Newsletter KdK – Standpunkt der Kantone 1/2016: Fokusbeitrag Die Kantone lehnen die Milchkuh-Initiative ab Die am 10. März 2014 eingereichte Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung», die so genannte «Milchkuh-Initiative», fordert eine vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer auf Treibstoffen für Aufgaben und Aufwendungen im Strassenverkehr. Heute ist die Hälfte der Mineralölsteuererträge (1,5 Milliarden) zweckgebunden. Die andere Hälfte steht dem allgemeinen Bundeshaushalt zur Verfügung. Des Weiteren verlangt die Initiative, dass der Ertrag der Mineralölsteuer ausschliesslich für den Bau, Unterhalt und Betrieb der Strasseninfrastruktur verwendet wird. Damit wäre auch die Finanzierung von Projekten im Agglomerationsverkehr ausgeschlossen. Schliesslich will die Initiative jede Erhöhung von Steuern, Abgaben oder Gebühren im Bereich des Strassenverkehrs dem fakultativen Referendum unterstellen. Die Kantonsregierungen lehnen die Initiative ab, weil sie keinen Mehrwert bringt. Sie würde sich im Gegenteil negativ auf die Finanzen und die Verkehrspolitik der Kantone auswirken. Die eidgenössischen Räte verhandeln gegenwärtig über die Schaffung eines Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF). Diese Vorlage sieht vor, dass der Bund rund 400 Kilometer Kantonsstrassen ins Nationalstrassennetz aufnimmt. Die Kantone sind bereit, dafür einen jährlichen Beitrag von 60 Millionen Franken zu leisten. Aus ihrer Sicht ist der NAF die bessere Lösung für die Zukunft der Strasseninfrastruktur als die Milchkuh-Initiative. Auserdem hat die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerats einen Schritt in Richtung der Initiative getan. Sie beantragt dem Ständerat, den zweckgebundenen Anteil der Mineralölsteuer zunächst auf 55 Prozent und in einer zweiten Etappe auf 60 Prozent zu erhöhen. Die Kantone unterstützen dieses Begehren. Die heutige Verkehrsfinanzierung hat sich bewährt. Es stehen genügend Mittel für den Bau, Unterhalt und Betrieb der Strasseninfrastruktur zur Verfügung. Das heutige Finanzierungssystem funktioniert gut. Die Ausgaben für die Strasse weisen einen leicht positiven Wachstumstrend auf. Die aufgrund des sinkenden Treibstoffverbrauchs drohenden Finanzierungsschwierigkeiten können durch die im NAF vorgesehenen Massnahmen verhindert werden. Die Kantone weisen zudem darauf hin, dass in nächster Zeit nicht genügend ausführungsreife Strassenprojekte vorliegen, für welche die zusätzlichen zweckgebundenen Erträge der Mineralölsteuer verwendet werden könnten. Die Milchkuh-Initiative ist ein Nullsummenspiel. Zusätzliche Mittel für den Strassenverkehr fehlen bei anderen Aufgaben des Bundes und der Kantone. Zum einen würden bei einer Annahme der Initiative rund 1,5 Milliarden Franken für Strassenaufgaben zweckgebunden. Zum anderen würde dadurch eine Finanzierungslücke bei Kernaufgaben des Bundes entstehen. Vor dem Hintergrund der ohnehin angespannten Lage des Bundeshaushalts wäre bei einer Annahme der Initiative ein neues Sparprogramm zusätzlich zu den in den vergangenen Jahren bereits beschlossenen Sparmassnahmen unumgänglich. Von diesen Entlastungsmassnahmen wären nach Angaben der Eidg. Finanzverwaltung auch die Kantone betroffen, namentlich im Bildungs- und Forschungsbereich (125 Millionen), im regionalen Personenverkehr (40 Millionen) und im Umweltbereich (25 Millionen). Es ist davon auszugehen, dass die Randregionen mit überdurchschnittlich hohen Kürzungen im regionalen Personenverkehr rechnen müssten, da dieser in den Randregionen stark subventioniert wird. Eine stärkere Zweckbindung von finanziellen Mitteln für die Strasse ist unnötig und erhöht den Spardruck in den Kantonen. Auch in den kommenden Jahren wird die finanzielle Lage aufgrund der demografischen Entwicklung und des damit zu erwartenden starken Anstiegs der Gesundheits-, Alters- und Pflegekosten angespannt bleiben. Es ist deshalb aus der Sicht der Kantone zentral, in der Finanzpolitik einen möglichst grossen Handlungsspielraum zu bewahren. Die Initiative würde diesen aber stark einschränken. Zwar dürften die Kantone mit einer Zunahme der nicht-werkgebundenen Beiträge des Bundes an die Strassenausgaben in Höhe von 150 Millionen Franken rechnen. Hingegen wären sie aufgrund der Sparmassnahmen, die der Bund treffen müsste, in den oben genannten Bereichen mit einem Rückgang der Bundesbeiträge in Höhe von 190 Millionen Franken konfrontiert. Die Milchkuh-Initiative gefährdet die koordinierte Verkehrspolitik. Der private und der öffentliche Verkehr sind keine Konkurrenten, sondern Partner. Vor dem Hintergrund der verkehrspolitischen Herausforderungen, die sich insbesondere in den Städten und Agglomeration zeigen, ist es nicht sinnvoll, den motorisierten Privatverkehr und den öffentlichen Verkehr gegeneinander auszuspielen, wie es die Initiative tut. Die verschiedenen Verkehrsmittel sollen sich zunehmend ergänzen. Es ist von entscheidender Bedeutung, den öffentlichen Verkehr und den motorisierten Individualverkehr als Gesamtsystem zu betrachten. In den letzten Jahren betrugen die Staatsausgaben (Bund, Kantone und Gemeinden) für den Strassenverkehr und den öffentlichen Verkehr je rund 1,5 Prozent des BIP. Bei einer Annahme der Initiative ergäbe sich ein Ungleichgewicht, das die Partnerschaft zwischen privatem und öffentlichem Verkehr gefährden würde. Die Kilometerpreise im Strassenverkehr sind seit den 90er-Jahren konstant geblieben, während die Preise im Schienenverkehr gestiegen sind, wie die Grafik unten zeigt. Die realen Kilometerpreise für den Strassenverkehr bewegen sich im Gleichschritt mit der Teuerung und sind im Verhältnis zum Schienenverkehr sogar günstiger geworden. Die Annahme der Initiative würde die Kostenschere zugunsten der Strasse noch weiter öffnen. Trendwachstum der Kilometerpreise im Strassen- und Schienenverkehr Quelle: Preisüberwacher (2013): Entwicklung der Fahrkosten im Strassen- und Schienenverkehr Seite 2 / 2
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