und Pflegestützpunkt Friesland

74 ı Familie
LAND & Forst • Nr. 33 • 13. August 2015
Foto: Lehmann
Zur Person
Kostenlos und gut beraten
Pflege Wenn ein Familienmitglied (kurzfristig) pflegebedürftig wird und im
eigenen Zuhause gepflegt werden möchte und auch soll, stellen sich plötzlich
viele drängende Fragen. Wir haben darüber mit Sozialarbeiterin-Eva Maria
Hoffmann und Pflegeberaterin Simone Wernli-Lübken vom Senioren- und
Pflegestützpunkt Friesland mit Sitz in Jever gesprochen.
Was für Menschen kommen
zu Ihnen in die Beratungsstelle
des Pflegestützpunktes?
Es kommen Menschen zu uns,
bei denen eine Notsituation eingetreten ist, weil sie selbst oder
ein Angehöriger pflegebedürftig
geworden sind, um sich rund
um das Thema Pflege zu informieren. Es kommen aber auch
chronisch Kranke oder auch
Menschen, die sich vorbeugend
für Hilfen im Falle einer Pflegebedürftigkeit informieren möchten. Außerdem beraten wir Angehörige von Pflegebedürftigen,
die Fragen zur praktischen Um-
Ich dachte, es kämen hauptsächlich ältere Menschen und
meistens pflegende Angehörige?
Es kommen Menschen aller
Altersgruppen. So auch Eltern
von langzeiterkrankten Kindern, die sich über Leistungen
der Pflegeversicherung erkundigen möchten.
helfen. Kann ich zu Ihnen kommen, damit etwas unternommen wird?
Über den Kopf dieser Nachbarin hinweg, also auf Zuruf, werden wir nicht tätig. Wenn Ihre
Nachbarin Sie allerdings bittet,
bei uns für sie anzurufen, weil
sie Probleme mit dem Telefonieren hat, ist es gut, wenn Sie
ihr helfen und dann den Hörer
an Ihre Nachbarin weiterreichen.
Angenommen, ich habe den
Eindruck, meine Nachbarin
kann sich nicht mehr selbst
Es gibt aber doch auch Fälle, in
denen jemand dement ist und
sich womöglich nicht mehr
setzung, wie der ambulanten
Pflege, haben.
Eva-Maria Hoffmann (r.)
arbeitet als Diplom-Sozialarbeiterin beim Pflegestützpunkt Friesland,
Simone Wernli-Lübken
ist dort als Pflegeberaterin
tätig. Zu erreichen sind
sie am Schlosserplatz 3 in
26441 Jever unter 044619196030 (Hoffmann) und
04461-9196031 (WernliLübken) oder per E-Mail
unter e.hoffmann@
friesland.de und [email protected]
selbst helfen kann und eventuell sich oder andere gefährdet.
Richtig. Für solche Fälle sind
das Gesundheitsamt bzw. die
Betreuungsstelle zuständig. Sie
sind in der Regel bei den Landkreisen angesiedelt.
Da wird also sehr genau unterschieden?
Ja, das ist sehr wichtig, weil jeder auf seinem Gebiet spezialisiert ist und unterschiedliche
Möglichkeiten hat.
Gesetzt den Fall, ein Familienmitglied ist pflegebedürftig ge-
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worden, ab wann besteht ein
Anrecht auf eine Pflegestufe?
Wenn eine Erkrankung bereits sechs Monate andauert
oder eine Prognose besteht,
dass in diesem Zeitraum keine
Besserung eintritt, kann eine
Pflegestufe bei der Pflegekasse
beantragt werden. Oft wissen
Angehörige nicht, wie sie vorgehen sollen. Wenn sie es wünschen, helfen wir auch bei der
Antragstellung.
Oft fehlt es einfach an Infos
darüber, welche Hilfen man
beanspruchen kann und wo
man sie bekommt.
Stimmt. Unser Anspruch ist
es, umfassend zu informieren,
welche Leistungsansprüche aus
der Pflegeversicherung bestehen, welche Unterstützungsangebote und Hilfsmittel es gibt
und wo man sie bekommt, ob
eine Betreuung zu Hause möglich ist, welche Dienstleister es
gibt, ob weitere finanzielle Unterstützung möglich ist.
Aber ist es nicht so, dass
Angehörige oder Betroffene in
einer akuten Situation sowieso
schon überfordert sind und eine
„Rundumberatung“ sie noch
mehr verwirrt?
Ja, das merken wir schnell.
Dann klären wir erst mal, was
jetzt die wichtigsten ersten
Schritte sind. Weitere konkrete Fragen ergeben sich dann
oft von selbst, die in folgenden
Gesprächen oder telefonisch
geklärt werden können. Auf
Wunsch vermitteln wir auch
den Kontakt zu einer passenden Selbsthilfegruppe.
Wie weit geht die Unterstützung – nehmen Sie die
Menschen „an die Hand“ und
begleiten sie?
Grundsätzlich versuchen wir
die Ratsuchenden durch unsere Beratung so fit zu machen
und zu stärken, dass sie die
Anforderungen allein meistern
können. In begründeten Ausnahmefällen helfen wir aber
auch intensiver, dass sie die
nächsten Schritte alleine meistern können.
Was ist, wenn jemand Beistand braucht, wenn der MDK,
der Medizinische Dienst der
Krankenkassen, zur Begutachtung kommt?
In erster Linie beraten wir zu
dieser Thematik, erklären,
wie die Begutachtung abläuft
und wie man sich vorbereiten
kann (z.B. Pflegetagebuch).
Es kommt aber auch vor, dass
Betroffene oder Angehörige
uns bitten, während der Begutachtung dabei zu sein, zum
Beispiel, wenn schon mal ein
Antrag auf eine Pflegestufe abgelehnt worden ist. Wichtig ist
aber, dass wir absolut keinen
Einfluss auf die Entscheidungen des MDK nehmen können.
Und, wie gesagt, grundsätzlich
versuchen wir, die Leute fit zu
machen – gerade auch für solche Situationen.
Sie sind ja ein Senioren- und
Pflegestützpunkt. Welche Hilfe
bieten Sie an, wenn – gerade
auf dem Land – alte Menschen
vereinsamen.
Wir bieten hier die ehrenamtlichen Seniorenbegleiter DUO
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an. In Zusammenarbeit mit
der VHS und der Freiwilligen
Akademie Niedersachsen bilden wir Ehrenamtliche aus, die
Senioren Gesellschaft leisten.
Wohlgemerkt, sie besuchen die
Senioren, übernehmen aber
keine haushälterischen Arbeiten oder Pflege.
Wenn ich das Gefühl habe, eine
Verwandte oder Nachbarin
bräuchte dringend Unterhaltung, kann ich Sie dann bitten,
jemanden zu schicken?
Auch hier werden wir nicht
auf Zuruf aktiv. Diejenigen, die
Gesellschaft wünschen, setzen
sich direkt mit uns in Verbindung. Deshalb, ganz wichtig: Sowohl unsere SeniorenWohnberater als auch unsere
Ehrenamtlichen kommen nie
unangemeldet, sondern nur
mit Voranmeldung.
Gut, dass Sie mir das Stichwort geben: Wohnberatung.
Zu wem kommen eigentlich
ehrenamtliche Wohnberater
und kostet das etwas?
Nein, das ist kostenlos, und
die Berater kommen zu jedem,
der Fragen zur Anpassung des
Wohnraums bei Behinderung oder im Alter hat. Sie
geben Tipps und Anregungen zu den unterschiedlichsten Themen. Manchmal kann das umräumen
der Wohnung schon helfen, häufig geht es um altersgerechte Badezimmer
oder sichere Fußbodenbelägen, technische Hilfsmittel,
wie Treppenlift oder Haltegriffen.
Und sie erarbeiten gemeinsam mit dem Ratsuchenden
Lösungen, informieren über
die Umsetzung und Antragstellung für mögliche Zuschüsse
durch die Pflegekasse. Es ist
ein sehr umfassendes, spannendes Thema.
Ja, ich glaube, da gibt es viel
Informationsbedarf, das greifen wir noch einmal gesondert
auf. Eine abschließende Frage
habe ich jetzt noch: Welchen
Rat geben Sie Familien, die zu
Ihnen kommen und eine osteuropäische Betreuungskraft
für einen pflegebedürftigen
Angehörigen suchen?
Da verweisen wir auf die Zentrale Ausländervermittlung der
Arbeitsagenturen (ZAV), einen
Kontakt gibt es unter 02287131313. Und noch ein Hinweis: Es gibt in Deutschland
kassenzugelassene Pflegedienste, die eine 24-StundenBetreuung anbieten. Diese
sind zugegebenermaßen kostspielig, jedoch ist man damit
auf der sicheren Seite.
Die Fragen stellte
Hilke Lehmann
Umfrage
Pflegende brauchen auf Dauer mehr Entlastung
Angehörige Die Pflege von Ange-
hörigen bringt erhebliche psychische
Belastungen mit sich - insbesondere,
wenn sie an Demenz erkrankt sind. 32
Prozent der rund 1.000 befragten pflegenden Angehörigen haben angegeben, die Belastung habe bei ihnen vorübergehend zu Depressionen geführt.
Das ist das Ergebnis einer Studie von
Forsa für die Private Pflegeberatung
„Compass“. Bei Menschen, die demenzkranke Angehörige betreuen,
klagten 40 Prozent über depressive
Phasen.
60 Prozent engagieren sich, weil sie sich
der pflegebedürftigen Person gegenüber verpflichtet fühlen, so die Studie
weiter. Neun Prozent gäben finanzielle
Gründe an, da Alternativen wie professionelle Pflege zu teuer seien. Jeder dritte
pflegende Angehörige sorgt der Studie
zufolge für einen Patienten mit DemenzDiagnose. 46 Prozent der Befragten
sorgen für die eigenen Eltern, 15 Prozent
für Vater oder Mutter des Partners. Jeder
zweite beklagt körperliche Belastungen.
50 Prozent der pflegenden Angehörigen
fühlten sich schlecht oder weniger gut
über vorhandene Entlastungsangebote
informiert. Mit dem geplanten neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff werden Demenzkranke erstmals voll von der Systematik der Pflegeversicherung erfasst
werden. Am Mittwoch dieser Woche
hat das Kabinett das zweite Pflegestärkungsgesetz verabschiedet.
dpa