Gruppen

Vorkurs Mathematik
Faktorgruppen
Saskia Klaus
08.10.2015
1 Erinnerung
• Eine Gruppe (G, ?, e) ist eine Menge G zusammen mit einer Abbildung ? : G × G → G,
sodass:
– ? ist assoziativ: x ? (y ? z) = (x ? y) ? z für alle x, y, z ∈ G
– neutrales Element: x ? e = x = e ? x für alle x ∈ G
– inverses Element: Für jedes x ∈ G existiert ein y ∈ G, sodass x ? y = e = y ? x
• Wir nennen eine Gruppe abelsch (oder kommutativ), wenn x ? y = y ? x für alle x, y ∈ G.
• Eine Untergruppe H ⊆ G ist eine Teilmenge H, sodass
– Für jedes x ∈ H ist auch das Inverse zu x in H
– Für jede x, y ∈ H ist auch x ? y ∈ H
• Konvention: Wir lassen ? weg und schreiben xy statt x ? y. Das Inverse zu x bezeichnen
wir mit x−1 .
2 Faktorgruppen
Sei G eine Gruppe.
Definition. Für eine Untergruppe H ⊆ G und x ∈ G sei die Linksnebenklasse xH definiert als
die Menge xH = {xh | h ∈ H}. Analog definieren wir Rechtsnebenklassen Hx = {hx | h ∈ H}.
Beispiel. Sei G = Z, H = Z und x = 3. Dann ist 3Z die Menge {3m | m ∈ Z} = {. . . , −3, 0, 3, 6, . . . }.
Definition. Eine normale Untergruppe bzw. ein Normalteiler ist eine Untergruppe N ⊆ G,
sodass für alle x ∈ G gilt xN = N x.
Bemerkung. Die Definition ist offenbar äquivalent dazu, dass xN x−1 = N.
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Satz 1. In einer abelschen Gruppe G̃ ist jede Untergruppe ein Normalteiler.
Beweis. Sei H ⊆ G̃ eine Untergruppe und x ∈ G̃. Dann gilt:
xH = {xh | h ∈ H}
= {hx | h ∈ H}
= Hx,
wobei wir im zweiten Schritt benutzt haben, dass xh = hx für alle x, h ∈ G.
Definition. Sei H ⊆ G eine Untergruppe. Dann definieren wir eine Relation ∼H auf G durch:
x ∼H y :⇔ x−1 y ∈ H.
Lemma 2. Diese Relation ist eine Äquivalenzrelation.
Beweis. Wir rechnen die drei Eigenschaften Reflexivität, Symmetrie und Transitivität nach.
(i) Reflexivität:
Sei x ∈ G beliebig. Dann gilt x−1 x = e ∈ H, also x ∼H x.
(ii) Symmetrie:
Seien x, y ∈ G, sodass x ∼H y, d.h. x−1 y ∈ H. Da H eine Untergruppe ist, gilt somit auch
(x−1 y)−1 ∈ H. Wir wollen zeigen:
(x−1 y)−1 = y−1 x.
Es gilt:
(x−1 y)(y−1 x) = x−1 (yy−1 )x = x−1 x = e,
wobei wir im ersten Schritt die Assoziativität der Gruppenverknüpfung verwendet haben.
Damit gilt nun auch y ∼H x.
(iii) Transitivität:
Seien x, y, z ∈ G, sodass x ∼H y und y ∼H z. Zu zeigen ist, dass auch x ∼H z gilt.
Nach Voraussetzung gelten x−1 y ∈ H und y−1 z ∈ H. Dann ist
H 3 (x−1 y)(y−1 z) = x−1 (yy−1 )z = x−1 z,
also x ∼H z.
Lemma 3. Sei G eine Gruppe und H ⊆ G eine Untergruppe. Sei x ∈ G. Dann ist die Äquivalenzklasse von x bezüglich der oben definierten Relation gegeben durch
[x] = xH
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Beweis. Zunächst die Inklusion „⊆“:
Sei y ∈ [x], d.h. x−1 y ∈ H. Also gibt es ein h ∈ H mit x−1 y = h. Verknüpfen wir diese Gleichung
mit x, so erhalten wir
xx−1 y = y = xh.
Also ist y ∈ xH.
Für die umgekehrte Inklusion („⊇“) sei y ∈ xH, also gibt es ein h ∈ H mit y = xh. Verknüpfen
wir diese Gleichung mit x−1 , so erhalten wir
x−1 y = x−1 xh = h ∈ H,
also gilt x ∼H y und y ∈ [x].
Definition. Die Menge der Äquivalenzklassen bezüglich ∼H haben wir zuvor als G/∼H bezeichnet (s. Vortrag Relationen). Nun schreiben wir einfacher:
G/H := G/∼H = {[x] | x ∈ G}.
Satz 4. Ist N = H ein Normalteiler, so ist G/N eine Gruppe, wobei die Gruppenstruktur definiert
sei durch (xN) ? (yN) := (xy)N.
Beweis. Wir zeigen nur, dass die Verknüpfung wohldefiniert ist. D.h. wir wollen zeigen, dass
für xN = x0 N und yN = y0 N auch (xy)N = (x0 y0 )N gilt.
Sei dazu g ∈ (xy)N, also g = (xy)n = x(yn) für ein n ∈ N. Da yn ∈ yN = y0 N, existiert ein n0 ∈ N
sodass
g = x(y0 n0 ) = x(n00 y0 ) = (xn00 )y0 ,
mit einem n00 ∈ N, welches nach der Normalteilereigenschaft von N (y0 N = Ny0 ) existiert. Nun
gilt analog zu oben xn00 ∈ xN = x0 N, also gibt es ein m ∈ N mit
g = (x0 m)y0 = x0 (my0 ) = x0 (y0 m0 ) = (x0 y0 )m0 ,
wobei wir im letzten Schritt wieder die Eigenschaft Ny0 = y0 N benutzt haben.
Damit haben wir gezeigt, dass g ∈ (x0 y0 )N. Die umgekehrte Inklusion funktioniert analog.
Bemerkung. Wir nennen die so definierte Gruppe die Faktorgruppe G modulo N.
Im ersten Semester werdet ihr die Faktorgruppe nur für abelsche Gruppen G verwenden (in
denen jede Untergruppe ein Normalteiler ist). Wir werden uns im Folgenden der Einfachheit
halber auch auf abelsche Gruppen beschränken, obwohl alles auch im allgemeinen Setting gilt.
Beispiel. Wir betrachten die Gruppe (Z, +, 0). D.h. in diesem Beispiel ist die Verknüpfung ?
gleich + und wir setzen x−1 als −x.
3Z ist eine Untergruppe von Z und, da Z abelsch ist, auch ein Normalteiler. Wir können also
die Faktorgruppe Z/3Z betrachten. Wie oben definiert ist dies die Menge der Äquivalenzklassen
bezüglich der Relation
x ∼3Z y ⇔ (−x) + y ∈ 3Z,
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also (−x) + y = 3n für ein n ∈ Z. Damit ist nun Z/3Z = {[0], [1], [2]}, denn: Sei 2 < m ∈ Z. Dann
ist m mindestens 3 und wir können schreiben:
m = 3q + r
mit q ∈ Z und r ∈ {0, 1, 2}. Es folgt (−r) + m = 3q ∈ 3Z und damit m ∈ [r].
Für die negativen Zahlen gilt eine ähnliche Argumentation.
3 Der Satz von Lagrange
Definition. Sei G eine Gruppe. Wir nennen die Gruppe endlich, falls sie als Menge endlich viele
Elemente besitzt. Die Mächtigkeit #G nennen wir die Ordnung der Gruppe.
Definition. Sei G eine abelsche Gruppe und H ⊆ G eine Untergruppe. Ist G/H eine endliche
Gruppe, so nennen wir ihre Ordnung den Index von H in G und schreiben
(G : H) := #(G/H).
Beispiel. (Z : 3Z) = 3
Lemma 5. Sei G eine endliche Gruppe. Dann gilt (G : {e}) = #G.
Beweis. Sei [x] eine beliebige Äquivalenzklasse der Relation ∼{e} . Ist y ∈ [x], so ist x−1 y ∈ {e},
also x−1 y = e. Verknüpfen wir diese Gleichung mit x, so erhalten wir y = x, also [x] = {x}.
Damit folgt:
(G : {e}) = # ({[x] | x ∈ G}) = # ({ {x} | x ∈ G }) = #G.
Satz 6 (Lagrange). Sei G eine endliche abelsche Gruppe und H ⊆ G eine Untergruppe. Dann
gilt
#G = #H · (G : H).
Insbesondere teilt die Odnung jeder Untergruppe die Gruppenordnung.
Beweis. Weil G endlich ist, existieren endlich viele Elemente x1 , x2 , . . . , xn ∈ G mit
G/H = {[x1 ], [x2 ], . . . , [xn ]},
und für alle i, j ∈ {1, 2, . . . n} mit i , j gilt [xi ] ∩ [x j ] = ∅.
1. Schritt: Alle Äquivalenzklassen haben die gleiche Mächtigkeit.
Es genügt zu zeigen, dass für alle i ∈ {1, 2, . . . , n} gilt #[xi ] = #[e]. Es ist
[e] = eH = {eh | h ∈ H} = H.
Um zu zeigen, dass [e] = H und [xi ] dieselbe Mächtigkeit haben, konstruieren wir eine
bijektive Abbildung. Betrachte
f : H → xi H = [xi ], h 7→ xi h.
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Die Abbildung ist injektiv, denn seien h, h̃ ∈ H mit f (h) = f (h̃). Dies bedeutet gerade
xi h = xi h̃. Durch Anwenden der Kürzungsregel erhalten wir h = h̃.
Sei nun y ∈ xi H. Um zu zeigen, dass f surjektiv ist, müssen wir ein Urbild unter dieser
Abbildung angeben. Nach Voraussetzung gibt es ein h ∈ H mit y = xi h, d.h. h ist ein
Urbild von y. Als Übungsaufgabe überlege man sich folgende beiden Aussagen:
(i) Da f injektiv ist, gilt #xi H ≥ #H.
(ii) Da f surjektiv ist, gilt #xi H ≤ #H.
Da f eine Bijektion ist, besitzen also alle Äquivalenzklassen dieselbe Mächtigkeit.
2. Schritt: Beweis der Aussage
Da ∼H eine Äquivalenzrelation ist, ist G/H = {[x1 ], . . . , [xn ]} eine Partition von G (siehe
Vortrag Relationen), also gilt:
 n

n
n
n
X
X
[  (i) X
(ii)
(iii)


#G = #  [xi ] =
#[xi ] =
#[e] =
#H = n · #H.
i=1
i=1
i=1
i=1
Dabei haben wir verwendet:
(i) [xi ] ∩ [x j ] = ∅ für alle i , j
(ii) [xi ] = [e] für alle i
(iii) #[e] = #H
Außerdem ist n = (G : H). Damit ist alles gezeigt.
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