Bericht über die Qualität und Verarbeitungsfähigkeit der Weizen und

Bericht über die Qualität und Verarbeitungsfähigkeit
der Weizen und Roggen aus der Ernte 2015
Dr. Robert Aberham
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Die Ernte 2015
Einem im Vergleich zum Vorjahr etwas kühleren Winter mit zumindest im Süden und Norden der
Bundesrepublik höheren Niederschlagsmengen folgte ein kühler Frühling,
der nur im hohen Norden und südlich der Donau von reichlichen Niederschlägen
begleitet war, in der Mitte Deutschlands aber bereits ein deutliches Niederschlags-defizit verzeichnete.
Nach Pfingsten setzte bundesweit ein Turbosommer mit
starker Trockenheit ein, der im Süden während des gesamten Erntegeschehens anhielt, in der
Nordhälfte Deutschlands gab es ab Mitte Juli und im August
Niederschläge, die das Erntegeschehen etwas verzögerten.
Der aus dem kühlen Winter resultierende ca. zweiwöchige Vegetationsrückstand
(im Vergleich zu 2014) konnte durch den heißen Sommer ganz aufgeholt werden, so dass die Ernte sogar
etwas früher als 2014 beginnen konnte.
Vom Ablauf her war die Ernte in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sehr zügig und ohne
regenbedingte Verzögerungen möglich. Bundesweit haben wir kaum erhöhte Enzymwerte verzeichnet,
es muss vielmehr flächendeckend von einer sehr enzymarmen Beschaffenheit aller Getreidearten
ausgegangen werden.
Der in weiten Teilen des Landes herrschende Niederschlagsmangel und die weit über dem langjährigen
Durchschnitt liegenden Temperaturen um Juni, Juli und August
stellten einen erhöhten Stress für die Getreidepflanzen dar, der den Ertrag im
Vergleich zur vorjährigen Rekordernte deutlich minderte.
Auf vielen Standorten führte die sehr geringe Niederschlagsmenge im Juni und Juli und die hohe
Temperatur außerdem zu einer übermäßig schnellen Abreife der Pflanzen. Auf der anderen Seite
ermöglichte eine überdurchschnittliche Anzahl an
Sonnenstunden eine gute bis sehr gute Assimilationsleistung. In Summe haben sich
Befürchtungen, dass die Kornfüllungsphase zu früh unterbrochen würde und damit die Proteinwerte
niedrig ausfallen könnten, allerdings auch im Zusammenhang mit den geringeren Erträgen nicht
bewahrheitet. Im Durchschnitt liegen die Eiweißgehalte deutlich über denen des letzten Erntejahres.
Allerdings sind Hitzestress und Trockenheit nicht spurlos an der Qualität vorbeigegangen. Die Kornausbildung ist deutlich besser als erwartet, die Wasseraufnahmen sind etwa 2-3% höher als 2014. Betrachtet man aber die Teigrheologie,
so sind doch bei manchen Weizen die Extensogrammdaten nicht so gut, wie die
Proteinwerte es erwarten ließen. Dies schlägt auch auf die Backvolumina durch.
Die Glutenindizes waren bei erntefrischer Ware niedrig, haben aber in den wenigen Wochen seit der
Ernte deutlich zugenommen, erreichen die Vorjahrswerte aber nicht.
Auch die Sedimentationswerte sind teilweise (sortenabhängig) niedriger.
Die Belastung des heurigen Getreides mit Mykotoxinen ist etwas höher als 2014 aber
dennoch gering; Überschreitungen der Grenzwerte wurden bisher nicht festgestellt. Auch Mutterkorn
tritt nur selten auf, 0,05% Mutterkornbesatz wird bei einzelnen Anlieferungen überschritten.
Partien, die durch Steinbrand sensorisch beeinträchtigt waren, wurden in der Ernte 2015 in steigendem
Umfang beobachtet, wobei auffällt, dass eine sensorische Beeinträchtigung in Form des fischartigen
2
Fremdgeruches schon bei schwachem bis mittelstarkem Besatz mit Steinbrandsporen die
Verwendbarkeit mancher Partien deutlich mindert. Abhilfe kann nur eine allgemeine Beizung von
Saatgetreide schaffen. Auch oder besser gerade im Ökoanbau ist dringend zum Einsatz von Beizmitteln
(die es ja auch in einer für diese Sparte zugelassenen Form gibt) zu raten.
Insgesamt haben sich Hitze und Niederschlagsmangel in sehr stark schwankenden
Qualitäten manifestiert. Der Übergang auf die Ernte 2015 bedeutet für den Bäcker eine deutlich
wahrnehmbare Zäsur. Die Teigausbeuten müssen angehoben werden,
die Teigoberflächen sind feuchter, die maschinelle Verarbeitbarkeit ist damit teilweise
beeinträchtigt. Die Backvolumen sind im Durchschnitt trotz höherer Klebermengen gleich geblieben
oder sogar etwas gesunken. Der Ausbund der Gebäcke ist meist gut. Die Teige sind aber ohne
Triebregulation oft leblos und triebschwach.
Die Roggen der Ernte 2015
Die Roggenernte konnte in diesem Jahr fast ausnahmslos trocken und zügig
eingebracht werden, demgemäß liegen die Enzymaktivitäten auch im sehr schwachen bis niedrigen
Bereich.
Folgende Durchschnitte habe ich aus den an mein Labor eingesandten Mustern ermittelt:
Verkleisterungsmaximum
Verkleisterungstemperatur
Fallzahl
AE
Grad C
s
972
72,1
264
Aus den Messwerten wird ersichtlich, dass die Roggen aus der Ernte 2015 deutlich enzymärmer sind als
die des Vorjahres. Enzymreiche Roggen die als „Abmischware“
Verwendung finden könnten stehen praktisch nicht zur Verfügung. Somit kommt der Behandlung der
Mehle mit Supermalz, Supermalz V83, PK-200 und Veron AC
ein sehr hoher Stellenwert zu. Besonders hervorheben möchte ich, dass die Enzymaktivität im Vergleich
zur Ernte 2014 deutlich schwächer ist, womit klar wird, dass die Roggenteige ohne kräftige Behandlung
auf jeden Fall leblos und zu triebschwach sind.
Enzymarme Mehle führen zu leblosen, breitlaufenden Teigen und zu Broten mit schwacher
Frischhaltung. Krumen- und Krustenrisse, wie auch eine beim Schneiden krümelnde, trockene Krume
sind die Folge. Auch die Aromabildung der Backwaren und deren Haltbarkeit leiden unter der zu
geringen Amylaseaktivität.
Diese Durchschnittswerte ergeben sich aus folgender Verteilung der gemessenen
Amylogramm- und Fallzahlwerte:
3
Verkleisterungsmaximum
Roggen 2015
über 1600
13%
unter 200 AE
1%
201 bis 400 AE
3%
401 bis 600 AE
10%
601 bis 800 AE
15%
1200 bis 1400 AE
17%
1001 bis 1200 AE
20%
801 bis 1000 AE
21%
Verkleisterungstemperatur Roggen 2015
62,0 bis 64,0
2%
über 76,1
11%
64,1 bis 66,0
3%
66,1 bis 68,0
5%
68,1 bis 70
14%
74,1 bis 76,0
14%
70,1 bis 72,0
27%
72,1 bis 74,0
24%
Der Anteil an Roggen mit gutem Trieb liegt nur bei etwa 10%.
Eine Triebverbesserung durch die Behandlung mit Supermalz, Supermalz V83, PK-200 und Veron AC ist
daher für gut backfähige Roggenmehle unumgänglich.
Wer heuer nicht behandelt, muss mit Reklamationen rechnen und könnte Kunden
verlieren.
4
Fallzahl Roggen 2015
über 350 s
3%
unter 150 s
5%
151 bis 200 s
9%
301 bis 350 s
25%
201 bis 250 s
22%
251 bis 300 s
36%
Um Ihre Bäckerkundschaft zufrieden zu stellen, empfehle ich Ihnen folgende
Behandlungsdosierungen:
Amyloeinheiten
1300-1500
1000-1300
900-1000
800 - 900
600 - 800
600 - 800
400 - 600
300 - 400
Fallzahl
(s)
>240
>240
>240
200 - 240
170 - 200
160 - 170
140 - 160
100 - 120
Supermalz
Supermalz V83
(g/100kg Mehl)
150 – 180
100 – 130
120 - 150
80 - 100
100 - 120
70 - 80
80 - 120
50 – 70
60 - 80
40 - 50
20 - 60
10 - 30
-------------
PK-200
Veron AC
(g/100kg Mehl)
ohne Malzmehl nicht ratsam
ohne Malzmehl nicht ratsam
ohne Malzmehl nicht ratsam
ohne Malzmehl nicht ratsam
35 - 50
15 - 20
20 – 35
10 - 15
10 - 20
5 - 10
bis 10
bis 5
Wegen der geringen Enzymaktivität empfiehlt es sich, die Ascheamplitude der Mehltypen nach oben hin voll auszuschöpfen, da dunklere Mehle einen etwas besseren Trieb zeigen. Für
automatisierte Sauerteigbereiter sollten die Kunden wenn nötig auf
dunklere Mehltypen wechseln, da diese Anlagen mit unbehandelten Mehlen besser arbeiten.
Bei einer so enzymarmen Ernte wie der heurigen, ist es wichtig, daran zu erinnern, dass eine
„Einstellung der Enzymaktivität“ auf gewohnte Amylogrammeinheiten bzw.
Fallzahlen nicht sinnvoll ist. Behandlungsmittel (sowohl Malzmehl als auch Amylasen) wirken im
gärenden Teig wesentlich stärker als in der Mehl-Wasseraufschlämmung, die das Amylogramm oder die
Fallzahl testen. Wenn Sie die AE von hohen Ausgangswerten auf z.B. 500 bis 600 AE herunterdrücken,
haben Sie die Behandlung zu hoch dosiert, was dann erst recht zu Reklamationen führt.
Mutterkorn tritt heuer wenig auf, in einzelnen Anlieferungen wird ein Mutterkornbesatz von 0,05%
überschritten. Auch heuer ist zu äußerster Vorsicht und Gewissenhaftigkeit in der Getreideannahme zu
raten, da die niedrigen Grenzwerte bezüglich der Ergotalkaloide (Mutterkornalkaloide) nur dann
einzuhalten sind.
5
Die Weizen der Ernte 2015
Dass Getreide ein sehr witterungsabhängiges Naturprodukt ist, zeigen das Zusammenspiel von
Erntemenge und Verarbeitungsqualität jedes Jahr wieder.
Von der Witterung während des gesamten Getreidejahres und der Verfügbarkeit von Wasser und
Nährstoffen hängen Ertrag und Qualität des Weizens weitgehend ab.
Natürlich spielt die Sorte, also die genetischen Eigenschaften, auch eine große Rolle.
Diese Zusammenhänge spiegeln sich mit großer Heftigkeit in der heurigen Ernte wider und so stellt die
Ernte 2015 besondere Anforderungen an das Qualitätsmanagement der Mühlen dar.
Die Protein und Kleberwerte sind sowohl im konventionellen- als auch im Ökoanbau
in dieser Ernte höher als 2014. Auch das Verhältnis zwischen auswaschbarer Klebermenge und dem
Protein ist heuer zugunsten höherer Klebermengen ausgefallen. Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass
frischerntige Kleber zu hoher Wasserbindung neigen und so höhere Werte ergeben, die sich nach einer
gewissen Zeit der Nach-reifung nicht mehr nachvollziehen lassen. Ein sehr starker Einfluss der Sorten ist
hier festzustellen. Die Glutenindizes sind häufig niedriger als letzes Jahr. In der Teigstruktur zeigen sich
teilweise (stark sortenabhängig) Schwächen.
Klebermengenverteilung Weizen 2015 konventionell
40,0
33,7
35,0
30,0
24,0
25,0
19,9
20,0
15,0
10,0
6,5
7,7
6,9
5,0
1,2
0,0
Für Weizen wurden von Erntebeginn bis zum Berichtzeitpunkt folgende Werte gemittelt:
2015
12,6
30,0
27,6
48
373
658
Protein % i.Tr.
Klebermenge % (ICC137)
Klebermenge % (ICC155)
Sedimentationswert ml
Fallzahl s
Backvolumen ml/100g
2014
11,8
26,4
23,9
44
313
649
Trotz deutlich höherer Kleber- und Eiweißmenge sind die Backvolumen nicht wesentlich besser, eine
sorgsam eingestellte Ascorbinsäuredosierung und eine emulgierende Behandlung machen den Umstieg
auf die Ernte 2015 etwas einfacher.
6
Im Öko-Bereich sind die Werte gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen, aus
Süd-Ost-Europa kommen teilweise sehr kleberreiche Öko-Weizen. Die Statistik aus allen an das Labor
Aberham im Berichtzeitraum eingesandten Mustern zeigt folgendes Bild:
Klebermengenverteilung Weizen 2015 öko
35,0
32,3
30,0
23,4
25,0
21,9
20,0
15,0
8,0
10,0
5,0
2,0
6,5
3,5
1,5
1,0
0,0
Die Mittelwerte stellen sich wie folgt dar:
2015
11,4
26,2
23,6
39
370
Protein % i.Tr.
Klebermenge % (ICC137)
Klebermenge % (ICC155)
Sedimentationswert ml
Fallzahl s
Sowohl für den konventionellen Bereich als auch für den ökologischen gilt aber,
dass die amylolytische Aktivität der Weizen deutlich geringer ist als 2014.
7
2014
10,1
22,5
19,5
33
309
Fallzahlverteilung Weizen 2015 konv. + öko
unter 200 s
1% 201 bis 250 s
4%
251 bis 300 s
8%
über 450 s
4%
301 bis 350 s
14%
401 bis 450 s
33%
351 bis 400 s
36%
Da auch im Weizen wenig enzymreiche Partien zur „Abmischung“ verfügbar sind, ist eine
Triebregulierung mit Supermalz, Supermalz V83, Pk-200, Veron AC oder Veron FD in folgendem
Umfang anzuraten:
Maltose Fallzahl Supermalz Supermalz V83 PK-200
Veron AC
1.4 -1.7 * > 380
45-60
20-40
30-40
15-20
1.7 -1.9 > 340
30-45
15-20
25-35
8-15
2.0 -2.2 > 320
15-30
7-15
15-25
5-8
2.2 -2.4 > 290
10-15
ca. 7
10-15
3-5
Dosierungen in g/100kg Mehl
*) dieser Bereich sollte unbedingt vermieden werden, da Reklamationen
kaum zu umgehen sind!
Veron FD
15-20
7-15
5-7
3-5
Die Weizen der Ernte 2015 zeigen insgesamt im Extensogramm etwas weniger Energie, bei einigen
Sorten ist der Trend verstärkt zu beobachten, die Teige neigen zu etwas feuchten Oberflächen. Die
Teigdehnbarkeit lässt nur bei manchen Sorten hohe Ascorbinsäuredosierungen zu, meist ist in diesem
Punkt zur Vorsicht zu raten. Ohne Ascorbinsäure ist die maschinelle Verarbeitung aber schwieriger als
im letzten Jahr, da die Teige langsamer auftrocknen. Bezüglich der Sorten und ihrer
Verarbeitungseigenschaften verweise ich auf das Qualitätsseminar (siehe nächste Seite).
Die Messung der Eiweißeigenschaften im Sedimentationswert und in der Teig-rheologie deutet auf
schwächere Backeigenschaften hin. Dies wird durch die Backversuche teilweise auch bestätigt.
Keineswegs kann man aber sagen, dass alle am Markt befindlichen Mehle schwächer backen, gut bis
sehr gut backfähige Mehle sind nach wie vor der Normalfall.
In dieser Ernte sollte die Teigstruktur und der Trieb der Mehle durch eine noch sorgfältigere Steuerung
der Weizenmischung und eine gut eingestellte Mehlbehandlung vorgenommen werden, um so ein
ausgeglichenes Verhältnis von Gasbildung und Gashaltevermögen zu gewährleisten. Nur dann können
die Teiglinge im Ofen gut aufgehen und ein gutes Backergebnis gewährleisten.
8
Die für gute Bäckermehle erforderliche AS-Dosierung (A-20) ist etwa so wie im
Vorjahr anzusetzen. Die Mehle reagieren deutlich, aber auch sensibel auf diese Behandlung die korrekte
Dosierung sollte unbedingt anhand der Extensogrammdaten erfolgen.
Die Grundweizenmischungen zeigen teilweise geringere Dehnbarkeit und eine etwas niedrigere Energie
im Extensogramm, hier helfen die emulgierenden Behandlungs-mittel Extra S-80 genfrei, Exaktin, UltraA und ME-209. Da viele Mühlen sehr zügig auf die Weizen der neuen Ernte umstellen müssen,
erleichtern Emulgatoren den raschen Übergang. Diese Gruppe der Behandlungsmittel macht Teige
trockener und maschinenfreundlich und verbessert die Volumenausbeute. Die wirksame Dosierung
beginnt bei allen auf dem Markt befindlichen Emulgatorpräparaten bei ca. 50g je 100kg Mehl und
erreicht bei 150g einen kräftig wahrnehmbaren Bereich.
Eine gute Alternative ist auch die Behandlung mit dem Hemicellulasepräparta X-32. Dieses
Behandlungsmittel macht die Teige dehnbarer und wolliger, damit verbunden ist auch eine deutliche
Volumensteigerung der Gebäcke erzielbar. Die Dosierung beträgt 7 bis max. 15g je 100kg Mehl.
Glück zu
Dr. Aberham
PS: beachten Sie bitte meine Homepage, auf der ständig aktualisierte Qualitätsdaten
veröffentlicht werden: www.getreidechemie.de
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