Bankgeheimnis ade!

Handelsblatt Nr. 204 vom 22.10.2015 Seite 030 / Finanzen & Börsen
Bankgeheimnis ade!
Geldhäuser müssen Identität von Kunden nennen, die Markenrechte verletzten.
-- BGH weicht Verschwiegenheitspflicht von Banken auf.
-- Die Stadtsparkasse Magdeburg wehrte sich gegen Coty.
Begonnen hatte der Streit mit gefälschten "Davidoff Hot Water"-Parfüms, die beim Online-Auktionshaus Ebay verkauft
wurden, und der Frage, wer sie vertreibt. Die Verkäufer versteckten sich hinter Pseudonymen, der Parfümhersteller
Coty wollte über die hinterlegten Kontodaten die Namen der Übeltäter erfahren. Dagegen wehrte sich die Sparkasse
Magdeburg mit Verweis auf das Bankgeheimnis - und verlor am Mittwoch vor dem ersten Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs (BGH). Die Richter entschieden, dass eine Bank bei einer offensichtlichen
Markenrechtsverletzung durch einen ihrer Kunden dessen Identität - also Namen und Anschrift - offenlegen muss. Sie
dürfe das nicht mit Verweis auf das Bankgeheimnis verweigern, so der BGH (Az. IZR 51 12).
Das oberste deutsche Zivilgericht stärkte damit die Position von Markenrechteinhabern - zulasten der von Banken.
Der Senat habe hier den Grundrechten des Markenrechtinhabers "den Vorrang gegeben", sagte der Vorsitzende
Richter Wolfgang Büscher. Das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten und das Recht der
Bank auf Berufsfreiheit müssten dahinter zurücktreten, so das Gericht. Ein Strafverfahren sei dagegen "keine
wirkliche Alternative", um die fraglichen Daten herauszubekommen, so Büscher.
Auch wenn das Vorgehen exemplarisch für Produktfälschungen sein mag, dreist gingen die Händler, die bei Ebay das
Pseudonym "sandyundbert2009" nutzten, hier allemal vor. Allein binnen weniger Wochen um Weihnachten 2010
setzte das - mutmaßliche - Duo fast 11 000 Euro um.
Doch sandyundbert2009 flogen rasch auf. Coty passten die Fälschungen überhaupt nicht. Der Konzern schließlich
hält die Vermarktungsrechte an dem Markenduft. Das Unternehmen ersteigerte gefälschtes Parfüm. Den Kaufpreis
zahlte der Konzern Anfang 2011 auf ein Konto der Stadtsparkasse Magdeburg, wobei nur die Kontoverbindung, nicht
aber der Name des Kontoinhabers angegeben war. Coty versuchte seitdem, dessen Identität herauszubekommen.
Auf die Sparkasse konnte der Kosmetikkonzern dabei nicht zählen, sie wehrte sich.
Seitdem stritten Coty und das Geldhaus vor Gericht - Kosmetikriese gegen mittelgroße Sparkasse, Markenrecht
gegen Bankgeheimnis. Das Landgericht Magdeburg gab zunächst Coty recht. Das Oberlandesgericht Naumburg aber
urteilte, dass die Sparkasse sich sehr wohl auf das Bankgeheimnis berufen könne. Danach wanderte der Fall 2012
zum BGH.
Der BGH jedoch wandte sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) - mit der Frage, ob es europäisches Recht
verletze, wenn eine Bank die Auskunft verweigert und sich auf das Bankgeheimnis beruft. Der EuGH entschied, kurz
gesagt, dass das Bankgeheimnis es einer Bank nicht unbegrenzt erlaube, Auskünfte zu verweigern.
Banken müssten sich "darauf einstellen, dass sie in Zukunft vermehrt mit Auskunftsansprüchen konfrontiert werden
und die Auskunft nicht mehr pauschal verweigern können", sagt Thomas Nägele, Anwalt bei SZA Schilling, Zutt &
Anschütz. Das dürfte entsprechend mehr Aufwand für die Geldhäuser bedeuten. Michael Terhaag von Terhaag &
Partner Rechtsanwälte meint, dass sich der BGH "in überraschender Eindeutigkeit" auf die Seite der Markeninhaber
gestellt habe.
Kein Wunder, dass die Einschätzung der Banken enttäuscht klingt. Der Dachverband der deutschen
Bankenverbände, Deutsche Kreditwirtschaft, hält die Einschränkung des Bankgeheimnisses in der
Zivilprozessordnung für bedenklich.
Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
Für die Banken bedeutet das Urteil mehr Aufwand und weniger Rechtssicherheit.
Thomas Nägele.
Anwalt der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.
Atzler, Elisabeth
Quelle:
Handelsblatt Nr. 204 vom 22.10.2015 Seite 030
Ressort:
Finanzen & Börsen
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