Medical Competence Center Gilenya – Beendigung der Therapie Gilenya® (Wirkstoff: Fingolimod) ist ein orales Medikament zur krankheitsmodifizierenden Monotherapie einer hochaktiven schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose bei erwachsenen Patienten mit entweder hoher Krankheitsaktivität trotz Behandlung mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie oder bei Patienten mit rasch fortschreitender schwerer schubförmig-remittierend verlaufender Multipler Sklerose (1). Wirkungsweise Fingolimod ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptormodulator und wird durch die Sphingosinkinase-2 zum aktiven Fingolimod-Phosphat metabolisiert (2,3). Fingolimod-Phosphat bindet schon in geringen Konzentrationen an den auf Lymphozyten exprimierten Sphingosin-1-Phosphat-(S1P)-Rezeptor, was zu einer Internalisierung dieser S1P-Rezeptoren mit anschließendem lysosomalem Abbau führt (4). Die Rezeptoren stehen dadurch an der Zelloberfläche der Lymphozyten nicht mehr zur Verfügung, wodurch die Auswanderung von Lymphozyten aus den Lymphknoten unterbunden wird. Durch diese Zurückhaltung zirkulierender Lymphozyten kommt es zu einer Umverteilung der weiterhin funktionellen Lymphozyten aus dem Blut in die lymphatischen Gewebe. Es findet keine zytotoxische Depletion von Lymphozyten statt (5). Fingolimod-Phosphat führt zur Retention von Lymphozyten, die regulär durch die Lymphknoten wandern, wie z.B. naive T-Zellen, zentrale Gedächtnis-T-Zellen (einschließlich proinflammatorische Th17-Zellen und B-Zellen), bleibt jedoch weitgehend ohne Einfluss auf die S1P1-Rezeptoren der T-Lymphozyten vom Effektor-Gedächtnis-Phänotyp (15-20%). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Effektor-Gedächtnis-T-Lymphozyten weitgehend im nichtlymphoiden Gewebe lokalisiert sind und kein S1P-Signal für den Egress aus den Lymphknoten benötigen (6) . Die Schonung dieser Zellen könnte für die weitgehend erhaltene Immunkompetenz und Gedächtnis-Immunantworten im peripheren Gewebe von Patienten verantwortlich sein, die mit Gilenya behandelt werden. Monozyten werden ebenfalls nicht beeinflusst. Nach Absetzen von Fingolimod normalisieren sich die Lymphozytenzahlen im Blut typischerweise innerhalb von ein bis zwei Monaten wieder, somit ist die Wirkung von Fingolimod auf das Immunsystem voll reversibel (7). Beendigung bzw. Wechsel der Therapie Die Clearance von Fingolimod aus dem Blut erfolgt mit 6,3±2,3l/h langsam und die durchschnittliche scheinbare terminale Halbwertszeit ist mit 6-9 Tagen relativ lang. Clearance und Halbwertszeit werden von demographischen Faktoren wie Alter, Körpergewicht, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit nicht beeinflusst. Entsprechend der langen Halbwertszeit werden Steady-State-Blutspiegel erst nach 4-6 Wochen täglicher Anwendung erreicht. Die langsame Elimination erklärt sich teilweise aus der hohen Anreicherung von Fingolimod in Zellen und in Geweben, wie dies auch durch sein sehr hohes Verteilungsvolumen nahegelegt wird und was zu dem amphiphilen Charakter des Moleküls passt (8). Aufgrund seiner Halbwertszeit von durchschnittlich 8,8 Tagen verbleibt Fingolimod ca. 40-45 Tage im Blutkreislauf, wenn auch nach einem Absetzen mit abnehmender Wirkstoffkonzentration die pharmakodynamischen Wirkungen nachzulassen beginnen. Nach Absetzen von Fingolimod beginnen sich die Lymphozy- Medical Competence Center tenzahlen innerhalb von Tagen wieder zu erholen und kehren in der Regel nach 1 bis 2 Monaten wieder den Normbereich zurück (9,10). Der Beginn einer anderen medikamentösen Therapie innerhalb dieses Zeitraums nach Absetzen kommt einer Kombinationstherapie mit Gilenya gleich. Der Einsatz von antineoplastischen, immunsuppressiven oder immunmodulierenden Therapien sehr kurz nach Absetzen von Fingolimod könnte somit einen additiven Effekt auf das Immunsystem haben, weshalb eine solche Vorgehensweise mit Vorsicht erfolgen sollte (1). Sollte es notwendig sein, die Fingolimod-Behandlung wiederholt aus medizinischen Gründen zu unterbrechen, lassen die bisherigen Daten erwarten, dass dies weder das Nachlassen der Wirkung nach einem Behandlungsstopp noch die erneute Wirksamkeit nach Wiedereinsetzen beeinflusst. Auch ist aufgrund des Wirkmechanismus nicht zu erwarten, dass das Immunsystem hierdurch langfristig verändert wird. Wenn eine Behandlung mit Gilenya unterbrochen wird, können bei einer Wiederaufnahme der Behandlung erneut Auswirkungen auf Herzfrequenz und AVÜberleitung auftreten; es sollten deshalb dieselben Vorsichtsmaßnahmen wie bei dem initialen Therapiebeginn getroffen werden, wenn die Therapie während der ersten zwei Behandlungswochen für einen oder mehrere Tage, während der dritten und vierten Behandlungswoche für mehr als sieben Tage und danach, wenn die Therapie für mehr als zwei Wochen unterbrochen wurde (1). Studienlage In klinischen Studien kehrten die Lymphozytenzahlen nach Absetzen von Fingolimod in der Regel nach etwa 1-2 Monaten auf ein normales Niveau zurück (10,11); es kann jedoch weitere Wochen bis Monate dauern, bis der Ausgangswert wieder erreicht wird. Nachbeobachtungsdaten wurden in den klinischen Fingolimod-Studien FREEDOMS, TRANSFORMS (10,11) sowie der Extensionsstudie der Phase-II-Studie (12,13) von 421 Patienten erhoben, die Fingolimod absetzten, sowie von 181 Patienten, die Placebo bzw. Interferon absetzten (mediane Nachbeobachtungszeitraum 104 Tage). In den Zulassungsstudien konnten keine Hinweise für einen Rebound nach der Definition einer höheren Krankheitsaktivität im Vergleich zur Aktivität vor Studienbeginn oder unter Placebo während der Studie beobachtet werden. Ebenso wenig waren Anzeichen für Tachyphylaxie beobachtet worden, noch wird anhand der Wirkweise von Fingolimod ein Wirkverlust unter laufender Therapie erwartet. Neu auftretende oder sich verschlechternde unerwünschte Ereignisse nach Absetzen einer Fingolimod-Behandlung waren im Allgemeinen selten und zeigten kein übereinstimmendes Muster, das auf Entzugs- oder Reboundsymptome hindeuten würde. Es gab keine Sicherheitsprobleme im Zusammenhang mit dem Absetzen von Gilenya (10,11). Die Erfahrungen mit Gilenya nach dessen Markteinführung bestätigen die in den Studien erhobenen Befunde. Bislang sind weltweit mehr als 119.000 Patienten für bis zu mehr als 10 Jahre mit Gilenya behandelt worden, was geschätzt über 218.000 Patientenjahren an Anwendungserfahrung entspricht (Stand: Juni 2015). Weitere Informationen www.dmsg.de (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft) Medical Competence Center www.ms-und-ich.de (Informationen zu MS von Novartis) Novartis Pharma Infoservice Telefon 01802 - 23 23 00 (werktags 08:00 - 18:00, einmalig 6 Cent pro Anruf aus dem deutschen Festnetz, max. 42 Cent pro Minute aus dem deutschen Mobilfunknetz) Fax 0911 - 273-12 160 eMail [email protected]. Stand: 07/2015 NOVARTIS Pharma GmbH LITERATUR: 1. Fachinformation Gilenya 2. Brinkmann V., Davis M.D., Heise C.E. et al.: The immune modulator FTY720 targets sphingosine 1-phosphate receptors. J Biol Chem 277 (24), 21453-7 (2002) 3. Zemann B., Kinzel B., Müller M. et al.: Sphingosine kinase type 2 is essential for lymphopenia induced by the immunomodulatory drug FTY720. Blood 107 (4), 1454-8 (2006) 4. Brinkmann V., Billich A., Baumruker T. et al.: Fingolimod (FTY720): discovery and development of an oral drug to treat multiple sclerosis. Nat Rev Drug Discov 9 (11), 883-97 (2010) 5. Kebir H, Kreymborg K, Ifergan I, Dodelet-Devillers A, Cayrol R, Bernard M et al.: Human TH17 lymphocytes promote blood-brain barrier disruption and central nervous system inflammation. Nat Med 13(10); 1173-1175 (2007) 6. Schluns KS, Lefrançois L. Cytokine control of memory T-cell development and survival. Nat. Rev. Immunol. 3(4); 269-279 (2003) 7. Chun J., Hartung H.P.: Mechanism of Action of Oral Fingolimod (FTY720) in Multiple Sclerosis. Clin Neuropharmacol 33 (26), 91-101 (2010) 8. Kovarik JM, Schmouder R, Barilla D, Riviere GJ, Wang Y, Hunt T: Multipledose FTY720: tolerability, pharmacokinetics, and lymphocyte responses in healthy subjects. J Clin Pharmacol. 44(5), 532-7 (2004) 9. Kappos L., Antel J., Comi G. et al.: Oral Fingolimod (FTY720) for Relapsing Multiple Sclerosis. New Engl J Med 355 (11), 1124-40 (2006) 10. Kappos L., Radue E.W., O'Connor P. et al.: A Placebo-Controlled Trial of Oral Fingolimod in Relapsing Multiple Sclerosis. New Engl J Med 362 (5), 387-401 (2010) 11. Cohen J.A., Barkhof F., Comi G. et al.: Oral Fingolimod or Intramuscular Interferon for Relapsing Multiple Sclerosis. New Engl J Med 362 (5), 402-15 (2010) 12. Comi G., O'Connor P., Montalban X. et al.: Phase II study of oral fingolimod (FTY720) in multiple sclerosis: 3-year results. Mult Scler Mult Scler 16 (2), 197-207 (2010) 13. O'Connor P., Comi G., Montalban X. et al.: Oral fingolimod (FTY720) in multiple sclerosis. Two-year results of a phase II extension study. 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