Bericht über die Qualität und Verarbeitungsfähigkeit der Weizen und Roggen aus der Ernte 2015 Dr. Robert Aberham Labor Aberham Tirolerweg 7 86845 Großaitingen Telefon 08203/5086 Telefax 08203/1654 web www.getreidechemie.de e-mail [email protected] Im Auftrag der: Leonhard Hingerl GmbH Backmittelfabrik Siemensstr. 2 84539 Ampfing Telefon 08636/7417 Telefax 08636/7833 web www.hingerl-gmbh.de email [email protected] Vertrieb: EGESIE GmbH Gleißbühlstraße 13 90402 Nürnberg Telefon 0911/244080 Telefax 0911/2440848 web www.egesie.de email [email protected] 1 Die Ernte 2015 Einem im Vergleich zum Vorjahr etwas kühleren Winter mit zumindest im Süden und Norden der Bundesrepublik höheren Niederschlagsmengen folgte ein kühler Frühling, der nur im hohen Norden und südlich der Donau von reichlichen Niederschlägen begleitet war, in der Mitte Deutschlands aber bereits ein deutliches Niederschlags-defizit verzeichnete. Nach Pfingsten setzte bundesweit ein Turbosommer mit starker Trockenheit ein, der im Süden während des gesamten Erntegeschehens anhielt, in der Nordhälfte Deutschlands gab es ab Mitte Juli und im August Niederschläge, die das Erntegeschehen etwas verzögerten. Der aus dem kühlen Winter resultierende ca. zweiwöchige Vegetationsrückstand (im Vergleich zu 2014) konnte durch den heißen Sommer ganz aufgeholt werden, so dass die Ernte sogar etwas früher als 2014 beginnen konnte. Vom Ablauf her war die Ernte in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sehr zügig und ohne regenbedingte Verzögerungen möglich. Bundesweit haben wir kaum erhöhte Enzymwerte verzeichnet, es muss vielmehr flächendeckend von einer sehr enzymarmen Beschaffenheit aller Getreidearten ausgegangen werden. Der in weiten Teilen des Landes herrschende Niederschlagsmangel und die weit über dem langjährigen Durchschnitt liegenden Temperaturen um Juni, Juli und August stellten einen erhöhten Stress für die Getreidepflanzen dar, der den Ertrag im Vergleich zur vorjährigen Rekordernte deutlich minderte. Auf vielen Standorten führte die sehr geringe Niederschlagsmenge im Juni und Juli und die hohe Temperatur außerdem zu einer übermäßig schnellen Abreife der Pflanzen. Auf der anderen Seite ermöglichte eine überdurchschnittliche Anzahl an Sonnenstunden eine gute bis sehr gute Assimilationsleistung. In Summe haben sich Befürchtungen, dass die Kornfüllungsphase zu früh unterbrochen würde und damit die Proteinwerte niedrig ausfallen könnten, allerdings auch im Zusammenhang mit den geringeren Erträgen nicht bewahrheitet. Im Durchschnitt liegen die Eiweißgehalte deutlich über denen des letzten Erntejahres. Allerdings sind Hitzestress und Trockenheit nicht spurlos an der Qualität vorbeigegangen. Die Kornausbildung ist deutlich besser als erwartet, die Wasseraufnahmen sind etwa 2-3% höher als 2014. Betrachtet man aber die Teigrheologie, so sind doch bei manchen Weizen die Extensogrammdaten nicht so gut, wie die Proteinwerte es erwarten ließen. Dies schlägt auch auf die Backvolumina durch. Die Glutenindizes waren bei erntefrischer Ware niedrig, haben aber in den wenigen Wochen seit der Ernte deutlich zugenommen, erreichen die Vorjahrswerte aber nicht. Auch die Sedimentationswerte sind teilweise (sortenabhängig) niedriger. Die Belastung des heurigen Getreides mit Mykotoxinen ist etwas höher als 2014 aber dennoch gering; Überschreitungen der Grenzwerte wurden bisher nicht festgestellt. Auch Mutterkorn tritt nur selten auf, 0,05% Mutterkornbesatz wird bei einzelnen Anlieferungen überschritten. Partien, die durch Steinbrand sensorisch beeinträchtigt waren, wurden in der Ernte 2015 in steigendem Umfang beobachtet, wobei auffällt, dass eine sensorische Beeinträchtigung in Form des fischartigen 2 Fremdgeruches schon bei schwachem bis mittelstarkem Besatz mit Steinbrandsporen die Verwendbarkeit mancher Partien deutlich mindert. Abhilfe kann nur eine allgemeine Beizung von Saatgetreide schaffen. Auch oder besser gerade im Ökoanbau ist dringend zum Einsatz von Beizmitteln (die es ja auch in einer für diese Sparte zugelassenen Form gibt) zu raten. Insgesamt haben sich Hitze und Niederschlagsmangel in sehr stark schwankenden Qualitäten manifestiert. Der Übergang auf die Ernte 2015 bedeutet für den Bäcker eine deutlich wahrnehmbare Zäsur. Die Teigausbeuten müssen angehoben werden, die Teigoberflächen sind feuchter, die maschinelle Verarbeitbarkeit ist damit teilweise beeinträchtigt. Die Backvolumen sind im Durchschnitt trotz höherer Klebermengen gleich geblieben oder sogar etwas gesunken. Der Ausbund der Gebäcke ist meist gut. Die Teige sind aber ohne Triebregulation oft leblos und triebschwach. Die Roggen der Ernte 2015 Die Roggenernte konnte in diesem Jahr fast ausnahmslos trocken und zügig eingebracht werden, demgemäß liegen die Enzymaktivitäten auch im sehr schwachen bis niedrigen Bereich. Folgende Durchschnitte habe ich aus den an mein Labor eingesandten Mustern ermittelt: Verkleisterungsmaximum Verkleisterungstemperatur Fallzahl AE Grad C s 972 72,1 264 Aus den Messwerten wird ersichtlich, dass die Roggen aus der Ernte 2015 deutlich enzymärmer sind als die des Vorjahres. Enzymreiche Roggen die als „Abmischware“ Verwendung finden könnten stehen praktisch nicht zur Verfügung. Somit kommt der Behandlung der Mehle mit Supermalz, Supermalz V83, PK-200 und Veron AC ein sehr hoher Stellenwert zu. Besonders hervorheben möchte ich, dass die Enzymaktivität im Vergleich zur Ernte 2014 deutlich schwächer ist, womit klar wird, dass die Roggenteige ohne kräftige Behandlung auf jeden Fall leblos und zu triebschwach sind. Enzymarme Mehle führen zu leblosen, breitlaufenden Teigen und zu Broten mit schwacher Frischhaltung. Krumen- und Krustenrisse, wie auch eine beim Schneiden krümelnde, trockene Krume sind die Folge. Auch die Aromabildung der Backwaren und deren Haltbarkeit leiden unter der zu geringen Amylaseaktivität. Diese Durchschnittswerte ergeben sich aus folgender Verteilung der gemessenen Amylogramm- und Fallzahlwerte: 3 Verkleisterungsmaximum Roggen 2015 über 1600 13% unter 200 AE 1% 201 bis 400 AE 3% 401 bis 600 AE 10% 601 bis 800 AE 15% 1200 bis 1400 AE 17% 1001 bis 1200 AE 20% 801 bis 1000 AE 21% Verkleisterungstemperatur Roggen 2015 62,0 bis 64,0 2% über 76,1 11% 64,1 bis 66,0 3% 66,1 bis 68,0 5% 68,1 bis 70 14% 74,1 bis 76,0 14% 70,1 bis 72,0 27% 72,1 bis 74,0 24% Der Anteil an Roggen mit gutem Trieb liegt nur bei etwa 10%. Eine Triebverbesserung durch die Behandlung mit Supermalz, Supermalz V83, PK-200 und Veron AC ist daher für gut backfähige Roggenmehle unumgänglich. Wer heuer nicht behandelt, muss mit Reklamationen rechnen und könnte Kunden verlieren. 4 Fallzahl Roggen 2015 über 350 s 3% unter 150 s 5% 151 bis 200 s 9% 301 bis 350 s 25% 201 bis 250 s 22% 251 bis 300 s 36% Um Ihre Bäckerkundschaft zufrieden zu stellen, empfehle ich Ihnen folgende Behandlungsdosierungen: Amyloeinheiten 1300-1500 1000-1300 900-1000 800 - 900 600 - 800 600 - 800 400 - 600 300 - 400 Fallzahl (s) >240 >240 >240 200 - 240 170 - 200 160 - 170 140 - 160 100 - 120 Supermalz Supermalz V83 (g/100kg Mehl) 150 – 180 100 – 130 120 - 150 80 - 100 100 - 120 70 - 80 80 - 120 50 – 70 60 - 80 40 - 50 20 - 60 10 - 30 ------------- PK-200 Veron AC (g/100kg Mehl) ohne Malzmehl nicht ratsam ohne Malzmehl nicht ratsam ohne Malzmehl nicht ratsam ohne Malzmehl nicht ratsam 35 - 50 15 - 20 20 – 35 10 - 15 10 - 20 5 - 10 bis 10 bis 5 Wegen der geringen Enzymaktivität empfiehlt es sich, die Ascheamplitude der Mehltypen nach oben hin voll auszuschöpfen, da dunklere Mehle einen etwas besseren Trieb zeigen. Für automatisierte Sauerteigbereiter sollten die Kunden wenn nötig auf dunklere Mehltypen wechseln, da diese Anlagen mit unbehandelten Mehlen besser arbeiten. Bei einer so enzymarmen Ernte wie der heurigen, ist es wichtig, daran zu erinnern, dass eine „Einstellung der Enzymaktivität“ auf gewohnte Amylogrammeinheiten bzw. Fallzahlen nicht sinnvoll ist. Behandlungsmittel (sowohl Malzmehl als auch Amylasen) wirken im gärenden Teig wesentlich stärker als in der Mehl-Wasseraufschlämmung, die das Amylogramm oder die Fallzahl testen. Wenn Sie die AE von hohen Ausgangswerten auf z.B. 500 bis 600 AE herunterdrücken, haben Sie die Behandlung zu hoch dosiert, was dann erst recht zu Reklamationen führt. Mutterkorn tritt heuer wenig auf, in einzelnen Anlieferungen wird ein Mutterkornbesatz von 0,05% überschritten. Auch heuer ist zu äußerster Vorsicht und Gewissenhaftigkeit in der Getreideannahme zu raten, da die niedrigen Grenzwerte bezüglich der Ergotalkaloide (Mutterkornalkaloide) nur dann einzuhalten sind. 5 Die Weizen der Ernte 2015 Dass Getreide ein sehr witterungsabhängiges Naturprodukt ist, zeigen das Zusammenspiel von Erntemenge und Verarbeitungsqualität jedes Jahr wieder. Von der Witterung während des gesamten Getreidejahres und der Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen hängen Ertrag und Qualität des Weizens weitgehend ab. Natürlich spielt die Sorte, also die genetischen Eigenschaften, auch eine große Rolle. Diese Zusammenhänge spiegeln sich mit großer Heftigkeit in der heurigen Ernte wider und so stellt die Ernte 2015 besondere Anforderungen an das Qualitätsmanagement der Mühlen dar. Die Protein und Kleberwerte sind sowohl im konventionellen- als auch im Ökoanbau in dieser Ernte höher als 2014. Auch das Verhältnis zwischen auswaschbarer Klebermenge und dem Protein ist heuer zugunsten höherer Klebermengen ausgefallen. Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass frischerntige Kleber zu hoher Wasserbindung neigen und so höhere Werte ergeben, die sich nach einer gewissen Zeit der Nach-reifung nicht mehr nachvollziehen lassen. Ein sehr starker Einfluss der Sorten ist hier festzustellen. Die Glutenindizes sind häufig niedriger als letzes Jahr. In der Teigstruktur zeigen sich teilweise (stark sortenabhängig) Schwächen. Klebermengenverteilung Weizen 2015 konventionell 40,0 33,7 35,0 30,0 24,0 25,0 19,9 20,0 15,0 10,0 6,5 7,7 6,9 5,0 1,2 0,0 Für Weizen wurden von Erntebeginn bis zum Berichtzeitpunkt folgende Werte gemittelt: 2015 12,6 30,0 27,6 48 373 658 Protein % i.Tr. Klebermenge % (ICC137) Klebermenge % (ICC155) Sedimentationswert ml Fallzahl s Backvolumen ml/100g 2014 11,8 26,4 23,9 44 313 649 Trotz deutlich höherer Kleber- und Eiweißmenge sind die Backvolumen nicht wesentlich besser, eine sorgsam eingestellte Ascorbinsäuredosierung und eine emulgierende Behandlung machen den Umstieg auf die Ernte 2015 etwas einfacher. 6 Im Öko-Bereich sind die Werte gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen, aus Süd-Ost-Europa kommen teilweise sehr kleberreiche Öko-Weizen. Die Statistik aus allen an das Labor Aberham im Berichtzeitraum eingesandten Mustern zeigt folgendes Bild: Klebermengenverteilung Weizen 2015 öko 35,0 32,3 30,0 23,4 25,0 21,9 20,0 15,0 8,0 10,0 5,0 2,0 6,5 3,5 1,5 1,0 0,0 Die Mittelwerte stellen sich wie folgt dar: 2015 11,4 26,2 23,6 39 370 Protein % i.Tr. Klebermenge % (ICC137) Klebermenge % (ICC155) Sedimentationswert ml Fallzahl s Sowohl für den konventionellen Bereich als auch für den ökologischen gilt aber, dass die amylolytische Aktivität der Weizen deutlich geringer ist als 2014. 7 2014 10,1 22,5 19,5 33 309 Fallzahlverteilung Weizen 2015 konv. + öko unter 200 s 1% 201 bis 250 s 4% 251 bis 300 s 8% über 450 s 4% 301 bis 350 s 14% 401 bis 450 s 33% 351 bis 400 s 36% Da auch im Weizen wenig enzymreiche Partien zur „Abmischung“ verfügbar sind, ist eine Triebregulierung mit Supermalz, Supermalz V83, Pk-200, Veron AC oder Veron FD in folgendem Umfang anzuraten: Maltose Fallzahl Supermalz Supermalz V83 PK-200 Veron AC 1.4 -1.7 * > 380 45-60 20-40 30-40 15-20 1.7 -1.9 > 340 30-45 15-20 25-35 8-15 2.0 -2.2 > 320 15-30 7-15 15-25 5-8 2.2 -2.4 > 290 10-15 ca. 7 10-15 3-5 Dosierungen in g/100kg Mehl *) dieser Bereich sollte unbedingt vermieden werden, da Reklamationen kaum zu umgehen sind! Veron FD 15-20 7-15 5-7 3-5 Die Weizen der Ernte 2015 zeigen insgesamt im Extensogramm etwas weniger Energie, bei einigen Sorten ist der Trend verstärkt zu beobachten, die Teige neigen zu etwas feuchten Oberflächen. Die Teigdehnbarkeit lässt nur bei manchen Sorten hohe Ascorbinsäuredosierungen zu, meist ist in diesem Punkt zur Vorsicht zu raten. Ohne Ascorbinsäure ist die maschinelle Verarbeitung aber schwieriger als im letzten Jahr, da die Teige langsamer auftrocknen. Bezüglich der Sorten und ihrer Verarbeitungseigenschaften verweise ich auf das Qualitätsseminar (siehe nächste Seite). Die Messung der Eiweißeigenschaften im Sedimentationswert und in der Teig-rheologie deutet auf schwächere Backeigenschaften hin. Dies wird durch die Backversuche teilweise auch bestätigt. Keineswegs kann man aber sagen, dass alle am Markt befindlichen Mehle schwächer backen, gut bis sehr gut backfähige Mehle sind nach wie vor der Normalfall. In dieser Ernte sollte die Teigstruktur und der Trieb der Mehle durch eine noch sorgfältigere Steuerung der Weizenmischung und eine gut eingestellte Mehlbehandlung vorgenommen werden, um so ein ausgeglichenes Verhältnis von Gasbildung und Gashaltevermögen zu gewährleisten. Nur dann können die Teiglinge im Ofen gut aufgehen und ein gutes Backergebnis gewährleisten. 8 Die für gute Bäckermehle erforderliche AS-Dosierung (A-20) ist etwa so wie im Vorjahr anzusetzen. Die Mehle reagieren deutlich, aber auch sensibel auf diese Behandlung die korrekte Dosierung sollte unbedingt anhand der Extensogrammdaten erfolgen. Die Grundweizenmischungen zeigen teilweise geringere Dehnbarkeit und eine etwas niedrigere Energie im Extensogramm, hier helfen die emulgierenden Behandlungs-mittel Extra S-80 genfrei, Exaktin, UltraA und ME-209. Da viele Mühlen sehr zügig auf die Weizen der neuen Ernte umstellen müssen, erleichtern Emulgatoren den raschen Übergang. Diese Gruppe der Behandlungsmittel macht Teige trockener und maschinenfreundlich und verbessert die Volumenausbeute. Die wirksame Dosierung beginnt bei allen auf dem Markt befindlichen Emulgatorpräparaten bei ca. 50g je 100kg Mehl und erreicht bei 150g einen kräftig wahrnehmbaren Bereich. Eine gute Alternative ist auch die Behandlung mit dem Hemicellulasepräparta X-32. Dieses Behandlungsmittel macht die Teige dehnbarer und wolliger, damit verbunden ist auch eine deutliche Volumensteigerung der Gebäcke erzielbar. Die Dosierung beträgt 7 bis max. 15g je 100kg Mehl. Glück zu Dr. Aberham PS: beachten Sie bitte meine Homepage, auf der ständig aktualisierte Qualitätsdaten veröffentlicht werden: www.getreidechemie.de 9
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