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Die neue Betriebssicherheitsverordnung
Eine News der Reusch Rechtsanwälte (August 2015)
Instandhaltung und Änderung von Arbeitsmitteln in der neuen Betriebssicherheitsverordnung.
Laut der Unfallstatistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wird ein beträchtlicher Teil der Arbeitsunfälle durch unerlaubte Eingriffe in Schutz- und Sicherheitseinrichtungen verursacht. Eine entsprechende Schutzeinrichtung wird häufig manipuliert und umgangen, um Arbeitsabläufe auf Kosten der Sicherheit effizienter zu gestalten. Häufig werden die Schutzmaßnahmen
durch verfügbare Gegenstände oder Werkzeuge wie Büroklammern, Münzen, Klebeband, Draht oder Schraubendreher manipuliert und deren Funktionsweise somit eingeschränkt. Aus diesen Gründen wird das Manipulationsverbot in der neuen Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) 2015
besonders betont. Ausdrückliches Ziel der Reform der Betriebssicherheitsverordnung ist die Verbesserung des betriebssicherheitsrechtlichen Rahmens.
Künftig ist der Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Schutz- und Sicherheitseinrichtungen
funktionsfähig sind und nicht manipuliert oder umgangen werden. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung benutzt und Informationen sowie Kennzeichnungen und Gefahrenhinweise beachtet werden. Die Einhaltung entsprechender Ver- und Gebote, die der Sicherheit des Arbeitnehmers dienen, hat der Arbeitgeber durch
regelmäßige Kontrollen zu überprüfen.
Bei umfangreichen Änderungen an Arbeitsmitteln muss der Arbeitgeber künftig die Fragen beantworten können,
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ob betriebssicherheitsrechtlich eine prüfpflichtige Änderung vorliegt und
ob produktsicherheitsrechtlich eine wesentliche Veränderung des Arbeitsmittels vorgenommen wird.
Im Falle der prüfpflichtigen Änderung müssen insbesondere die in Anhang 3 der BetrSichV genannten Arbeitsmittel umfassend auf ihre Sicherheit geprüft werden. Liegt hingegen eine wesentliche
Veränderung vor, handelt es sich im Sinne des Produktsicherheitsrechts (Maschinenrichtlinie) um
ein neues Produkt. Derjenige, der die wesentlichen Änderungen vorgenommen hat, wird dabei zum
Hersteller. Wird eine Maschine durch den Arbeitgeber wesentlich verändert und dieser dadurch
zum Hersteller, muss der Arbeitgeber aufgrund seiner Herstellereigenschaft die Verantwortung für
die Compliance der „neuen“ Maschine mit sämtlichen formellen und materiellen Anforderungen der
EG-Maschinenrichtlinie übernehmen. Letztlich muss der Arbeitgeber dann auch die EG-Konformitätserklärung für die Maschine ausstellen.
Von der sogenannten Änderung von Arbeitsmitteln, ist die Instandhaltung zu unterscheiden. Die beschafften Arbeitsmittel müssen durch Instandhaltung fortlaufend sicher bleiben. Die neue BetrSichV sieht eine ausdrückliche Pflicht zur Instandhaltung vor „damit die Arbeitsmittel während der
gesamten Verwendungsdauer den für sie geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforde-
gesamten Verwendungsdauer den für sie geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entsprechen und in einem sicheren Zustand erhalten werden“ (§ 10 Abs. 1 S. 1 BetrSichV).
Die konkrete Durchführung der Instandhaltung ist in der neuen BetrSichV detailliert geregelt. Somit
gibt es weitere Rechtssicherheit für den Arbeitgeber, da dieser sich in der BetrSichV über seine
Pflichten und das rechtlich gebotene Vorgehen informieren kann. Gemäß § 10 Abs. 2 BetrSichV
muss der Instandhaltung nun eine Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegen und die Betriebsanleitung des Herstellers berücksichtigt werden. Die Instandhaltung darf ferner ausschließlich von fachkundigen, beauftragten und unterwiesenen Beschäftigten oder von sonstigen für die Durchführung
der Instandhaltungsarbeiten geeigneten Personen mit vergleichbarer Qualifikation durchgeführt
werden.
Praktisch von Bedeutung ist die vereinfachte Vorgehensweise bei der Verwendung von Arbeitsmitteln gemäß § 7 BetrSichV. Sie setzt die kumulative Erfüllung von 2 Bedingungen bei einfachen Sachverhalten mit einem vereinfachten Maßnahmenkonzept voraus. Diese Vorgehensweise bringt den
Vorteil, dass für die Dokumentation eine Gebrauchs- bzw. Betriebsanleitung des Herstellers genügt.
Ein Verstoß gegen die Pflichten gemäß der BetrSichV wird in insgesamt 32 Ordnungswidrigkeitstatbeständen mit Geldbußen von bis zu 5.000 EUR sanktioniert. Voraussetzung ist grundsätzlich immer schuldhaftes Handeln in Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Durch die Neuerungen aufgrund der BetrSichV gewinnen die Aktivitäten hinsichtlich der Instandhaltung und Änderung von Arbeitsmitteln eine arbeitsschutzrechtliche Bedeutung. Arbeitsunfälle
durch unerlaubte Eingriffe in Schutz- und Sicherheitseinrichtungen sollen durch den neuen rechtlichen Rahmen stärker vermieden werden. Für die Arbeitgeber bedeuten die Neuerungen jedoch
auch einen erhöhten Aufwand, der nun schnellstmöglich angegangen werden will.der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erläutert in § 42 genauer, was unter einem Sicherheitsbauteil zu verstehen
ist. Danach sind zahlreiche Maschinenbestandteile entscheidend für die Sicherheit von Maschinen
und den Gesundheitsschutz von Personen. Für den reinen Betrieb erforderliche Bauteile gelten hingegen nicht als Sicherheitsbauteile. Sicherheitsbauteile sind vielmehr solche, die vom Hersteller für
die Montage an Maschinen vorgesehen sind und dort eine Schutzfunktion erfüllen sollen. Gesondert
in Verkehr gebrachte Bauteile, die sowohl Sicherheits- als auch Betriebsfunktionen abdecken oder
die vom Bauteilehersteller entweder für Sicherheits- oder für Betriebsfunktionen der Maschine vorgesehen sind, gelten als Sicherheitsbauteile.
Der zweite Aufzählungspunkt der Begriffsbestimmung in Art. 2 c) der Maschinenrichtlinie bedeutet,
dass nur Sicherheitsbauteile, die gesondert in Verkehr gebracht werden, als solche der Maschinenrichtlinie unterliegen. Sicherheitsbauteile, die von einem Maschinenhersteller für den Einbau in seinen eigenen Maschinen produziert werden, unterliegen nicht der Richtlinie, obgleich sie es ermöglichen müssen, dass die Maschine die einschlägigen und grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt.
Schaltschränke mit Bauteilen, die zwar eine Sicherheitsfunktion besitzen und gesondert In Verkehr
gebracht werden, fallen dann nicht in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie, wenn die
sicherheitsrelevanten Bauteile durch andere übliche Bauteile ersetzt werden können und die Funktion des Schaltschranks dadurch nicht beeinträchtigt wird. Folglich muss die Sicherheitsfunktion in
Bezug auf den Schaltschrank von Bedeutung sein.
Sicherheitsbauteile im Sinne von Art. 2 Abs. 1 c) der Maschinenrichtlinie sind solche, die eine vollständige, in sich abgeschlossene Sicherheitsfunktion erfüllen, die der Hersteller des Bauteils definiert und durch das Bauteil selbst oder durch die erforderliche Software oder Parametrierung realisiert. Beispielsweise kann die Funktion des Bauteils durch einen Algorithmus bestimmt sein. Das
Merkmal eines bestimmten Algorithmus wird in § 388 des Leitfadens für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ausführlich kommentiert.
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Bauteile, die Komponenten sind und nicht vom Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie erfasst
werden, sind Bauteile, die keine vollständige, in sich abgeschlossene Sicherheitsfunktion erfüllen.
Um die vorgesehene Sicherheitsfunktion zu erfüllen, muss der Maschinenhersteller mehrere Bauteile kombinieren, diese programmieren oder die Bauteile parametrieren. In diesem Fall ist der Maschinenhersteller für die Konzeption dieser Bauteilekombination verantwortlich und damit auch für
die Übereinstimmung mit den Anforderungen der Maschinenrichtlinie.
Fazit
Wenn der Schaltschrank jedoch mindestens eine - in sich abgeschlossene - Sicherheitsfunktion enthält, einzeln in Verkehr gebracht wird, der Ausfall der Steuerung eine Gefährdung für die Sicherheit
von Personen darstellt und die Prozesssteuerung nicht durch Bauteile ersetzt werden kann, die
keine Sicherheitsbauteile sind, dann fällt der Schaltschrank in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie. Die Sicherheitsfunktion des Schaltschranks muss von Bedeutung sein, damit die Maschinenrichtlinie anwendbar ist.
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