Soaring - Fliegen im dynamischen Hangaufwind

Soaring - Fliegen im dynamischen Hangaufwind
Einleitung:
Soaring im laminaren Aufwindband eines Hanges ist ein Pilotenerlebnis der besonderen Art. Man kann
darin in relativ ruhigen Verhältnissen und stresslos Höhe gewinnen oder halten. Einklapper oder
thermisch Turbulenzen sind im dynamischen Aufwind aufgrund der Gleichmässigkeit der Strömung eher
selten.
Definition:
Das Wort „Soaring“ kommt auf dem Englischen und bedeutet „aufsteigen, hochfliegen oder segeln“.
Es wird im Pilotenjargon dann verwendet, wenn man an einer Stelle mit dem Gleitschirm verbleiben
kann ohne dabei Höhe zu verlieren respektive dort sogar einen Höhengewinn erzielen kann.
Entstehung:
Der dynamische Hangaufwind entsteht dadurch, dass Luft aufgrund eines Hindernisses nach oben
abgelenkt wird und in diesem Bereich einem Gleitschirm zum Steigen verhelfen kann. Typische
aufwindliefernde Hindernisse sind Berge, Hügel oder Dünen, welche aufgrund ihrer Form der horizontal
anströmenden Luft eine Aufwärtskomponente verleihen.
Kleinere Hindernisse wie Häuser und Bäume machen dies zwar auch, jedoch das Verhältnis von
Aufwind- zu Turbulenzbereich ist für Gleitschirme ungünstig. Die Aufwindbänder sind meistens so
kleinräumig, dass sie nur von Vögeln genutzt werden können.
Die Entstehung der horizontalen Anströmung kann verschieden sein: See-Landwindzirkulationen wie sie
oft an Dünen vorkommen respektive Tal-Bergwindsysteme, welche aufgrund von thermisch bedingten
Temperaturgegensätzen angetrieben werden oder einfach überregionaler Wind, welcher ideal an ein
Hindernis bläst. Wesentlich beim dynamischen Hangaufwind ist jedoch, dass im Bereich des
Aufwindbandes die Sonneneinstrahlung keine dominante Rolle spielt und insofern diese Aufwindart
Tages- und Jahreszeit unabhängig vorkommen kann. Soaring im dynamischen Hangaufwind ist selbst
an einem Schattenhang möglich.
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Visualisierung:
Den dynamischen Hangaufwind kann man sich in Analogie zu einer Wasserströmung in einem
Gewässer vorstellen. Beobachte die Strömung in einem Bergbach genau und es wird Dir möglich sein
zu erkennen, wo es seitliche Umströmungen, Wirbel (=Rotoren) oder eben die gesuchten
Überströmungen (=Aufwinde) von Hindernissen gibt. Das Verhalten des Wassers hat bei den geringen
Windgeschwindigkeiten des Gleitschirmsports viele Ähnlichkeiten mit der Luftströmung an einem
angeblasenen Prallhang.
Hangneigung:
Je allmählicher die Umlenkung der horizontalen Anströmung nach oben erfolgt, desto gleichmässiger
und laminarer wird der Aufwind sein. Bei schroffen Geländeübergängen ist immer mit Turbulenzen zu
rechnen. Bei abrupter Hangneigungsänderung am Geländefuss können sich beispielsweise Luvwirbel
ausbilden, in deren Bereich keine günstigen Flugbedingungen herrschen. Auf der windabgewandten
Seite der Hindernisse (=Lee) ist ebenfalls mit Turbulenzen und Rotoren zu rechnen, weshalb diese
Stellen grundsätzlich zu meiden sind.
Lee
Luv
Luv
Lee
Folgendes Diagramm zeigt unter der Annahme, dass ein Hang genau senkrecht angeströmt wird, die
Aufwindstärke in Abhängigkeit der Hangneigung und der Anströmgeschwindigkeit:
dynamischer Hangaufwind [m/s]
Idealer Hangaufwind =f(Hangneigung, Anströmgeschwindigkeit)
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Anströmung 5 km/h
Anströmung 10 km/h
Anströmung 15 km/h
Anströmung 20 km/h
0
10 20 30 40 50 60 70 80 90
Hangneigung [°]
Anströmung 25 km/h
Es gilt folgende Regel:
Umso steiler der Hang (=grössere Neigung), desto stärker kann der horizontale Wind in die Vertikale
umgelenkt werden und desto grösser ist der Aufwind.
Im Diagramm ist erkennbar, dass bei theoretisch 90° Hangneigung der maximale Aufwind gerade der
Anströmgeschwindigkeit entspricht.
Beispiel (rot eingezeichnet): Anströmung mit 10 km/h ergibt maximal bei einem Hang mit 90° Neigung
2.8 m/s Hangaufwind, was umgerechnet in km/h identisch ist mit 10 km/h. (Annahme: keine
Reibungsverluste)
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Hindernisform und Anströmrichtung:
Die aufwindbringenden Hindernisse im Luftstrom sollten genügend breit sein und möglichst quer zum
Wind stehen. Kegelförmige Erhebungen werden nämlich vom Wind seitlich umströmt und es gibt, wenn
überhaupt, nur sehr kleine nutzbare Aufwindbereiche. Die Luft folgt dem Weg des geringsten
Widerstandes und wenn sie nicht unbedingt muss, dann vermeidet sie eine Aufsteigbewegung und
umströmt das Hindernis rechts und links ohne Aufwind zu produzieren.
90°
Je senkrechter ein breiter Hang angeströmt wird, desto stärkerer Aufwind wird sich ausbilden, da dann
die gesamte angeblasene Luft nach oben abgelenkt wird. Weht der Wind genau hangparallel, gibt es
keinen Grund nach oben auszuweichen.
Folgendes Diagramm zeigt die Aufwindstärke in Abhängigkeit der Anströmrichtung und –stärke an
einem Hang mit 60° Neigung:
90° Anströmung:
dynamischer Hangaufwind [m/s]
Idealer Hangaufwind =f(Anströmrichung & Anströmgeschwindigkeit für einen Hang mit 60° Neigung)
7
6
5
Anströmung 5 km/h
4
Anströmung 10 km/h
3
2
40° Anströmung:
Anströmung 15 km/h
1
Anströmung 20 km/h
0
0
10 20 30 40 50 60 70 80 90
Anströmung 25 km/h
Anströmrichtung [°]
Es gilt folgende Regel:
Je senkrechter und stärker der Wind auf den Hang trifft, desto grösser ist die Aufwindkomponente.
Beispiel: Bei 10 km/h Anströmung (rot eingezeichnet) mit einer Richtung von 90° ergibt sich ein Aufwind
von 2.4 m/s, bei jedoch einer Anströmrichtung von lediglich 40° sinkt dieser Wert theoretisch auf 1.5m/s
ab (violett eingezeichnet). Die verminderte senkrechte Anströmkomponente aufgrund der schrägen
Anblasrichtung ist Grund für diese Reduktion.
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Ein weiterer Vorteil eines möglichst senkrecht angeblasenen Hanges ist, dass es weder einen
Gegenwind- noch einen Rückenwindschenkel beim Fliegen entlang des Hanges gibt und beim Fliegen
der Achterschlaufen immer eine nahezu konstante Grundgeschwindigkeit herrscht.
Ein Beispiel eines solchen Hanges ist der Hang unterhalb des Startplatzes Niederbauen bei NordAnströmung oder der Wellenberg, in jenem genau senkrecht zum Talwind ausgerichteten Hangbereich
Richtung Wolfenschiessen.
Beim Soaren an der Büelen erlebt man einen schräg von vorne durch den Talwind angeströmten Hang,
welcher nicht so effizient ein dynamisches Aufwindband produzieren kann. An solchen Hängen sind
lokale Mulden oder Einbuchtungen im Hang wieder Bereiche, welche günstiger zur Anströmrichtung
stehen, die Luft darin sammeln und aufgrund lokaler Düseneffekte die Aufwinde verstärken.
In der Praxis existiert meistens eine Mischung aus dynamischen und thermischen Hangaufwinden.
Letztere klammere ich in diesem Bericht jedoch aus, um die Komplexität des Themas nicht unnötig zu
erhöhen.
Position des Aufwindbandes:
Der Abstand des Aufwindbandes zum Hang hängt von dessen Oberflächenbeschaffenheit ab. Zwischen
der freien Anströmung und dem Hang bildet sich eine Schicht aus, in welcher aufgrund der Reibung die
Windgeschwindigkeit abgebremst wird (=Grenzschicht).
Aufwindband
Anströmung
Berghang
Grenzschicht
Je gleichmässiger und homogener die Oberfläche, desto dünner wird diese Grenzschicht sein. Der
Bereich des besten Aufwindes befindet sich üblicherweise gerade ausserhalb oder im äussersten
Bereich dieser Grenzschicht, jedoch nicht so weit vom Hang entfernt, dass keine Ablenkung mehr nach
oben stattfindet. Im Inntal (Österreich) konnte dieser Effekt messtechnisch erfasst werden. Das
maximale Steigen an diesem Hang lag bei einem Hangabstand von ca. 20-30 Metern. Näher war es
schlechter aufgrund der Reibung, weiter weg vom Hang war dann die Ablenkung der Anströmung zu
gering und die Steigwerte sanken ebenfalls wieder ab. Das Aufwindband nimmt vom Hangfuss Richtung
Krete kontinuierlich mit zunehmender Höhe zu und die Aufwinde verstärken sich.
Typisches Beispiel für Aufwindhänge mit dünner Grenzschicht sind Dünen, welche schon sehr nahe am
Hang ausfliegbare Aufwinde produzieren. Im Gegensatz dazu ist bei einem bewaldeten Berghang mit
verschiedenen Vegetationstypen (Wald, Wiese, Fels,..) mit einer dickeren Grenzschicht zu rechnen und
das nutzbare Aufwindband wird sich weiter weg vom Hang befinden.
Flugtaktik:
Flugpraktisch versucht man möglichst immer im dynamischen Aufwindband zu fliegen, welches sich
parallel zum Hang befindet. Auf Grund dessen folgt die Flugroute dem Hang, um dann dort eine
Umkehrkurve weg vom Hang zu machen, wo der stärkste Aufwind ist. Gelingt dies optimal, so gewinnt
man am Schnellsten an Höhe, da dadurch das Kurvensinken während der Umkehrkurve durch den
Aufwind kompensiert wird. Es entstehen somit Achterschlaufen am Hang mit immer wieder
abwechselnder Kurvendrehrichtung vom Hang weg.
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Je breiter der Hang, desto grösser sind die einzelnen Schenkel bevor wieder eine Umkehrkurve nötig ist.
Aufgrund der verschieden ausgeprägten Aufwinde am selben Hang kann es jedoch trotzdem manchmal
sinnvoll sein, die Achterschlaufen nur auf den stärksten Aufwindbereich des Hanges zu beschränken
und diese kürzer zu gestalten.
Beim Flug parallel zum Hang kreuzt man bei Bedarf entsprechend gegen den Wind auf, damit der
gewünschten Hangabstand eingehalten werden kann und man nicht zu nahe an den Hang
herangeblasen wird. Grundsätzlich vermeidet man das Fliegen von Vollkreisen am Hang, da eine grosse
Gefahr darin besteht, den Kreis aufgrund des zu geringen Hangabstandes und der
Rückenwindkomponente nicht schliessen zu können. In so einem Fall würde es dann zu einer
ungewollten Frontalkollision mit dem Hang kommen.
Hangabstand:
Der ideale Hangabstand hängt von verschiedenen Faktoren ab:
-Gleichmässigkeit des Aufwindes
-Steilheit des Hanges
-Pilotenkönnen
um nur einige Punkte zu nennen.
Je gleichmässiger und ruhiger der dynamische Hangaufwind ist, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit
einer Kappenstörung und umso näher an den Hang heran kann geflogen werden. Beachte, dass mit
zunehmender Annäherung an den Hang der Aufwind aufgrund der Reibung abgebremst wird und es die
Aufgabe des Piloten ist, herauszufinden, in welchem Abstand es am besten trägt.
Ein steiler Hang kann näher angeflogen werden, da vertikal unterhalb des Piloten mehr freier Luftraum
zur Verfügung steht im Gegensatz zu einem flachen Hang. Es gilt jedoch bei einer Kappendeformation
mit anschliessendem Abdrehen in Einklapprichtung darauf zu achten, sofort die entstehende Rotation
durch Gegensteuern mit den Bremsen zu kontrollieren, da bei Drehung zum Hang der Abstand bald
aufgebraucht ist und die Gefahr einer Kollision besteht.
Ein Pilot, welcher sein Fluggerät gut kennt und dieses beherrscht oder welcher einen sehr gutmütigen
Schirm mit hoher Klappresistenz fliegt, wird näher an den Hang heranfliegen als ein unsicherer Pilot,
welcher in sein Gerät wenig Vertrauen hat. Dieser Umstand ist ab und zu Ursache, weshalb Piloten mit
einem gutmütigen A-Schirm deutlich schneller oben sind als andere, welche sich mehr um den Schirm
kümmern müssen, als dass sie sich optimal im Aufwindband bewegen können.
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Vortrittsrechte:
Neben den strömungstechnischen Herausforderungen am Hang muss der Pilot auch immer die anderen
soarenden Gleischirmpiloten im Auge behalten.
Bei frontaler Annäherung weiss jeder Pilot, dass derjenige, welcher den Hang zu seiner linken Seite hat,
rechts ausweichen muss. Jeder müsste so ausweichen, doch darauf verlassen, darf man sich im
Zweifelsfall nicht. Sicheres und kollegiales Verhalten am Hang bedeutet, dass ich dem frontal sich
nähernden Gleitschirmpiloten deutlich anzeige, dass ich diese Regeln einhalte und ihm allenfalls Vortritt
gewähre, falls es die Situation fordert. Ein Armzeichen (Arm mit der Bremse in der Hand nach aussen
strecken ähnlich wie beim Velofahren vor dem Abbiegen) kann unklare Situation sofort entspannen.
Vorsicht ist ebenfalls geboten bei der Umkehrkurve vom Hang weg. Ein Blick zurück, bevor die Kurve
eingeleitet wird, verhindert zuverlässig gefährliche Kollisionen mit anderen, direkt hinter einem
fliegenden Gleitschirmen.
Das Überholen am Hang auf gleicher Flughöhe, was meist ein Einklemmen des langsamer fliegenden
Piloten zwischen Gelände und des überholenden Piloten bedeutet, ist gefährlich und gesetzlich
verboten.
Besonderheiten:
Bei immer grösserer Annäherung parallel an den Hang, wie sie beispielsweise nötig ist für eine
Hanglandung oder ein „Touch and go“, erfährt der Schirm einen Drehbewegung in den Hang hinein,
obwohl die Bremsstellung genau symmetrisch ist. Dieser Effekt entsteht aufgrund der Tatsache, dass die
hangnähere Seite der Kappe in einem langsamer strömenden Luftbereich fliegt als die hangabgewandte
Seite. Die zuvor schon erwähnte Grenzschicht sorgt für dieses Phänomen. Flugpraktisch bedeutet dies,
dass ich in den letzten Metern vor der Bodenberührung bei einer Hanglandung bewusst etwas vom
Hang wegsteuern oder mit Gewichtsverlagerung vom Hang weg gehalten werden muss, um hangparallel
landen zu können.
Bei der Landung selber ist ebenfalls darauf zu achten, den Schirm leicht asymmetrisch talwärts
durchzubremsen, so dass er eine leichte Drehung vom Hang weg macht. Man verhindert dadurch, dass
die Kappe den Piloten nach der Bodenberührung überholt und einseitig auf die Eintrittskante runterfällt.
Positiver Nebeneffekt ist zusätzlich, dass der Schirm symmetrisch zur Hangneigung auf der Austrittkante
zu liegen kommt und beinahe wieder startbereit ist, um mit einem erneuten Rückwärtsstart abzuheben.
Was, wenn oben?
Ist man oben im dynamischen Aufwindband angelangt und liegen keinerlei thermische Aufwindquellen
vor, dann wird die Steiggeschwindigkeit zunehmend kleiner, da die geländebedingte Ablenkung nach
oben fehlt. Bei gleicher Anblasströmung nimmt die vertikale Aufwindkomponente ab, die horizontale
jedoch zu. Dieser Düseneffekt auf Kammhöhe muss unbedingt durch genügendes Vorhalten beachtet
werden, damit man nicht leeseitig abgetrieben wird.
Anströmung
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Schlusswort:
Erinnere Dich beim Fliegen am Hang an die erwähnten Grundlagen und verfeinere diese entsprechend
Deiner praktischen Beobachtungen in Deinem Fluggebiet. Diese theoretischen Vorstellungen sind nur
ein Versuch, die Komplexität der Natur vereinfacht darzustellen ohne in Anspruch zu nehmen, alle
auftretenden Phänomene damit restlos erklären zu können. Bei Fragen zum Thema steht Dir das Team
der Flugschule Emmetten & Titlis gerne zur Verfügung. Insbesondere empfehlen wir Dir folgende
Weiterbildungswoche am grössten Sandkasten Frankreichs, wo Soaring im laminare Hangaufwind ein
Hochgenuss ist:
Flugreise Dune du Pyla
Stefan Christen
Fluglehrer im Team der Flugschule Emmetten & Titlis
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