Zielgrößen extern und intern erfolgreich kommunizieren

White Paper
Zielsicher – Mehr Frauen in Führung
Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen:
Zielgrößen extern und intern erfolgreich kommunizieren
1. Ausgangslage
Bis zum 30. September 2015 mussten über 3.500 Unternehmen Zielgrößen zur Erhöhung
des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und den beiden Führungsebenen unterhalb des
Vorstands und Fristen für deren Erreichung festlegen. Darüber hinaus gilt ab dem 1. Januar
2016 für rund 100 DAX-Unternehmen die fixe Geschlechterquote von 30 Prozent für erforderlich werdende Neuwahlen und Entsendungen zur Besetzung von Aufsichtsratssitzen.
Die von den Zielgrößen betroffenen Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, über ihre Zielsetzungen und Fristen zur Zielerreichung zu berichten. Erstmalig anzuwenden sind die Vorschriften zur Berichterstattung auf Jahresabschlüsse, die sich auf Geschäftsjahre mit einem
Abschlussstichtag nach dem 30. September 2015 beziehen. Diese liegen in der Regel frühestens im Frühjahr 2016 vor. Es zeichnet sich ab, dass ein Großteil der betroffenen Unternehmen diesen Handlungsspielraum nutzt und von einer zeitigeren Veröffentlichung festgelegter Zielgrößen absieht. Bislang haben nur sehr wenige Unternehmen proaktiv über ihre
Zielsetzungen berichtet ( vgl. Zwischenstand zum Gesetz).
Im Rahmen der beiden B2B-Workshops „Berichtspflichten und Change Management:
Extern und intern erfolgreich kommunizieren“ berichteten Unternehmen über ihre Erfahrungen und Herausforderungen bei der Definition und Kommunikation von Zielgrößen für
mehr Frauen in Führungspositionen.
2. Erfahrungen und Herausforderungen
Die Mehrzahl der vertretenen Unternehmen bewertet die Festlegung von Zielgrößen als
komplexen Prozess, der mit einem hohen zeitlichen Aufwand sowie mit zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen verbunden war. Bereits das Erfassen des Ist-Zustandes
zum aktuellen Frauenanteil in Führungspositionen ließ sich in vielen Unternehmen nicht „per
Knopfdruck“ abrufen. Dies berichten insbesondere Konzerne mit Tochtergesellschaften und
den hiermit oftmals einhergehenden unterschiedlichen Unternehmens- bzw. Führungsstrukturen.
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 Rückenwind durch das Gesetz
Doch das Gesetz bringt auch Rückenwind! So berichten die Unternehmensvertreter/innen,
die für das Themenfeld „Chancengleichheit und Diversity“ sowie für den Zielgrößenprozess
in den Unternehmen verantwortlich sind, dass ihnen verstärkt Ressourcen zur Verfügung
gestellt würden und ihnen für ihre Arbeit der Rücken gestärkt werde.
Die Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis zeigen, dass der Anteil von Frauen an Führungspositionen trotz des Vorhandenseins von hochqualifizierten Frauen auf dem Markt
eben nicht von alleine wächst. So hat ein Unternehmen eine Simulation durchgeführt, die
belegte: Ohne gesetzlichen Antrieb würde es 200 Jahren dauern, bis ein Frauenanteil von
30 Prozent in den obersten Führungsebenen des Unternehmens erreicht ist.
 Kommunikation über das gesetzlich geforderte Mindestmaß hinaus
Nach jahrelanger Debatte über gesetzliche Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils
und der Ende September 2015 abgelaufenen Frist zur Erfüllung der gesetzlichen Zielgrößenverpflichtung, stehen nun die betriebsindividuell festgelegten Zielgrößen im Fokus des
öffentlichen Interesses. Die Erwartungshaltung an die betroffenen Unternehmen, ihre gesetzten Zielgrößen und die ihnen zugrundgelegte Umsetzungsstrategie transparent zu machen, ist entsprechend hoch.
Eine der in den Workshops aufgestellten Thesen lautet, dass eine regelmäßige Kommunikation der Unternehmensleitung über den Umgang mit der Geschlechtergleichheit sowohl ins
Unternehmen hinein als auch nach außen die Glaubwürdigkeit des Vorhabens, mehr Frauen
in Führungspositionen zu bringen, erhöhen wird. Ein klares öffentliches Bekenntnis des Vorstands, das über die gesetzlichen Anforderungen hinaus geht, kann den internen Wandel
der Unternehmenskultur befördern. Auch wird es wahrscheinlicher, dass die gesetzten Ziele
erreicht werden.
Von Fachleuten wurde empfohlen, die Zielgrößen in Relation zum Frauenanteil im Unternehmen zu setzen und diese in die globale Personalstrategie eines Unternehmens einzuordnen. Sinnvoll sei es auch, die geplanten Maßnahmen in den einzelnen betrieblichen
Handlungsfeldern zu benennen. Sollten Ziele ggfs. nicht erreicht werden, sollte dies angesprochen und (öffentlich) begründet werden.
Eine über das gesetzliche Mindestmaß hinaus gehende Kommunikation mache es möglich,
einzelne Zielgruppen (z.B. Männer) gezielt anzusprechen und in die neue Unternehmensstrategie einzubinden.
 Kulturwandel als gesamtgesellschaftlicher Diskurs
Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen
und Männern an Führungspositionen bedeutet für viele Unternehmen, sich Veränderungsprozessen zu stellen – angestrebt wird nichts Geringeres als ein Kulturwandel. Doch die
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Unternehmen fragen sich, wie ihnen Veränderungen gelingen können, wenn tradierte Rollenbilder fortbestehen, es weiterhin an Rollenvorbildern fehlt und Deutschland das Land mit
dem größten Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigung ist.
Die Unternehmen sahen sich nicht in alleiniger Verantwortung, sondern plädierten für einen
gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Es bedürfe einer größeren Öffentlichkeit und einer „Allianz der Beschleuniger“. Denn „mehr Frauen in Führungspositionen“ betreffe die gesamte
Bevölkerung“, so ein Unternehmensvertreter. Hier sei auch die Politik gefordert, das Thema
kontinuierlich auf die öffentliche Agenda zu setzen.
3. Extern kommunizieren: Berichtspflichten
Nachstehend sind die zentralen Unternehmensfragen zu den Berichtspflichten zusammengefasst:
 Was muss berichtet werden?
Die Unternehmen, die von der Zielgrößenverpflichtung betroffen sind, müssen zunächst über
die festgelegten Zielgrößen zum Frauenanteil und die Fristen für deren Erreichung berichten. Formal verankert ist diese Pflicht in § 289a des Handelsgesetzbuches (HGB). Die Berichterstattung ist erstmalig auf Jahresabschlüsse anzuwenden, die sich auf Geschäftsjahre
mit einem nach dem 30. September 2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen.
Spätestens nach Ablauf des Geschäftsjahres, in welchem die Frist ausläuft, muss im Rahmen der Jahresabschlussberichterstattung über die Zielerreichung berichtet und ggf. erläutert werden, warum die Ziele nicht erreicht wurden.
 Wo ist zu berichten?
Unternehmen, die einen Lagebericht aufzustellen haben, müssen die Angaben künftig im
Rahmen einer Erklärung zur Unternehmensführung in ihre Lageberichte aufnehmen, die
nach § 325 HGB im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden.
Unternehmen, die nicht zur Offenlegung eines Lageberichts verpflichtet sind, müssen ebenfalls eine Erklärung zur Unternehmensführung erstellen und diese auf ihrer Internetseite veröffentlichen oder wahlweise – zum Beispiel, wenn das Unternehmen als Tochtergesellschaft
eines Konzern über keine eigene Internetpräsenz verfügt – freiwillig einen Lagebericht mit
den geforderten Angaben erstellen. Der Lagebericht ist im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und dort über das Unternehmensregister für jedermann einsehbar.
 Wie können freiwillige Ziele mit der gesetzlichen Zielgrößenpflicht in Einklang gebracht und kommuniziert werden?
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Viele Dax-Unternehmen haben sich bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe freiwillig Ziele für mehr Frauen in Führungspositionen gesetzt. Diese korrespondieren formal – bezogen auf Geschäftsbereiche, Regionen oder Führungsebenen –
nicht immer mit den gesetzlichen Anforderungen. Der Spagat entsteht für Unternehmen insbesondere dann, wenn Zielgrößen über mehrere juristische Personen (mehrere Tochtergesellschaften) hinweg in der freiwilligen Selbstverpflichtung definiert wurden und diese Form
im Rahmen der gesetzlichen Zielgrößenbestimmung nicht beibehalten werden kann.
Eine Vielzahl an Unternehmen entscheidet sich in der Folge für einen zweigleisigen Lösungsansatz: Sie werden ihre freiwillige Selbstverpflichtung zur Erhöhung des Frauenanteils
an Führungspositionen weiterhin konsequent innerhalb der gesteckten Fristen umsetzen und
diese sowohl intern als auch extern – in der Regel konzernübergreifend bzw. global – kommunizieren. Parallel dazu definieren sie Zielgrößen und Fristen – einige Unternehmen nutzen dabei auch Zielgrößenspannen – entsprechend den gesetzlichen Anforderungen und
folgen den Vorschriften zur Berichtspflicht. Dabei entscheidet sich eine Vielzahl der Unternehmen für eine jährliche Fristsetzung und Berichterstattung – ausgerichtet an den jeweiligen Geschäftsjahresabschlüssen.
 Wie werden die festgelegten Zielgrößen und Fristen geprüft?
Dass über die festgelegten Zielgrößen und Fristen entsprechend § 289a HGB berichtet wird,
wird nach § 317 Absatz 2 Satz 3 HGB durch den Abschlussprüfer geprüft und zwar unabhängig davon, ob die Erklärung zur Unternehmensführung in einem gesonderten Abschnitt
im Lagebericht und/oder auf der Internetseite des Unternehmens (mit einem entsprechendem Hinweis im Lagebericht) verfügbar gemacht wurde. Es besteht jedoch keine inhaltliche
Prüfungspflicht durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Es wird lediglich geprüft, ob die
Angaben vollständig sind und auf den ersten Blick nicht widersinnig erscheinen, oder ob ein
Verweis auf entsprechende Angaben im Internet vorhanden ist.
Die Berichtspflichten wurden letztlich eingeführt, um die Ambitionen der Unternehmen transparent zu machen, so dass die Öffentlichkeit hiervon Kenntnis nehmen kann und die weitere
Entwicklung nachhalten kann.
 An wen sollten Unternehmen kommunizieren?
Neben den Kunden, den Medien, den Beschäftigten sowie potentiellen Bewerbern und Bewerberinnen haben verstärkt Aktionärinnen und Aktionäre sowie Investorinnen und Investoren ein Interesse daran zu wissen, ob und wie Unternehmen mehr Frauen in Führungspositionen bringen wollen.
Die am Workshop beteiligten Unternehmen haben bereits erste Erfahrungen mit Investorinnen und Investoren gemacht, für die der Frauenanteil an Führungspositionen ein entscheidendes Investitionskriterium darstellt. Ein Beispiel einer Investorin aus den Niederlanden
zeigt: Unternehmen mit einem hohen Anteil von Frauen in Führung gehen seltener in Insolvenz und wirtschaften insgesamt profitabler.
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In Bezug auf die Personalgewinnung bestätigen die Unternehmen, wie wichtig es ist, sich im
Wettbewerb um die besten Köpfe als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Absolventinnen
und Absolventen informieren sich heute zunehmend in sozialen Netzwerken wie Xing und
Kununu über potentielle Arbeitgeber. Setzen Unternehmen hier Signale – über positive Bewertungen durch Beschäftigte etwa in den Themenfeldern Vielfalt, flexible Arbeitsorganisation oder Vereinbarkeit – können sie punkten.
In Anbetracht sich verändernder Märkte – Frauen stellen eine immer größer werdende und
einkommensstarke Kundengruppe dar – sind Nachhaltigkeit und Vielfalt in der Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden wichtige Aspekte, die zunehmend in die Kaufentscheidung, insbesondere von Frauen, einfließen.
4. Intern kommunizieren: Change Management
 Die Change Story erzählen
Viele Unternehmen stehen vor der Aufgabe, eine überzeugende Argumentation für die Veränderung der Unternehmenskultur zu entwickeln. Es müsse deutlich werden, dass es bei
den Bestrebungen, mehr Frauen in Führung zu bringen, nicht nur um einseitige Frauenförderung ginge, so die Einschätzung der am Workshop teilnehmenden Unternehmensvertreterinnen und -vertreter. Es seien harte wirtschaftliche Fakten, denen sich zukunftsfähige
Unternehmen stellen müssten: Die demografische Entwicklung und der Fachkräftebedarf,
die innovative Stärke von gemischt besetzten (Führungs-) Teams und veränderte Marktbedingungen sind objektive Argumente, die Ressource der hervorragend qualifizierten Frauen
– auch gerade in den Entscheidungspositionen – besser als bisher zu nutzen.
 Diversity zur Chefsache erklären
Wichtigste Voraussetzung für die Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfeldes, das Frauen
und Männern Führung ermöglicht, sei, dass „Diversity in die DNA eines Unternehmens implementiert wird“, so eine Unternehmensvertreterin. Diese gelinge nur dann, wenn es flächendeckend in alle Unternehmensprozesse integriert werde und „die Organisation durchdringt“. Praxisbeispiele der am Workshop beteiligten Unternehmen bestätigten diese Aussage. Vor allem das Top-Management ist gefragt, wenn es darum geht, Diversity in der Unternehmensstrategie zu verankern und zur Chefsache zu erklären. Um sowohl intern als auch
extern kontinuierlich über Vielfalt im Unternehmen zu informieren, plant zum Beispiel ein
Unternehmen, einen CEO-Blog zum Thema einzurichten.
 Agenten des Wandels identifizieren
Als weitere Erfolgsfaktoren im Transformationsprozess wurden in den Workshops ein standort- und konzernübergreifender Austausch zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ und
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die Identifikation von Unterstützerinnen und Unterstützern im Unternehmen genannt. Mitarbeiterbefragungen seien beispielsweise ein geeignetes Instrument, ein erstes Stimmungsbild
im Unternehmen zu erfassen. Außerdem lohne eine gezielte Stakeholder-Analyse. Gelinge
es nämlich, Fürsprecherinnen und Fürsprecher zusammenzubringen, könne die Umsetzung
von Maßnahmen zur Zielerreichung vereinfacht oder beschleunigt werden. Hierbei empfehle
es sich besonders, Führungskräfte aus den unternehmensspezifischen Geschäftsbereichen
für die Sache zu gewinnen. „Die Verantwortung für Diversity muss ins Business gehen“, so
die Erfahrungen aus der Praxis. „Dann wird auch der Business Case für (Gender-)Diversity
glaubhaft kommuniziert.“ Ebenso sei es erforderlich, bereits früh das mittlere Management in
den Prozess einzubeziehen, um Vorbehalten zu begegnen.
 Widerständen im Veränderungsprozess vorbeugen
Die Fähigkeit zur Veränderung (Wandlungsorientierung) zählt zu den Erfolgsfaktoren eines
Unternehmens. Doch überall dort, wo Menschen arbeiten, ist es mit der reinen Umsetzung
von Veränderungsvorhaben nicht getan: Der Mensch steht einem Wandel, sobald er ihn
persönlich betrifft, meist skeptisch und ängstlich gegenüber. Aktiver und passiver Widerstand sind die Folge. Gerade, wenn es um die Erhöhung des Anteils von Frauen an Führungspositionen geht, werden Widerstände zumeist nicht offen kommuniziert, denn Chancengleichheit ist in der Regel sozial erwünscht. In der Kommunikation gilt es also, Widerständen Beachtung zu schenken sowie widerstrebende Gruppen zu identifizieren und ihnen
nicht die Meinungsführerschaft zu überlassen.
Entscheidend ist es deshalb, zielgerichtet zu argumentieren. Beispielsweise lassen sich
Skeptikerinnen und Skeptiker in der Regel mit sachlichen Argumenten überzeugen und bestenfalls mit ins Boot holen. Denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die merken, dass ihre
Einwände zu einer besseren Lösung geführt haben, werden sich unter Umständen sogar
besonders stark engagieren. Die sogenannten „Bremserinnen und Bremser“ haben persönliche Vorbehalte und oft auch Ängste. Diese gibt niemand gern offen zu, daher eignet sich
das Vier-Augen-Gespräch am besten, um diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu überzeugen.
Die Beschäftigten, die mehr Frauen in Führung sowohl mit persönlichen als auch mit sachlichen Vorbehalten begegnen, lassen sich erfahrungsgemäß am wenigsten überzeugen. Hier
geht es vor allem darum, zu verhindern, dass „sie schlechte Stimmung machen und andere
auf ihre Seite ziehen“. Dem Pareto-Prinzip folgend, handelt es sich hierbei oft nur um einen
kleinen Teil der Belegschaft, für die 80 Prozent des Überzeugungsaufwands nötig wäre. Es
ist daher fraglich, ob es sich überhaupt lohne, sie zu überzeugen. Ein Tipp aus der Praxis
lautete in diesem Zusammenhang: Gelassenheit.
Weiterführende Informationen finden Sie im Praxisleitfaden zum Gesetz.
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