1 DAS ZIEL DER DEPORTATION IST DAS NICHTS DIE KINDER DES MUSA DAGH von Ferdinand Bruckner nach dem Roman von Franz Werfel 23. EUROPÄISCHE KULTURTAGE KARLSRUHE Wanderungen – Glück, Leid, Fremdheit Gabriel Bagradian Juliette, seine Frau Stefan, deren Sohn Pastor Aram Tomasian Iskuhi, seine Schwester Kebussian, Bürgermeister von Yoghonoluk Ter Haigasun, Lehrer und Priester Altouni, Arzt Gonzague Maris JANNEK PETRI AMÉLIE BELOHRADSKY a. G. JOHANNES SCHUMACHER LUIS QUINTANA MARTHE LOLA DEUTSCHMANN RONALD FUNKE KLAUS COFALKA-ADAMI SASCHA TUXHORN SVEN DANIEL BÜHLER Johannes Lepsius Enver Pascha, Kriegsminister Rifaat Bereket, Agha von Antiochia Ein deutscher Geheimrat Ein Scheich im Derwischkloster Ein junger Scheich GUNNAR SCHMIDT L UIS QUINTANA KLAUS COFALKA-ADAMI SASCHA TUXHORN RONALD FUNKE SASCHA TUXHORN und HADEER KHAIRI HANDO a. G. Regie Bühne & Kostüme Licht Dramaturgie Theaterpädagogik STEFAN OTTENI ANNE NEUSER CHRISTOPH PÖSCHKO MICHAEL GMAJ VERENA LANY Mit freundlicher Unterstützung PREMIERE 28.11.15 KLEINES HAUS Aufführungsdauer 2 Stunden 50 Minuten, eine Pause Aufführungsrechte: Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH, Berlin EUROPÄISCHE KULTURTAGE KARLSRUHE Regieassistenz CORNELIUS EDLEFSEN Bühnenbildassistenz MEGAN ROLLER, ANDREAS STOFFELS Kostümassistenz STEFANIE HOFMANN Soufflage DAGMAR WEBER Inspizienz JOCHEN BAAB Regiehospitanz LILIAN HAUPT, DAPHNE STADUS Kostümhospitanz ANNIKA FOLKE Dramaturgiehospitanz JULIA GONCHAR* Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühne Kleines Haus HENDRIK BRÜGGEMANN, EDGAR LUGMAIR Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton, Video JAN FUCHS, TILL MEILER, DIETER SCHMIDT Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Requisite CLEMENS WIDMANN Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Konstrukteur MICHAEL KUBACH Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, VALENTIN KAUFMANN, NICOLE EYSSELE Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske HATEY YALCIN, MARINA ZIEBOLD *Stipendiatin der European Theatre Convention aus der Ukraine Wir danken den armenischen Freunden in Berlin für historische Beratung und praktische Hilfe. Den Einwohnern des Dorfs Vakifli am Musa Dagh danken wir herzlich für ihre Hilfe und Gastfreundschaft. Navid Kermani, Katajun Amirpurr und Dr. Jörg Imran Schröter danken wir für praktische Beratung bei den Proben. Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. 2 Amélie Belohradsky, Jannek Petri 3 MUSA DAGH – GARTEN EDEN AM DER WELT ENDE ZUM HISTORISCHEN HINTERGRUND Der Musa Dagh, Berg des Moses, ein 1355 Meter hoher Gipfel im Südosten der heutigen Türkei, erhebt sich direkt am Mittelmeer, südlich der Küstenstadt Alexandretta, heute Iskenderun. Während des Völkermords an den Armeniern flüchteten sich 1915 rund 5000 Männer, Frauen und Kinder auf die natürliche Festung. Aus Hunderten von Dörfern und Städten im gesamten Osmanischen Reich war die armenische Bevölkerung ab April 1915 systematisch verhaftet, deportiert und auf Todesmärsche in die syrische Wüste geschickt worden. Der Musa Dagh war einer von vier Orten, an denen die Armenier Widerstand leisten konnten. Angeführt wurden sie von einem ehemaligen Offizier, Moses Der Kalousdian. Unter seinem Kommando schlossen sich die Bewohner der Dörfer Wakef, Yoghonoluk, Khedrbek, Haj Habibli und Keboussik zusammen. Sie errichteten 4 Steinwälle, verschanzten sich mit einigen hundert Jagdgewehren und den Vorräten, die sie aus ihren Dörfern hochtragen konnten, auf der Hochebene, und kämpften erbittert und geschickt gegen mehrere Versuche der osmanischen Armee, sie in den Tod zu schicken. In ihrer Not hissten die Armenier eine selbstgenähte Rotkreuzflagge, die noch heute im einem Museum in Anjar ausgestellt ist. Am 12. September 1915, einem von der französischen Armee schriftlich festgehaltenem Datum, näherte sich das französische Kriegsschiff Guichen der levantinischen Küste. Kurze Zeit später landeten drei weitere alliierte Schiffe, nahmen 4048 Menschen an Bord und brachten sie nach Port Said in Ägypten in Sicherheit. Dort wurden sie in einem provisorischen Flüchtlingslager untergebracht. Unter den Geretteten war auch ein Pastor namens Digran Andresian, der über die Kämpfe Buch geführt hatte. Es gibt noch weiter Berichte über den Musa Dagh. So schrieb der deutsche Major Graf Wolffskeel, von Enver Pascha zum Stabschef in der türkischen Armee ernannt, seinem Vater von den Vorkommnissen am Mosesberg: „Morgen geht es wieder los, diesmal nach Antiochia [heute Antakya] und von da an die Küste. Dort brennt es ein bißchen. Es sitzen dort eine Menge Armenier, die dem freundlichen Angebot der Regierung, sie anderweitig anzusiedeln, nur mangelhaftes Verständnis entgegenbringen und sich mit Kind und Kegel und leider auch mit zahlreichen Gewehren und Munition in den Bergen zwischen Antiochia und dem Meer festgesetzt haben, in der ausgesprochenen Absicht, sich da nicht vertreiben zu lassen. Wo sie jetzt stecken, kann man sie aber kaum brauchen. Denn eine bewaffnete Bande, natürlich feindlich gesinnt, würde die Verteidigung von Alexandrette [heute Iskenderun] im Rücken bedrohen. Nun ist die Schwierigkeit sie zu fangen nur die, dass man sie von der Meerseite aus angreifen muss. Dort liegen aber seit 8 Tagen sechs französische Kreuzer, die mit den Aufständischen in Signalverbindung stehen und unsere Truppen, sobald sie sich auf den meerwärts gelegenen Hängen zeigen, unter ausgiebiges Granatfeuer nehmen. Jetzt wollen wir uns die Sache einmal selbst ansehen. Zwei Schiffe voll haben die Franzosen schon neulich weggefahren. Wenns nach mir ging, könnten sie ja die ganze Gesellschaft haben. Ich fände es eine glänzende Lösung, wenn so viele Armenier wie irgend möglich das Land verließen unter der Bedingung niemals wiederzukommen. Den Türken geht es aber doch gegen den Strich, sie sich so unter der Nase weg fortführen zu lassen, also soll es verhindert werden. Meinetwegen verhindern wirs, im- mer vorausgesetzt, dass bis wir hinkommen nicht der Rest auch schon weg ist.“ Die Vorgänge auf dem Musa Dagh inspirierten den in Prag geborenen österreichischjüdischen Autor Franz Werfel, einen in Teilen fiktionalen Roman zu verfassen, den er Die vierzig Tage des Musa Dagh nannte. Werfel traf in Damaskus auf armenische Waisenkinder. Die Aufzeichnungen von Digran Andresian und die des deutschen Pastors Johannes Lepsius, deutscher Theologe und Gründer des Armenischen Hilfwerks, waren die wichtigsten Quellen für Werfels Roman. Um für die westlichen Leser eine bessere Identifikationsfigur zu schaffen, machte er aus dem Anführer Der Kalousdian den aus Armenien stammenden Franzosen Gabriel Bagradian, der wegen des Todes seines Bruders, der zum Musa Dagh zurückgekehrt ist, sich um dessen Erbe kümmern muss, und so mit seiner Familie in die schicksalshaften Ereignisse des Jahres 1915 hineingerät. Das Buch erschien 1933, wurde sofort zu einem Bestseller und in 18 Sprachen übersetzt. Mit Hitlers Machtergreifung wurde Werfel selbst zum Flüchtling, zuerst nach Wien, dann in die USA. Viele europäische Juden lasen das Buch in der Zeit der Naziherrschaft und verstanden es als Warnung vor ihrem eigenen Schicksal. Es ist nachgewiesen, dass Exemplare durch die jüdischen Ghettos von Hand zu Hand wanderten, den Internierten neue Hoffnung gaben und sie erfolgreich zum Widerstand motivierten. Der österreichisch-deutsche Schriftsteller und Theaterleiter Ferdinand Bruckner, bekannt für sein Stück Krankheit der Jugend, verfasste seine Dramatisierung von Werfels Roman 1940 im amerikanischen Exil. Das Stück mit dem Titel Die Kinder des Musa Dagh wurde damals nicht veröffent5 licht. Uraufgeführt wurde das Stück erst 1996 in Ingolstadt. Seit dem Völkermord leben fast alle in der Türkei verbliebenen Armenier in Istanbul, rund 65.000 sind es gegenwärtig. Das Dorf Wakef, heute Vakifli, ist eine Ausnahme: Heute leben dort noch rund 130 Armenier. Es ist das letzte armenische Dorf in der Türkei. Nach dem Sieg der Engländer und Franzosen über das mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündete Osmanische Reich, kehrten die meisten Dorfbewohner zum Musa Dagh zurück. Der Distrikt Alexandretta kam als Teil des Protektorats Syrien unter französisches Mandat. Die endgültige Vertreibung kam 1939. Die kurzzeitig als Republik Hatay von den Franzosen unabhängig gewordene Provinz ging kurz vor dem 2. Weltkrieg nach einer Volksabstimmung an die Türkei. Die Armenier vom Musa Dagh mussten sich entscheiden, ob sie bleiben oder in den von Frankreich kontrollierten Libanon umsiedeln wollten. Ein großer Teil hat sich damals in der libanesischen Bekaa-Hochebene im Dorf Anjar neu angesiedelt. Angesichts der kompletten Vernichtung aller armenischen Gemeinden auf dem Gebiet des osmanischen Reiches ist der Musa Dagh zum Symbol des armenischen Überlebenswillens geworden. Im ost-anatolischen Van wurden die Armenier durch das Voranrücken der russischen Armee gerettet. Der Musa Dagh steht für den einzigen Ort, an dem die westlichen Alliierten, im Krieg mit dem Osmanischen Reich, den Mord an Armeniern durch ihr Eingreifen verhindert haben. HIER IN DIESEM LAND BIN ICH GEBOREN. HIER MUSSTE ICH ZUHAUSE SEIN. ABER WIE? 6 Marthe Lola Deutschmann, Johannes Schumacher 7 AUFRUF WIDERSTAND ZUM ZUM INHALT Gabriel Bagradian kehrt nach 25 Jahren aus Paris in seine armenische Heimat am Fuße des Musa Dagh zurück, um die Erbschaftsangelegenheiten seines verstorbenen Bruders zu klären. Sein 13-jähriger Sohn Stefan und seine Frau Juliette, eine gebürtige Französin, begleiten ihn. Der Besuch in Yoghonoluk sollte nur kurze Zeit in Anspruch nehmen, aber während Gabriel mit Frau und Kind unterwegs ist, bricht in Europa der Erste Weltkrieg aus. Gabriel ahnt schon seit langem, dass die Situation in der Türkei für die Armenier gefährlich werden könnte. Der Versuch seine Familie zu überreden, ohne ihn nach Frankreich zurückzukehren, wird abgewiesen: Sohn Stefan ist so begeistert von den Armeniern und der eigenen neu entdeckten Herkunft, dass er nicht mehr weg will. Er zeichnet an einer Karte vom Musa Dagh, weil er festgestellt hat, dass das Gebiet nie kartografiert worden ist. Juliette fühlt sich im neu gefundenen „Paradies“ sicher vor den Kriegswirren. Gestützt wird sie dabei von Gonzague, einem amerikanischen Journalisten mit französischen und griechischen Wurzeln, der bei den Bagradians am Ende der Welt untergekommen ist. 8 Doch dieses Paradies bricht plötzlich zusammen, als zwei erschöpfte Armenier in dem Salon auftauchen – der junge protestantische Pastor Aram Tomasian und seine 19-jährige Schwester Iskuhi. Sie entkamen der Deportation aus der armenischen Stadt Zeitun. Das Mädchen ist von türkischen Milizionären vergewaltigt worden, zusammen mit Aram gelang ihr die Flucht. Obwohl es bei Todesstrafe verboten ist, Vertriebene bei sich aufzunehmen, lädt Gabriel die Flüchtlinge ein, in seinem Anwesen unterzukommen. Gabriel entscheidet sich, Rifaat Bereket, den Agha von Antiochia, der nächsten größeren Stadt, aufzusuchen und ihn um Rat zu fragen. An eine Rückkehr nach Frankreich ist nicht mehr zu denken, Gabriel fragt sich ob er seine Familie in Konstantinopel in Sicherheit bringen soll. Doch Rifaat informiert ihn darüber, dass in der Hauptstadt bereits erste Verhaftungen von armenischen Intellektuellen stattgefunden haben, Zeitungen verboten wurden, Restaurants geschlossen worden sind. Dort wären er und seine Familie noch viel gefährdeter. Auf die Frage von Gabriel, was Menschen zu solchen Taten antreibt, antwortet Rifaat nur: „Das Unerklärliche in uns und über uns“, und schenkt ihm eine alte armenische Münze mit dieser Gravur. Er rät Gabriel, sich zu verbergen und sich am Musa Dagh ruhig zu verhalten, bis der Krieg vorüber sei. Er selbst werde sich zwischenzeitlich für die Armenier stark machen. Währenddessen trifft der deutsche Pastor Johannes Lepsius, Gründer des Armenischen Hilfswerks in Konstantinopel auf Kriegsminister Enver Pascha. Lepsius ließ über Mittelsmänner eine Audienz arrangieren um Enver Pascha davon zu überzeugen, die Deportationen und die Gräueltaten an den Armeniern zu stoppen. Doch Enver lässt sich nicht umstimmen. Der Entwurf eines neuen, großen osmanischen Reiches, eines neu gestalteten ethnisch reinen Nationalstaates, ist ihm und den Jungtürken wichtiger als Menschlichkeit. Er informiert Lepsius darüber, dass das Ziel der Deportationen das Nichts sei, dass die Vertriebenen in der Wüste vernichtet werden. Im Hause Bagradian treffen sich die wichtigsten Vertreter des Dorfes: Der Bürgermeister Kebussyan, der Priester Ter Haigasun und der Arzt Doktor Altouni. Die Berichte über die Massaker beunruhigen die Dorfbewohner. Aber alle verharren in einer eigentümlichen Passivität. Vertreibungen gab es schon früher, man könne nichts tun, sagt der Bürgermeister. Lieber sollten sich alle ruhig verhalten, sich verstecken oder mit den Behörden ein Übereinkommen finden. Das habe bisher immer mehr genutzt, als sich zu wehren. Doch mit Gabriel ist ein Fremder in den Kreis eingetreten. Trotz des Rates von Rifaat schlägt er vor, sich auf dem Berg Musa Dagh mit Vorräten zu verschanzen und auszuharren. Anhand der gezeichneten Karte von Stefan zeigt er die Möglichkeiten auf, wie sich 5000 Menschen, die Bevölkerung von sieben Dörfern, auf dem Berg in Sicherheit bringen könnten. Nicht alle sind mit dem Vorschlag einverstanden. Doch durch die Überzeugungsarbeit von Pastor Aram und dem Priester Ter Haigasun können auch Kebussyan und Altouni umgestimmt werden. Mit lediglich einigen hundert Jagdgewehren und den Vorräten, die sie aus ihren Dörfern tragen können, verstecken sich die Armenier auf dem Berg und hoffen auf Rettung durch Schiffe der Alliierten. Auf einer Seite fällt der Berg direkt ins Meer ab. Mit ein wenig Glück könnten die Offiziere auf den Schiffen eine Flagge mit der Aufschrift „Christen in Not“ auf dem Berg erkennen, hoffen die Armenier. Johannes Lepsius versucht, nach dem gescheiterten Gespräch mit Enver Pascha, den deutschen Reichskanzler um Hilfe zu bitten. Deutschland ist Bündnispartner des Osmanischen Reiches. Doch empfangen wird er nur von einem Geheimrat, der den Kanzler entschuldigt. Er macht Lepsius klar, dass die deutsche Regierung aus diplomatischen Gründen kein Interesse hat das Verhältnis mit der Türkei zu gefährden. Er warnt ihn sogar davor, die Ereignisse in der Wüste publik zu machen, Lepsius´ Engagement in dieser Sache wäre politisch unerwünscht. Der sieht nur noch einen Ausweg: die Türken selbst um Hilfe zu bitten. Die wenigen Vorräte auf dem Berg und die lebensbedrohliche Lage setzen Spannungen zwischen den Widerständlern frei. Die osmanische Miliz greift die Wachposten an, die um die Ebenen aufgestellt wurden, auf denen die Bevölkerung in Zelten untergekommen ist. Doch Gabriel, als Armenier ein Reserveoffizier der osmanischen Armee, ist ein kluger Stratege und seine defensiven Maßnahmen zeigen Erfolg. Juliette fühlt sich dagegen im Lager ausgegrenzt. Nicht nur hat Gabriel keine Zeit, ihr die nötige 9 Aufmerksamkeit zu schenken, er bittet alle, sie nicht in die Arbeit oder die Kämpfe zu verwickeln, denn sie gehöre nicht zu den Armeniern, müsse als Französin aus allem herausgehalten werden. Gonzague versucht sie zu überreden, mit ihm zusammen vom Berg zu fliehen. Doch Juliette will bei Gabriel bleiben und ihn unterstützen. Gabriel fühlt sich zur jungen Iskuhi hingezogen. In dem Kampf um Identität und Zugehörigkeit steht sie ihm näher, als Juliette das jemals konnte. Es werden Boten ausgesucht, die ans Meer und zu den Botschaftern nach Aleppo geschickt werden sollen, um Hilfe für die Verschanzten zu erbitten. Der hitzköpfige Stefan besteht darauf, dass sein Vater ihn zum Boten wählt und auf die lebensgefährliche Wanderung schickt. Gabriel verbietet ihm das und schickt andere auf die Botengänge. Doch Stefan widersetzt sich der Entscheidung seines Vaters und begleitet seinen besten Freund Haik auf dem gefährlichen Gang. Rifaat Bereket reist zu Enver Pascha nach Konstantinopel und spricht bei ihm bezüglich der Geschehnisse auf dem Musa Dagh vor. Anscheinend hat der Widerstand größere Wellen geschlagen und wird in der Presse besprochen. Er will Enver davon überzeugen mit dem Morden der armenischen Bevölkerung aufzuhören und versucht ihn geschickt bei seinem Glauben zu packen und zumindest die Widerständler auf dem Musa Dagh zu retten. Doch auch Rifaat hat keinen Erfolg. Auf dem Musa Dagh rücken die türkischen Kämpfer mit Maschinengewehren vor. Unter den Zivilisten und Widerständlern gibt es in dem Dauerfeuer immer mehr Opfer zu beklagen. Doch Bagradian gelingt es, sie zu zurückzuschlagen und die wertvollen Waffen zu erbeuten. Im Sumpf ist Stefan derweil so erschöpft, dass er vom verschmutzten Was10 ser trinkt. Unterwegs kriegt er Fieber und lässt Haik seine Reise alleine fortsetzen. Bei dem Versuch, wieder zurück auf den Berg zu kommen, wird er von Türken aufgegriffen und dem nächsten Polizeiposten übergeben. Er wird als Sohn von Bagradian erkannt: sein Schicksal ist damit besiegelt. Lepsius sucht als letzte Möglichkeit die Hilfe von türkischen Geistlichen in einem Derwischkloster. Doch hier erklären ihm die Mönche, dass die türkische Regierung nur das tue, was ihnen von den kriegsführenden modernen Europäern vorgeführt wurde. Mit dem Argument „Der Tod ist eure Religion“, wird Lepsius´ dringliches Begehr ausgehebelt. Ein Hauptmann wird vorgelassen, der der versammelten Runde von den Gräueltaten in der Wüste berichtet. Lepsius fragt, ob es denn nicht eine Möglichkeit gäbe, zumindest den Menschen auf dem Musa Dagh zu helfen. Das wird mit den Worten des Proheten quittiert: „Wer zugunsten eines Verräters bei Gott einschreitet, ist selbst ein Verräter.“ Nach Hunger und Not in der Verteidigung der eigenen Stellungen erleben die Armenier auf dem Berg eine Krise der Gemeinschaft: Sie zweifeln an der Entscheidung, mit Gabriel auf den Berg gezogen zu sein. Die einzige Chance auf Rettung wäre ein Schiff der Alliierten, das zufälligerweise auf Patrouille an der Küste vorbeikäme. Als dann tatsächlich die von den Armeniern gehissten Flaggen von einem vorbei fahrenden französischen Kriegsschiff gesichtet werden, glauben die Kinder des Musa Dagh ihren eigenen Augen nicht. Ist es eine Fata Morgana des erschöpften Gehirns? „Gesiegt, gerettet!“, ruft Haigasun. Nach entsetzlichen Tagen des Widerstandes retten schließlich fünf alliierte Schiffe die gesamte Bevölkerung. Gabriel aber bleibt auf dem Berg zurück. Johannes Schumacher, Hadeer Khairi Hando, Jannek Petri, Ensemble 11 12 Johannes Schumacher, Amélie Belohradsky, Sven Daniel Bühler, Luis Quintana, Marthe Lola Deutschmann, Jannek Petri 13 ASCHUG – FRANZ WERFEL, DER ARMENISCHE ZUM AUTOR Der Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh erschien 1933 in Deutschland und machte Franz Werfel, geboren 1890, gestorben 1945, zu einem in der Welt gefeierten aber auch kontrovers diskutierten Autor. Für die Armenier machte Werfel ein Wunder wahr, als er nahm, was zu der Zeit nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte des Ersten Weltkriegs war – die Deportation und der Massenmord der armenischen Minderheit des Osmanischen Reiches – und daraus eine Erzählung erschuf, die die Entwicklungen in NaziDeutschland, als Hitler an die Macht kam, prophetisch vorwegnahm. Kurz zuvor, 1930, war Werfel eine etablierte Größe in den deutschen Buchhandlungen und der Literaturszene – es war bereits eine Biographie erschienen. Nach der Publikation seines dritten großen Romanes, Barbara oder die Frömmigkeit, heiratete er seine Partnerin, Alma Mahler, Wiens legendäre Muse, die Witwe Gustav Mahlers und ehemalige Ehefrau des 14 BARDE Architekten Walter Gropius. Sie ermutigte Werfel, der ein deutsch-böhmischer Jude war, ein wahrer Dichter zu werden. Das bedeutete nicht nur ein Lyriker zu sein, was er schon zu Beginn seiner Karriere war, sondern auch in den anderen Gattungen der deutschen Literatur zu brillieren. Werfel sagte einmal über sie: „Wenn ich die Alma nicht getroffen hätte – ich hätte noch hundert Gedichte geschrieben und wäre selig verkommen…“ Werfels Freund, der Schriftsteller Friedrich Torberg, beschrieb sie als eine „Frau von gewaltigem Kunstverstand und Kunstinstinkt. Wenn sie von jemandes Talent überzeugt war, ließ sie für dessen Inhaber – mit einer oft an Brutalität grenzenden Energie – gar keinen anderen Weg mehr offen als den der Erfüllung.“ Die Entstehung von Die vierzig Tage des Musa Dagh nahm ihren Anfang mit Werfels zweiter Reise in den Nahen Osten im Winter 1930. Nach der Besichtigung der Ruinen von Karnak reisten Werfel und Alma weiter über Palästina und Jerusalem nach Damaskus, begleitet von einer bewaffneten Wache als Schutz vor Banditen. Wie er es selbst zu Beginn seines Buches beschreibt, besichtigten die beiden eine Teppichmanufaktur. Dort arbeitete eine Gruppe von Kindern an Webstühlen. Viele von ihnen verkrüppelt oder entstellt. Als er sich beim Besitzer der Manufaktur über sie erkundigte, erzählte dieser ihm, es seien armenische Waisenkinder. Ihre Eltern seien den Massakern und den Todesmärschen im Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Diese Ereignisse waren keine Neuigkeit für Werfel. In den Jahren nach dem Krieg waren die Gräueltaten an den Armeniern in verschiedenen Berichten publik gemacht und besprochen worden. Die Erinnerung an den Anblick der Augen der Kinder ließ Werfel und Alma nicht mehr los. Als sie in den Libanon weiterreisten, bat Werfel seinen Fahrer immer wieder anzuhalten, um armenische Dorfbewohner zu interviewen, obwohl er mit Fieber zu kämpfen hatte. So erfuhr er mehr über die Dörfer der türkischen Provinz Hatay, die in der Nähe des Musa Dagh lagen. Man erzählte ihm, wie die Führer der Dörfer die Entscheidung getroffen hatten sich der Deportation zu widersetzen, und wie sie sich auf dem Mosesberg verschanzt hatten. Doch wie sein großes Idol Karl May konnte Werfel nie den tatsächlichen Schauplatz seines Romans besichtigen. Das Schiff, das ihn und Alma entlang der syrischen und türkischen Küste nach Istanbul brachte, kam dem Musa Dagh am nächsten. Auf dem Weg nahm der spätere Roman erste Formen an. Zurück in Wien im April 1930 traf Werfel seinen Freund, den französischen Botschafter in Österreich, Comte Bertrand Clauzel. Der Diplomat war mit Berichten über die Rettung der Armenier vom Musa Dagh durch alliierte Schiffe sehr vertraut und versprach, ihm geheime Dokumente der französischen Marine zu zeigen, die die Offiziere und Schiffe nannten, die an der Aktion beteiligt waren. Werfel besuchte zudem das Kloster und die Bibliothek des Mechitaristen-Ordens, einer Kongregation armenisch-katholischer Geistlicher, die bis heute im Kloster San Lazzaro in Venedig beheimatet sind. Hier fand er noch mehr historische Unterlagen über die Geschehnisse am Musa Dagh. Trotz Unterbrechungen durch andere Arbeiten und Reisen sammelte Werfel eine beeindruckende Menge an Hintergrundinformationen über das regionale Klima, die Geographie, Wirtschaft, seine Flora und Fauna der Gegend um den Musa Dagh. Über die folgenden zwei Jahre wurde er vertraut mit der türkischen und armenischen Geschichte, der Kultur, dem Nationalismus und auch der Küche beider Völker. Werfel beschäftigte sich auch mit der Geschichte der armenisch-apostolischen Kirche und dem Sufi-Mystizismus der türkischen Derwische, sowie den Bereichen der osmanischen Bürokratie und Militärs. Er wollte die Türken, wie auch die Armenier objektiv beschreiben, was sich schon in Notizen in seinem frühen Manuskript zeigt: „Polemisiere nicht gegen die Türken.“ „Auch der armenische Hass gegen die Türken. Irgendwo muss Enver auch recht haben.“ „Achtung. Die Türken dürfen nicht allzu fahrig und militärisch hoffnungslos verloren erscheinen. Alle ihre Handlungen müssen gut begründet sein.“ Diese letzten Punkte beziehen sich vor allem auf die öffentliche Meinung in der Türkei, dass der europäische Einfluss und Kolonialismus die Politik des Osmanischen Reiches gegen die Armenier und den na15 tionalen Stolz auf das eigene Militär stark bestimmt hat. Werfel hat keine Mühen gescheut, detailliert über die Kämpfe am Musa Dagh zu recherchieren. Seine Beschreibungen der Gräueltaten an den Armeniern kamen zumeist von deutschen Quellen: Augenzeugenberichte von Krankenschwestern, Diplomaten, Offizieren, die zu der Zeit in den von den Armeniern bevölkerten Gebieten anwesend waren. Die wichtigsten Quellen, die er fast wörtlich übernahm, waren die des deutschen Pastors Johannes Lepsius und von Dikran Andreassian, einem armenischen protestantischen Pastor dessen Waisenhaus zwangsweise von den Türken geschlossen, und dessen Kinder nach Mesopotamien deportiert wurden. Mit wenigen Gegenbeweisen türkischer Quellen beschrieb Werfel die Jungtürken als die Verantwortlichen für die Deportationen und den Tod unschuldiger Menschen. Er porträtierte ihren inneren Kreis mit einem klaren Ziel vor Augen, bestens vertraut mit dem europäischen Sozialdarwinismus. Innenminister Talaat Bey nutzte gezielt eine europäische Wortwahl um die Vernichtung eines ganzen Volkes zu beschreiben, noch lange bevor der Begriff Völkermord benutzt wurde. Dieser wurde erst 1944 von Raphael Lemkin geprägt und ist im Rahmen der Resolution für die UNO, in der Völkermord als Straftatbestand aufgenommen worden. Werfels Roman zeigt aber nie, dass ein Befehl zum Völkermord erteilt wurde, er beschreibt wie eine funktionierende Bürokratie, in der nie alles final ausgesprochen wird, zum zentralen Nervensystem des Bösen werden kann. Werfel begann seine Arbeit am Roman im Juli 1932 in Almas Sommerhaus in Brei16 tenstein am Semmering, mit dem Blick aus seinem Schreibzimmer auf die österreichischen Berge. So kann der Beginn des Romans als Allegorie auf den glücklichen Sommer im Hause Mahler gelesen werden. Wie Lionel Steinman bemerkte, zeichnete Werfel den voll assimilierten Gabriel Bagradian nach seinem eigenen Vorbild und dessen Frau Juliette nach Alma Mahler. Steinman schrieb dazu, dass es „ein Dokument über das Leben des Autors war“, genauso wie es eins über den Völkermord an den Armeniern war. Werfel ließ sich von seinem eigenen Familienleben inspirieren. Alma Mahlers erwachsene Tochter, Manon Gropius, wurde Vorbild für das armenische Mädchen Iskuhi. Im Mai 1933 vollendete er die erste Fassung des Romans. Er gab das Manuskript seinem langjährigen Freund Ernst Polak zu lesen. Diesem fiel auf, dass die Figuren sich an vielen gemeinsamen jüdischen Bekannten orientierten und weniger an den Armeniern der damaligen Zeit. Obwohl Werfel einiges umschrieb, sind noch viele darin erkennbar. Die, die den Roman in den 1930ern gelesen haben, konnten in den Jungtürken die Nazis ihrer Zeit erkennen, in den Türken die Deutschen, und in den Armeniern die europäischen Juden. Einige Leser sahen diese unausweichliche Verbindung als Provokation, so dass viele die armenische Tragödie dabei vergaßen. Werfel wollte diese Leserschaft gezielt ansprechen. Deutlich wird das durch die Verwendung der Begriffe wie „Rasse“, „Blut“ oder „Volk“, die die Nazis inflationär in der Manipulation der Bevölkerung verwendet haben. Er wollte die deutschen Leser dazu bewegen den Rassendiskurs zu hinterfragen. Vor Veröffentlichung des Romans, im Herbst 1932 ging er auf Lesereise und trug das Kapitel, in dem Johannes Lepsius Marthe Lola Deutschmann, Johannes Schumacher, Hadeer Khairi Hando, Sven Daniel Bühler, Luis Quintana, Sascha Tuxhorn, Klaus Cofalka-Adami 17 auf Enver Pascha trifft, vor. Es zeigte nicht nur, dass viele Deutsche sich dafür engagierten, die Armenier zu unterstützen und das Morden zu stoppen, sondern Enver Pascha benennt auch das „Judenproblem“ Deutschlands – so hielt Werfel den Deutschen den Spiegel vor. In einigen Städten bedankten sich die Besucher mit großem Applaus, in anderen unterbrach ihn die SA mit Trillerpfeifen. Es wird sogar berichtet, dass Werfel seine Lesereise verkürzen musste, weil er in Nürnberg nach einem Auftritt zusammengeschlagen wurde. Trotz der Bücherverbrennung 1933, bei der auch Werke von ihm ins Feuer geworfen wurden, arbeitete Werfel ruhig weiter und vollendete den Roman im Oktober des gleichen Jahres. Doch das Buch wurde nicht in der von Werfel bisher zu erwartenden großen Auflage gedruckt. Sein Verlag informierte ihn darüber, dass es in kleiner Auflage herausgegeben wird, da seine Bücher noch immer verbrannt würden. Es muss als kleines Wunder gesehen werden, dass das Buch überhaupt in Deutschland veröffentlicht wurde. Die Buchläden stellten das Buch nicht aus, keine Anzeigen oder Besprechungen wurden in den Feuilletons publiziert. Auf einigen Exemplaren wurde sogar Werfels Name unkenntlich gemacht, damit keiner den jüdischen Urheber des Werks erkennt. Die Nazis verlangten ein Verbot des Buches. Die Parallelen zwischen den Jungtürken und den Nazis waren offensichtlich. Türkische Autoren beklagten sich über Ungenauigkeiten und die Beleidigung ihrer Nation. Und in Österreich, in dem der Verlag dem Türkischen Botschafter ein Exemplar schenkte, um zu zeigen auf was für eine respektvolle Art und Weise die Türken im Buch gezeichnet werden, war dessen öffentliche Reaktion ein Desaster. Im Februar 1934 wurden alle 18 Exemplare des Buches eingezogen, nachdem es von den Behörden als Gefahr für die öffentliche Ordnung angesehen wurde. Die Neuigkeit erreichte Werfel in einem Hotel an der italienischen Riviera, wo er sich oft im Winter zum Arbeiten aufhielt. Kurz nach dem Verbot wurde der Roman ins Englische übersetzt und so einem neuen Markt erschlossen. Zwischen Winter und Frühling 1934 gab es weitere erfreuliche Nachrichten: Irving Thalberg von der amerikanischen Filmproduktionsfirma MGM hatte sich die Filmrechte gesichert und ließ an einer Drehbuchadaption arbeiten. Thalberg schätzte die Mischung der Themen Liebe und Krieg im Roman, die ihn davon überzeugte, dass es ein großer Erfolg in den Kinosälen werden könnte. Nach Wochen der Verhandlungen, in welchen Werfel sich das Recht sicherte, jede Adaption abzusegnen, einigten sich die beiden Parteien auf eine Summe von 20.000 Dollar. Doch MGM wurde von seinem Rechtsberater gewarnt, dass die Produktion eines solchen Filmes nicht möglich wäre, ohne die Türken oder sogar andere Völker zu beleidigen. Den deutschen Text mit den genauen Beschreibungen der Gräueltaten mit solchen Bildern zu verfilmen wäre ein Angriff auf die türkische Nation gewesen. Es wegzulassen eine Beleidigung der Armenier. Obwohl die Türkei ein sehr kleiner Markt für MGM war, erkannte die Firmenführung die Wichtigkeit eines diplomatischen Vorgehens. David O. Selznick wurde als Filmproduzent bestimmt. Er schlug ein Drehbuch vor, das nur einen einzelnen türkischen Antagonisten hatte, der für die Taten verantwortlich und somit weniger kontrovers gewesen wäre. Die Hauptrolle von Gabriel Bagradian sollte Clark Gable anvertraut werden, noch bevor er als Rhett Butler in Vom Winde verweht zum Weltstar wurde. Die Regie sollte Rouben Mamoulian, amerikanischer Filmregisseur mit armenischen Wurzeln, übernehmen. Im November 1934 wurde die türkische Botschaft in den USA über eine Pressemeldung darauf aufmerksam, dass ein großes Filmstudio vorhatte, den Roman zu verfilmen. Der damalige Botschafter Mehmet Munir Ertegun verstand die Macht des Kinos und wie gefährlich eine solche Verfilmung für das neue, moderne Bild der Türkei werden könnte und setzte sich persönlich dafür ein, die Produktion des Filmes zu stoppen. Nachdem sich das amerikanische Aussenministerium auf die Seite Erteguns stellte, ließ MGM das Vorhaben fallen. Trotzdem wurde das Buch auf dem englischsprachigen Markt zu einem Bestseller. Als Werfel zusammen mit Alma anlässlich der Premiere seines Stückes am Broadway Der Weg der Verheißung nach New York reiste, begrüßte die armenische Gemeinschaft die beiden herzlich und ehrte sie mit gesellschaftlichen Empfängen, in denen Werfels Engagement gelobt wurde. Ein armenischer Priester drückte es so aus, dass Werfel seinem Volk eine Seele gegeben habe und der Welt gezeigt hatte, welche Verbrechen gegen die Armenier verübt worden sind. Heute steht in jedem armenischen Bücherschrank ein Exemplar des Romans. Werfel, ein Mann der von Mystik und Heiligenfiguren fasziniert war, ist fast selbst zu einem armenischen Heiligen geworden. Auf jeden Fall ist er ihr „aschug“, ihr Geschichtenerzähler und Barde. DANN WIRD ES ZEIT, EIN NEUES HELDENLIED ZU DICHTEN: ZU LEBEN UND ZU UBERLEBEN 19 20 Amélie Belohradsky, Sven Daniel Bühler, Johannes Schumacher, Marthe Lola Deutschmann, Jannek Petri, Luis Quintana, Klaus Cofalka-Adami, Ronald Funke, Sascha Tuxhorn 21 AGHET – DIE KATASTROPHE DER VÖLKERMORD AN DEN ARMENIERN Henry Morgenthau, der amerikanische Botschafter in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, telegrafierte am Abend des 31. Juli 1915 an das State Department in Washington: „Dr. Lepsius hat aus verlässlicher Quelle erfahren, dass Armenier, zumeist Frauen und Kinder, deportiert aus dem Erzurum-Gebiet, nahe Kemah zwischen Erzincan und Harput massakriert worden sind.“ Johannes Lepsius, der Vorsitzende der vom Auswärtigen Amt unterstützten Deutsch-Armenischen Gesellschaft, war am 24. Juli in der osmanischen Hauptstadt eingetroffen. Der zitierte Bericht über das Massaker in der KemahSchlucht gehörte zu den ersten Schreckensmeldungen, die Lepsius hier von den beiden Augenzeugen Thora von Wedel und Eva Elvers erfuhr. Am 21. Juli waren die Krankenschwestern bei Generalkonsul Mordtmann in der deutschen Botschaft erschienen, um ihm über das zu berichten, was sie erlebt hatten. Seit dem Beginn des Weltkrieges hatte sich die Stimmung gegenüber den osmanischen 22 Armeniern spürbar verschlechtert. Im späten Frühjahr 1915 begann eine systematische Deportation der armenischen Bevölkerung aus dem Osten Anatoliens. Das alles blieb nicht unbemerkt. Überall im Land gab es deutsche Konsulate, Militärs, Missionsstationen, Mitarbeiter der Bagdadbahn, die an die Botschaft in Istanbul berichteten, was sie im Innern des Landes beobachten konnten. Bereits am 6. Juni hatte Mehmet Talaat, der osmanische Innenminister, Generalkonsul Mordtmann offen erklärt, es sei die Absicht seiner Regierung, den Weltkrieg zu benutzen, „um mit ihren inneren Feinden – den einheimischen Christen aller Konfessionen – gründlich aufzuräumen, ohne durch diplomatische Interventionen des Auslands gestört zu werden.“ Botschafter Hans von Wangenheim telegraphierte am 7. Juli an Reichskanzler Theobald von BethmannHollweg auf der Grundlage von präzisen Informationen, es stehe nun außer Zweifel, „dass die Regierung tatsächlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reiche zu vernichten“. Wangenheim, ein geschulter Diplomat, würde ein solches Urteil über einen Kriegsverbündeten nicht leichtfertig fällen. Zivilisten waren im 1. Weltkrieg und in den vorausgegangenen Balkankriegen, von Anfang an Ziele der Kriegsführung. Das Osmanische Reich hatte 1912/13 fast alle europäischen Territorien verloren. Vor allem aber waren die Kriege auf dem Balkan ethnische Feldzüge, die in die Hunderttausende gehende Todesraten unter den Betroffenen aller Ethnien und Religionen verursachten, und eine Kultur der unkontrollierten Gewalt gegen die Zivilbevölkerungen zum akzeptierten Mittel der Politik werden ließen. Die Ankündigung des Innenministers Talaat bedeutete aber weit mehr als die einer kriegsbedingten Deportation. Es war die Ankündigung einer neuen Ordnung nach dem Krieg, die man nur erreichen konnte, wenn man die sogenannten inneren Feinde nicht nur in andere Regionen des Landes deportierte, sondern sie regelrecht verschwinden ließ. Eine solche innenpolitische Radikalmaßnahme hatte es bisher in der Geschichte nicht gegeben. Es ging um eine Politik der gezielten Vernichtung, der allein während 1915/16 etwa 1,1 Mio. Armenier und in geringerem Ausmaß auch andere orientalische Christen zum Opfer fielen. Wahrscheinlich mehr als 150.000 Armenier überlebten durch Zwangskonversion zum Islam. Einer unbestimmten Zahl gelang die Flucht, meist über die russische Grenze. Die direkte physische Vernichtung setzte im Osten Anatoliens oft schon unmittelbar nach der Vertreibung aus den Dörfern und Städten ein und betraf in diesem Stadium in erster Linie Männer. Die langen Zwangs- deportationen gingen dann unterwegs mit kalkuliert hohen Todesraten einher. In den meisten Fällen hatten sie die mesopotamische Wüste zum Ziel, in der ein Überleben ohnehin so gut wie unmöglich war, was einer systematisch durchdachten und die Erfahrungen früherer osmanischer Praktiken aufnehmenden Absicht folgte. Es waren die von Franz Werfel geschilderten Tage der Belagerung auf dem Musa Dagh, als Johannes Lepsius am 10. August 1915 durch Vemittlung des Auswärtigen Amts und der deutschen Botschaft zu einer Audienz bei Kriegsminister Enver Pascha empfangen wurde. Die Hintergründe dieses keineswegs selbstverständlichen Treffens sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Mit Sicherheit hatte die deutsche Reichsregierung zu diesem Zeitpunkt ein hohes Interesse daran, mäßigend auf ihren türkischen Bündnispartner einzuwirken. Die deutsche Botschaft in Istanbul allerdings bezweifelte jede Aussicht auf Erfolg. Enver seinerseits war an einer gewissen Rückendeckung der Deutschen gelegen, bis zunehmende Erfolge bei der Verteidigung der strategisch wichtigen Dardanellen und das damit verbundene wachsende türkische Selbstbewusstsein dazu führten, jede Rücksichtnahme fallen zu lassen. Johannes Lepsius hat ein Protokoll des Gesprächs im Kriegsministerium angefertigt. „Ich übernehme die Verantwortung für alles“, sagte der 33-jährige Enver in fließendem Deutsch, als ihn Lepsius auf die Vorgänge im Innern ansprach, und holte dann zu einem langen Vortrag aus, in dem er über die militärischen Notwendigkeiten dozierte, die in der Kriegszeit das Vorgehen gegen die revolutionären Elemente des Reichs zur Pflicht gemacht hätten. „Ich selbst glaube nicht an eine armenische Ver23 schwörung“, hielt ihm Lepius entgegen und fragte, ob es denn dafür handfeste Beweise gäbe. Enver antwortete: „Dessen bedarf es nicht, wir kommen selbst von der Revolution her und wissen, wie so etwas gemacht wird.“ In dem Enver dieses Gesprächs hat Franz Werfel einen Typus wiederentdeckt, der ihm auf eine irritierende Weise vertraut vorkam, seit Franz Kafka ihm im Dezember 1914 seine noch unveröffentlichte Erzählung In der Strafkolonie vorgelesen hatte. Der dort geschilderte Offizier, der eine Foltermaschine verwaltet, war keineswegs roh oder grausam. Er war amoralisch. Als Psychogramm der jungtürkischen Führungsschicht war diese Charakterisierung keineswegs überzogen. Sie bestand aus Männern mit einer, wie Werfel schreibt, „fassungslosen Verehrung“ für alles Moderne. Norman Naimark bezeichnete sie als Avantgarde einer künstlich importierten Hochmoderne in einem vormodernen Staat. Sie verfügten dabei über absolut funktionale Moralvorstellungen. „Ich bin der Überzeugung, dass die Welt es bewundert und moralisch für gerechtfertigt hält, wenn eine Nation die eigenen Interessen an die erste Stelle setzt und damit Erfolg hat“, pflegte Innenminister Mehmet Talaat, der zweite Hauptverantwortliche für die Armenierverfolgungen, zu sagen. Er wurde von Zeitgenossen als ein vollkommen irreligiöser, kühl berechnender Mensch beschrieben, dessen Blicke nie etwas über seine Absichten verrieten. Werfel beschrieb Enver, als das Beispiel einer „atemberaubenden Gattung“, wie Kafkas Offizier, die „alle Sentimentalität überwunden hat“ und deshalb „außerhalb der Schuld und ihren Qualen steht“. Enver wurde mit solchen der deutschen Politik vorerst noch fremden Gedankengängen zu einem Vorbild für Adolf Hitler, der sich im Prozess vor dem Münchner Volksgericht 1924 u. a. ausdrücklich auf ihn und Mussolini berief. 24 Enver, so Hitler vor dem Gericht, hatte eine neue Nation aufgebaut und das multikulturelle Gomorrha Konstantinopel erfolgreich entgiftet. Das zeigte eine tiefe Übereinstimmung in grundlegenden politischen Säuberungsphantasien. Hitlers „erwachendes“ Deutschland sah in den nationalradikalen Jungtürken ein wahlverwandtes Vorbild. Hitler kommentierte schließlich den Völkermord an den Armeniern in einer Geheimrede auf dem Obersalzberg am 22. August 1939, kurz vor dem Überfall auf Polen, mit den Worten: „ Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“ Wie Enver und Talaat betrachtete er den Erfolg im „Existenzkampf“ als höchsten moralischen Maßstab und setzte auf das Vergessen. Im Sommer 1916 veröffentlichte Johannes Lepsius einen dreihundertseitigen Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei mit einer präzisen Darstellung der Zeitabläufe und der regionalen Ereignisse sowie genauen Statistiken, die noch heute der Forschung als Grundlage dienen, und einer ausführlichen Analyse der Ursachen. Trotz der drohenden Militärzensur gelang es ihm, 20.500 Exemplare davon privat zu drucken und im ganzen Deutschen Reich verteilen zu lassen. Lepsius war sich bewusst, dass wenn überhaupt, nur die breiteste Öffentlichkeit etwas bewirken konnte. Am 7. August 1916 wurde die Broschüre verboten, nachdem sie bereits ausgeliefert worden war. Ein wesentliches strategisches Motiv des Völkermords bestand darin, so die jungtürkische Schriftstellerin Halide Edib in ihren Memoiren, die wirtschaftliche Vorherrschaft der Armenier mit dem Ziel des Aufbaus einer „nationalen“ Bourgeoisie zu brechen, und die Enteignungen waren, neben dem Beitrag, den sie zur Finanzierung des Krieges leiste- ten, dafür so etwas wie eine ursprüngliche Kapitalakkumulation. Das war nicht ohne langfristige Risiken, die man aber zu Gunsten höherer nationaler Ziele und als existenziell notwendiges Vabanquespiel in Kauf nahm. Genozide sind grundsätzlich Heilsverbrechen. „Nach dem, was ich von türkischen Freunden höre“, berichtete der deutsche Vizekonsul Hoffmann im November 1915 aus Isenderun, „verkennt man auf türkischer Seite nicht den großen wirtschaftlichen Verlust durch Ausmerzung der Armenier und die Schwierigkeiten ihrer Ersetzung durch Muhammedaner, hält aber einen allmählicheren und friedlicheren Weg für ungangbar, weil bei jedem friedlichen Wettbewerbe der wirtschaftlich schwach begabte und unausgebildete türkische Muhammedaner sehr bald wieder unter die Räder geriete. Meine türkischen Freunde hoffen daher, dass diese schweren Operationen am Körper der türkischen Volkswirtschaft zu guter Letzt doch eine Gesundung des Reichs in muhammedanisch-türkischem Sinn herbeiführen werden.“ Die damit verbundenen gewaltsamen Enteignungen geschahen mit der aktiven Beteiligung eines nicht unbeträchtlichen Teils der Bevölkerung, der vor allem durch Raub extrem gewalttätige Züge entwickelte. Der Weg in die Wüste glich, wie der deutsche Offizier und ehemalige Konsul in Täbris, Wilhelm Litten, dem Konsulat in Aleppo Anfang Februar 1916 in einem langen Bericht schilderte, einem „Weg des Grauens“. Überall entlang der Bahnlinie hinter Deir es-Zor am Euphrat sah Litten auf dem Weg nach Aleppo Leichen in den Feldern oder am Bahndamm liegen, blutige und halbgebleichte Skelette, herumliegende Wäschefetzen, Kleidungsstücke und Reste von Hausrat. Die Leute waren verhungernd umhergeirrt, viele in einer der kalten Winternächte erfroren. Zwischen Sabha und Meskene begegnete er den ersten Zügen von Vertriebenen. „Ein großer Armeniertransport war hinter Sabha an mir vorbeigekommen, von der Gendarmeriebedeckung zu immer größerer Eile angetrieben“, so Litten, „und nun entrollte sich mit in leibhaftiger Gestalt das Trauerspiel der Nachzügler. Ich sah am Wege Hungernde und Dürstende, Kranke, Sterbende, soeben Verstorbene, Tausende neben den frischen Leichen; und wer sich nicht schnell von der Leiche des Angehörigen trennen konnte, setzte sein Leben aufs Spiel, denn die nächste Station oder Oase liegt für den Fußgänger drei Tagesmärsche entfernt. Von Hunger, Krankheit, Schmerz entkräftet, taumeln sie weiter, stürzen, bleiben liegen.“ In Fall der historischen armenischen Provinzen Ostanatoliens konnte Innenminister Mehmet Talaat bereits im August 1915 gegenüber der deutschen Botschaft in Istanbul verkünden: „la question arménienne n’existe plus“, die armenische Frage existiert nicht mehr. Eine zweite Welle von Massakern fand 1916 in der mesopotamischen Wüste statt. Für die Armenier war das „Aghet“, die große Katastrophe – für die syrischen Christen, die in der Regel ohne Deportation vor Ort den Tod fanden, „Sayfo“, das Jahr des Schwerts. Und nun listete Litten minutiös auf, was er im Einzelnen gesehen hatte. Am 31. Januar 1916 war er um 11 Uhr vormittags in Der ez Zor abgefahren. Nach drei Stunden Fahrt begann eine „grauenvolle Leichenparade“ entlang des Wegs, die sich bis zum 4. Februar, also fünf Tage, fortsetzte. Litten beobachtete am 31. Januar um 1 Uhr nachmittags eine junge Frau, die mit dem Rücken nach oben nackt am Boden lag. Eine halbe Stunde später einen auf dem Rücken liegenden nackten Greis und einen nackten Jüngling, „linkes Gesäß herausgerissen“. Um 2 Uhr fünf frische Gräber, 25 fünf Minuten später ein Mann mit blutenden entblößten Geschlechtsteilen. Zwei Minuten später ein Mann in Verwesung. Eine Minute später ein Mann mit angefressenem Oberkörper. Und so ging es weiter, die ganze fünf Tage lange Strecke über Tibni, Sabha, Hamam, Abu Herera und Meskene bis nach Aleppo. Es war Winter, auch im Orient. Die Nächte waren oft frostkalt. Am 6. Februar 1916 vermerkte Litten starken Schneefall in Aleppo. All das ließ sich weder durch Exzesse noch durch spontane kriminelle Handlungen erklären. Es handelte sich, wie Lepsius es formulierte, um die Folgen einer politischen Verwaltungsmaßnahme, die sich allerdings außerhalb jeder Regel der Rechtsstaatlichkeit vollzog. Der Parteitag des in Istanbul herrschenden jungtürkischen Kommitees für Einheit und Fortschritt sprach im Herbst 1916 rückblickend in aller Offenheit davon, dass die alte osmanische Politik der „Einigkeit der Bevölkerungselemente“ Bankrott gemacht habe und deshalb seit einiger Zeit eine „Ära der Säuberungen“ angebrochen sei. Die meisten Zeitgenossen verstanden die bevölkerungspolitische Modernität der Zielsetzungen dieses Genozids jedoch nicht, weil sie ihre Augen hauptsächlich auf die barbarischen Methoden richteten, mit denen er durchgeführt wurde. In Wirklichkeit lag dem aber ein Denken in machtpolitischen Abstraktionen zugrunde, das zwangsläufig zu einer Dehumanisierung der Weltbilder führen musste. Aus Menschen wurden „Bevölkerungen“ und aus Gemeinschaften Komponenten größerer demografischer Aggregate, die nun von berechnenden Konstrukteuren neuer Sozialwelten „höheren“ politischen Zielen unterworfen werden konnten. Nach dem 1. Weltkrieg stellte sich zum ersten Mal die Frage, ob die Welt nicht in Fällen von groben Menschenrechtsverletzungen durch Staaten eine internationale Rechtsordnung benötigte. Diese wurde erst nach dem 2. Weltkrieg und dem Genozid an den europäischen Juden geschaffen. SIE SPRACHEN VON BEVOLKERUNG, HERR LEPSIUS, DIE ARMENIER SIND KEINE BEVOLKERUNG 26 Gunnar Schmidt, Luis Quintana 27 & VERLUST VERMÄCHTNIS ÜBERLEBENDE ERINNERN SICH Von 1989 bis 1996 gelang es Mirhan Dabag und Kristin Platt vom Institut für Diasporaund Genozidforschung an der Ruhruniversität Bochum, rund 140 autobiographische Gespräche mit Überlebenden des Völkermords an den Armeniern zu dokumentieren. Im Folgenden sind Ausschnitte zweier Berichte abgedruckt: Das Interview mit Aram Güreghian wurde 1989 in Paris aufgezeichnet, wo er als Goldschmied tätig war. 1904 in Sepastia geboren, ist er mit 11 Jahren mit seiner Familie deportiert worden. Ihm gelang die Flucht nach einem Zwangsmarsch von ca. 700 km. Bis zum Ende der Massaker hat uns die Regierung kein Gramm Brot gegeben, kein einziges Brot. Es war ein sehr schwerer Weg. Sand, Staub. Lange, lange liefen wir in Gruppen, liefen Person hinter Person. Immer wieder geschah etwas. Doch haben wir nicht alles mitbekommen. Aber wenn wir 28 uns hinsetzten, dann sprachen wir miteinander. Man erzählte sich, dass dieser oder jener zurückgeblieben sei. Wer zurückblieb, war von den Gendarmen getötet worden. Andere wurden von Kurden oder Türken überfallen, die das raubten, was die Menschen noch bei sich trugen. Solche kleinen Geschichten, wenn man „kleine“ sagen darf, haben sich jeden Tag zugetragen. Und sie führten uns in die Wüste. Es war die ganzen Tage über schrecklich heiß. Es war August, als wir von Sepastia aus aufgebrochen sind. Tagsüber wurde es sogar 50 Grad heiß. Es war eine schreckliche Hitze. Meine Mutter hatte so viel Wasser mitgenommen, wie wir nur tragen konnten. Flaschen und andere Behälter, alles, was wir hatten, hat sie mit Wasser gefüllt. In der Wüste ging die Gruppe irgendwie. Da war kein Weg. Der Weg waren die Leichen. Wir sind an Leichen entlang durch die Wüste gegangen. Überall Leichen. Das waren nicht nur Leute aus Sepastia, das waren Menschen aus vielen, vielen anderen Orten, Menschen anderer Gruppen, die dort in der Wüste lagen. Aber das hat sich erst später ereignet. Ich erinnere mich an diesen schrecklichen Geruch. Leichen. Tote. Es gab Leichen, die enthauptet worden waren. Man hat Geld gesucht, das die Menschen vielleicht verschluckt hatten. Die Frauen. Deshalb hat man ihnen die Köpfe abgeschnitten und die Bäuche aufgeschnitten. Es gab Leichen, die unter der Sonne lagen und so sehr, bei der Hitze, sie waren so sehr aufgedunsen – schrecklich. Ich habe das alles gesehen. Weil wir an ihnen vorbeigingen. Zum Glück hatten wir das Wasser, das meine Mutter mitgenommen hatte. Ich habe Mütter gesehen, die schon gestorben waren, ihre Babys lagen jedoch noch neben ihnen. Wir haben viele Mütter gesehen, die im Sterben lagen, mit ihren Babys und ihren kleinen Kindern. Weil es unmöglich war, unter dieser Sonne zu gehen. Es war schrecklich. Unbeschreibbar. Obwohl ich es vor mir sehe. Für das, was wir gesehen haben, gibt es keine Worte. Bis heute erinnere ich mich an den Körper meiner Mutter. Bis heute erinnere mich daran, dass sie wie ein Skelett aussah. Wir waren alle zu Skeletten geworden, aber meine Mutter, weil sie meine Mutter war, habe ich sie die meiste Zeit betrachtet. Wenn ich sie von hinten betrachtete, habe ich ihren Rücken, ihren ganzen Körper nur als Skelett gesehen, weil überhaupt nichts mehr an ihr war, nur lederne Haut und Knochen. In diesem Zustand sind wir gegangen, Tage und Tage. Es war Abend, als wir zu einem Ort kamen, an dem ein Fluss vorbeiführte. Als die Menschen den Fluss erreichten, haben viele sich in den Fluss geworfen, um Wasser zu trinken, aber ihre Körper waren schon zu entkräftet. Sie fielen in das Wasser und das Wasser trug sie weg. Einige fielen in das Wasser, weil sie keine Kräfte mehr hatten. Andere warfen sich ins Wasser. Auch Mütter mit ihren Kindern. Sie hatten nur diese eine Möglichkeit gesehen, sich zu retten. So warfen sie sich mit ihren Kindern in das Wasser und wurden von dem Wasser weggezogen. Es gab Frauen, die uns ermahnten, dass wir nicht zu viel trinken und vor allem langsam trinken sollten. Doch niemand hörte zu. An dem Tag, also an dem Tag nach der Wüste, an jenem Tag am Fluss, starben so viele von uns, von denen, die gerade den Weg durch die Wüste geschafft hatten. Von unserer Gruppe war da nur noch die Hälfte der Menschen übrig. Man sagte uns, dass wir nach Malatya gehen würden. Wohin wir genau gingen, wo wir entlang gingen, woher wir kamen, das wussten wir nie. Man hat es uns nie gesagt, und wir sind immer Wege gegangen, die an den größeren Orten vorbeiführten. Wir gingen und gingen. Unterwegs geschah ständig etwas. Ich habe das jetzt nicht erzählt, dass Mädchen vergewaltigt, Frauen entführt, Männer getötet worden sind. Nach der Wüste, die wir durchquert hatten, und nach dem Fluss kamen wir an den Ort Frndjlar. Sie hatten uns gar nicht nach Malatya gebracht. Wir sind an Malatya vorbeigeführt worden nach Frndjlar. An diesem Ort gab es ein sehr sehr großes Feld. Und auf diesem Feld waren bereits tausende Menschen. Sie waren von überall her, aus Diyarbekir, aus Kharpert, aus ganz unterschiedlichen Gegenden, aus Bitlis, aus Erzurum. Wir kamen nun auch auf dieses Feld. Wir verstanden, dass wir nun nicht mehr eine Gruppe aus Sepastia waren. Das war eine armenische Gruppe. Das waren die, die übrig waren. Dort auf dem Feld sind wir zwei, drei Tage geblieben, vielleicht auch länger. Als wir auf diesem Feld waren, 29 da kamen Kinder, Jugendliche, in türkischer Kleidung. Sie fragten, woher wir seien. Sie waren übriggeblieben von den Gruppen, die vor uns hier waren. Die Kinder sagten uns, dass wir vorsichtig sein sollten. Dass auf uns das Massaker warten würde. Das Interview mit Yüghaper Eftian wurde in Paris aufgezeichnet, 1901 in Zeytun geboren, gelang ihr nach dem Zwangsmarsch von ca. 930 km die Flucht nach Mossul, wo sie wieder geheiratet hat, dann nach Bagdad, später nach Paris gezogen ist wo sie zuerst als Schneiderin später als Antiquitätenhändlerin gearbeitet hat. Einmal, an einem Tag, da habe ich auf dem Boden eine Silbermünze gesehen, eine Viertel Medjidiye. Die Münze war einem der Soldaten heruntergefallen – aber in dem Moment hatte ich ein Gefühl, als ob sie vom Himmel gefallen sei, als hätte ein Engel sie mir geschenkt. Und doch habe ich noch in demselben Moment überlegt, ob dieser Soldat das Geld absichtlich dorthin gelegt hätte, damit er mir hinterher vorwerfen konnte, ich hätte das Geld gestohlen. So habe ich meinen Fuß auf die Münze gestellt, bis der Mann verschwunden war. An zwei Tagen habe ich mit dem Geld Brot kaufen können. Immer wieder hatten wir irgendwo gehalten. Immer wieder hatten sie uns dann gesagt, immer wieder aufs Neue, dass wir uns auf den Weg machen müssten. Dieses Mal aber befahlen sie uns, unsere Sachen zurück zu lassen. Dann brachten sie immer jeweils zwei Personen weg, immer jeweils zwei Personen. Um mich herum hatte ich meine Verwandten. Eigentlich war ich ziemlich mutig. Da bin ich hingegangen, zu den Soldaten, 30 und habe gefragt: „Wohin bringt ihr die Frauen?“ Ich sagte mir, wenn die Männer sie mit einer Waffe umbringen würden, dann müssten wir doch Schüsse hören. „Wir haben diese Leute nach Scheddade gebracht“, sagte einer zu mir. Da habe ich jenen Namen zum ersten Mal gehört. Sie haben uns nach Scheddade gebracht, in eine Höhle. Eine sehr große Höhle, viel größer als dieses Haus, in dem ich heute wohne. Sie haben uns dort hineingeworfen. Man hat den Frauen gesagt, dass sie trockenes Gras sammeln sollten. Es waren ja nur noch die Frauen übriggeblieben. Und die Kinder. Wenn wir das Gras sammeln würden, dann würden sie uns nicht umbringen. Es waren Türken dort und Leute aus den Dörfern, die in der Nähe lagen. Und Tscherkessen. Man hat uns einzeln genommen und festgehalten, und sie haben uns dann hineingeworfen. Als ich an der Reihe war, bin ich gesprungen. Dabei habe ich mich an einem Stein gestoßen, hier, an der Stirn, das kann man jetzt auch noch sehen. Es hat geblutet. Egal. Sie haben die Rocksäume in Brand gesetzt, die Kleider. Die nächsten Frauen, die sie hinunterwarfen, haben sie mit Feuer hinuntergeworfen. Es begann ein schreckliches Schreien. Wie soll man es nennen? Diese Höhle war sehr groß und tief. Ich habe mich in eine Ecke gestellt und mich versteckt. Ich zitterte. Trotzdem habe ich mein Kleid ausgezogen, um es zu verstecken. Ich sagte mir, wenn ich das überlebe, wenn ich mich befreien kann, dann habe ich etwas zum Anziehen. Am nächsten Tag – ich war die ganze Zeit unten in der Höhle, ich will nicht erzählen von den Stunden in der Höhle. Es kamen Araber in die Höhle hinunter. Sie sind mit Leitern und Stricken heruntergekommen, um unter den Leichen nach Geld zu suchen. Wie ein Küken, wie ein feiges kleines Küken habe ich mich in die Höhle zurückgezogen. Die, die noch lebten, wurden von den Arabern angeschrien. „Wo ist das Geld?“, so haben sie eine Frau mehrmals gefragt. Und als eine andere Frau das Geld schluckte, da haben sie ihr den Bauch aufgeschnitten. Mich haben sie von einer Stelle zur anderen gezerrt. „Ausziehen, ausziehen“, haben sie gesagt. Ich hatte ja sowieso nur noch ein Hemd an. Ich habe dem Mann, der mich herumgestoßen hat, gesagt, dass ich nichts hätte. Da sagte er zu mir, dass ich ihm leid tun würde. Er würde mich herausholen. „Beim Namen des Propheten, du wirst meine Schwester sein!“, sagte er. Er hat nach meinem Kleid gesucht, aber ich habe es nicht mehr gefunden. So hat er ein anderes Kleid genommen, irgendeines, das er fand und mir gab, damit ich nicht nackt bleiben musste. Tatsächlich brachte er mich aus der Höhle. Draußen war alles noch viel schlimmer. Vielen Frauen waren die Bäuche aufgeschnitten worden. Mit vielen Schnitten. Und die Kinder hatten sie auf Bajonette – Noch immer waren viele Tschetschenen da. Oder Tscherkessen. Die Araber hatten Angst vor diesen Männern. Da habe ich mich neben die Toten gelegt, bis diese Männer verschwunden waren. Der Araber hat mich neben die Toten gelegt. Später ist er zurückgekommen und hat mich geholt und mich mitgenommen und zu einem Fluss gebracht. Er saß auf dem Pferd, ich ging zu Fuß. Ich weiß nicht, wie lange das alles gedauert hat. Wie lange ich in der Höhle war. Wie viele Stunden ich draußen bei den Toten gelegen hatte. Als ich aufstand und ging, habe ich Wasser trinken können. Ich habe getrunken, getrunken, getrunken, mein Bauch wurde ganz dick. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis wir bei ihm zuhause ankamen. In seinem Haus hatte er noch andere Armenier. Da war ein Geschwisterpaar, ein Junge und ein Mädchen. Er hatte das Kleid meines kleinen Bruders an. Aber vielleicht sah es auch nur so ähnlich aus. Und dann war da noch ein weiterer kleiner armenischer Junge. Dieser Junge erzählte mir, dass man seine Eltern verbrannt hatte. Man hat sie angezündet und verbrannt. Ich habe den beiden Jungen gesagt, dass sie jetzt meine Brüder seien, und dem Mädchen, es sei jetzt meine Schwester. Als sich mir der Araber in der Höhle näherte, habe ich große Angst gehabt und versucht, mich zu bedecken und mich ganz klein zu machen und in die Höhle zurückzuziehen. Aber er versprach mir, dass er mich als seine Schwester annehmen wollte. Sein Cousin, der ihn mit einem Seil heruntergelassen hatte, hat auch mich heraufgezogen. Diese beiden Araber, von denen einer Er-Haiyel hieß, haben sich so verhalten, als ob ich zu ihnen gehören würde. Sie haben mich dort weggebracht und in ihr eigenes Haus geführt. Dort wurde ich sehr herzlich empfangen. Die Mutter des einen Arabers hat mich weinend umarmt und geküsst. Man hatte mich in diese Höhle geworfen, aber ich wurde dort herausgeholt. Die übrigen Frauen und Kinder hat man in diese Höhle geworfen und verbrannt. Der letzte Ort war die Höhle. Vergessen habe ich nie. Vergessen kann man nicht. Wenn du operiert wirst, dann bleibt die Narbe immer sichtbar. Oder wenn ein Glas kaputt geht und du es zusammensetzt, auch dann bleibt das immer ein zusammengesetztes Glas. Das heißt, die Wunde ist sehr tief. Es können vierundsiebzig Jahre vergehen, wenn es eine Wunde gegeben hat, und wenn diese auch genäht wurde, die Stelle bleibt. Dein Herz ist durchstochen. 31 32 Sven Daniel Bühler, Johannes Schumacher, Marthe Lola Deutschmann, Luis Quintana, Klaus Cofalka-Adami, Ronald Funke, Sascha Tuxhorn, Jannek Petri 33 BEIHILFE ZUM VÖLKERMORD DEUTSCHLANDS ROLLE BEI DER VERNICHTUNG DER ARMENIER Neueste Forschungen zeigen, dass der damalige Bündnispartner des Osmanischen Reiches, das Deutsche Reich, nicht nur aktiv über den Völkermord weggesehen hat, sondern dass deutsche Offiziere an wichtigen Entscheidungen, die zum Völkermord geführt haben, beteiligt waren und ihn mitorganisiert haben, wie Jürgen Gottschlich in seinem Buch beschreibt: Der Kriegsminister Enver Pascha des Osmanischen Reiches entschied sich im November 1914 mit seinem Bündnispartner, dem Deutschen Reich, seinen ersten großen Feldzug gegen die Russen im kaukasischen Armenien zu führen. Nachdem der deutsche Admiral Wilhelm Souchon Ende Oktober 1914 mit seiner deutsch-türkischen Flotte im Schwarzen Meer die Feindseligkeiten gegen Russland eröffnet hatte, gab es für das zögernde Kabinett in Konstantinopel kein Zurück mehr. Wenige Tage später war die Türkei auch formell an der Seite Deutsch34 lands und Österreichs im Krieg. Das Ziel des Feldzugs sollte sein, Kars den Russen abzunehmen. Enver gehörte ideologisch zu den Pantürkisten, die davon träumten, das Reich nach Osten auszudehnen und es im Verbund mit den Turkvölkern in Zentralasien zu neuer Größe zu führen. Der erste Schritt dazu wäre, die Russen aus den armenischen Gebieten im Kaukasus zurückzudrängen und zunächst die Teile, die bis in die 1870er Jahre noch zum Osmanischen Reich gehört hatten, zurückzuerobern. Massiver Widerspruch gegen den Feldzug kam von Liman von Sanders. Der Chef der deutschen Militärkommission war davon überzeugt, dass die für die Ostfront zuständige III. Armee für einen schwierigen Winterfeldzug nicht genügend ausgerüstet sei, und fürchtete deshalb ein Debakel. Eine Übernahme des Kommandos, das Enver ihm zunächst anbot, lehnte Liman deshalb ab. Stattdessen wurde der Kaukasusfeldzug zur ersten Bewährungsprobe von Generalleutnant Fritz Bronsart von Schellendorf, dem Deutschen, den Enver zu seinem Generalstabschef gemacht hatte. Mit im Oberkommando des Feldzuges waren Otto von Feldmann, der später von Enver zum Operationschef des osmanischen Heeres ernannt wurde, und Felix Guse, Stabschef der III. Armee und Stellvertreter des Oberkommandierenden der Kaukasusarmee. Der Feldzug endete im Desaster. Während die russischen Truppen in ihren ausgebauten Stellungen saßen, sollten die türkischen Soldaten mitten im Winter auf der tief verschneiten Hochebene von Sarikamis angreifen. Schlecht ausgerüstet blieben die Soldaten im tiefen Schnee stecken, fielen im Kampf, erfroren oder verhungerten. Bis Februar 1915 waren 90.000 der 100.000 Mann starken III. Armee tot. Die Katastrophe ließ sich auf Dauer nicht verbergen. Ein Sündenbock musste her. Hatte Enver unmittelbar nach seiner Rückkehr noch gesagt, alle Soldaten, also auch die Armenier in den Reihen der osmanischen Armee, hätten tapfer gekämpft, wurde schon bald immer häufiger darauf hingewiesen, dass viele Armenier aufseiten der Russen aktiv seien. Das Bild vervollständigte sich, als Gerüchte die Runde machten, armenische Soldaten wären desertiert oder hätten sich gar gegen ihre Kameraden gewandt. Dazu passte, dass der armenische Parlamentsabgeordnete Armen Garo noch vor Beginn des Krieges von Konstantinopel nach Tiflis gegangen war und – entgegen den Loyalitätsbekundungen anderer führender Armenier gegenüber dem Osmanischen Reich – dort eifrig armenische Freiwilligenverbände zusammengestellt hatte, die mit den Russen nach Ostanatolien einmarschieren sollten. Armen Garo wurde so zu einer Steilvorlage für die türkische Propaganda. Eine erste Folge davon war, dass alle Armenier aus der kämpfenden Truppe aussortiert und in sogenannte Arbeitsbataillone gesteckt wurden, wo sie ohne Waffen im Straßenbau oder bei anderen Arbeiten eingesetzt wurden. Entscheidender aber waren die psychologische Wirkung im Generalstab und die Dolchstoßlegende, die daraus enstand: Zu ihrer eigenen Entlastung behaupteten Enver, Bronsart und Co. bald, der Grund für die Niederlage sei die feindliche armenische Bevölkerung im Rücken der Front gewesen. Eisern hielt in den folgenden Jahren das deutsche Trio von Sarikamis an dieser Legende fest. Sie rechtfertigten hartnäckig die Vertreibung und Vernichtung der armenischen Bevölkerung mit der Dolchstoßlegende, die armenische Bevölkerung sei der Truppe bei Sarikamis in den Rücken gefallen. Da Bronsart als Generalstabschef der Mann für die großen organisatorischen Probleme der Osmanischen Armee war, spricht einiges dafür, dass er im Frühjahr 1915 an der Organisation der Deportation der Armenier beteiligt war. Auch wenn sich in den Archiven bislang kein definitiver Beweis in Form eines von Bronsart gezeichneten Deportationsplans gefunden hat, legen die wenigen bekannten Dokumente und seine eigenen Äußerungen nach dem Krieg doch nahe, dass Bronsart der organisatorische Kopf hinter den Deportationen war. Vieles spricht dafür, dass das türkische Oberkommando und mit ihm seine deutschen Berater mit den Deportationen zunächst vor allem auf die Kriegslage reagierten. Aus Sicht der Deutschen und der Türken stellte sich die militärische Situation zu Beginn des Jahres 1915 wie folgt dar: Der Feldzug im Kaukasus war gescheitert, und man musste nun jederzeit damit 35 rechnen, dass die russische Armee weiter vormarschieren würde. Dazu kam, dass ab Februar 1915 die Entente begann, die Einfahrt in die Dardanellen zu attackieren. Englische und französische Kriegsschiffe griffen Geschützstellungen an der Mündung der Dardanellen an, um eine Durchfahrt zu erzwingen und anschließend die Hauptstadt Konstantinopel angreifen zu können. Man befürchtete im türkischen Generalstab eine koordinierte Aktion zwischen den Westalliierten an den Dardanellen und den Russen an der Ostfront in den armenischen Gebieten. Die türkische Führung bereitete sich auf eine Evakuierung der Hauptstadt vor. Als provisorischer Sitz der Regierung war Konya, eine Stadt mitten im Land, am Endpunkt der anatolischen Eisenbahn, ins Auge gefasst worden. In dieser Atmosphäre wurde im osmanischen Generalstab über die Deportation der armenischen Bevölkerung diskutiert. Es wurde damit gerechnet, dass in den armenischen Gebieten Armenier entweder Engländer und Franzosen bei der Landung helfen könnten oder aber russische Truppen unterstützten. Die Deportationen begannen im März 1915 in Zeitun im Bezirk Maras. Dort ließen der deutsche Major Eberhard Graf Wolfskeel von Reichenberg und sein Chef Fahri Pascha um Zeitun alle armenischen Dörfer zwangsweise räumen und Tausende Menschen nach Innenanatolien und in den Raum Aleppo deportieren. In seinen Aufzeichnungen berichtet Talaat, dass es bereits im Dezember 1914 ein von Generalstabschef Bronsart einberufenes Treffen gegeben habe, auf dem Maßnahmen gegen den Verrat und die Sabotage von Armenieren beraten wurden. Anwesend bei dem Treffen waren neben ihm der De-factoOberbefehlshaber und Kriegsminister Enver 36 Pascha, Generalstabschef Bronsart von Schellendorf, Feldmarschall Colmar Freiherr von Goltz und der Chef der Militärmission Liman von Sanders. Otto von Feldmann erklärte nach dem Krieg im Juni 1921 in einem Beitrag für eine Zeitung: „Es soll und darf aber nicht geleugnet werden, dass auch deutsche Offiziere – und ich selbst gehörte zu ihnen – gezwungen waren, ihren Rat dahin zu geben, zu bestimmten Zeiten gewisse Gebiete im Rücken der Armee von Armeniern freizumachen. Die Pflicht der Selbsterhaltung der türkischen Front zwang einfach dazu. Die Gesamtschwäche des türkischen Heeres gestattete es nicht, starke Kräfte zum Schutz der rückwärtigen Verbindungen zurückzulassen. Ohne solche war aber keine Operation möglich, kein Rückschlag von der Front durchzuhalten, solange Armenier im Rücken wohnten. Die Erfahrungen zu Beginn des Krieges im Osten hätten diese Lehre gezeitigt. Dass die Armenier sich vor dem Kriege und während desselben nicht als türkische Untertanen, sondern in erster Linie als russische Vortruppen betrachteten, ist wohl klar erwiesen. Angriffe auf türkische Truppen, Überfälle auf türkische Dörfer waren keineswegs Seltenheiten.“ Bronsart wurde wenige Tage später ebenfalls in einem Beitrag in der Deutschen Allgemeinen Zeitung noch deutlicher. Obwohl er es vermied zuzugeben, dass er selbst Enver zu den Deportationen gedrängt hatte, ist sein Urteil vernichtend: „Der Aufstand war von langer Hand vorbereitet, wie die zahlreichen Funde an gedruckten Aufrufen, aufhetzenden Broschüren, Waffen, Munition, Sprengstoffen usw. in allen von Armeniern bewohnten Gegenden beweisen; er war sicher von Russland angestiftet, unterstützt und bezahlt. Eine armenische Verschwörung in Konstantinopel, die sich gegen hohe Staatsbeamte und Offiziere richtete, wurde rechtzeitig entdeckt. Da sich alle waffenfähigen Mohammedaner beim türkischen Heere befanden, war es den Armenieren leicht, unter der wehrlosen Bevölkerung eine entsetzliche Metzelei anzurichten; denn sie beschränkten sich nicht etwa darauf, rein militärisch gegen die Flanke und gegen den Rücken der in der Front durch die Russen gebundenen türkischen Ostarmee zu wirken, sondern sie rotteten die muselmanische Bevölkerung in jenen Gegenden einfach aus. Sie begingen dabei Grausamkeiten, von denen ich als Augenzeuge wahrheitsmäßig bezeuge, dass sie schlimmer waren als die den Türken später vorgeworfenen Armeniergreuel.“ Es versteht sich von selbst, dass ein Mann, der noch im Juli 1921 diese Auffassung vertrat, im Frühjahr 1915 als Generalstabschef der angeblich von Armeniern bedrohten Armee selbstredend auf die Deportation dieser schlimmen Aufrührer und Kollaborateure gedrängt hatte. Nachdem also Generalstabschef Bronsart und der wenig später zum Operationschef des Heeres ernannte Otto von Feldmann Enver Pascha klargemacht hatten, dass schnellstens etwas passieren musste, taten die Verantwortlichen dann das Notwendige. In den Worten Bronsarts: „In dieser kritischen Lage fasste das Gesamtministerium den schweren Entschluss, die Armenier für staatsgefährlich zu erklären und sie zunächst aus den Grenzgebieten zu entfernen. Sie sollten in eine vom Krieg unberührte, dünn besiedelte, aber fruchtbare Gegend überführt werden, nach Nord-Mesopotamien.“ Das Ergebnis dieser vom Gesamtministerium beschlossenen Maßnahme war das am 27. Mai 1915 verabschiedete Umsiedlungsgesetz, dass Enver ermächtigte, „bei Vorliegen militärischer Erfordernisse oder bei Feststellung von Spionage und Landesverrat die Bevölkerung der Dörfer und kleinen Städte einzeln oder gesammelt nach anderen Orten zu verschicken und sie dort ansiedeln zu lassen.“ Talaat erinnert sich in seinen offiziellen Memoiren, dass die ausformulierte Vorlage des Deportationsgesetzes direkt aus dem Generalstab – also von Bronsarts Schreibtisch – im Kabinett vorgelegt wurde. Der Konsul in Mossul, Walter Holstein, gehörte wie seine Kollegen Max Erwin von Scheubner-Richter in Erzurum und der Konsul in Aleppo, Walter Rößler, zu den deutschen Vertretern, die über die Massaker an der armenischen Bevölkerung zutiefst empört waren und erwarteten, dass ihre deutschen Chefs, namentlich Botschafter Freiherr von Wangenheim, Außenminister Jagow und letztlich Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, dagegen bei den Jungtürken energisch protestieren und wenn notwendig auch weitergehende Konsequenzen ziehen würden. Doch die Stimmung an den verantwortlichen Stellen war eine andere. Mit Datum vom 15. Juni 1915 schrieb Marineattaché Hans Humann einen Vermerk auf das Telegramm von Walter Holstein, der die Abgründe der deutschen Kriegsfraktion schlaglichtartig erhellt: „Die Armenier werden – aus Anlaß ihrer Verschwörung mit den Russen! – jetzt mehr oder weniger ausgerottet. Das ist hart, aber nützlich. Der Botschafter kann leider, sehr zum Nachteil unserer Politik, das Lamentieren darüber nicht lassen. Talaat Bey hat ihm neulich auf entsprechende Vorhaltungen seelenruhig geantwortet: Wir debarassieren (entledigen Anm.) uns der Armenier, um bessere Bundesgenossen für Euch zu werden, d. h. solche ohne Schwäche eines inneren Feindes.“ 37 38 Marthe Lola Deutschmann, Jannek Petri, Luis Quintana, Sascha Tuxhorn 39 BARAZANK GLOSSAR Agha, heutige türkische Schreibung Ağa Agha ist ein Titel mongolischen Ursprungs. Er hat in den verschiedenen Turksprachen unterschiedliche Bedeutungen: Im Türkischen bedeutet er u. a. „älterer Bruder“ und im Jakutischen „Vater“. In der osmanischen Sprache bedeutete Agha „Anführer“, „Herr“ oder „Grundbesitzer“. Agha war im Osmanischen Reich ein Titel für zivile und militärische Würdenträger. Im Militär bezeichnete er anfangs den Befehlshaber einer Waffengattung, etwa den Kommandeur der Janitscharen oder der Artillerie. Später bezeichnete Agha einen Hauptmann und zivile Beamte gleicher Rangstufe, wie z. B. Rifaat Bereket. Der nächsthöhere Titel war Bey. Der Titel wurde dem Namen hinten angestellt und war Anrede für alle, denen die Bezeichnung „Herr“, bey oder efendi, nicht zustand. Aleppo Aleppo ist eine Stadt im Norden Syriens und Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements Aleppo. Im Jahr 2006 erhielt Aleppo nach Mekka als erster Ort die Bezeichnung Hauptstadt der Islamischen 40 Kultur. Während des Ersten Weltkrieges war Aleppo ein Zentrum im Völkermord an den Armeniern durch die Jungtürken. Auf Befehl von Talaat Pascha wurden die Armenier ab dem 27. Mai 1915 zusammengetrieben und auf Todesmärsche über unwegsames Gebirge in Richtung Aleppo geschickt. Die Stadt blühte kurzfristig wieder auf, als sie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges unter französische Kolonialherrschaft kam, erlebte jedoch nach der Abtretung des Sandschaks Alexandrette mit der Hauptstadt Antakya und dem Hafen İskenderun an die Türkei 1939 wieder einen Niedergang. Im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien wird die Stadt Aleppo seit Sommer 2012 umkämpft. Weite Teile der Stadt sind zerstört, und ein großer Teil der Bewohner ist geflüchtet. Antakya, früherer Name Antiochia Antakya ist eine Großstadt in der Südtürkei und Hauptstadt der Provinz Hatay. Hier kreuzten sich in der Antike die Handelswege von Aleppo, Mesopotamien und Palästina nach Anatolien und zum Mittelmeer. Hier nannten sich die Christen erstmals so. Petrus predigte hier in einer Höhle, der Evangelist Lukas ist hier geboren. Nach der Teilung des osmanischen Reichs infolge des Ersten Weltkrieges wurden Antiochia und İskenderun französisch besetzt. Verwaltet von Damaskus, behielt Antiochia seinen Status als autonomes Gebiet. Dennoch wurden auch hier die Anhänger Atatürks mit offenen Armen empfangen. Er soll es auch gewesen sein, der der Gegend den Namen Hatay gab, in Anlehnung an ein ehemaliges hethitisches Fürstentum. 1938 wurde im Sandschak Alexandrette der Staat Hatay mit Antiochia als Hauptstadt ausgerufen. Dieser wiederum schloss sich nach einem Volksentscheid 1939 der Türkei an. Armenier Die Armenier, armenisch “Hajer”, sind das älteste christliche Volk der Welt, das seit über 2700 Jahren im Gebiet zwischen dem Hochland Ostanatoliens und dem Südkaukasus heimisch ist. Zugleich sind die Armenier die Titularnation der heutigen Republik Armenien, wo sie mit Abstand den Großteil der Bevölkerung ausmachen. Die Christianisierung Armeniens erfolgte früh, bereits ab 301 unter Führung von Gregor dem Erleuchter und König Trdat III, was zur Gründung der armenisch-apostolischen Kirche führte. Damit wurde Armenien der erste christliche Staat der Welt. Nach dem Zerfall des Königreichs der Bagratiden im 11. Jahrhundert wanderten viele Armenier aus Ostanatolien nach Kilikien aus, wo sie das von 1080 bis 1375 bestehende Königreich Kilikien errichteten, und begründeten damit die armenische Diaspora. Später emigrierten von dort viele Armenier auf die Krim, nach Russland, Polen, Rumänien und Moldawien. Historisch kann man Armenien seit dem 18. Jahrhundert in Ostarmenien (unter persischer, später russischer Herr- schaft) und Westarmenien (unter osmanischer Herrschaft) aufteilen. In Ostarmenien lösten russische Pogrome Ende des 19. Jahrhunderts eine Auswanderungswelle nach Westeuropa aus. Die Westarmenier wurden durch den Völkermord in ihrem angestammten Siedlungsraum nahezu ausgelöscht. Die heutige Republik Armenien entstand nach dem Ersten Weltkrieg und wurde 1921 sowjetisiert; nach dem Zerfall der Sowjetunion erklärte sie sich 1991 unabhängig. Derwisch Der Ausdruck Derwisch bezeichnet vor allem in den europäischen Sprachen einen Sufi, einen Angehörigen einer muslimischen asketisch-religiösen Ordensgemeinschaft, „tariqa“, die im Allgemeinen für ihre Bescheidenheit und Disziplin bekannt ist. Derwische praktizieren den Sufismus und gelten als Quelle der Klugheit, der Heilkunst, der Poesie, der Erleuchtung und der Weisheit. In der Regel sind traditionelle Derwischvereinigungen über eine spirituelle Kette, „silsila“ entweder über Ali oder Abu Bakr direkt mit dem Propheten Mohammed verbunden. Sie leben nach einer Mönchsregel, in gewissem Sinn manchmal mit christlichen Mönchsorden vergleichbar. Der ekstatische Trancetanz „sema“, der im Mevlevi-Orden der Türkei ausgeübt wird, gilt als eine der körperlichen Methoden, in religiöse Ekstase zu verfallen und mit Allah in Kontakt zu kommen. Heute werden ihre Zeremonien allein für Touristen veranstaltet, seit Atatürk die Rituale der MevleviDerwische verbieten ließ. Derzor, oder Der ez Zor Die Stadt, die mit vielfältigen Schreibweisen in der Literatur zu finden ist, liegt am 41 Euphrat in der syrischen Wüste. 1915 gehörte sie zum Osmanischen Reich. Derzor war der letzte Sammelort der Deportationen. Zwischen August 1915 und Sommer 1916 wurden schätzungsweise mehr als 200‘000 Menschen allein in Derzor ermordet. Das 1991 am Ort geschaffene Denkmal ist das einzige Mahnmal, das an einem historischen Massakerort errichtet werden konnte. 2014 wurde das Mahnmal durch den IS schwer beschädigt. „Für Armenier kam Der Zor eine Bedeutung ähnlich wie Auschwitz zu“, schrieb Peter Balakian in der New York Times. „Jedem, auf unterschiedlichen Wegen, ein Epizentrum des Todes und eines systematischen Prozesses der Massentötung; jedem ein symbolischer Platz, ein epigrammatischer Name auf einer dunklen Karte. Derzor ist ein Begriff, der an dir hängt, wie ein Bohrer oder Stachel: “r” “z” “or” — hart, schneidend, messerartig“ Enver Pascha * 22. November 1881 in Istanbul; † 4. August 1922 bei Baldschuan, Tadschikistan, war Politiker, Generalleutnant und Kriegsminister des Osmanischen Reichs und einer der führenden Jungtürken. Enver Pascha war gleichaltriger Zeitgenosse von Mustafa Kemal Atatürk, mit dem er eine Zeit lang rivalisierte. Ismail Enver wurde als Kind eines türkischen Eisenbahnarbeiters geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Während seiner Schüler- und Studentenzeit kam er mit bürgerlich-revolutionären Ideen in Berührung und nahm 1897 als Mitglied der jungtürkischen Bewegung an den gescheiterten Studentenprotesten gegen die Regierung unter Sultan Abdülhamid II. teil. 42 Um die Jahrhundertwende gewannen die intellektuell geprägten Jungtürken zunehmend Einfluss auf das türkische Offizierskorps. Enver, der die Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte, sollte später neben Cemal und Talaat in den Führungszirkel des Komitees für Einheit und Fortschritt (İttihad ve Terakki Fırkası) aufsteigen. Die grundlegende Voraussetzung dafür war seine wichtige Rolle in der Jungtürkischen Revolution von 1908. Der junge, aufstrebende Ismail Enver stand damals noch in der zweiten Reihe der Jungtürkischen Bewegung. Er setzte sich gegen probritische und profranzösische Kräfte für ein Militärbündnis mit dem Deutschen Kaiserreich ein und amtierte folgerichtig von 1909 bis 1911 als Militärattaché an der osmanischen Botschaft in Berlin. Dort entwickelte er maßgeblich die engen deutsch-türkischen Bündnisbeziehungen vor dem Ersten Weltkrieg und sorgte persönlich dafür, dass deutsche Offiziere höchste Funktionen in der türkischen Armee einnahmen. Mit Hilfe preußisch-deutscher Militärberater und moderner deutscher Waffen wollte er das zurückgebliebene osmanische Militärwesen reformieren. Zwischen Sommer 1913 und Ende 1914 stand Enver Pascha auf dem Höhepunkt seines Ansehens und seiner Macht. Er regierte in einem informellen Triumvirat mit Innenminister Talaat Pascha und Marineminister Cemal Pascha mit nahezu diktatorischen Vollmachten. Kurz nach der Machtübernahme Anfang 1913 wurde İsmail Enver zusammen mit der Ernennung zum Generalmajor auch der Ehrentitel „Pascha“ verliehen, unter dem er bis heute als „Enver Pascha“ bekannt ist. Das jungtürkische Triumvirat – den drohenden Zusammenbruch des Reiches vor Augen – verschärfte den Staatsterror gegen die Ar- menier durch massenhafte Deportationen, die in einen Völkermord mündeten. Wegen gravierender Fehler in der militärischen Führung, seiner Beteiligung am Völkermord an den Armeniern, den er mit Innenminister und Großwesir Talaat Pascha mitzuverantworten hatte, und seiner abenteuerlichen pantürkischen Großmachtpläne hatte sich Enver Pascha jenen Teil des Offizierskorps und der Jungtürken zu Feinden gemacht, der einen säkularisierten, republikanischen Staat wollte und angesichts der absehbaren Niederlage nach Wegen zu einem Ausgleich mit den westeuropäischen Siegermächten suchte. Als die Kriegsniederlage nach der bulgarischen Katastrophe offensichtlich und unabwendbar war, konnte sich die Regierung unter Großwesir Talaat nicht mehr halten und musste am 14. Oktober 1918 zurücktreten. Enver wurde wegen seiner gescheiterten Kriegsstrategie bereits am 4. Oktober 1918 als Kriegsminister entlassen. In der Nacht vom 3. zum 4. November 1918 ging Enver Pascha zusammen mit anderen führenden Jungtürken an Bord eines deutschen U-Boots, das ihn in geheimer Mission nach Odessa brachte. Die Flüchtigen, die zunächst sämtlich in Deutschland untertauchten, bevor sich ihre Wege trennten, wurden 1919 in Istanbul wegen ihrer Verantwortung für den Armeniergenozid in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Enver fand zusammen mit Talaat für einige Zeit Unterschlupf in Potsdam. Dort wohnte er incognito in Neubabelsberg bei dem befreundeten Kunsthistoriker Friedrich Sarre, Direktor im Vorderasiatischen Museum Berlin. Wegen der kriegsbedingten und revolutionären Wirren schien Enver Pascha die Zeit günstig, die islamischen, turkstämmi- gen Völker Mittelasiens in einem eigenen Staatswesen zu vereinigen. Als Kommandeur der Basmatschi und Oberbefehlshaber der Truppen des Emirs Said Alim Khan kämpfte er für das Ziel, ein Kalifat mit Sitz in Samarkand zu errichten. Am 4. August 1922 fielen Enver Pascha und die meisten seiner Kämpfer in einem erbitterten Gefecht mit überlegenen Sowjet-Truppen am Cegan Tepe bei Baldschuan. Genozid Genozid oder Völkermord ist ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht, der nicht verjährt. Der Begriff Genozid setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort „génos“, was „Herkunft, Abstammung, Geschlecht, Rasse“ bedeutet; im weiteren Sinne auch „das Volk“, sowie dem lateinischen caedere „morden, metzeln“. Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Raphael Lemkin, polnischer Jurist und Friedensforscher, prägte den Begriff unter dem Eindruck der Vernichtung der Armenier und dem Holocaust, von dem er selbst betroffen war. 1947 arbeitete er für die UNO einen Gesetzesentwurf zur Bestrafung von Völkermord aus. Der Entwurf wurde ein Jahr später von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 55:0 Stimmen fast unverändert als Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes beschlossen. Auch die Republik Türkei ist der Konvention 1950 beigetreten. Ittihat ve Terakki Cemiyeti Das Komitee für Einheit und Fortschritt war eine politische Organisation im Osmanischen Reich. Es war die treibende Kraft hinter der konstitutionellen Revolution von 1908 43 44 Amélie Belohradsky, Johannes Schumacher, Klaus Cofalka-Adami, Jannek Petri, Luis Quintana, Marthe Lola Deutschmann, Ronald Funke 45 und dem Völkermord an den Armeniern und regierte zwischen den Jahren 1908-1918 mit kurzer Unterbrechung. Zunächst Geheimorganisation wurde das Komitee später zur mächtigsten und langlebigsten Partei der Bewegung der Jungtürken. Es war ein Zusammenschluss von mehreren Gruppen aus dem Aus- und Inland, die alle gegen die Herrschaft Abdülhamid II kämpften. Der erste Keim der KEF im Inland war die 1899 in der militärmedizinischen Akademie gegründete Geheimorganisation namens Komitee der osmanischen Einheit. Sie nahmen sich den italienischen CarbonariGeheimbund zum Vorbild, der für eine Vereinigung Italiens eingetreten war. So organisierten sie sich in Zellen mit vier Mitgliedern. Die Organisationen breitete sich auch über die anderen Militärschulen aus. Einige Mitglieder wurden verhaftet, einige flohen nach Paris und trafen sich dort mit anderen osmanischen Flüchtlingen, die ebenfalls die Wiedereinsetzung der Verfassung wollten. Auf dem zweiten Jungtürkenkongress im September 1907 in Paris wurde die Bewegung „Komitee für Einheit und Fortschritt“ benannt. Mit dem Beitritt der Vatan-Gruppe wurden noch mehr andere oppositionelle Kräfte vereint. An dem Kongress nahmen alle Oppositionsparteien und auch die als Daschnaken bekannte Armenische Revolutionäre Föderation teil. Auf dem Kongress wurde ein Militärputsch gegen Abdülhamid II. beschlossen. Die Revolution von 1908 wurde von dem Zentralkomitee der KEF in Saloniki organisiert. Nachdem Mustafa Kemal Pascha, genannt Atatürk, am 23. Oktober 1923 die Republik Türkei ausrief, ließ er das Komitee verbieten, da er keine Geheimbünde im neu gegründeten Staat wollte. 46 Musa Dagh Der „Musa Dağı“, armenisch „Musa Ler“ oder „Mosesberg“ ist ein 1355 m hoher Berg im Süden der Türkei. Er liegt rund 25 Kilometer westlich von Antakya an der nordöstlichen Mittelmeerküste im historischen kilikischen Kleinarmenien. Der Musa Dağı war Zufluchtsort einer widerständigen Gruppe von Armeniern unter der Führung des ehemaligen Offiziers Moses Der Kalousdian während des Völkermords an den Armeniern 1915. Johannes Lepsius * 15. Dezember 1858 in Berlin; † 3. Februar 1926 in Meran, war ein deutscher evangelischer Theologe und Orientalist, der sich hauptsächlich mit der Geschichte des armenischen Volkes befasste. Sein Hauptwerk ist das von ihm ins Leben gerufene Armenische Hilfswerk. Lepsius engagierte sich für die Armenier, seit er als sehr junger Mann in Ägypten in Begleitung seiner Eltern Kontakte zu Armeniern knüpfen konnte. Während einer Türkeireise wurde er Zeuge der Pogrome gegen die Armenier Ostanatoliens. Er ist zudem bekannt durch seine Dokumentation des Völkermords an den Armeniern 1915/1916. Sie trägt den Titel Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei. Die Schrift enthält Augenzeugenberichte, die beschreiben, wie Armenier gezielt ermordet, erdolcht und erschossen oder mit gefesselten Händen im Euphrat ertränkt wurden. Es gibt eine weitere Auflage der Dokumentation, welche um ein Gespräch mit Enver Pascha im Jahr 1915 erweitert ist. Johannes Lepsius war der jüngste Sohn des Begründers der Ägyptologie in Deutschland, Karl Richard Lepsius. Er wuchs in einem Elternhaus mit großem intellektuellen Horizont auf. Im Hause Lepsius trafen sich viele wichtige Persönlichkeiten des Kaiserreiches aus Politik, Kultur und Kirche. Lepsius studierte zunächst Mathematik und Philosophie in München und wurde schon 1880 mit einer preisgekrönten Arbeit zum Doktor der Philosophie ernannt. Später studierte er Theologie. In Jerusalem lernte Lepsius von 1884 bis 1886 viele Probleme vor Ort kennen, als er Hilfsprediger der Evangelischen Gemeinde in Jerusalem war und weiterhin im Vorstand des Syrischen Waisenhauses arbeitete, das aufgrund von Massakern an der christlichen Bevölkerung 1860 eröffnet wurde. Er gründete 1896/1897 mit einer großen Werbekampagne, die ihn durch ganz Deutschland führte, sein Hilfswerk. Er hatte, getarnt als Teppichfabrikant, die Regionen besucht, in denen die Massaker stattgefunden hatten. Es wurden Hilfsstationen sowohl in der Türkei als auch in Persien und Bulgarien aufgebaut, denn die von Mord und Totschlag bedrohten Christen flüchteten damals aus dem Osmanischen Reich in jene Länder. Später kamen im Schatten des Ersten Weltkriegs, Flüchtlingsheime und Waisenhäuser sowie Armenier-Neusiedlungen in Syrien und Libanon hinzu. 1914 war er Mitbegründer der in Berlin gegründeten Deutsch-Armenischen Gesellschaft. Im unterhalb des Pfingstbergs gelegenen Lepsiushaus in Potsdam, in dem er 1908–1925 wohnte und arbeitete, ist seit 2011 das Lepsius-Archiv untergebracht. Raffi Der Schriftsteller Hakob Melik-Hakobian, mit seinem Autornamen „Raffi“, wurde 1835 in einem armenischen Dorf in der Provinz Salmas geboren, im Norden des heutigen Iran. Er starb 1888 in Tflis. Seinen beliebten Romanen wird ein bedeutender Einfluss auf die Enststehung eines Emanzipationsgedankens zugeschrieben, der auf Schul- und Wissensbildung beruht. Ter (wie bei Ter Haigasun) „Ter“, wörtlich „Herr“ ist eine erblicher Ehrentitel für Nachkommen des verheirateten Klerus in der armenisch-apostolischen Kirche. Sowohl männliche als auch weibliche Nachkommen können mit diesem Titel in Verbindung mit dem Nachnamen bezeichnet werden. Die Verwendung von Ter vor dem Taufnamen bezeichnet ein Mitglied des Klerus und ist gleichbedeutend mit „Reverend“ oder „Vater“ im englischen Sprachgebrauch. Zeitun, heute Süleymanlı ist ein Dorf und Zentrum eines Bucak im zentralen Landkreis der Provinz Kahramanmaraş im Südosten der Türkei. Ab 1375 war Zeitun zunächst unter Vorherrschaft der Dulkadir, später unter den Osmanen ein armenisches Beylik. Die Einwohner leisteten Widerstand gegen die Massaker an den Armeniern 1894–1896. Der Name des Ortes wurde bereits in der osmanischen Zeit von Zeitun in Yeni Şehir und dann in Süleymanlı geändert. Süleymanlı wurde nach dem türkischen Major Süleyman benannt, der das Dorf im Jahr 1915 während des Völkermordes an den Armeniern besetzte. 47 STEFAN OTTENI Regie ANNE NEUSER Bühne & Kostüme Der gebürtige Karlsruher Stefan Otteni, geboren 1966, studierte Regie und Schauspiel an der Folkwangschule Essen. Seit 1996 arbeitet er als freier Regisseur, u. a. am Theater Bonn, Maxim Gorki-Theater Berlin, Deutschen Theater Berlin, an der Volksbühne Berlin und am Staatstheater Hannover. An der Staatsoper Nürnberg erarbeitete er mit Judas Maccabäus / And the trains kept coming... ein spartenübergreifendes Oratorienprojekt zum Thema „Heiliger Krieg“, am Staatstheater Braunschweig inszenierte er Meyerbeers Der Prophet. Seine letzte Zusammenarbeit mit dem Autor Händl Klaus, Eine Schneise, war zum Heidelberger Stückemarkt 2014 eingeladen. Als Schauspieler ist Stefan Otteni in der freien Gruppe Theater Operation beteiligt. Am STAATSTHEATER inszenierte er bereits Müdigkeitsgesellschaft im STUDIO und Maienschlager im KLEINEN HAUS. Anne Neuser studierte Modedesign in Trier sowie Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Es folgten Assistenzen bei Johannes Schütz. Als künstlerische Assistentin von Prof. Andreas Reinhardt unterrichtete sie an der HfBK Dresden. Seit 1995 ist Anne Neuser freischaffend tätig. Eine regelmäßige Zusammenarbeit als Bühnenbildnerin für Oper und Schauspiel verbindet sie mit den RegisseurInnen Ingo Kerkhof, Andrea Schwalbach und Stefan Otteni u. a. an der Oper Frankfurt, am HAU Berlin, der Staatsoper Stuttgart, der Staatsoper Unter den Linden Berlin, dem Staatstheater Nürnberg. Für ihre Ausstattung von Der Idiot am Oldenburgischen Staatstheater war sie für den FAUST-Preis 2015 nominiert. Für die Ausstattung von Jelineks Kontrakte des Kaufmanns gewann sie 2010 den Bayerischen Theaterpreis. Am STAATSTHEATER hat sie bereits die Ausstattung für Müdigkeitsgesellschaft entworfen. 48 Sascha Tuxhorn, Ronald Funke 49 AMÉLIE BELOHRADSKY a. G. Juliette wurde 1979 in München geboren, Mutter Französin, Vater Deutscher. Sie studierte Schauspiel in Paris an den „Cours Perimony“ und an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Ihr erstes Engagement führte sie ans Staatsschauspiel Dresden. Seit 2014 lebt sie in Strasbourg. Am STAATSTHEATER spielt sie derzeit in Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir. MARTHE LOLA DEUTSCHMANN Iskuhi Marthe Lola Deutschmann wurde 1991 in Hamburg geboren. Von 20112015 studierte sie am Max Reinhardt Seminar in Wien. Mit der Spielzeit 2015/16 stellt sich Marthe Lola Deutschmann als Ophelia in Hamlet dem Karlsruher Publikum vor. Sie ist außerdem in Dantons Tod und als Irina in Drei Schwestern zu sehen. SVEN DANIEL BÜHLER Gonzague Maris 1989 in Heilbronn geboren, studierte er bis 2015 Schauspiel in Hannover. Während des Studiums war er u. a. als Sprecher für den NDR und SWR tätig und am Studiotheater Hannover und am Oldenburgischen Staatstheater zu sehen. Mit dieser Spielzeit trat er sein Erstengagement am STAATSTHEATER an, seine erste Rolle war der Lancelot in Spamalot. KLAUS COFALKA-ADAMI Ter Haigasun, Rifaat Bereket Seit 1980 arbeitete Klaus Cofalka-Adami als Schauspieler und spielte u. a. an den Bühnen in Mannheim, Tübingen, Dortmund und Heidelberg. Seit 2011 ist er festes Ensemblemitglied in Karlsruhe. Er ist derzeit zu sehen in Fremdraumpflege, Spamalot, Richtfest, Drei Schwestern, sowie in Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir. RONALD FUNKE Bürgermeister Kebussyan, Scheich Ronald Funke wurde 1954 in Berlin geboren. Er arbeitete u. a. am Theater Magdeburg, am Nationaltheater Mannheim, am Volkstheater Rostock und in Heidelberg. 2011 wurde er für seine Rolle in Der Mann der die Welt aß als Schauspieler des Jahres nominiert. Aktuell ist er in Drei Schwestern, Kabale und Liebe und der Komödie Zuhause zu sehen. HADEER KHAIRI HANDO a. G. stammt aus der autonomen Region Kurdistan im Irak und ist Jeside. Er wuchs in Sharya bei Dohuk auf. 2013 begann er seine Schauspielausbildung am Insitut für bildende Künste in Dohuk. 2014 entschloss sich seine Familie, ihm wegen den herannahenden IS-Truppen die Flucht nach Europa zu ermöglichen. Während sein Asylverfahren läuft, spielt er in Kinder des Musa Dagh zum ersten Mal in Deutschland. 50 JANNEK PETRI Gabriel Bagradian Nach seinem Studium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin war er von 2002 bis 2006 erstmals in Karlsruhe engagiert. Danach arbeitete er u. a. in Zürich, Linz, Basel, Braunschweig und am Deutschen Theater Berlin. Seit 2014 ist er wieder Ensemblemitglied und spielt in Drei Schwestern und Monty Python‘s Spamalot. LUIS QUINTANA Pastor Aram Tomasian, Enver Pascha Luis Quintana wurde 1988 in Berlin geboren und studierte nach einer handwerklichen Lehre Schauspiel in Rostock. Seit der Spielzeit 2014/15 ist er fest im Ensemble des STAATSTHEATERS. In Die Räuber spielt er die Hauptrolle des Karl. Weiterhin steht er in Dantons Tod, Ein Sommernachtstraum und Zuhause auf der Bühne. GUNNAR SCHMIDT Johannes Lepsius Gunnar Schmidt absolvierte seine Schauspielausbildung in Hamburg. Nach Engagements am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, in Wilhelmshaven, Reutlingen, Münster und Tübingen kam er 2002 fest ins Karlsruher Ensemble. Derzeit steht er in Dantons Tod, Ein Sommernachtstraum, Stolpersteine Staatstheater und in Spamalot auf der Bühne. JOHANNES SCHUMACHER Stefan Geboren 1991 in Peine, aufgewachsen in Bremen, studierte er Schauspiel in Bern und Hannover. Mit Maienschlager stellte er sich vor, seit 2014 ist er festes Ensemblemitglied. Zu sehen ist er u. a. in Ein Sommernachtstraum, Die Räuber, Die Banalität der Liebe, sowie in Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir und Spamalot. SASCHA TUXHORN Altouni, Deutscher Geheimrat, junger Scheich Sascha Tuxhorn wurde 1984 in Düsseldorf geboren und studierte Schauspiel in Hannover. Von 2010 bis 2015 war er fest am Nationaltheater Mannheim engagiert und spielte u. a. den Danton, Woyzeck und Franz Moor. 2014 erhielt er den Arnold-Petersen-Preis. In der Spielzeit 2015/16 stellt er sich in der Titelrolle des Hamlet dem Karlsruher Publikum vor. 51 BILDNACHWEISE IMPRESSUM UMSCHLAG Felix Grünschloß SZENENFOTOS Felix Grünschloß PORTRÄTS Felix Grünschloß, Florian Merdes HERAUSGEBER STAATSTHEATER KARLSRUHE TEXTNACHWEISE Hosfeld, Rolf: Tod in der Wüste, Der Völkermord an den Armeniern, Frankfurt, 2015. Dabag, Mihran, Platt, Kristin: Verlust und Vermächtnis, Überlebende des Genozids an den Armeniern erinnern sich, Paderborn, 2015. Gottschlich, Jürgen: Beihilfe zum Völkermord, Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier, Berlin 2015 Nicht gekennzeichnete Texte sind Originalbeiträge für dieses Heft. BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE 2015/16 Programmheft Nr. 286 www.staatstheater.karlsruhe.de GENERALINTENDANT Peter Spuhler VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier SCHAUSPIELDIREKTOR Jan Linders LEITENDE DRAMATURGIN SCHAUSPIEL Brigitte Angela Ostermann REDAKTION Michael Gmaj KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net GESTALTUNG Danica Schlosser, Kristina Schwarz DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe ES IST DER GARTEN EDEN, JA, VATER, DER MUSA DAGH IST DER GARTEN EDEN 52 Sascha Tuxhorn, Jannek Petri, Johannes Schumacher
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