistischer Modelle in der Dynamik der russischen
Kultur (bis zum Ende des 18. Jahrhunderts)«, in: Poetica 9 (1997), S. 1–40.
6
Vgl. Albrecht Koschorke, »Wie werden aus Spannungen Differenzen? Feldtheoretische Überlegungen zur Konfliktsemantik«, in: Heinz Fassmann, Wolfgang Müller-Funk, Heidemarie Uhl (Hg.),
Kulturen der Differenz – Transformationsprozesse in Zentraleuropa nach 1989. Transdisziplinäre Perspektiven, Göttingen 2009, S. 271–286; Wolfgang Welsch, »Transculturality: The Puzzling Form of
Cultures Today«, in: Mike Featherstone, Scott Lash (Hg.), Spaces of Culture. City, Nation, World,
London, New Delhi 1999, S. 194–213.
7
Vgl. Anil Bhatti, »›… zwischen zwei Welten schwebend …‹. Zu Goethes Fremdheitsexperiment im
›West-östlichen Divan‹«, in: Hans-Jörg Knobloch, Helmut Koopmann (Hg.), Goethe. Neue Ansichten, Würzburg 2007, S. 103–121; Ders., »Der Orient als Experimentierfeld. Goethes ›Divan‹ und
der Aneignungsprozess kolonialen Wissens«, in: Goethe-Jahrbuch 2009, Göttingen 2009, S. 115–
128; Ders., »Kulturelle Vielfalt und Homogenisierung«, in: Johannes Feichtinger (Hg.), Habsburg
postcolonial. Machtstrukturen und kollektives Gedächtnis, Innsbruck u. a. 2003, S. 55–68; Ders.,
»Heterogenität, Homogenität, Ähnlichkeit«, in: Andrea Allerkamp, Gérard Raulet (Hg.), Kulturwissenschaften in Europa – eine grenzüberschreitende Disziplin? Münster 2010, S. 250–256; Aleida
Assmann, Jan Assman, »Kultur und Konflikt. Aspekte einer Theorie des unkommunikativen Handelns«, in: Jan Assmann, Dietrich Harth (Hg.), Kultur und Konflikt, Frankfurt am Main 1990,
S. 11–48, hier S. 26; vgl. auch Micha Brumlik, »›Alle Kultur ist ein Bastard – und parasitär‹. In
welchem Verhältnis stehen Mensch, Kultur, Gewalt und Konflikt zueinander?«, in: Andreas Kämpf,
Birgit Meding, Norbert Sievers (Hg.), Shortcut Europe: Kultur und Konflikt. Culture and Conflict,
Bonn 2000, S. 25–35; Özkan Ezli, »Von der Identität zur Individuation: ›Gegen die Wand‹ – eine
Problematisierung kultureller Identitätszuschreibungen«, in: Levent Tezcan, Monika Wohlrab-Sahr
(Hg.), Konfliktfeld Islam in Europa, Baden-Baden 2007, S. 283–304; Jack Goody, Renaissances. The
One or the Many?, Cambridge 2010; Dorothee Kimmich, »Öde Landschaften und die Nomaden in
der eigenen Sprache. Bemerkungen zu Franz Kafka, Feridun Zaimoglu und der Weltliteratur als
›littérature mineure‹«, in: Özkan Ezli, Dorothee Kimmich, Annette Werberger (Hg.), Wider den
Kulturenzwang. Migration, Kulturalisierung und Weltliteratur, Bielefeld 2009, S. 297–316; Dies.,
10 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
gilt es zu prüfen, welche Voraussetzungen ein solches Konzept erfüllen müsste, um
nicht beliebig zu werden.
2 Was ist ›Ähnlichkeit‹?
»Wir können uns schwerlich einen vertrauteren, fundamentaleren oder in der
Anwendung umfassenderen Begriff als diesen [den Begriff der Ähnlichkeit] vorstellen. […] Und doch ist merkwürdigerweise etwas logisch abstoßendes an ihm«,8
schreibt Willard van Orman Quine in seinen ›Dewey Lectures‹, die er 1969 an der
Columbia University in New York hielt.
Quine ist keine Ausnahme: Das Unbehagen, das ihn beschleicht, sobald er sich
dem Begriff der Ähnlichkeit zuwendet, teilt er mit vielen anderen Philosophen,
aber auch mit Linguisten, Bildwissenschaftlern, Psychologen, Wahrnehmungstheoretikern, Biologen, Ethnologen und Literaturwissenschaftlern:
Denn wir werden stutzig, wenn wir versuchen, den allgemeinen Begriff der Ähnlichkeit
in sinnvoller Weise mit denen der Logik in Verbindung zu bringen […]. Die Dubiosität des Begriffs ist für sich eine bemerkenswerte Tatsache. Denn gewiß gibt es nichts
Grundlegenderes für das Denken und die Sprache als unser Ähnlichkeitsgefühl […].9
Viele Wissenschaftler teilen neben diesen Bedenken auch die Einschätzung von
Quine, dass der Begriff, das Konzept oder auch die Praxis der ›Ähnlichkeit‹ nicht
nur vertraut, sondern umfassend und fundamental sind, aber eben doch nicht wissenschaftlich brauchbar. So haben wir im alltäglichen Umgang bekanntlich keine
Probleme, zu verstehen, was Ähnlichkeit ist, wie wir sie erkennen, bewerten, aushandeln und verwenden. Trotzdem scheint sich der Begriff klassischen Definitionen
mittels notwendigen und hinreichenden Bedingungen hartnäckig zu entziehen.
Ähnlichkeit ist also ›eindeutig‹ ein vager Begriff, wenn man das so paradox
formulieren möchte. Vage Begriffe, so lautet das Verdikt der Philosophiegeschichte
von Aristoteles bis Quine, sind philosophisch nicht akzeptabel. Im Falle der Ähnlichkeit ist besonders einflussreich – und auch über die Philosophie hinaus bekannt
geworden – die Kritik von Nelson Goodman, der ›similarity‹ als ›slippery‹ bezeichnete und für philosophisch und wissenschaftlich vergleichsweise wertlos hielt.
»Comparative judgments of similarity often require not merely selection of relevant
properties but a weighting of their relative importance, and variation in both rele»Migration und Literatur: Literatur als Kulturkritik«, in: Andrea Allerkamp, Gérard Raulet (Hg.),
Kulturwissenschaften in Europa – eine grenzüberschreitende Disziplin? Münster 2010, S. 234–249;
Levent Tezcan, »Der Tod der Kultur – Wie Fatih Akin den großen Kulturdialog umgeht«, in: Ökzan
Ezli (Hg.), Kultur als Ereignis. Fatih Akins Film ›Auf der anderen Seite‹ als transkulturelle Narration,
Bielefeld 2010, S. 47–70.
8
Willard van Orman Quine, Ontologische Relativität und andere Schriften, Stuttgart 1975, S. 161
[Ontological Relativity & Other Essays, New York 1969].
9
Ebd., S. 160.
Einleitung 11
vance and importance can be rapid and enormous«.10 Goodman schließt: »Circumstances alter similarities«.11 Diese Kontextabhängigkeit, so konstatiert er, verhindert
eine angemessene und befriedigende geometrische Modellierung von Ähnlichkeit.
An Goodmans Kritik schließen sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer
wieder Versuche unterschiedlicher Disziplinen an, Ähnlichkeit über den geometrischen Ansatz hinaus zu modellieren. Alle diese Ansätze arbeiten sich an der Formalisierung der Kontextabhängigkeit von Ähnlichkeit ab: »The main stumbling blocks
for the old geometrical model […] were the fact that it is unable to account for
asymmetries in people’s similarity judgements as well as for the context-sensitivity
of such judgements«, betonen etwa Lieven Decock und Igor Douven in ihrem
Aufsatz aus dem Jahr 2011.12 Für die philosophische – und zunehmend auch kognitionswissenschaftliche und psychologische – Diskussion bieten sich daher
Modelle und Methoden an, die, wie die sogenannte Fuzzy Logic von Lotfi Zadeh
oder die ›Prototypenlehre‹ von Elanor Rosch, auf Wittgensteins Überlegungen zur
›Familien­ähnlichkeit‹ zurückgehen und die Eigenschaften, Grenzen und Leistungen von ›Ähnlichkeit‹ gerade nicht exakt festlegen wollen, sondern in ihrer Vagheit
zu erfassen und zu beschreiben versuchen.13
George Lakoff stellt 1990 fest, dass die philosophische Erforschung von Vagheit
nicht »pc« sei.14 Er bezieht sich dabei offenbar auf eine bestimmte Wissenschafts­
tradition, zu der er die Philosophie, die Linguistik und möglicherweise auch andere
empirische Wissenschaften zählt. Tatsächlich stimmen seine Beobachtungen mit
der Verabschiedung des Ähnlichkeitsbegriffs aus der Philosophie überein: Die Vagheit von Ähnlichkeit ist nicht ›pc‹.
Allerdings nehmen fast zeitgleich andere Wissenschaften die Debatten um vage
Konzepte bzw. die Vagheit von Konzepten auf und führen sie weiter. Die Kognitionswissenschaften, die Semiotik, insbesondere aber die Psychologie und die Linguistik, übernehmen das Feld. Nicht ganz überraschend ist dabei, zu sehen, dass
gerade die Diskussion über Ähnlichkeit besonders relevant wird. Ähnlichkeit markiert ein Wissensfeld, das zwischen wahrnehmungstheoretischen, erkenntnistheoretischen, medienhistorischen und kulturanthropologischen Fragestellungen vermittelt und zudem den Bogen zu einer anthropologisch konnotierten Ästhetik
10
Nelson Goodman, »Seven Strictures on Similarity«, in: Ders., Problems and Projects, Indianapolis,
New York 1972, S. 437–446, hier S. 445.
11
Ebd.
12
Lieven Decock, Igor Douven, »Similarity After Goodman«, in: Review of Philosophy and Psychology 2 (2011), S. 61–75, S. 66.
13
Siehe Anm. 16; vgl. Lotfi A. Zadeh, »Toward a Generalized Theory of Uncertainty (GTU) – an
outline«, in: Information Sciences 172 (2005), S. 1–40; vgl. Klaus Rehkämper, »Ist der Begriff der
bildhaften Ähnlichkeit wirklich undefinierbar?«, in: Klaus Sachs-Hombach (Hg.), Bildwissenschaft
zwischen Reflexion und Anwendung, Köln 2005, S. 242–250.
14
George Lakoff, Women, Fire and Dangerous Things. What Categories Reveal About the Mind, Chicago
1987, S. 10.
12 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
schlägt. Damit kann man den Ähnlichkeitsdiskurs gewissermaßen als eine Art
›Leitfossil‹ durch moderne Diskursformationen hindurch verfolgen und erhält
dann eine Profillinie, die den modernen Umgang mit existentieller Vagheit und
fundamentaler Diffusität nachzeichnet.15
Wir können also zunächst festhalten: Vage Begriffe werden als Entitäten mit
fluiden Rändern und einigermaßen stabilen Zentren entworfen. Ähnlichkeit ist
nicht nur selbst ein solches Feld von Entitäten, sondern zugleich auch das Strukturprinzip, nach dem die Entitäten angeordnet sind: eben nach mehr oder weniger
großer Ähnlichkeit zum Prototypen.16
Ähnlichkeit wird so als nützliches philosophisches Konzept rehabilitiert, etwa
im Bereich der Identitätsphilosophie,
[w]here it is argued that the so-called paradoxes of identity – puzzle cases involving
the possibility of change over time and issues of constitution – can be explained in a
uniform and elegant manner by construing the identity predicate as it occurs in those
paradoxes in terms of similarity.17
Zuletzt wird Ähnlichkeit auch in der Wissenschaftsphilosophie bedeutsam:
A third case in point, this one from the philosophy of science, is the role attributed to
similarity in the so-called semantic conception of theories […]. The appropriate
model-world relation […] is rather one of similarity in certain respects. […] Meanwhile, this has become almost common lore among philosophers of science.18
Mittlerweile gibt es daher auch so etwas wie einen Konsens, was die begriffliche
Bestimmung – wenn nicht Definition – von Ähnlichkeit angeht. Besonders griffig
formulieren Ulrike Hahn, Nick Chater und Lucy B. Richardson, was heute die
meisten Ähnlichkeitstheoretiker unterschreiben würden:
15
Vgl. auch Gerhard Gamm, Flucht aus der Kategorie. Die Positivierung des Unbestimmten als Ausgang
aus der Moderne, Frankfurt am Main 1994.
16
Es wurden verschiedene Varianten der Prototypen-Theorie vorgeschlagen, unter anderem von Eleanor Rosch. Zudem wurde ein mathematisches Modell ausgearbeitet, das auf räumliche Konzepte
zurückgeht, die so genannten Voronoi tessellations (vgl. das Titelbild dieses Bandes): »Prototype theory
builds on the observation that among the instances of a property, some are more representative than
others. The most representative one is the prototype of the property. A Voronoi tessellation of a given
space divides that space into a number of cells such that each cell has a center and consists of all and
only those points that lie no closer to the center of any other cell than to its own center; the centers
of the various cells are called the generator points of the tessellation. Given that, by way of mathematical fact, Voronoi tessellations divide spaces into convex regions, a Voronoi tessellation of a conceptual space that takes points representing prototypes as generator points carves up that space into
natural properties.« (Decock, Douven, »Similarity After Goodman«, S. 71; Hervorhebung im Orig.)
17
Ebd., S. 73.
18
Ebd.
Einleitung 13
[S]imilarity is determined by the transformation distance between representations:
entities which are perceived to be similar have representations which are readily transformed into one another, whereas transforming between dissimilar entities require
many transformations.19
Ähnlichkeit behält auch in dieser Definition eine Affinität zu räumlichen
Modellierungen von Nähe und Ferne und einen gewissen Bezug zu einer zeitlichen
Dimension, die sich als schnellere oder langsamere bzw. überschaubare oder weniger
überschaubare Transformation formulieren lässt. Ähnlichkeit gilt heute nicht mehr
als eine Eigenschaft von Objekten, sondern als ein mehr oder weniger subjektives,
mentales, kognitives Konzept, das Wahrnehmung möglich macht, strukturiert und
orientiert. Weiterhin bleiben die Fragen nach der Kontextbezogenheit oder der
sogenannten ›Hinsicht‹, also dem jeweils als relevant erachteten Aspekt von Ähnlichkeitsbezügen, für Kognitionswissenschaftler ungelöst.
Wir können also ferner konstatieren: Ein bestimmter – eher philosophisch-analytisch orientierter – Wissenschaftsdiskurs folgte bis vor wenigen Jahrzehnten aus
methodischen Gründen einer Tendenz zur Eliminierung von Ähnlichkeitsbeziehungen. Dies bedeutet nicht, wie die meisten Autoren sogar selbst durchaus konzedieren, dass Ähnlichkeit in vielen Bereichen von Kognition, Erinnerung, Sprache
und Kultur nicht doch einen bedeutsamen Raum hat bzw. eine wichtige Rolle
spielt. Es bedeutet aber, dass das Reden von Ähnlichkeiten in einem bestimmten,
dominanten wissenschaftlichen Kontext Probleme bereitet und daher dort an Relevanz verliert. Der Ähnlichkeitsdiskurs migriert daher in andere Wissensfelder.
3 Wozu ›Ähnlichkeit‹?
»Eine Philosophie der Ähnlichkeit müsste in eine Ontologie münden, deren
Grundbegriffe die des Nahen und des Fernen, der Distanz und der Ent-Fernung
wären.«20 Robert Spaemann macht deutlich, dass Ähnlichkeit räumliches Denken
konnotiert und trifft sich darin – ohne dass beide Seiten explizit aufeinander Bezug
nehmen – mit aktuellen kognitionswissenschaftlichen Forschungen. Eine Ontologie der Ähnlichkeit hat sich mit räumlichen Verhältnissen bzw. mit Konzepten von
Ferne und Nähe auseinanderzusetzen.
Ähnlichkeit impliziert also so etwas wie eine qualitative Nähe. Es gibt räumliche
Nähe von Dingen, zeitliche Nähe von Ereignissen, die zahlenmäßige Nähe von
Quantitäten, die qualitative z. B. von Farben. Es gibt selbstverständlich auch die
emotionale Nähe von Menschen, die wir als Sympathie bezeichnen. Ähnlichkeitsbeziehungen sind daher verwendbar für die Beschreibung von Verhältnissen, die
19
Ulrike Hahn, Nick Chater, Lucy B. Richardson, »Similaritiy as Transformation«, in: Cognition 87
(2003), S. 1–32, S. 1.
20
Robert Spaemann, »Ähnlichkeit«, in: Ders., Schritte über uns hinaus. Gesammelte Reden und Aufsätze,
Bd. 2, Stuttgart 2011, S. 50–57, S. 57.
14 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
eine relative Nähe und eine relative Ferne zugleich implizieren und dabei die jeweilige Entfernung als dynamisch, also wandelbar repräsentieren. Daher schließt Ähnlichkeit neben dem räumlichen auch immer einen dynamischen, zeitlichen, nicht
aber teleologischen Aspekt ein.
Ähnlichkeit ist eine »Figur des Kontinuierlichen«,21 Übergänglichen. Sie bedarf
zwar der Markierung von Differenzen, stellt aber nie einen Bruch oder Gegensatz
dar. Im Konzept der Ähnlichkeit können Evolution, Wandel und Metamorphose
gedacht werden. Aber auch Selbstverlust, Anpassungsdruck und Assimilation lassen sich mit Ähnlichkeitsmodellen beschreiben. Als problematische und problematisierende Figur des Kontinuierlichen irritiert Ähnlichkeit die großen heuristischen
Trennungen der Moderne: Natur und Kultur, Mensch und Ding, fremd und eigen.
Anders als eine philosophische Ontologie hat eine kulturwissenschaftliche
Erforschung der Ähnlichkeit auch den ›praktischen‹, praxeologischen Teil von
Ähnlichkeit zu erfragen. Die philosophische Ontologie stellt sich die Frage: »Was
ist Ähnlichkeit?«. Die Kognitionswissenschaften analysieren die Frage: »Wozu
dient Ähnlichkeit?«. Die Kulturwissenschaften müssen auch die Frage nach den
Praktiken der Ähnlichkeit stellen, also nicht nur die Frage, wie wir Ähnliches erkennen, sondern auch diejenige, wie – und warum – wir Ähnliches machen. Die Frage
nach den Praktiken verweist auf die bereits genannten verwandten Begriffsfelder
der Mimesis, der Mimikry, der Assimilation, der Akkulturation und der Nachahmung; in jedem Falle auf Fragen, die Globalisierung, Internationalisierung, Transkulturalität, Migration, aber eben auch Literatur, Kunst und Ästhetik betreffen.
Ähnlichkeit entsteht, verblasst und kann unter verschiedenen Aspekten und
Hinsichten unterschiedlich deutlich, wichtig oder offensichtlich werden.
Ähnlichkeit kann verwischt sein oder profiliert werden. Ähnlichkeitsbeziehungen
können etwas Spontanes, Unwillkürliches, Unbewusstes, ja Ungewolltes und
Passives markieren. Andererseits gibt es politische, soziale und kulturelle Praktiken
des intendierten, gewollten ›Ähnlichmachens‹, aber eben vielfach auch solche der
erzwungenen, gewaltsamen Assimilierung.
Ähnlichkeitswahrnehmung ist intuitiv, ihre Kriterien bleiben undefinierbar bzw.
sind kontextabhängig. Ähnlichkeitspraktiken oder auch die Lust an Nachahmung,
die Freude an gelungener Mimesis gelten als angeborene Fähigkeiten, sind aber
doch ohne Zweifel kultur- und milieuabhängig. ›Ähnlichkeit‹ scheint semantisch
symmetrisch, erweist sich aber in bestimmten Fällen als unumkehrbar und asymmetrisch. Ähnlichkeit ist eine Wahrnehmungskategorie und weist doch einen irreduziblen Aspekt kultureller und individueller Praxis auf. Ähnlichkeit organisiert
Wissen und Erinnerung und verführt zugleich zu Plattitüden und Gemeinplätzen
aller Art. Sie gilt als vormodern und postmodern zugleich. Sie überfordert die Philosophie und ist eine Herausforderung für die Kulturwissenschaften.
21
Philippe Descola, Jenseits von Natur und Kultur, Berlin 2011, S. 21.
Einleitung 15
Ähnlichkeiten/Similarities. Vorläufige Überlegungen zu
einem Suchbegriff (Anil Bhatti)
1 Hermeneutische Abstinenz oder: Wozu Ähnlichkeit?
Das Ähnlichkeitsdenken eröffnet andere Erkenntnismöglichkeiten für den Umgang
mit den Problemen komplexer Gesellschaften, als dies eine an Differenz orientierte
Methodologie bisher leisten kann: In Indien hat sich im Laufe der Zeit und von den
Erfahrungen mit dem Antikolonialismus gespeist eine starke methodologische Präferenz dafür entwickelt, Diversitätsfragen mit einer spezifischen Form des Toleranzdenkens zu verbinden. Toleranzdenken basiert dabei nicht auf einem Paradigma des
›Verstehens‹; es erfordert vielmehr ein Konzept der gesellschaftlichen Praxis, das auf
›Verständigung‹ setzt. Dies führt zu einer Präferenz für die Maxime, dass es wichtiger ist, miteinander auszukommen, als einander zu verstehen. Anders ausgedrückt,
dies impliziert, dass es wichtiger ist, die Kunst des gesellschaftlichen Umgangs unter
Bedingungen der Diversität zu pflegen und erst dann nach der Logik des Verstehens
zu suchen: Es handelt sich um eine Strategie der Entdramatisierung.
Das ist in Indien auffallend anders als in Deutschland, wo man über die Verstehenshermeneutik zur Toleranz zu kommen sucht. Aus den historischen Erfahrungen einer komplexen, mehrsprachigen, multireligiösen und schichtenspezifisch
durch Kaste und Klasse geprägten Gesellschaft, die latent ein großes Gewaltpotential besitzt, hat sich in Indien so etwas wie eine Präferenz für nicht-hermeneutische
Wege in der Toleranzdiskussion entwickelt. Es geht dabei nicht in erster Linie um
Dichotomien und Grenzziehungen, sondern um Versuche, überlappende Felder
der Ähnlichkeit zu finden. Das Prinzip des ›Sowohl-als-auch‹ wird gegenüber dem
Prinzip des ›Entweder-oder‹ in der kulturellen Praxis betont. Dadurch entstehen
synkretistische Möglichkeiten in einer sonst vom Fundamentalismus stets bedrohten Gesellschaft.
Das Ähnlichkeitsdenken sollte in diesen Kontexten nicht als eine falsche Form
der Harmonisierung oder Nivellierung von Unterschieden (miss-)verstanden werden. Es besitzt vielmehr ein subversives Potential, das postulierte Antagonismen
und radikale Unverträglichkeiten von Gegensätzen, Differenzen und sogenannten
›clashes‹ als Ideologie entlarven kann. In Indien liefert die Betonung von Ähnlichkeiten daher auch eine wichtige Stütze für alle säkularen Bewegungen und Überzeugungen. Umgekehrt schürt die Vernachlässigung des Ähnlichkeitsdenkens den
Fanatismus, der oft zu gewaltsamen Ausbrüchen (›riots‹) führt. Warum sollen etwa
Hindus und Moslems, die in der sozialen Praxis und im Alltag durchaus gut zusammenleben und kooperieren, plötzlich Feinde werden, weil religiöse Fanatiker die
unversöhnlichen Gegensätze ihrer jeweiligen Interpretationen von Islam und Hinduismus mit Gewalt beweisen wollen?
Das zerstörerische Gewaltpotential fundamentalistischer Bewegungen in Indien
und in Europa und die Notwendigkeit, neue Wege in der Toleranzdiskussion und
16 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
in der Integrationspolitik in Migrationswelten zu finden, bilden den Hintergrund
für die Aktualität des Themas ›Ähnlichkeit‹.
Die gegenwärtige Relevanz der ›Ähnlichkeit‹ für die Kulturwissenschaften hängt
also mit den Problemen von komplexen plurikulturellen Gesellschaften zusammen, die zunehmend durch ein hohes Maß an sprachlicher, religiöser und kultureller Diversität gekennzeichnet sind. Häufig sind dies Migrationsgesellschaften wie
jetzt in Europa; oder es sind Staaten mit einer historisch gewachsenen Diversität
wie etwa Indien. Es geht in diesen Gesellschaften um Transformationsprozesse, die
zur weiteren Erhöhung der gesellschaftlichen Diversität führen. Plurikulturelle
Verhältnisse (nicht multikulturelle Parallelgesellschaften), Mehrsprachigkeit und
Synkretismus markieren die Spannung zwischen der Heterogenität, die größere
Staatsformationen (u. a. Indien und viele Staaten in Afrika, Lateinamerika und
Asien) kennzeichnet und der Homogenität, die von den meist kleineren Nationalstaaten (etwa in Europa) erwartet wird. Heterogene Staatsformationen werden
durch verschiedene Fundamentalismen zunehmend unter Druck gesetzt, sich zu
homogenisieren. Umgekehrt stehen traditionelle Nationalstaaten vor neuen Aufgaben, die durch Prozesse der Heterogenisierung gekennzeichnet sind.
In diesem oft konfliktreichen Prozess werden weitgehend monosprachige und
mehr oder weniger monokulturelle Lebenswelten pluralisiert. Die Entstehung von
Europa aus dem Zusammenschluss verschiedener Nationalstaaten ist dafür ein Beispiel. Dabei spielt der Rekurs auf historische Erfahrungen eine wichtige Rolle. In
Europa ist dies die Habsburgermonarchie und Zentraleuropa als Region großer
sprachlicher, konfessioneller und kultureller Diversität. In Indien greift man zurück
auf die Tradition des Synkretismus, um Gemeinsamkeiten in der religiös-gesellschaftlichen Praxis hervorzuheben. Andere vormals kolonialisierte Regionen der
Welt wie Afrika bieten hier weitere Bezugspunkte.
In offenen plurikulturellen Welten ergibt sich zunehmend so etwas wie ein
Habitus der Gleichgültigkeit gegenüber der angeblichen Relevanz von sichtbaren
Unterschieden: eine ›Indifferenz gegenüber Differenz‹ also.22 Denn Differenz ist man
in plurikulturellen Situationen gewissermaßen immer schon gewöhnt und sie muss
nicht weiter betont oder gar theoretisch – auch nicht im Sinne des Postkolonialis22
Hier wäre an die anregenden Gedanken über »indifferent multiplicities« von Alain Badiou in L’ Être
et l’évenénement zu erinnern. Ich verfüge nur über die englische Übersetzung Being and Event,
übers. von Oliver Feltham, London 2006, S. xii. Badiou schreibt: »If truths exist, they are certainly
indifferent to differences.« (Ebd.) Siehe auch den Abschnitt über Leibniz S. 315–326. Zu Leibniz
möchte ich auf die grundlegende Studie von Vincenzo De Risi, Geometry and Monadology. Leibniz’s
Analysis Situs and Philosophy of Space, Basel 2007, verweisen. Die Definition, die Leibniz für Ähnlichkeit gegeben hat, bleibt für unsere Diskussion im Hintergrund wichtig. In Hermann Weyls
Formulierung: »Leibniz [hat] dem geometrischen Begriff der Ähnlichkeit die folgende philosophische Wendung gegeben: Ähnlich, sagt er, sind zwei Dinge, die ununterscheidbar sind, wenn jedes
für sich betrachtet wird.« (Hermann Weyl, Symmetrie, Basel 1955 [1952], S. 128. Vgl. auch De
Risi, Geometry and Monadology, S. 140.)
Einleitung 17
mus – abgesichert werden. Ähnlichkeiten dagegen werden in der gesellschaftlichen
Praxis virulent und bewusst gemacht. Im Ähnlichkeitsdenken werden Zusammenhänge und Netzwerke betont. Es kommt auf das Gesamtgewebe an.
Das ›Ähnlichkeitsdenken‹ wirft ein kritisches Licht auf theoretische und politische Präferenzen für die Polarität zwischen Identität und Differenz und stellt Konzepte wie ›Authentizität‹ und kulturellen Purismus in Frage. Dagegen werden die
Vorläufigkeit, das Transitorische, die Unschärfe, fließende Grenzen, Nuancen,
minimale Abweichungen, Fuzzyness, Vagheit im Ähnlichkeitsdenken aufgewertet
und begrifflich mit einer flexiblen polyvalenten Sprache erfasst.
Im weitesten Sinne meldet das Ähnlichkeitsdenken damit Skepsis gegenüber der
Dichotomie von ›eigen‹ und ›fremd‹ an. Diese Dichotomie, die in Europa (besonders in Deutschland) hermeneutisch favorisiert wird, stellt den Dialog zwischen
mehreren deutlich voneinander abgesetzten Einheiten oder Positionen ins Zentrum, um daraus hervorgehend dann so etwas wie ›höhere‹ Werte, etwa Toleranz
gegenüber dem Fremden, erreichen zu können. Diese Einheiten werden meist
›Kulturen‹ genannt. Aber der Dialog zwischen ›eigen‹ und ›fremd‹ ist ein binäres
Modell, das zwar mit der Idee des Polylogs erweitert werden kann, um polyzentrische Situationen zu erfassen, welches aber trotzdem die Komplexität der Praxis
unangemessen vereinfacht. Der Zwang zum Dialog, den ein solches Modell notwendig nach sich zieht, setzt Repräsentanten voraus, die im Namen der jeweiligen
Dialogpartner sprechen. Wenn es um den interkulturellen Dialog geht, ist die
Berechtigung, eine ›Kultur‹ zu vertreten und in ihrem Namen zu sprechen, jedoch
höchst problematisch.
Das Ähnlichkeitsdenken entsteht aus der Skepsis gegenüber diesen dialogischen
Modellen, die auf dem Wunsch basieren, den Anderen zu verstehen: Schließlich
liefert die Geschichte des Kolonialismus viele Beispiele für die verheerende Verbindung zwischen Verstehen und Unterdrückung.23 Ähnlichkeit ist also kein Harmonisierungskonzept, sondern ein Moment der Destabilisierung von angeblich stabilen, ›natürlichen‹ dichotomischen Ordnungen.
2 ›Pänidentität‹, oder: Was ist Ähnlichkeit?
Das Feld der Übersetzung spielt im Ähnlichkeitsdenken eine wichtige Rolle, denn
der Gedanke der partiellen Übereinstimmung und partiellen Abweichung ist aus
der Theorie und Praxis der Übersetzung bekannt.24 Wir wissen, dass es keine
23
Vgl. u. a. Tzvetan Todorov, Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen, Frankfurt am Main
1985.
24
Vgl. die Beiträge in Joachim Renn, Jürgen Straub, Shingo Shimada (Hg.), Übersetzung als Medium
des Kulturverstehens und sozialer Integration, Frankfurt am Main 2000; Federico Italiano, Michael
Rössner (Hg.), Translation, Narration, Media and the Staging of Differences, Bielefeld 2012. Siehe
insbesondere: Andreas Langenohl, »Scenes of Encounter: A Translational Approach to Travelling
Concepts in the Study of Culture«, in: Doris Bachmann-Medick, Ansgar Nünning (Hg.), The
Trans/National Study of Culture, Amsterdam 2014, S. 93–117, und Irina Wutsdorff, »Übersetzungs­
18 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
genauen Äquivalente für Wörter in verschiedenen Sprachen gibt. In einem immer
noch relevanten Teil seiner Parerga und Paralipomena lesen wir dazu bei Arthur
Schopenhauer:
Also sind nicht sämtliche Begriffe, welche durch die Worte der einen Sprache bezeichnet werden, genau dieselben, welche die der andern ausdrücken; […] sondern oft
sind es bloß ähnliche und verwandte, jedoch durch irgendeine Modifikation verschiedene Begriffe. 25
Der Herausgeber der Schriften Schopenhauers erläutert, dass diese »Pänidentität«,
wie Schopenhauer sich ausdrückt, ›Fastgleichheit‹ bedeutet, also genau das umfasst,
worauf es uns beim Ähnlichkeitsdenken ankommt. Feste Einheiten werden nach
den Überlappungen beweglicher und es kommt zu Porosität an den Rändern,
d. h. die vormals getrennten Bereiche sind durchlässig geworden. Nennt man diese
Bereiche »Ähnlichkeitskreise« im Sinne von Rudolf Carnap,26 und betrachtet sie in
unserem umgangssprachlichen Sinne als ›Kulturen‹, kann man sagen, dass diese
Kulturen aufgrund von Überlappungen keine ›Monaden‹ mehr sind.
Wenn man aber die Geschlossenheit und Exklusivität von getrennten Kulturen
aufrechterhalten will, muss man Überlappungen unterbinden. Die Cantonments
im kolonialen Indien, die Homelands in der Apartheid, die Fraternisierungsverbote,
die angstbesetzte Verweigerung der Ähnlichkeit durch den Rassismus sind Beispiele
dafür. Die brutalen Formen der systematischen Exklusion der Dalits (sogenannte
Unberührbare) im Hinduistischen Kastensystem basieren ebenfalls auf einer von
Bhimrao Ramji Ambedkar bereits 1936 scharf kritisierten grundsätzlichen Verweigerung der Möglichkeit von »fluidity and equity« in gesellschaftlichen Verhältnissen
bzw. in der gesellschaftlichen Praxis.27
Der Ähnlichkeitsgedanke und die Sicht auf Überlappungen sind geeignet, starre
Dichotomien und kulturelle Hierarchisierungen aufzulösen. Es geht hier allerdings
nicht so sehr um die Gedanken des Dazwischen (In-between), des Third Space oder
der Hybridität. Dies wären Zustandsbegriffe: Verstanden als kulturelle Praxis, liegt
die Bedeutung des Ähnlichkeitsdenkens darin, dass es gesellschaftliche Prozesse
kritik – Sprachkritik. Zum Fall Fritz Mauthner im böhmischen Kontext«, in: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 5, 2 (2014), Themenheft »Übersetzen. Praktiken kulturellen Transfers am
Beispiel Prags«, hg. von Irina Wutsdorff und Štěpán Zbytovský, S. 39–56.
25
Arthur Schopenhauer, »Über Sprache und Worte«, in: Ders., Parerga und Paralipomena. Kleine
philosophische Schriften, Bd. II, hg. von Wolfgang Freiherr von Löhneysen, Frankfurt am Main 1986
[1851], S. 665 f.
26
Rudolf Carnap, Der logische Aufbau der Welt, Hamburg 31966 [1928], S. 152 (§ 111). Er verwendet
auch den Begriff »teilgleich« (ebd., S. 154 (§ 113)).
27
Siehe dazu Ambedkars Kontroverse mit Mahatma Gandhi. Neu abgedruckt in: Bhimrao Ramji
Ambedkar, Annihilation of Caste: the annotated critical edition, hg. und kommentiert von S. Anand,
eingeleitet mit dem Essay The Doctor and the Saint von Arundhati Roy, New Delhi 2014, S. 347.
Einleitung 19
markiert. Es geht um einen Bewegungsbegriff, der eine Gegenbewegung zu der
dominanten Hermeneutik des Eigenen und Fremden konzipiert.
Für die Arbeit mit ›Ähnlichkeit‹ ist neben Ansätzen aus den Übersetzungswissenschaften die methodologische Perspektive der »shared history«, die Sanjay Subrahmanyam in die Geschichtswissenschaft eingebracht hat, wichtig: Es geht um
»shared«, »connected«, »entangled History«, »histoire croisée«, also um geteilte und
gemeinsame Geschichte(n) und ihre Verwobenheit ineinander.28
Der Ähnlichkeitsgedanke nimmt viele Anregungen aus dieser Richtung der historischen Forschung auf, insbesondere die Sicht auf grenzüberschreitende, historische Vernetzungen und Überlappungen. Die Perspektive der ›geteilten Geschichte‹
ist etwa sehr gut geeignet, essentialisierende Argumentationslinien innerhalb der
Kolonialismusdiskussion in Frage zu stellen. Diese Spielart essentialistischen Denkens tendiert dazu, Kolonialisierung als Deformation, als Störung eines sogenannten ›eigenen‹ und ›authentischen‹ historischen Weges zu begreifen. Dekolonisation
wird dann als ›Befreiung‹ von externem, fremdem Zwang begriffen. Es geht in
dieser Lesart den Konzepten der ›Dekolonisierung‹ dann um die Rückgewinnung
der ›reinen‹, ›authentischen‹, ›ursprünglichen Wurzeln‹ (›roots‹) der ›eigenen‹ Tradition. Hinter dieser Auffassung steckt letztendlich ein Verständnis der geschlossenen
Einheit von Sprache, Nationalität und Staat, das vielfach auf Johann Gottfried
Herder zurückgeht.29
Wenn wir – abweichend von dieser immer noch dominanten Auffassung – den
Gedanken von historischen Verflechtungen aufgreifen, können wir Kolonialisierung anders bewerten und als Teil der widerspruchsvollen Gesamtentwicklung
eines globalen Zusammenhangs auffassen. In einem Prozess der zunehmenden Vernetzung entstehen komplexe Kulturformationen wie Europa oder Indien, welche
aus dieser Gesamtentwicklung hervorgehen. Die ökonomische, politische und kulturelle Neuordnung des kolonialen und postkolonialen Zeitalters wird als Prozess
begriffen, der zu einer universalistischen Konfiguration von Solidarität und Empathie führt. Es geht dann nicht mehr um die Rückgewinnung von Authentizität.
28
Siehe Sanjay Subrahmanyam, »Connected Histories: Notes towards a Reconfiguration of Early
Modern Eurasia«, in: Modern Asian Studies 31, 3 (1997), S. 735–761; Christopher Alan Bayly,
Imperial Meridian. The British Empire and the World 1780–1830, London, New York 1989; Sebastian Conrad, Shalini Randeria, »Geteilte Geschichten – Europa in einer postkolonialen Welt«, in:
Sebastian Conrad, Shalini Randeria (Hg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in
den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main, New York 2002, S. 9–49, und das
anregende Internetforum www.kakanien.ac.at. Siehe auch: Heinz-Gerhard Haupt, Jürgen Kocka
(Hg.), Comparative and transnational history. Central European approaches and new perspectives, New
York, Oxford 2009.
29
Vgl. Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Frankfurt am
Main 1989, S. 287; Ders., »Bekehrung der Juden«, in: Ders., Adrastea, hg. von Günter Arnold,
Frankfurt am Main 2000, S. 628–642; vgl. Anil Bhatti, »Heterogeneities and Homogeneities. On
Similarities and Diversities«, in: Johannes Feichtinger, Gary B. Cohen (Hg.), Understanding Multiculturalism and the Habsburg Central European Experience, New York, Oxford 2014, S. 17–47.
20 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
Rabindranath Tagore hat das bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg gesehen
und versucht, Indiens Befreiung von (›äußerer‹) kolonialer Herrschaft und die
›innere‹ Befreiung von interner Unterdrückung durch das Kastenwesen zusammenzudenken.30 Antikolonialismus, Antinationalismus, Kosmopolitismus und die Verbindung von nationaler und universaler Geschichte wären Teil dieser doppelten
Befreiung, und dies ist ein ›Universalismus-Projekt‹.
Beispielhaft für diese Position sind Jürgen Osterhammels Arbeiten; er vergleicht
sie mit Christopher Alan Baylys Studie The Birth of the Modern World aus dem Jahr
2004:
In beiden Arbeiten wird auf regionale Gliederung nach Nationen, Zivilisationen oder
kontinentalen Großräumen verzichtet. Beide halten Kolonialismus und Imperialismus für so wichtig, dass sie dafür keine besonderen Kapitel vorsehen, sondern diese
Dimension ständig mit bedenken. […] Beziehungsanalyse und Vergleich können
und müssen geschmeidig miteinander kombiniert werden, und nicht alle Vergleiche
bedürfen der vollen Absicherung durch die strenge historische Methodenlehre. Das
kontrollierte Spiel mit Assoziationen und Analogien bringt manchmal – keineswegs
immer – mehr als ein Vergleich, der pedantisch überfrachtet wird.31
Der Widerspruch zwischen Konzepten der Ähnlichkeit und Modellen von Differenz hat die Ideologie des britischen Kolonialismus entscheidend geprägt. Diese
Ideologie entwickelte sich unter der ständigen Spannung zwischen der Anerkennung von Ähnlichkeiten und der Behauptung von Differenz. Für die kolonialistische Ideologie wurden Religion und Kaste zu den zentralen Kategorien der Differenz. Daraus entstand in Indien eine folgenschwere Politik der Homogenisierung
von Religionszugehörigkeit in Form von geschlossenen »religious communities«.32
Zudem wurde eine Politik der getrennten Wählerschaften (separate electorates) etabliert, mit Repräsentanten der Wählerschaften als Sprechern und Verhandlungspartnern zwischen den religiösen Gemeinschaften untereinander und mit der britischen Kolonialmacht. Die verhängnisvolle Aufteilung der Gesellschaft zwischen
einer Mehrheit (Hindus) und einer Minderheit (Moslems) war die Folge.
Damit wurden vielfache Verbindungslinien in der sozialen Praxis, welche die
religiösen Grenzlinien immer wieder aufweichen, unterbrochen. Für die antikolo30
Rabindranath Tagore, »Nationalism in India«, in: Ders., Between Tradition and Modernity. India’s
Search for Identity. A Twentieth Century Anthology, hg. von Fred Dallmayr und G. N. Devy, New
Delhi u. a. 1998, S. 77–90, S. 84 (dt. Tagore, Eine Anthologie, hg. von Amiya Chakravarty, Freiburg
im Breisgau 1961, S. 199 f.).
31
Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München
5
2010, S. 16.
32
Thomas R. Metcalf, Ideologies of the Raj, Cambridge 2008, S. 134: »The centrality of religious community, along with that of caste, for the British marked out India’s distinctive status as a fundamentally different land.«
Einleitung 21
niale Bewegung ist diese Essentialisierung der Religionszugehörigkeit in der Form
von geschlossenen communities eine der Ursachen für die Spannungen zwischen
Hindus und Moslems. Deshalb basieren viele Bemühungen um den gesellschaftlichen Frieden in der indischen Politik auf Ähnlichkeitskonzepten und implizieren
die Weigerung, eindeutige, geschlossene und zudem zugewiesene Identitäten zu
akzeptieren.33
Ein aufschlussreiches älteres Dokument aus der antikolonialen Bewegung, das
seine traurige Aktualität weiterhin behält, betont das Element der Nachbarschaft in
religiös diversen Gesellschaften, die langsam zusammenwachsen.34 Der Bericht des
Kanpur Riots Enquiry Committee entstand nach besonders blutigen Zusammenstößen zwischen Hindus und Moslems im Jahre 1931 (also 16 Jahre vor der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947) in der Industriestadt Kanpur. Die idealistische
Leidenschaft des Berichts gibt uns einen Eindruck von der Intensität, mit der die
antikoloniale Bewegung nach einer Aktionseinheit von Moslems und Hindus
suchte, um der Kolonialpolitik des ›divide et impera‹ entgegenzusteuern. Es war
hierbei sicherlich idealistisch, an eine kulturelle Amalgamierung von Hindus und
Moslems zu denken, aber es war auch berechtigt, darauf hinzuweisen, dass Hindus
und Moslems große Lebensbereiche teilen.35
Der Wunsch, das Verbindende in der Praxis der Hauptreligionen Indiens zu
betonen, geht auch aus den Zeilen hervor, die Rabindranath Tagore 1932 in dem
Journal seiner Reise nach Persien und in den Irak schrieb:
All over Asia the cry has arisen that sectarian religion cannot be allowed to wreck the
natural basis of community life, bringing dissensions where a common economic,
social and historical background should preserve an inevitable continuity of co-operation. When during a farewell feast given to an Englishman of high official position
in the Government of Palestine he said »Palestine is a Mohammedan country, and its
government should therefore, be in the hands of the Mohammedans, on condition
that the Jewish and Christian minorities are represented in it,« – then Mufti-Haji-elHusaini of Jerusalem answered »For us it is an exclusively Arab, not a Mohammedan
question. During your sojourn in this country you have doubtless observed that here
there are no distinctions between Mohammedan and Christian Arabs. We regard the
Christians not as a minority, but as Arabs.«36
33
Vgl. bspw. Maulana Abul Kalam Azad, der weiter unten erwähnt wird.
Vgl. Bhagavan Das, Indian National Congress, The Communal Problem. Report of the Committee
appointed by the Indian National Congress (Karachi Session 1931) to enquire into the Kanpur Riots of
March 1931, New Delhi 2005 [1933], S. 76.
35
Vgl. ebd., S. 156.
36
Rabindranath Tagore, Journey to Persia and Iraq: 1932 (= Tagore travelogues, Bd. 1), übers. aus dem
Bengali von Surendranath Tagore und Sukhendu Ray, Visva-Bharati Quarterly, Santiniketan 2003,
S. 32.
34
22 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
Maulana Abul Kalam Azad, einer der wichtigsten Vertreter der indischen antikolonialen Bewegung, betonte die Bedeutung von Gemeinsamkeit und einem geteilten
Erbe in seiner Präsidialrede vor der Indischen Kongresspartei im Jahre 1940:
If Hinduism has been the religion of the people here for several thousands of years,
Islam also has been their religion for a thousand years. Just as a Hindu can say with
pride that he is an Indian and follows Hinduism, so also we can say with equal pride
that we are Indians and follow Islam. I shall enlarge this orbit still further. The Indian
Christian is equally entitled to say with pride that he is an Indian and is following a
religion of India, namely Christianity.
Eleven hundred years of common history have enriched India with our common
achieve­ment. Our languages, our poetry, our literature, our culture, our art, our
dress …37
Der Fundamentalismus in Indien übernahm vom Kolonialismus das Bedürfnis zur
Einteilung und Abgrenzung. Das trifft auf den Hindutva und auf verschiedene
islamische Fundamentalismen gleichermaßen zu. Der Philosoph Alam Khundmiri
hat das Problem für Moslems nach der Unabhängigkeit Indiens besonders eindringlich hervorgehoben: »Muslims are not one homogeneous cultural group in
the entire country, if culture is not confused with religion. There are still strong
grounds to believe that India comprises different cultural groups, the bases of
which are not merely religion […].«38
3 Kritik des Eurozentrismus, oder: Wozu Ähnlichkeit?
Der Blick auf Ähnlichkeiten erlaubt nicht nur eine andere Sichtweise auf die Kolonialgeschichte und den damit strukturell verbundenen Fundamentalismus in einem
Land wie Indien, sondern ermöglicht es auch, eine Kritik des Eurozentrismus und
des Exzeptionalismus zu entwerfen. Wie Samir Amin betont, waren die Vorurteile
der Christen und die Vorurteile der Moslems zu Zeiten der Kreuzzüge weder euro37
The Selected Works of Maulana Abul Kalam Azad, Bd. 1 (1936–42), hg. von Ravindra Kumar, New
Delhi 1991, S. 23 ff. Vgl. weiter: »… our manners and customs, the innumerable happenings of
our daily life, everything bears the stamp of our joint endeavor. There is indeed no aspect of our life
which has escaped this stamp. Our languages were different, but we grew to use a common language;
our manners and customs were dissimilar, but they acted and reacted on each other, and thus
produced a new synthesis. Our old dress may be seen only in ancient pictures of bygone days; no
one wears it today. […] This joint wealth is the heritage of our common nationality, and we do not
want to leave it and go back to the times when this joint life had not begun.«
38
Secularism, Islam and Modernity. Selected Essays of Alam Khundmiri, hg. von M. T. Ansari, New
Delhi u. a. 2001, S. 280 f. Vgl. weiter: »[T]he distinct cultural identity of Muslims has a restricted
meaning so as their distinct religious notions and ethical norms are concerned and beyond that, any
mention of a distinct Muslim identity is a myth. The future of Muslims is tied up with the growth
of the idea of secularism and the rise of institutions based on this idea.«
Einleitung 23
zentrisch noch islamozentrisch, denn beide Religionen verfügten damals nicht über
die Macht, ihre Visionen global durchzusetzen. 39 Eurozentrismus ist eine historische
Position, die mit der Entwicklung des Kapitalismus, der Ausdehnung der kolonialistischen Herrschaft und der Herausbildung einer spezifischen kolonialistischen
Ideologie der Einmaligkeit Europas oder des Westens verbunden ist.
Mit Bezug auf seinen Roman The Enchantress of Florence (2008) sagt Salman
Rushdie in einem Interview:
[T]here are ideas which grew up in the West, and in a slightly different form they
grew up as well in the East; the idea of freedom, of open discourses, of tolerance, of
sexual freedom even to the level of hedonism. […] So to say that we must now consider them to be culturally specific […] is a denial of human nature.40
In der wissenschaftlichen Forschung werden solche Perspektiven immer häufiger.
Es werden Parallelen gefunden, Ähnlichkeiten gesehen, Beziehungsgeflechte bilden
sich dort, wo man früher Grenzlinien gezogen hat. Ein anderer Argumentationsstil
entsteht.
In The Theft of History betont der Anthropologe Jack Goody, dass die zivilisatorische Entwicklung der »Bronze Age civilizations in Asia and Europe ran along
roughly parallel lines. How then did many European writers assume quite a different
development in the two continents from ›Antiquity‹ onwards, leading eventually to
the western ›invention‹ of ›capitalism‹?«41 Goody betont, dass es ein Fehler sei
to look at the situation solely in terms of some relatively limited differences in the
modes of production when there are so many similarities not only in the economy but
in the modes of communication and in the modes of destruction including, eventually, the use of gunpowder. All these similarities, including ones in family structure
and culture more generally, were set aside in favour of the ›oriental‹ hypothesis which
stresses the different historical trajectories of east and west.42
Bezüglich der Renaissance argumentiert Goody ähnlich: »It is the Renaissance that
lies at the centre of my concerns, and here I want to confine my attention to similar
activities outside Europe, their comparative neglect and what that implies for European historiography.«43
39
Vgl. Samir Amin, Eurocentrism, übers. von Russell Moore, Delhi 2008 (zuerst Paris 1988; Monthly
Review Press, New York 1989), S. 103.
40
Siehe die Besprechung des Romans: Joyce Carol Oates, »In the Emperor’s Dream House. The Enchantress of Florence by Salman Rushdie«, in: The New York Review of Books 55, 10 (12.6.2008).
41
Jack Goody, The Theft of History, Cambridge 2006, S. 3.
42
Ebd., S. 60: »At the broadest level, ethnocentricism divides all of us from the others and so helps to
define our identity. But it is a bad guide to history, especially to world history.«
43
Goody, Renaissances. The One or the Many?, Cambridge 2010, S. 42.
24 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
Es geht um die weltweite Pluralität der »renaissances«. Goody schreibt: »From a
sociological standpoint renascences were multiple and not confined to ›capitalism‹
nor to the west. Europe was not alone, nor was it a cultural island.«44
Wenn wir konsequent vergleichend vorgehen und eine globale Perspektive entwickeln, kommen wir zu einer Betrachtungsweise, die die intellektuelle Besitzergreifung von historischen Ereignissen anzweifelt. Neben der Renaissance trifft dies
auch auf die Aufklärung zu. In einer Untersuchung kritisiert der Historiker Sebastian Conrad die Haltung, die aus Diffusionstheorien hervorgeht. Die Aufklärung
sei eine europäische Erfindung, die global disseminiert wurde: »Scholars are now
challenging the Eurocentric account of the ›birth of the modern world‹«.45
Zur Konturierung der Aufklärung trugen nicht nur europäische, sondern eben
international verstreute Autoren bei. Es geht in der »long history« der Aufklärung
nicht um Diffusion, sondern darum, dass sie ständig an verschiedenen Orten in der
Welt neu hergestellt wurde.46 »Rather than a process of diffusion, the longer history
of Enlightenment was the result of its constant reinvention.«47
Dies gilt natürlich nicht allein für den Eurozentrismus, sondern für jede Form
von kultureller Besitzergreifung. Indozentristische Exklusivitätsansprüche können
durch vergleichende Studien ebenfalls entkräftet werden, so dass universalistische
Momente hervortreten. Das Interesse an Parallelen, Analogien, Ähnlichkeiten zwischen Philosophien in Indien und Europa bedeutet, dass »these cease to be ›Oriental‹ or ›Western‹ thought and instead become ›universal‹ thought.«48
44
Ebd., S. 274.
Sebastian Conrad, »Enlightenment in Global History: A Historiographical Critique«, in: American
Historical Review 117, 4 (Oktober 2012), S. 999–1027, S. 1001. Vgl. weiter: »Such a rereading
implies three analytical moves: First, the eighteenth-century cultural dynamics conventionally rendered as ›Enlightenment‹ cannot be understood as the sovereign and autonomous accomplishment
of European intellectuals alone; it had many authors in many places. Second, Enlightenment ideas
need to be understood as a response to cross-border interaction and global integration. Beyond the
conventional Europe-bound notions of the progress of ›reason‹, engaging with Enlightenment has
always been a way to think comparatively and globally. And third, the Enlightenment did not end
with romanticism: it continued throughout the nineteenth century and beyond. Crucially, this was
not merely a history of diffusion; the Enlightenment’s global impact was not energized solely by
the ideas of the Parisian philosophers. Rather, it was the work of historical actors around the
world«.
46
Ebd., S. 1022.
47
Ebd.
48
Carmen Dragonetti, Fernando Tola, Indian and Western Philosophies: Unity in Diversity, New Delhi
2013 (zuerst veröffentlicht als: On the Myth of the Opposition between Indian Thought and Western
Philosophy, Hildesheim 2004), S. 293. Siehe auch die Untersuchungen von Harjeet Singh Gill,
Conceptualism in Buddhist and French Traditions, Patiala 2007 und Theodore Stcherbatsky, Buddhist
Logic, 2 Bde., New Delhi 1996; Uma Chattopadhyay, Dishonoured by Philosophers – Upamâna in
Indian Epistemology, New Delhi 2012. Anregend sind die Beiträge in: Martin Gaier, Jeanette Kohl,
Alberto Saviello (Hg.), Similitudo. Konzepte der Ähnlichkeit in Mittelalter und Früher Neuzeit, München 2012.
45
Einleitung 25
Ebenso wenig wie Europa war Indien eine Insel. Insofern ist jene komparatistische Forschung, die auf den größeren Zusammenhang zwischen indischen und
griechischen Epen hinweist, besonders aktuell zu einer Zeit, in der fundamentalistisches Denken auf der Einmaligkeit kultureller Erzeugnisse besteht. Fernando
Wulf Alonso, der eine groß angelegte vergleichende Studie über das Epos in Indien
und Griechenland verfasst hat, kommt über dieses Denken in Ähnlichkeiten zu
dem Schluss:
Once again, it has been noted that in the past, as in the present, cultural and religious pluralism, from within and without, coupled with every imaginable type of
cultural interactions, learning, and creations and reworking has prevailed in the
Subcontinent, which, in turn, denotes the impossibility of defending exclusivist and
unidirectional models or monotonic identities, either for understanding the
moment in history or for proposing that falsification of reality as a model for the
present.
And it has been corroborated time and again how historical reality proves to be
infinitely distant from attempts to reduce it to simple schemas, to the false dichotomy between the ›foreign‹ and the ›native‹ which only act to hinder our understanding of the beautiful diversity of the world, our appreciation of the wealth and
potential tucked away within the folds of cultural exchanges and interactions which
have conveyed, and must continue conveying the history that has made us human.49
4 Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die theoretische und praktische Profilierung von Ähnlichkeit zeigt, inwieweit es in plurikulturellen Gesellschaften eher
darum geht, eine gesellschaftliche Umgangspraxis mit komplexer Diversität zu fördern, als um die Konstruktion von geschlossenen Kulturen, die durch Repräsentanten verhandlungsfähig gemacht werden. Es geht darum, das Approximative in
Prozessen der Annäherung – und auch der Distanzierung – zu beschreiben. Statt
Identitäten wären Asymptoten zu beschreiben.
All dies steht selbstredend im größeren Zusammenhang von Macht und asymmetrischer Machtausübung in der heutigen Weltpolitik, denn das Insistieren auf
Ähnlichkeit widersetzt sich dem kolonialistischen Herrschaftsmoment, durch das
im Prozess der Entwicklung von kolonialer Kompetenz gesellschaftliche Unterschiede zur ontologischen Differenz gemacht werden. Es wäre zumindest vorläufig
vorstellbar, sich mit der verstehenden Interpretation anderer Kulturen zurückzuhalten und in plurikulturellen Zusammenhängen sozusagen tendenziell hermeneutisch abstinent zu bleiben.
49
Fernando Wulff Alonso, The Mahābhārata and Greek Mythology, übers. von Andrew Morrow, New
Delhi 2014, S. 480 f. Diese Perspektive setzt natürlich voraus, dass man den Gebrauch der Kategorie des ›Einflusses‹ konsequent fallen lässt.
26 Anil Bhatti und Dorothee Kimmich
Wir halten uns an den Grundsatz, dass es wichtiger ist, miteinander auszukommen, als einander zu verstehen. Man kann davon ausgehen, dass vieles in der komplexen Welt ähnlich ist und sich damit begnügen: Wir lassen die Indifferenz gegenüber der Differenz wirken.
Das Ähnlichkeitsdenken erlaubt uns, eine ›Unschärferelation‹ in unsere Analysen einzuführen. Wir nehmen weite Flächen der Überlappungen wahr, wahrscheinlich häufiger in urbanen Milieus, in denen Mehrsprachigkeit mittlerweile stark
verbreitet ist, als dort, wo verschiedene sichtbare Unterschiede unsere Urteilsfähigkeit verwirren. Insofern setzt das Ähnlichkeitsdenken, wie bereits erwähnt, auf die
umfassende Bedeutung von Übersetzung, verstanden als gesellschaftliche Praxis.
Damit werden Möglichkeiten der Verwandlung, der Metamorphose, der Transposition in den Mittelpunkt der Praxis gerückt.
Diskretion und Höflichkeit werden zu wichtigen Parametern des gesellschaftlichen Umgangs und dies erlaubt uns auch, eine ethische Dimension in unser Alltagsleben zu bringen: Man ist zwar nicht ganz gleich, aber auch nicht ganz anders.
Es ginge dann eher um eine Perspektive der ›Ähnlichkeit in der Diversität‹ als um
die bekannte Forderung nach ›Einheit in der Diversität‹ (›unity in diversity‹) – also
letztlich um ›Ähnlichkeit ohne Gleichartigkeit‹ (›similarity without sameness‹).
Ähnlichkeit wäre somit als universalistische, humanistische Perspektive zu
verstehen und als »Suchbegriff« zu verwenden.50 Dies impliziert eine Kritik des
unter dem Kapitalismus entwickelten ›Rechts auf Differenz‹. Nationalistische und
fundamentalistische Positionen behaupten diese Differenz und essentialisieren sie
auch. Somit ist das von Samir Amin polemisch geprägte »right to be similar«51 als
kritische und subversive Forderung zu verstehen. Es geht darum, dass Unterscheidungsmerkmale nicht Trennungsmerkmale werden.
Im Recht auf Ähnlichkeit und Solidarität, verstanden als Gegensatz zur Verabsolutierung der Differenz durch die Homogenisierung, könnte man vielleicht die
Forderung nach einer demokratischen, plurikulturellen Lebensform sehen. Das
Ähnlichkeitsdenken hat damit auch kulturpolitische Konsequenzen. Durch die
Öffnung für Synkretismus, Sprachenvielfalt, Mehrsprachigkeit, Plurikulturalität
und gesellschaftliche Schwebezustände trägt die Arbeit an Ähnlichkeiten zur Normalisierung bei bzw. zur Entwicklung von Perspektiven, die jenseits der Dichotomie von Identität und Differenz zu finden wären.
50
Oskar Negt, Alexander Kluge, Der unterschätzte Mensch. Gemeinsame Philosophie in zwei Bänden,
Bd. 1, Frankfurt am Main 2001, S. 299: »So daß man jetzt, wenn man den Substanzbegriff variiert,
als Gegenpol den Suchbegriff oder die Frage gewinnt …«.
51
Vgl. Samir Amin, Spectres of Capitalism. A Critique of Current Intellectual Fashions, New York 1999,
S. 42.
Einleitung 27
Dank
Wir möchten uns sehr herzlich bedanken bei allen Institutionen und Personen, die
das Projekt auf vielfältige Weise unterstützt haben. Das gilt für finanzielle Hilfe,
organisatorische Unterstützung und vor allem auch für die Bereitschaft, Diskussionen und Debatten zu ermöglichen, die vielsprachig, international, interdisziplinär
und plurikulturell waren. Wir danken der Fritz-Thyssen-Stiftung für eine groß­
zügige Anschubfinanzierung und damit für die Möglichkeit, die beiden ersten
Workshops zu organisieren. Wir danken besonders dem Kulturwissenschaftlichen
Kolleg der Universität Konstanz, das mehr als nur finanzielle Mittel beigesteuert
hat, indem es den Rahmen für unsere Fellowships und damit auch den intellektuellen und akademischen Kontext für eine solche Debatte bereitgestellt hat. Wir
danken der Alexander von Humboldt-Stiftung, die durch die Preisgelder für Anil
Bhatti unsere Zusammenarbeit unterstützt hat. Wir danken auch der Universität
Tübingen, an der Anil Bhatti während seiner Zeit als Humboldt-Preisträger
geforscht hat, dem Forum Scientiarum und besonders Herrn Dr. Niels Weidtmann
für die Ausrichtung der dritten Tagung. Jochen Bedenk, Sven Sappelt, Nicole Falkenhayner und Christopher Möllmann haben uns sehr geholfen bei der Organisation, auch ihnen schulden wir besonderen Dank. Alexander Schmitz und Bernd
Stiegler haben den Band sehr gründlich und sehr kritisch lektoriert. Britta Fietzke
hat die zum Teil sehr umfangreichen Übersetzungen sehr schnell und effektiv vorgenommen; dafür sind wir sehr dankbar. Aber alles wäre nicht möglich gewesen
ohne die unermüdliche Arbeit von Sara Bangert, die korrigiert, lektoriert, systematisiert, kompiliert, korrespondiert und bibliographiert hat. Ihr gilt unser ganz
besonders herzlicher Dank.
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