Manchmal muss es Kaviar sein

Nenad kocht
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6. Dezember 2015 | sonntagszeitung.ch
Manchmal muss es Kaviar sein
Wer die Festtage kulinarisch aufwerten will, kann das mit Kartoffeln, Eiern – und Rogen
vom Schweizer Stör tun, findet Nenad Mlinarevic
Man muss nicht gleich dosen­weise
Kaviar mit Blinis und Sauerrahm
löffeln, um während der Festtage
etwas Exklusivität in den Mahl­
zeitenplan zu bringen. Der gesal­
zene Rogen vom Stör gilt schon
seit Jahrhunderten als Delika­tesse,
nicht umsonst spricht man vom
«schwarzen Gold». Gerade deshalb
sollte man den Kaviar mit Verstand
essen – und mit Geschmack zu­
bereiten.
Das beginnt mit der Wahl des
Produkts, bei uns im Restaurant
muss es «Made in Switzerland»
sein. Kaviar aus dem Iran oder
Russland möchte ich nicht servie­
ren. Die Vorstellung, dass man
während des Nachtessens auf den
Vierwaldstättersee blickt und da­
bei Rogen von Fischen isst, die im
Kaspischen oder im Schwarzen
Meer gelebt haben, finde ich merk­
würdig.
Im Berner Oberland wird im
Tropenhaus Frutigen Kaviar von
Schweizer Stören gewonnen, die
Zucht und die Produktion läuft un­
ter Einhaltung aller Gesetze von
Natur und Nachhaltigkeit. Dazu
gehört nicht nur das Bergwasser
aus dem Lötschberg, sondern auch
die Tatsache, dass die russischen
und sibirischen Zuchtstöre gesamt­
haft verwertet werden. Aus dem
Rogen wird Oona-Kaviar, aus dem
Fleisch werden frische oder geräu­
cherte Filets, die Haut wird in der
Schweiz pflanzlich gegerbt und zu
Störleder verarbeitet, und alles an­
dere (Kopf, Innereien etc.) wird in
der nahen Biogasanlage zu Strom.
Seit kurzem werden im Berner
Oberland übrigens auch Egli und
Zander in hervorragender Quali­
tät gezüchtet
Den Kaviar nicht nur mit Ver­
stand zu produzieren, sondern
auch zu geniessen, bedeutet, ihn
gezielt in einem Gericht einzuset­
zen. Den Rogen mit einem Perl­
muttlöffel (niemals Silberlöffel ver­
wenden, sie oxidieren!) direkt aus
der Dose zu essen, gehört für mich
nicht zu den sinnvollen Genuss­
arten. Ich setzte ihn eher wie ein
Gewürz ein, Kaviar hat salzige,
­jodige, rauchige Noten und eine
gewisse Säure.
Klassische Luxuslebensmittel
wie Kaviar oder Hummer als sol­
ches sagen mir nicht besonders
viel. Ich komme aus einfachen Ver­
hältnissen, bei uns war Rauchlachs
zu Weihnachten schon etwas ganz
Besonderes. Wenn ich heute aber
mit einem Produkt wie Oona ein
Gericht runder und besser machen
kann, verwende ich es durchaus
gerne. Kaviar vom Stör haben wir
jetzt – zweieinhalb Jahre nach
­Eröffnung des Restaurants – zum
ersten Mal auf der Karte.
Wenn wir Kaviar servieren, wie­
gen wir ihn grammgenau ab, d
­ amit
auf jedem Gericht gleich viel drauf
ist und damit wir die Warenkosten
im Griff haben. Bei einem Preis
von 93 Franken für 50 Gramm hat
man sonst schnell sehr hohe Aus­
gaben – «schwarzes Gold» eben.
Beim Publikum ist Kaviar als Zutat
äusserst beliebt: Wenn er auf dem
Menü steht, werden die entspre­
chenden Gerichte kaum «abge­
wählt». Man kann also sagen, es
ist auch bei uns in Vitznau ein
­Bestseller.
Die Kartoffeln werden nach
dem Kochen geräuchert
Kaviar als Gewürz eignet sich bei­
spielsweise, um eine Kartoffel zu
veredeln; er passt auch zu einem
Kartoffelpüree und wertet das
Rührei beim Katerfrühstück nach
dem Fest entscheidend auf. Mir ge­
fällt bei diesen Beispielen auch die
Mischung aus einfachen und luxu­
riösen Produkten. Kaviar darf nicht
zu heiss werden, aber in eine war­
me Weissweinsauce beispielswei­
se, die man etwa zu Störfilets
­serviert oder über Kartoffeln gibt,
kann man ihn gut zum Abrunden
einrühren.
Bei unserem festlichen Gericht
kombinieren wir Kaviar also mit
einer Kartoffel, einem Eigelb und
Dillöl. Das klingt zunächst einfach,
weil wir aber die Kartoffeln zusätz­
lich räuchern und das Eigelb bei
einer exakten, tiefen Temperatur
über längere Zeit garen, erfordert
das dann doch einen gewissen Auf­
wand. Der wahre Luxus, sagt man,
sei Zeit – da muss es auch ­etwas
Kaviar dazu sein.
Nenad Mlinarevic mit einer Dose Kaviar: Der Stör badet im Bergwasser aus dem Lötschberg
Fotos: Nico Schärer
Nenad Mlinarevic ist Küchenchef
des Restaurants Focus
im Park Hotel Vitznau
(2 Michelin-Sterne,
18 «Gault Millau»-Punkte)
und Koch des Jahres 2016.
Er kocht nur mit Schweizer
Produkten und schreibt hier
monatlich über seine Arbeit.
Kartoffeln mit Eigelb und Kaviar – Rezept für vier bis sechs Personen
— 8 kleine Kartoffeln
(z. B. Corne de Gatte oder
La Ratte)
— 100 g Oona-Kaviar No. 103
aus Frutigen
— 200 g Eigelb
— 50 g Rapsöl
— 150 g Dill
— 100 g Rapsöl
Geräucherte Kartoffeln
Die Kartoffeln in Salzwasser 18 Minuten kochen. Abkühlen lassen,
schälen und dann 15 Minuten räuchern: Entweder in einem Räucherofen (50 Grad) oder in einem Holzkohlegrill. Dafür benutzt man am
besten gewässerte Holzchips und
eine Räucherbox. Man kann die
Kartoffeln aber natürlich auch ungeräuchert servieren.
Eigelb-Creme
Das Eigelb in einem Vakuumbeutel
vakuumieren und 120 Minuten bei
68 Grad Dampf im Steamer oder
Der Stabmixer
Wasserbad garen. Wer keine solchen Geräte in der Küche hat, kann
das Eigelb auch über einem Wasserbad unter ständigem Rühren erwärmen, bis es dickflüssig und cremig ist. Den Beutel oder die Rührschüssel im Eiswasser kühlen. Danach das Eigelb in einem hohen
Becher mit Stabmixer verrühren und
50 g Rapsöl langsam einlaufen lassen (wie bei einer Mayonnaise).
Dillöl
Den Dill waschen, trocknen und von
den Stielen zupfen. 100 g Rapsöl in
einer Pfanne leicht erwärmen (ca.
50 Grad), den Dill dazugeben und
8 bis 10 Minuten mixen. Durch ein
feines Sieb passieren und in einem
lichtgeschützten Gefäss sofort
kühlstellen.
Fertig stellen
Kartoffel und Eigelb-Creme auf Teller anrichten, den Kaviar auf die Kar­
toffel geben, das Dillöl angiessen.
Er ist das wohl wichtigste und
meistbenutzte Küchengerät
überhaupt: der Stabmixer. Vom
Gemüse­püree über Suppen und
Schäume bis zur ­
Salatsauce
und der Mayonnaise –
ohne Stabmixer geht
es nicht.
Die Schweizer Firma
Bamix, die 2014 ihr
60-jähriges Bestehen
feierte, stellt einen
mittlerweile schon
­legendären Stabmixer
her, der auch in ­vielen
Profiküchen im Dauereinsatz steht.
Gute Stabmixer gibt es
ab rund 100 Franken im
Haushaltsgeschäft.