MEDIZIN ÜBERSICHTSARBEIT Interdisziplinäres Risikomanagement in der Therapie der multiplen Sklerose Joachim Havla, Clemens Warnke, Tobias Derfuss, Ludwig Kappos, Hans-Peter Hartung, Reinhard Hohlfeld ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Die multiple Sklerose (MS) ist die häufigste Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. In Deutschland geht man von mindestens 150 000 Erkrankten aus. In den letzten Jahren wurden neue Medikamente, die aufgrund ihrer Wirkmechanismen mit unterschiedlichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) einhergehen können, zugelassen. Methode: Eine selektive Literaturrecherche in PubMed sowie eine Recherche nach relevanten Risiken und UAW, unter anderem in Rote-Hand-Briefen, unter Bezugnahme auf Daten des Kompetenznetzes Multiple Sklerose, wurden durchgeführt. Ergebnisse: In den letzten Jahren wurden in der MS-Therapie beachtliche Fortschritte erzielt, wodurch eine individuellere Behandlung möglich ist. Jedoch müssen potenziell schwere UAW, teilweise sogar mit fatalem Ausgang, beachtet werden. Dabei können beispielsweise Transaminasenerhöhungen, Kardiound Nephrotoxizität oder Lympho- und Leukopenien mit einem unterschiedlich hohen Infektionsrisiko auftreten. Das kumulative Risiko, unter Natalizumab an einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) zu erkranken, kann je nach Risikokonstellation über ≥ 1:100 betragen. Auch unter Fingolimod und Dimethylfumarat wurden vereinzelt Fälle von PML beobachtet. Grundsätzlich besteht darüber hinaus bei allen immunsuppressiven Therapien zumindest theoretisch die Gefahr eines erhöhten Malignomrisikos. Daneben können ebenfalls sekundäre Autoimmunerkrankungen auftreten. Etwa 35 % der mit Alemtuzumab Behandelten entwickeln innerhalb von zwei Jahren eine autoimmune Schilddrüsenerkrankung und nach Gabe von Daclizumab ist bei 2 % der Patienten mit schweren, autoimmunen dermatologischen Nebenwirkungen zu rechnen. Leberschädigungen können Teriflunomid, Fingolimod, Natalizumab, Mitoxantron, Interferon β1-a/b und Daclizumab verursachen. Zudem sind psychiatrische, reproduktionsmedizinische und impfassoziierte Nebenwirkungen und Risiken zu beachten. Schlussfolgerung: Die verbesserte Wirksamkeit der MS-Therapie geht mit erhöhten Risiken für UAW, die ein interdisziplinäres Risikomanagement erfordern, einher. ►Zitierweise Havla J, Warnke C, Derfuss T, Kappos L, Hartung HP, Hohlfeld R: Interdisciplinary risk management in the treatment of multiple sclerosis. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 879–86. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0879 Institut für Klinische Neuroimmunologie, Biomedizinisches Zentrum und Klinikum, Ludwig-Maximilians Universität München: Dr. med. Havla, Prof. Dr. med. Hohlfeld Klinik für Neurologie, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: PD Dr. med. Warnke, Prof. Dr. med. Hartung FRCP Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsspital Basel: Prof. Dr. med. Derfuss, Prof. Dr. med. Kappos Munich Cluster for Systems Neurology (SyNergy): Prof. Dr. med. Hohlfeld Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 S eitdem das erste Interferon (IFN) β-Präparat vor über 20 Jahren eingeführt wurde, hat sich die Therapie der multiplen Sklerose (MS) mit zunehmendem Tempo weiterentwickelt (eGrafik). Da die teilweise bessere Wirksamkeit der neueren Präparate auch mit höheren Risiken einhergeht, wurden Risikomanagementpläne implementiert und Präparat-spezifische Strategien der Therapieüberwachung (Monitoring) etabliert. Das Monitoring erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Immuntherapie Das Arsenal der MS-Therapeutika umfasst verschiedene Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen (Tabelle 1, eKasten 1). Zum Beispiel werden B-Zellsowie T-Zell-orientierte und Zytokin-basierte Immuntherapien sowie Behandlungen, die Adhäsion, Chemotaxis, Migration und/oder Aktivierung sowie Proliferation von Immunzellen beeinflussen, unterschieden. Neben der Verbesserung von Effektivität und Selektivität besteht eine zunehmende Auswahl an Applikationsformen. Patienten können zwischen oralen, subkutanen, intramuskulären und intravenösen Therapien mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen wählen, was sich auch förderlich auf die Therapieadhärenz auswirkt (1). Als wichtigste Therapieziele gelten, die Schubrate zu reduzieren sowie den Eintritt der Behinderungsprogression zu verzögern und die Behinderungsprogression zu verlangsamen oder zu stoppen. In umfassenden Zulassungsstudien (Phase I–III) wurde für alle MS-Therapeutika gezeigt, dass sie die Schubrate, die Behinderungsprogression sowie die kernspintomographischen Kriterien, zum Beispiel Läsionslast, Läsionsaktivität (Kontrastmittelaufnahme) oder Hirnatrophie, relevant reduzieren (2). Als zusammenfassendes Erfolgskriterium der Therapie wurde die fehlende Evidenz für Krankheitsaktivität („no evidence of disease activity“, NEDA), das heißt jeweils auf einen Zeitraum von einem oder zwei Jahren bezogene Schub- und Progressionsfreiheit, und fehlende Magnetresonanztomographie(MRT)-Aktivität, also keine neuen Gadolinium-anreichernden T1-, keine neuen oder sich vergrößernden T2-Läsionen, vorgeschlagen. Um der Gewebeschädigung beziehungsweise den gewebeprotektiven Effekten der Therapie mehr Gewicht zu verleihen, wurde als zusätzliches Kriterium fehlende Beschleunigung der physiologischen Hirnvolumenminderung vorgeschlagen (NEDA-4). Allerdings sind die 879 MEDIZIN NEDA-Kriterien bislang nicht in klinischen Studien evaluiert und berücksichtigen nicht alle krankheitsrelevanten klinischen Aspekte (e1–e3). Dementsprechend bleibt also derzeit unklar, ob basierend auf NEDA-Kriterien Therapieentscheidungen getroffen werden sollten. Darüber hinaus fehlen direkte Vergleichsstudien (Head-to-HeadStudien, NEDA-Vergleiche) moderner Immuntherapeutika untereinander und gegenüber älteren Präparaten. Damit können trotz der Ähnlichkeiten im Studienaufbau die Effektgrößen einzelner Untersuchungen nicht mit anderen verglichen werden. Zusätzlich kann die bessere Wirksamkeit moderner Immuntherapeutika mit einer höheren Anzahl schwerwiegender Risiken einhergehen. Mit Ausnahme neutralisierender Antikörper fehlen Laborparameter, um die Wirksamkeit individueller Therapien vorherzusagen. Neutralisierende Antikörper gegen Natalizumab und, wenn auch nicht genauso unbestritten, Antikörper gegen Interferone sind konsistent mit einem verminderten Therapieansprechen assoziiert. Für eine umfassende Beschreibung der Wirksamkeit und Effektstärken verweisen wir auf weiterführende rezente Reviews (3). Der Fokus der vorliegenden Übersichtsarbeit soll hingegen auf dem Risikomanagement der bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) moderner MS-Therapeutika liegen. Interdisziplinäres Risikomanagement Potenzielle schwere Nebenwirkungen, teilweise sogar mit fatalem Ausgang, erfordern ein wirksames Risikomanagement und angemessene Überwachung der MS-Therapie (4). Allerdings können auch etablierte Risikomanagementkonzepte keinen 100 %igen Schutz bieten. Trotz Risikomanagementplan hat sich die Inzidenz der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie unter Natalizumab-Therapie bisher nicht reduziert (e4). Unter anderem basierend auf den Therapieempfehlungen des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (5) und einer selektiven Literaturrecherche gehen wir im Folgenden auf die wichtigsten Kategorien relevanter Nebenwirkungen ein. Infektionsrisiko bei immunkompromittierten Patienten mit multipler Sklerose unter immunsuppressiver Therapie Globale Veränderungen des (Differenzial-)Blutbildes sowie der Lymphozytensubpopulationen sind im Ausmaß sehr unterschiedlich und wirkstoffabhängig ausgeprägt. Ein Rückschluss auf die Immunkompetenz ist oft nicht möglich, denn das periphere Blut enthält nur eine Minderheit (circa 2 %) des gesamten Immunzellreservoirs. Nicht erfasst werden zum Beispiel ortsständige Immunzellen in Lymphknoten und anderen lymphatischen Organen (6). Daher kann von der Lymphozytenzahl im peripheren Blut auch nicht unmittelbar auf das Risiko für seltene infektiöse Komplikationen wie beispielsweise einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) geschlossen werden. Bezüglich aktueller Risikomanagementpläne zur Minimierung des Infektionsrisikos verweisen wir ergänzend auf Klotz et al. (4). Unter Therapie mit Teriflunomid ist das allgemeine Infektionsrisiko nur leicht erhöht. Die Werte von Leukozyten (−15 %) und Thrombozyten (−10 %) kön- 880 nen allerdings abnehmen (e5). Eine PML unter Teriflunomid ist bislang nicht bekannt (Stand 9/2016), jedoch wurden vereinzelte Fälle potenziell opportunistischer Infektionen berichtet: ● Klebsiellensepsis ● intestinale Tuberkulose ● gramnegative Sepsis (7, e6). Dimethylfumarat führt zu einer mittleren Reduktion der Leukozyten um circa 30 % (e7), bei 6 % der Fälle zu einer Lymphopenie mit absoluten Lymphozytenzahlen von < 500/µL. Diese Leukopenie kann im Einzelfall lang anhaltend sein und gegebenenfalls zu infektiösen Komplikationen führen (e8, e9). Inzwischen wurden vier Fälle von PML unter Dimethylfumarat zur Behandlung der MS berichtet (Tabelle 2). Bei der Therapie mit Fingolimod kann sich die Infektanfälligkeit ebenfalls erhöhen (8). Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Lymphopenie sowie in Einzelfällen Granulozytopenie unter Fingolimod mit einem erhöhten Infektionsrisiko ist nicht bewiesen (8). Unter Monotherapie mit Fingolimod wurden bislang neun PML-Fälle berichtet, bei denen keine Behandlung mit Natalizumab unmittelbar vorausgegangen war (Tabelle 2) (9). Darüber hinaus wurden Fälle einer generalisierenden fatalen Varizella-Zoster-Virus(VZV)-Infektion/Reaktivierung, Fälle von Herpesenzephalitiden (Herpes-simplex-Virus 1, HSV-1) und ein Fall einer zerebralen Kryptokokkose berichtet (10, 11, e10, e11). Sehr selten tritt ein hämophagozytisches Syndrom auf (6, e12–e14). Unter Natalizumab sinken periphere Leukozyten und/oder Lymphozytenzahlen im Gegensatz zu anderen MS-Therapeutika nicht, sondern steigen eher leicht an. Daneben verändert sich die Zusammensetzung der Zellpopulationen (12, e15, e16). Eine relevante Lymphopenie ist nicht zu erwarten und bedarf daher besonderer Abklärung. Offensichtlich sind die von Natalizumab unterdrückten Immunfunktionen mit einer messbar veränderten Immunüberwachung im zentralen Nervensystem (ZNS) verbunden, möglicherweise aber auch peripher wichtig für die Abwehr opportunistischer Erreger wie das PML-auslösende John Cunningham-Polyomavirus (JCV) (13, e17). Während andere infektiologische Komplikationen selten unter Natalizumab auftreten, sind bei circa 490 000 Patientenjahren NatalizumabTherapie bislang mehr als 667 Fälle von PML dokumentiert worden (Stand 6/2016, Biogen) (Tabelle 2). Damit kann bei einer spezifischen Risikokonstellation das über die Zeit kumulierende Risiko der PML-Entwicklung bei ≥ 1/100 liegen, zumal die Kalkulation von PML-Inzidenzen und insbesondere die Abschätzung des individuellen PML-Risikos unterschiedlich berechnet werden kann (e18). Per definitionem gilt eine solche Risikokonstellation als häufig auftretende UAW (14). Aufgrund regelmäßiger MRT-Bildgebung bei MS-Patienten sowie einer breiten Sensibilisierung von MS-Neurologen für diese UAW werden Fälle von PML bei dieser Indikation vergleichsweise zuverlässig erkannt. Dennoch ist die diagnostische Einordnung nicht immer einfach, beispielsweise die Abgrenzung vom MS-Schub zum Zeitpunkt eines Therapiewechsels. Da die JCV-Desoxyribonukleinsäure(DNA)-Polymerase-Kettenreaktion(PCR), auf der die Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 MEDIZIN TABELLE 1 Übersicht der Therapeutika für multiple Sklerose Wirkstoff Administrationsweg/-häufigkeit Nebenwirkungen Interferon ß-1b subkutan, jeden 2. Tag grippeartige Symptome, Transaminasenerhöhung, Injektionsstellenreaktionen, neutralisierende Antikörper, Auftreten oder Verschlechterung depressiver Symptome Interferon ß-1a intramuskulär, 1 × wöchentlich grippeartige Symptome, Transaminasenerhöhung, Injektionsstellenreaktionen, neutralisierende Antikörper, Auftreten oder Verschlechterung depressiver Symptome Interferon ß-1a subkutan, 3 × wöchentlich grippeartige Symptome, Transaminasenerhöhung, Injektionsstellenreaktionen, neutralisierende Antikörper, Auftreten oder Verschlechterung depressiver Symptome pegyliertes Interferon ß-1a subkutan, 14-tägig grippeartige Symptome, Transaminasenerhöhung, Injektionsstellenreaktionen, neutralisierende Antikörper, Auftreten oder Verschlechterung depressiver Symptome Glatiramerazetat subkutan, täglich bzw. 3 × wöchentlich Injektionsstellenreaktionen, post Injektion systemische Reaktion Dimethylfumarat oral, 2 × täglich Flushing, Diarrhö, Oberbauchschmerzen, Lympho-/Leukopenien, sehr selten PML Fingolimod oral, täglich Transaminasenerhöhung, Bradyarrhythmie, Makulaödem, PRES, selten opportunistische Infektionen (Kryptokokkose, PML) Teriflunomid oral, täglich Transaminasenerhöhung, Teratogenität, toxische epidermale Nekrolyse (TEN) Natalizumab intravenös, monatlich PML, HSV-Enzephalitis, Hepatotoxizität Alemtuzumab intravenös, jährlich sekundäre Autoimmunerkrankungen (Schilddrüse, ITP, Glomerulonephritis), Herpesreaktivierung, Listerienmeningitis Daclizumab subkutan, monatlich Transaminasenerhöhungen, Hautreaktionen, Infektionen, gastrointestinale Probleme und Auftreten oder Verschlechterung depressiver Symptome Mitoxantron intravenös, alle 3 Monate Transaminasenerhöhung, kumulative Kardiotoxizität, (promyelozytische) Leukämie Für viele unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) lassen sich keine konkreten Häufigkeiten bezogen auf den klinischen Alltag formulieren. Die aufgeführten Nebenwirkungen stellen nur eine Auswahl möglicher Nebenwirkungen dar und sollten besonders beachtet werden. ITP, immunthrombozytopenische Purpura; HSV, Herpes-simplex-Virus; PML, progressive multifokale Leukenzephalopathie; PRES, posteriores reversibles enzephalopathisches Syndrom Diagnose PML oft zentral fußt, sowohl falschnegative als auch selten falschpositive Resultate hervorbringen kann und die bioptische Sicherung nur selten erfolgt, ist eine höhere Dunkelziffer möglich, aber nicht bewiesen (e19). Klinisch ist die PML in ihrem Verlauf durch ein hohes Maß an Mortalität und Morbidität gekennzeichnet. Aktuelle Untersuchungen legen nahe, dass eine frühzeitige Diagnose einer PML, idealerweise vor klinischer Manifestation mittels Screening in der kraniellen MRT (cMRT), mit einer verbesserten Prognose einhergehen kann (Rote Hand Brief, Biogen, 11. 3. 2016). Neben der PML wurden auch Fälle von Herpesenzephalitiden unter Natalizumab beschrieben (15). Aktuelle Inzidenzen und Empfehlungen zur Begrenzung des PML-Risikos insbesondere unter Therapie mit Natalizumab finden sich in eTabelle und eKasten 2. Nach Applikation von Alemtuzumab werden zunächst B- und T-Zellen im peripheren Blut depletiert. Aufgrund der anhaltenden, nach Gabe nicht mehr beeinflussbaren therapieassoziierten Depletion von Immunzellen muss bei andauernden Auffälligkeiten wie einer Thrombozytenkonzentration < 100 000/µL und Zytopenien, die nicht der normalen Kinetik der Repopulation folgen, eine hämatologische Mitbeurteilung erfolgen. Entsprechend dem Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 Wirkmechanismus ist vor allem in den ersten sechs Monaten nach Infusion mit vermehrten Infektionen zu rechnen. Eine prophylaktische Therapie mit Aciclovir während der ersten vier Wochen nach einem Infusionszyklus wird empfohlen. Einzelfälle schwerer VZV-Infektion oder einer Reaktivierung latenter Virusinfektionen (16, 17, e20), Tuberkulose, Spirochätengingivitis, Pasteurelleninfektion, ösophageale Candidiasis, Listerienmeningitis und Nocardiose sind beschrieben (6, 18, 19, e21, e22). Ein sogenannter „carry over“-Fall von PML nach einer vorausgehenden Therapie mit Natalizumab und letalem Ausgang ist bislang bekannt (Stand 6/2016, Genzyme). In den Zulassungsstudien von Daclizumab wurden Leukopenien < 3 000/µL bei 6 % und Lymphopenien < 500/µL bei 2 % der Patienten dokumentiert. Opportunistische Infektionen wurden jedoch bislang nicht berichtet. Schwere Infektionen wie Sepsis, Pneumonie, Appendizitis, Cellulite, Harnwegsinfekte und Virusinfektionen traten bei < 5 % der Betroffenen auf. Unter Mitoxantron werden alle Blutzellen deutlich reduziert. Eine erhöhte klinische Vigilanz bezüglich opportunistischer Infektionen, zum Beispiel cMRT und Liquoruntersuchung bei atypischen Infektionen sowie unklaren neurologischen Verschlechterungen, ist deswegen dringend notwendig. 881 MEDIZIN TABELLE 2 Zugelassene Therapien der multiplen Sklerose, unter denen progressive multifokale Leukenzephalopathie beobachtet wurde Wirkstoff Zahl der bestätigten Fälle unter Monotherapie aktuelle Anzahl der PML-Fälle pro 1 000 behandelte Patienten*1 Quelle Natalizumab 667 PML-Fälle (664 MS, 3 Morbus Crohn) 667/152 500 = 4,22/1 000 Patienten (Stand 6/2016) hcp.biogeninternational.com/tysabri_ update.aspx?ID=22076 (Stand 6/2016) Fingolimod 9 PML-Fälle*2 9/160 000 = 0,056/1 000 Patienten (Stand 10/2016) Novartis, data on file (Stand 10/2016) Dimethylfumarat 4 PML-Fälle*3 4/170 000 = 0,0235/1 000 Patienten Biogen, Homepage Tecfidera, (Stand 5/2016) Alle Zahlen beruhen auf Angaben des Herstellers. Aufgrund unterschiedlicher Berechnungswege kann es zu leichten Inkonsistenzen kommen. MS, multiple Sklerose; PML, progressive multifokale Leukenzephalopathie *1 Die angegebene Zahl pro 1 000 Patienten kann nur als orientierendes Maß für das therapeutische Risiko verstanden werden, da diese ein kumulatives Risiko unter Langzeitbehandlung sowie eine Veränderung des Risikos durch Therapieabbrüche nicht hinreichend abbildet. Zudem bleiben Faktoren, die bekanntermaßen das individuelle Risiko, zum Beispiel unter Therapie mit Natalizumab, beeinflussen können, unbeachtet. Hierzu sei auch auf die eTabelle sowie den eKasten 2 zur Risikostratifizierung und zum Risikomanagement unter Therapie mit Natalizumab verwiesen. 2 * Zusätzlich zu den neun PML-Fällen unter Fingolimod sind mindestens neun sogenannte „carry over“-PML-Fälle berichtet worden, bei denen die Diagnose einer PML kurz nach Umstellung von Natalizumab auf Fingolimod auftrat. Diese PML-Fälle werden demnach der Vortherapie Natalizumab zugerechnet (Stand 6/2016). *3 Unter Fumarsäurederivaten sind auch in weiteren Indikationsgebieten, zum Beispiel Psoriasis, mehrere PML-Fälle bekannt. In den meisten Fällen kann jedoch aufgrund der Komorbidität und Komedikation keine eindeutige kausale Beziehung zwischen der Entstehung der PML und der Fumarsäure hergestellt werden. Sekundäre Autoimmunerkrankungen Nach Alemtuzumab-Therapie entwickelt sich bei circa 35 % der Patienten innerhalb der ersten 48 Monate eine autoimmune Schilddrüsenerkrankung. Dabei ist sowohl eine Hyper- als auch eine Hypothyreose möglich. Die Prognose ist in den meisten Fällen bei leichtem bis mittlerem Schweregrad günstig. Im dritten Behandlungsjahr erreicht die Inzidenz dieser Komplikation ihr Maximum. Deswegen müssen klinische und laborchemische Kontrollen für mindestens 48 Monate nach der letzten Alemtuzumab-Infusion fortgesetzt werden, unabhängig vom Anti-Thyreoperoxidase(TPO)-Antikörper-Status vor Therapiebeginn. Weitere autoimmunologische Risiken sind Nephropathien, einschließlich der anti-glomerulären Basalmembranerkrankung (a-GBM). In Studien traten Nephropathien bei circa 0,3 % der Patienten auf, was nach dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als gelegentlich gilt. Hinweise auf eine Nephropathie wie eine erhöhte Kreatininkonzentration im Blut, Hämaturie und/oder Proteinurie sollten umgehend eine nephrologische Mitbeurteilung veranlassen. Auch eine immunthrombozytopenische Purpura (ITP, akuter Morbus Werlhof) wurde bei etwa 1 % der mit Alemtuzumab behandelten Patienten beobachtet. Unter Daclizumab traten Einzelfälle von Autoimmunhepatitis und Colitis auf, ein möglicher Hinweis darauf, dass Daclizumab immunregulatorische Mechanismen nicht nur stärken, sondern gegebenenfalls auch schwächen kann. In einer Mitteilung des BfArM im August 2014 wurde die Sammlung von Fällen einer thrombotischen Mikroangiopathie (TMA), einschließlich denen mit Todesfolge sowie denen eines nephrotischen Syndroms mit verschiedenen zugrundeliegenden Nephropathien, unter einer Therapie mit IFN ß1-a/b gemeldet. 882 Dermatologische Risiken Unter Daclizumab können mit einer Häufigkeit von 30–70 % kutane Nebenwirkungen und mit einer Häufigkeit von 2 % schwere, autoimmune dermatologische Nebenwirkungen auftreten (20). Dabei haben die am häufigsten beobachteten unerwünschten Wirkungen wie Exantheme und Ekzeme keine lokale Beziehung zu den Injektionsstellen und können protrahiert sowie mit langer Latenz nach Therapieapplikation auftreten (20). Zu Beginn einer Therapie mit IFN ß1-a/b oder Glatirameracetat kann die Haut an der Einstichstelle Irritationen aufweisen. Eine Lipoatrophie als Nebenwirkung kann bei langfristiger Anwendung von Glatirameracetat auftreten. Hepatotoxizität Unter Teriflunomid, Fingolimod, Natalizumab, Mitoxantron, IFN ß1-a/b und Daclizumab können akute oder chronische Leberschädigungen mit Transaminasenerhöhung diagnostiziert werden. Auch Einzelfälle fulminanten Leberversagens, zum Beispiel unter IFN ß1-a, sind beschrieben (e23). Entsprechend sind engmaschige Kontrollen der Leberwerte Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) und γ-Glutamyl-Transferase (γ-GT) insbesondere zu Beginn der Therapie nötig. Bei anhaltendem Anstieg der Transaminasen auf 3–5 × „upper limit of normal“ (ULN) soll entsprechend dem Risikomanagementplan die Therapie pausiert oder abgesetzt werden (4). Kardiale Risiken Kardiale und kreislaufassoziierte Risiken spielen insbesondere für den Einsatz mit Fingolimod, Teriflunomid und Mitoxantron eine Rolle. Bei der Ersteinnahme von Fingolimod kann die Herzfrequenz abnehmen und sollDeutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 MEDIZIN te daher für sechs Stunden überwacht werden (21). Zusätzlich ist unter Fingolimod und Teriflunomid eine leichte Erhöhung des Blutdrucks möglich. Für Mitoxantron ist eine erhebliche Kardiotoxizität insbesondere oberhalb einer Dosis von 140 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) bekannt, in Einzelfällen ist jedoch auch eine Kardiotoxizität mit niedrigerer Gesamtlebensdosis beschrieben (e24). Deswegen muss vor und während einer Therapie mit Mitoxantron eine engmaschige Kontrolle der kardialen Pumpfunktion mittels Echokardiographie erfolgen. Bei einer Reduktion um 10 % im Vergleich zum Vorbefund beziehungsweise absolut < 50 % der Ejektionsfraktion ist die Therapie zu unterbrechen beziehungsweise zu beenden. Pulmonale Risiken Einige MS-Therapeutika stehen im Verdacht, mit Lungenerkrankungen assoziiert zu sein. Unter der Vorläufersubstanz von Teriflunomid (Leflunomid) wurden einzelne Fälle schwerer interstitieller Lungenerkrankungen berichtet. Deswegen ist Wachsamkeit auch unter Therapie mit Teriflunomid ratsam. Auch Fingolimod vermindert möglicherweise die Einsekundenkapazität und Diffusionskapazität. Ein Zusammenhang zwischen pulmonologischen Erkrankungen und der Einnahme von Fingolimod ist allerdings nicht erwiesen (22). Impfungen Impfungen bei MS-Patienten sollten unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert werden: ● Bei therapeutischer Immunsuppression könnte ein höheres Infektionsrisiko durch impfpräventable Erkrankungen vorliegen. ● Der Impferfolg könnte durch die Immunsuppression gemindert werden. ● Durch eine Impfung könnte die Krankheitsaktivität erhöht werden. ● Aufgrund der gestörten beziehungsweise unterdrückten Immunabwehr, insbesondere bei der Durchführung von Lebendimpfungen, könnte ein erhöhtes Impfrisiko bestehen. Dennoch gelten für MS-Patienten bei Impfungen mit Totimpfstoffen und Toxoiden die gleichen Impfempfehlungen wie für Gesunde. Impfungen mit attenuierten Lebendimpfstoffen sollten jedoch unter Berücksichtigung des individuellen Infektionsrisikos möglichst vermieden werden. Nach einer Impfung sollte der Impferfolg überprüft und bei ungenügendem Ansprechen wiederholt werden. Informationen zum Ansprechen auf Influenza-Impfstoff finden sich in Tabelle 3 (23–26, e25). Eine rezente Übersicht zu Impfempfehlungen bei MS geben Williamson et al. (27). Polyneuropathie In der TEMSO- und TOWER-Studie (Teriflunomid) wurde eine Neuropathie bei 1,9 % (versus 0 % Placebo-Gruppe) beziehungsweise 2,5 % (versus 1,1 % Placebo-Gruppe) der mit Teriflunomid behandelten Patienten diagnostiziert (e6, 28). Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 TABELLE 3 Impfansprechen auf Influenza-Impfung unter Behandlung mit verschiedenen Therapeutika für multiple Sklerose Therapie Impfansprechen auf Influenza-Impfung Interferone unverändertes Impfansprechen (23) Glatirameracetat H3N3 2010: 41,7 % (GA) versus 79,5 % (unbehandelte GK) (23) Teriflunomid leicht reduziert (24) Dimethylfumarat keine Studien bei MS Fingolimod 43 % (Fingolimod) verglichen zu 75 % (Placebo) (25) Mitoxantron H1N1 2009: 0 % (Mitoxantron) versus 43,5 % (unbehandelte GK) (23) Natalizumab widersprüchliche Ergebnisse: Reduktion des Impfansprechens (23,5 % [Natalizumab] versus 43,5 % [unbehandelte GK]) oder unverändertes Ansprechen) (23) Alemtuzumab fraglich kein reduziertes Impfansprechen; eine Grippeschutzimpfung ist ausdrücklich empfohlen, bei inadäquatem Impftiter ggf. auch zweimalig: Für alle Impfungen unter Alemtuzumab sollte ein Abstand von mindestens sechs Monaten zur letzten Infusion eingehalten werden (26) Daclizumab keine Studien bei MS GA, Glatirameracetat; GK, gesunde Kontrollen; MS, multiple Sklerose Nephrotoxizität Bei Teriflunomid wurden akute oder chronische Nephropathien in Einzelfallberichten beschrieben. In den Zulassungsstudien wurde bei 1,2 % der mit Teriflunomid behandelten Patienten ein akutes Nierenversagen diagnostiziert. Jedoch normalisierten sich die Nierenwerte innerhalb von maximal 48 Tagen bei allen Patienten ohne spezifische Intervention unter Fortsetzung der Therapie. Auch bei Dimethylfumarat veränderten sich die Nierenwerte in klinischen Studien. Eine Kontrolle der Nierenfunktion sollte deswegen eine Urinanalyse und die Bestimmung von Kreatinin, der glomerulären Filtrationsrate sowie gegebenenfalls von Cystatin C umfassen. Nephropathien wurden auch unter einer Therapie mit IFN ß1-a/b berichtet. Malignomrisiko Grundsätzlich besteht bei allen immunsuppressiven Therapien die Möglichkeit eines erhöhten Krebsrisikos. Wegen der relativ kleinen absoluten Zahlen lässt sich ein solches theoretisch begründetes Risiko jedoch statistisch nur schwer beweisen. Dementsprechend konnte für Dimethylfumarat, Teriflunomid, Alemtuzumab, Natalizumab und Fingolimod bislang kein erhöhtes Malignomrisiko gesichert werden (29). Jedoch traten unter Fingolimod-Therapie in den Zulassungsstudien 13 Fälle von Basaliomen und sechs Fälle von Melanomen auf. Nach der Markteinführung wurden weitere Einzelfälle von Hauttumoren (e26, 30) sowie Lymphomerkrankungen (B- und T-ZellLymphome, lymphomatoide Papulose) publik (31, e27). Während einer Behandlung mit Alemtuzumab 883 884 B potenzielles Risiko mit Patient abwägen nicht empfohlen, potenzielles Risiko abwägen unbekannt unwahrscheinlich MG = 18 500–22 500 Da nicht empfohlen ja: IgG4 im zweiten und dritten Trimenon ja (bei Meerschweinchen) keine negativen Auswirkungen bei Affen, geringfügige Verringerung der Größe bei Meerschweinchenjungen keine gut kontrollierten Studien an Menschen keine gut kontrollierten Studien an Menschen keine Missbildungen bei Affen verringerte Fruchtbarkeit bei Meerschweinchen, erhöhte Abortrate bei Affen C Natalizumab Menstruationsunregelmäßigkeiten bei Meerschweinchen, erhöhte Abortrate bei Affen C IFN ß1-a/b nicht empfohlen ja ja bei Menschen nicht berichtet fetale Missbildungen bei Ratten bei Menschen nicht berichtet reduzierte Trächtigkeitsrate bei Ratten C Fingolimod nicht berichtet nicht empfohlen nicht berichtet bei Menschen nicht berichtet fetale Missbildungen bei Ratten bei Menschen nicht berichtet bei Tieren nicht berichtet C Dimethylfumarat nicht empfohlen unbekannt ja (bei Tieren) bei Menschen nicht beobachtet fetale Missbildungen bei Ratten und Kaninchen bei Menschen nicht berichtet keine Hinweise auf eine beeinträchtigte Fruchtbarkeit bei männlichen und weiblichen Ratten X Teriflunomid D Mitoxantron nicht empfohlen Alemtuzumab wurde bei Mäusen mit der Muttermilch auf Neugeborene übertragen Alemtuzumab kann die Plazentaschranke überschreiten embryotoxisch bei Mäusen nicht empfohlen ja möglich potenziell teratogen bei Menschen aufgrund des Wirkmechanismus retardiertes Fötuswachstum bei Ratten, keine teratogenen Auswirkungen bei Kaninchen Daten aus Tierstudien keine negativen zeigten Wirkungen Auswirkungen bei auf die Fertilität bei Ratten und Kaninchen humanisierten Mäusen Chemotherapie induzierte Amenorrhö bei Menschen C Alemtuzumab Zu Daclizumab liegen noch keine ausreichenden Daten vor. Für aktuelle MS-Therapieempfehlungen in Schwangerschaft und Stillzeit dürfen wir auf den ständig aktualisierten Expertenkonsens des Kompetenznetzes Multiple Sklerose verweisen (www.kompetenznetz-multiplesklerose.de). FDA, Food and Drug Administration; IFN, Interferon; MG, Molekulargewicht; MS, multiple Sklerose Stillen unbekannt/ unwahrscheinlich unwahrscheinlich MG = 5 000–9 000 Da Transfer durch die Plazenta Übergang in die Muttermilch keine Missbildungen bei Ratten und Kaninchen keine kontrollierten Studien an Menschen keine negativen Auswirkungen bei Ratten Teratogenität Fruchtbarkeit FDA-Klassifikation Glatirameracetat Therapeutika der multiplen Sklerose in Schwangerschaft und Stillzeit (35, 36) TABELLE 4 MEDIZIN Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 MEDIZIN sollte bei Patientinnen einmal jährlich auf das humane Papillomavirus (HPV) getestet werden, um das Risiko einer Zervixdysplasie zu minimieren. Für Mitoxantron sind Leukämien als Akut- oder Spätfolge beschrieben (32, e28, e29). Ophthalmologische Risiken Ophthalmologische Risiken wurden nur für Fingolimod berichtet. In den Zulassungsstudien und nach Zulassung traten Fälle von Makulaödemen auf (Inzidenz 0,5–0,7 %) (e30, e31). In der Regel war das Makulaödem nach Absetzen von Fingolimod reversibel, in Einzelfällen konnte die Therapie unter engmaschigen ophthalmologischen Kontrollen fortgesetzt werden (e32, e33). Schwangerschaft Alle MS-Therapeutika sind in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert oder zumindest nur eingeschränkt zugelassen. Dennoch gibt es auf der Basis einer zunehmenden Anzahl von Schwangerschaftsregistern Erfahrungswerte, die in Spezialsituationen helfen, eine individuelle Entscheidung zu treffen. Eine Übersicht über vorhandene Daten zur Teratogenität, Fruchtbarkeit, Übertritt in die Muttermilch, Plazentagängigkeit und Stillen gibt Tabelle 4 (33–36). Pharmakologische Wechselwirkungen Insbesondere für Teriflunomid sind pharmakologische Wechselwirkungen und Interaktionen bekannt. Potente Cytochrom-P450(CYP)-Induktoren senken dabei den Teriflunomid-Spiegel. Teriflunomid inhibiert CYP2C8 sowie den „organic anion transporter 3“ (OAT3) und induziert CYP1A2 schwach. Entsprechend verstoffwechselte Arzneimittel sollten möglichst vermieden werden. IFN ß1-a/b scheint die Aktivität von Cytochrom-P450-abhängigen Leberenzymen zu senken. Psychiatrische Risiken Unter einer Therapie mit IFN ß1-a/b oder Daclizumab muss darauf geachtet werden, ob depressive Symptome auftreten oder sich verschlechtern. Depressionen sind aber nur eine relative Kontraindikation für diese Therapien. KERNAUSSAGEN ● Die steigende Auswahl an Therapieoptionen erfordern den Umgang mit zunehmend vielfältigen Risiken. ● Insbesondere die neuere Generation von Therapeutika für multiple Sklerose (MS) ist mit zum Teil substanzspezifischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) behaftet. ● Risikomanagementpläne zur Überwachung der Therapie sind ein wichtiges Instrument, um die individuellen Risiken der MS-Therapie zu minimieren. ● Dabei ist eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen notwendig. ● Zudem sind Registerstudien erforderlich, um seltene UAW und damit assoziierte Surrogatparameter zu erfassen. Interessenkonflikt Dr. Havla wurde für Beratertätigkeit honoriert von den Firmen Novartis, Genzyme und Biogen. Er bekam Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung von den Firmen Novartis, Biogen, Merck Serono und Bayer. PD Dr. Warnke bekam Honorare für Beratertätigkeit von den Firmen Novartis und Biogen. Er erhielt Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung, Vortragshonorare und Studienunterstützung (Drittmittel) von den Firmen Novartis, Biogen, Teva und Bayer. Prof. Derfuss hält Aktien der Firma Novartis. Er wurde für Beratertätigkeiten honoriert von den Firmen Biogen, Merck Serono, Bayer, Novartis, Roche, Mitsubishi Pharma, Genzyme und Geneuro. Kongressgebühren und Reisekosten wurden für ihn erstattet von den Firmen Biogen, Genzyme, Novartis, Bayer und Merck Serono. Er bekam Vortragshonorare von den Firmen Biogen, Genzyme, Novartis, Bayer, Merck Serono und Roche. Studienunterstützung (Drittmittel) wurde ihm zuteil von den Firmen Biogen, Novartis, Geneuro und Roche. Prof. Kappos bekam Kongressgebühren- und Reiskostenerstattung von den Firmen Bayer, Biogen, Novartis, Merck Serono, Sanofi-Aventis, Genzyme und Teva. Für Vorträge wurde er honoriert von den Firmen Allergen, Bayer, Biogen, Excemed, Genzyme, Merck Serono, Novartis, Pfizer, Sanofi-Aventis, Teva und UCB. Studienunterstützung für initiierte Forschungsvorhaben (Drittmittel) wurde ihm zuteil von den Firmen Bayer, Biogen, Novartis und Roche. Untersützung für die Durchführung klinischer Studien (Drittmittel) erhielt er von den Firmen Novartis, Biogen, Mitsubishi, Roche, Merck Serono und Sanofi-Aventis. Prof. Hartung bekam Honorare für Beratertätigkeiten von den Firmen Biogen, Novartis, Merck Serono, Genzyme, MedImmune, Teva, Geneuro, Bayer, CSL Behring, Octapharma und Opexa. Er erhielt Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung von den Firmen Biogen, Novartis und Genzyme. Für Vorträge wurde er honoriert von den Firmen Biogen, Kedrion, Novartis und Genzyme. Studienunterstützung (Drittmittel) wurde ihm zuteil von den Firmen Teva, Biogen und Novartis. Prof. Hohlfeld erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von den Firmen Actelion, Bayer, Biogen, Genzyme Sanofi, Medday, Merck Serono, Novartis, Roche und Teva. Er bekam Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung sowie Vortragshonorare von den Firmen Actelion, Bayer, Biogen, Genzyme Sanofi, Medday, Merck Serono, Novartis, Roche und Teva. Studienunterstützung (Drittmittel) wurde ihm zuteil von den Firmen Bayer, Biogen, Genzyme Sanofi, Merck Serono, Novartis und Teva. Fazit Manuskriptdaten eingereicht: 20. 6. 2016, revidierte Fassung angenommen: 5. 10. 2016 Die zunehmende Zahl der MS-Therapeutika erfordert heute mehr denn je große Anstrengungen, die allfälligen Risiken zu minimieren. Interdisziplinäre Risikomanagementpläne sind hierfür essenziell und berücksichtigen Art sowie Ausmaß der Risiken, beschreiben die erforderlichen Maßnahmen zur Prävention sowie Früherkennung und geben darüber hinaus praktische Anleitungen für die notwendigen Kontrollen. Ein individuelles Risikomanagement bedeutet einen ersten Schritt in Richtung einer individualisierten Therapie. Ergänzende Informationen zu aktuellen Risikomanagementplänen sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen (4, 5, e34). LITERATUR 1. Devonshire V, Lapierre Y, Macdonell R, et al.: The Global Adherence Project (GAP): a multicenter observational study on adherence to disease-modifying therapies in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis. Eur J Neurol 2011; 18: 69–77. 2. Filippi M, Rocca MA, Ciccarelli O, et al.: MRI criteria for the diagnosis of multiple sclerosis: MAGNIMS consensus guidelines. Lancet Neurol 2016; 15: 292–303. 3. Wingerchuk DM, Weinshenker BG: Disease modifying therapies for relapsing multiple sclerosis. BMJ 2016; 354: i3518. 4. Klotz L, Berthele A, Bruck W, et al.: [Monitoring of blood parameters under course-modified MS therapy: Substance-specific relevance and current recommendations for action]. Nervenarzt 2016; 87: 645–59. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 885 MEDIZIN 5. 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Joachim Havla Institut für Klinische Neuroimmunologie Biomedizinisches Zentrum und Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität Marchioninistraße 15, 81377 München [email protected] Zitierweise Havla J, Warnke C, Derfuss T, Kappos L, Hartung HP, Hohlfeld R: Interdisciplinary risk management in the treatment of multiple sclerosis. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 879–86. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0879 @ The English version of this article is available online: www.aerzteblatt-international.de Zusatzmaterial Mit „e“ gekennzeichnete Literatur: www.aerzteblatt.de/lit5116 oder über QR-Code eTabelle, eGrafik, eKästen: www.aerzteblatt.de/16m0879 oder über QR-Code Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 MEDIZIN Zusatzmaterial zu: Interdisziplinäres Risikomanagement in der Therapie der multiplen Sklerose Joachim Havla, Clemens Warnke, Tobias Derfuss, Ludwig Kappos, Hans-Peter Hartung, Reinhard Hohlfeld Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 879–86. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0879 eLITERATUR e1. Imitola J, Racke MK: Is no evidence of disease activity a realistic goal for patients with multiple sclerosis? JAMA Neurol 2015; 72: 145–7. e2. Dorr J, Paul F: The transition from first-line to second-line therapy in multiple sclerosis. Curr Treat Options Neurol 2015; 17: 354. e3. Stangel M, Penner IK, Kallmann BA, Lukas C, Kieseier BC: Towards the implementation of ’no evidence of disease activity’ in multiple sclerosis treatment: the multiple sclerosis decision model. Ther Adv Neurol Disord 2015; 8: 3–13. e4. Cutter GR, Stuve O: Does risk stratification decrease the risk of natalizumab-associated PML? Where is the evidence? Mult Scler 2014; 20: 1304–5. e5. Warnke C, Stuve O, Kieseier BC: Teriflunomide for the treatment of multiple sclerosis. Clin Neurol Neurosurg 2013; 115: S90–4. e6. O’Connor P, Wolinsky JS, Confavreux C, et al.: Randomized trial of oral teriflunomide for relapsing multiple sclerosis. 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Dezember 2016 | Zusatzmaterial MEDIZIN eTABELLE Risikostratifizierung der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie* positiver Anti-JCV-Antikörperstatus PML Risikoabschätzung pro 1 000 Patienten Natalizumab Behandlungsdauer in Monate Antikörperindex ≤ 0,9 Antikörperindex > 0,9 ≤ 1,5 Antikörperindex > 1,5 1–12 0,1 0,1 0,2 13–24 0,1 0,3 0,9 25–36 0,2 0,8 3 37–48 0,4 2 7 49–60 0,5 2 8 0,6 3 10 61–72 negativer Anti-JCV-Antikörperstatus PML Risikoabschätzung pro 1 000 Patienten: 0,1 * aktuelle Risikostratifizierung mittels John Cunningham-Virus(JCV)-Serologie für Patienten unter Natalizumab-Therapie (e44) PML, progressive multifokale Leukenzephalopathie Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 | Zusatzmaterial III MEDIZIN eGRAFIK Ziel: Schubreduktion, Verlangsamung der Behinderungsprogression symptomatische Therapie funktionelle Verbesserung Wirksamkeitsparameter EDSS 1983 1983 anhaltende Verbesserung 2011 „no evidence of (clinical and MRI) disease activity“ (NEDA3) 2009 MSFC 1995 1994 1996 IFN-β-1b s.c. 1995 Reparatur? 1998 2000 IFN-β-1a s.c. 1998 IFN-β-1a i.m. 1997 2002 GA s.c. 1996/2000 2004 2006 2008 Natalizumab i.v. 2006 2010 „no evidence of (clinical and MRI) disease activity“ (NEDA4) 2014 2012 Fingolimod p.o. 2010 Teriflunomid p.o. 2012 DMF p.o. Alemtuzumab i.v. 2013 2014 2016 2018 PEG-IFN-β-1a s.c. 2014 Ocrelizumab i.v. Cladribin p.o. Siponimod p.o. 2017/2018? Daclizumab s.c. 2016 Seit Zulassung des ersten Interferon β-Präparats im Jahr 1995 ist die Anzahl der für die Therapie schubförmigen multiplen Sklerose zur Verfügung stehenden Präparate ständig gewachsen. Im Zuge dieser Entwicklung sind auch die Therapieziele anspruchsvoller geworden. Schubreduktion und Verlangsamung der Behinderungsprogression stehen weiterhin im Vordergrund, aber auch eine kernspintomographische Stabilisierung wird angestrebt (NEDA 3 und 4). DMF, Dimethylfumarat; EDSS, „expanded disability status scale“; GA, Glatirameracetat; IFN, Interferon; i.m., intramuskulär; i.v., intravenös; MRI, „magnet resonanz imaging“; MSFC, „multiple sclerosis functional composite“; NEDA, „no evidence of disease activity“; PEG-IFN, pegyliertes Interferon; p.o., per os; s.c, subkutan IV Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 | Zusatzmaterial MEDIZIN eKASTEN 1 Kurzportraits (Risiken, unerwünschte Arzneimittelwirkungen)* ● Interferon β (IFN ß1-b, s.c., 1995/2008; IFN ß1-a, s.c., 1998; i.m., 1996; PEG-IFN ß1-a, s.c., 2014) hat eine Vielzahl immunmodulierender Eigenschaften, jedoch kein erhöhtes Infektions- oder Krebsrisiko. Sehr selten wurden Fälle thrombotischer Mikroangiopathie beobachtet. ● Glatiramerazetat (2001; s.c.) wirkt immunmodulierend sowohl auf das antigenabhängige (adaptive) als auch auf das antigenunabhängige (innate) Immunsystem. Das Nebenwirkungsprofil ist insgesamt benigne; es gibt keine Hinweise für ein erhöhtes Infektions- oder Krebsrisiko. Hauptnebenwirkungen sind kutane und (sehr selten) systemische Überempfindlichkeitsreaktionen (37). ● Dimethylfumarat (2014, p.o.) ist ein „first line“-Therapeutikum für die schubförmige multiple Sklerose (MS) (e35, e36). Dimethylfumarat ist eine Weiterentwicklung einer in der Psoriasistherapie seit 1994 etablierten Fumarsäure. Der exakte Wirkmechanismus ist nicht abschließend geklärt. Ein suppressiver Effekt auf Lymphozytenzahlen ist messbar. Antiinflammatorische und neuroprotektive Effekte werden diskutiert (e35, e36). Gastrointestinale Unverträglichkeiten, sogenanntes Flushing, und ein erhöhtes Infektionsrisiko sind die wichtigsten bisher bekannten Nebenwirkungen (e37). Inzwischen wurden vier Fälle von progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) unter Therapie mit Dimethylfumarat berichtet. Daher wird empfohlen, bei einer anhaltenden Leukopenie < 3 000/µL beziehungsweise Lymphopenie < 500/µL die Therapie auszusetzen beziehungsweise zu beenden. Bei Lymphozytenwerten zwischen 500–700/µL (Lymphopenie Grad 2) wird eine engmaschige Kontrolle des Blutbildes sowie eine erhöhte klinische und Magnetresonanztomographie(MRT)-Vigilanz empfohlen (4). ● Teriflunomid (2014, p.o.) ist eine Weiterentwicklung von Leflunomid (1999), einer im internistisch-rheumatologischen Bereich eingesetzten Substanz. Im Februar 2014 wurde Teriflunomid zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose zugelassen. Es gehört zur Gruppe der Malononitrilamide und blockiert das mitochondriale Enzym Dihydroorotatdehydrogenase (DHODH). Daraus resultiert eine bevorzugte Hemmung rasch proliferierender, aktivierter T- und B-Zellen (28, e6). Nebenwirkungen umfassen unter anderem Hepatotoxizität, Nephrotoxizität, Beeinträchtigung der Knochenmarksfunktion und möglicherweise ein erhöhtes Infektionsrisiko sowie tödliche toxische epidermale Nekrolyse (TEN) (e38). Zur Minimierung des Risikos opportunistischer Infektionen sollte Teriflunomid bei einer absoluten Lymphozytenzahl < 200/µL abgesetzt werden. Als Besonderheit besteht unter Therapie mit Teriflunomid die Möglichkeit, die Wirksubstanz entweder mit Cholestyramin (3 × 8 g pro Tag für elf Tage) oder mit Aktivkohle (2 × 50 g pro Tag für elf Tage) beschleunigt zu eliminieren. Dadurch kann die Immunkompetenz schneller wiederhergestellt werden. ● Natalizumab (2006, i.v.) ist in Deutschland zur Behandlung der hochaktiven MS zugelassen. Es handelt sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen die α4-Kette des „very late antigen“(VLA)-4 Integrins. Dadurch wird die Transmigration von Immunzellen über die Blut-Hirn-Schranke gehemmt (e39–41). Hauptrisiko der Natalizumab-Therapie ist die PML, eine potenziell letale opportunistische Hirninfektion. ● Fingolimod (2011, p.o.) wurde zur Therapie der aktiven MS zugelassen. Die Substanz ist Modulator des Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptors und bewirkt die Retention bestimmter Lymphozytenpopulationen in lymphatischen Organen (e30, e31). Inzwischen gibt es neun PML-Fälle bei MS-Patienten unter Fingolimod und zusätzlich mindestens neun sogenannte „carry over“-PML-Fälle, bei denen PML diagnostiziert wurde, kurz nachdem von Natalizumab auf Fingolimod umgestellt wurde. Diese PML-Fälle werden demnach der Vortherapie Natalizumab zugerechnet. Tritt unter Fingolimod eine anhaltenden Lymphopenie < 200/µL auf, wird in Deutschland die erneute Kontrolle und bei Bestätigung empfohlen, die Therapie zwischenzeitlich zu unterbrechen oder zu beenden. Das Nebenwirkungsprofil umfasst erhöhte Risiken für Infektionen, Herzleitungsstörungen, Makulaödem und möglicherweise Basaliome. ● Alemtuzumab (2013, i.v.), ein humanisierter monoklonaler Antikörper, ist gegen „cluster of differentiation“(CD)52 gerichtet. CD52 ist ein Proteinmarker, der auf den meisten Leukozyten, insbesondere allen B- und T-Zellen exprimiert ist. Alemtuzumab wurde zur Behandlung der aktiven schubförmigen MS zugelassen. Über antikörpervermittelte Zytotoxizität erfolgt eine massive transiente Depletion zirkulierender Immunzellen und anschließend eine allmähliche Repopulation, zunächst der B-Zellen und Monozyten, danach der T-Zellen. Wichtigste Nebenwirkungen sind Infusionsreaktionen, erhöhtes Infektionsrisiko und therapieassoziierte, sekundäre Autoimmunerkrankungen (16, e21, e42, e43). Dabei kann in circa 1 % der Fälle eine sekundäre Thrombozytopenie im Rahmen einer therapieinduzierten idiopathischen thrombozytopenischen Purpura sowie bei circa 35 % der Patienten innerhalb der ersten 48 Monate eine autoimmune Schilddrüsenerkrankung auftreten. ● Daclizumab HYP (2016, s.c.) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CD25, eine Untereinheit des Interleukin-2-Rezeptors. Daclizumab hat komplexe immunmodulierende Eigenschaften, unter anderem hemmt es aktivierte T-Lymphozyten. Das Nebenwirkungsprofil umfasst ein erhöhtes Infektionsrisiko, Hautreaktionen (Exantheme, Ekzem), Hepatotoxizität und möglicherweise entzündliche Darmerkrankungen (38). ● Mitoxantron (2003, i.v.) ist als Reservemittel zur Behandlung der schweren und rasch progredienten MS zugelassen. Mitoxantron ist ein Anthracenedion und bewirkt Desoxyribonukleinsäure(DNA)-Einzel- und Doppelstrangbrüche, insbesondere auf proliferierende Zellen wie unter anderem der B-Zell-Reihe. Aufgrund der Kardiotoxizität gilt aktuell eine Gesamtlebensdosis-Obergrenze von 140 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) in Deutschland. Zusätzlich wurden sekundäre Leukämien während oder nach der Behandlung mit Mitoxantron berichtet. * für Wirksamkeitsdaten aller Präparate („number needed to treat“, NNT) (39) i.m., intramuskulär; i.v., intravenös; p.o., per os; s.c., subkutan Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 | Zusatzmaterial V MEDIZIN eKASTEN 2 Risikomanagement der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie unter Therapie mit Natalizumab Fazit zur aktuellen Risikostratifizierung unter Therapie mit Natalizumab durch den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) (e44): ● Die Früherkennung der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) ist mit einer verbesserten Prognose für den Patienten verbunden. ● Eine klinisch asymptomatische PML ist häufiger als eine symptomatische PML mit höheren Überlebensraten und verbesserter Prognose assoziiert. ● Regelmäßige Magnetresonanztomographie(MRT)-Untersuchungen sind empfehlenswert, um die PML möglichst frühzeitig zu diagnostizieren. ● Bei Patienten, die zuvor keine immunsuppressive Therapie erhalten haben und Anti-John-Cunningham-Virus(JCV)-Antikörper-positiv sind, ist das Maß der Anti-JCV-Antikörperantwort (Index) mit dem Risiko für PML assoziiert. ● Ein geringes Risiko für eine PML wird bei einem Antikörperindex ≤ 0,9 erwartet. ● Bei Werten > 1,5 und bei Patienten, die mit Natalizumab länger als zwei Jahre behandelt wurden, steigt das Risiko deutlich. ● Das höchste Risiko haben Patienten, bei denen Anti-JCV-Antikörper nachgewiesen wurden, in Kombination mit einer Natalizumab-Therapiedauer von mehr als zwei Jahren und immunsuppressiver Vorbehandlung. ● Ein höheres Risiko haben auch Patienten mit einem hohen Antikörperindex, die länger als zwei Jahre mit Natalizumab, aber zuvor nicht immunsuppressiv behandelt worden sind. VI Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 | Zusatzmaterial
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