Anleitung - Dr. med. Sumpf

Entscheidungshilfen für die differenzierte Therapie mit Opioiden 1)
Opioide bei Übelkeit, Erbrechen
Tapentadol
Hydromorphon
Fentanyl TTS
Oxycodon Naloxon
Oxycodon
L- Polamidon
Morphium ret.
Buprenorphin
transdermal
günstig
Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen sind ohnehin häufig bei alten Patienten und insbesondere bei Patienten mit gastrointestinalen Tumorerkrankungen, aber
auch häufige Nebenwirkung einer Opioidmedikation. Gleichzeitig ist
Übelkeit die wesentliche initiale Nebenwirkung von Opioiden. Es empfiehlt sich deshalb die vorsichtige Eintitrierung unter dem Schutz mit
Antiemetika.
Wenn Erbrechen als Initialsymptom bereits besteht, ist zusätzlich der
orale Zugangsweg zu vermeiden. Es kann dann bspw. auf die rektale
Gabe von Morphin als Suppositorien, die subkutane Morphingabe wie
auch die transdermale Verabreichung eines Opioids ausgewichen werden.
Hydromorphon scheint gegenüber den anderen Opioiden Vorteile zu haben. Wegen des dualen Wirkmechanismus kann bei Tapentadol erwartet
werden, dass bei äquianalgetischer Wirkung die opioidtypischen Nebenwirkungen geringer ausgeprägt sind.
Ungünstig
Opioide bei Obstipation
Tapentadol
Hydromorphon
Fentanyl TTS
Oxycodon
Naloxon
Oxycodon
L- Polamidon
Morphium ret.
Buprenorphin
transdermal
günstig
Obstipation
Es handelt sich um eine der wichtigsten (Dauer)– Nebenwirkungen der
Opioide. Die parallele Verordnung von Laxantien ist somit nahezu obligat.
Semi-synthetische Opioide wie Oxycodon, Hydromorphon und Fentanyl
zeigen graduelle Vorteile gegenüber Morphium. Bei Oxycodon/ Naloxon
wirkt das Naloxon mit sehr hoher µ-Bindungskapazität für eine Antagonisierung der Opioidwirkung im Auerbachplexus. Insofern fällt die Wahl bei
bereits bestehenden oder auch zu erwartenden Störungen einer verlangsamten Darmpassage leicht.
Bei Patienten mit mixed- pain zeigte sich Tapentadol hinsichtlich der
Obstipation überlegen gegenüber Oxycodon/ Naloxon.
Ungünstig
Opioide bei Somnolenz, Verwirrtheit
Tapentadol
Hydromorphon
Fentanyl TTS
Oxycodon
Naloxon
Oxycodon
L- Polamidon
Morphium ret.
Buprenorphin
transdermal
günstig
Ungünstig
Opioide bei Schluckstörungen
Ungünstig
Tapentadol
Hydromorphon
Fentanyl TTS
Oxycodon
Naloxon
Oxycodon
L- Polamidon
Buprenorphin
transdermal
Morphium ret.
günstig
Somnolenz und Verwirrtheit
Riskant sind hier Opioide mit aktiven Metaboliten, hoher Eiweißbindung,
sowie mit träger und schlecht kalkulierbarer Kinetik.
Morphium ist für ein vermehrtes Auftreten psychomimetischer Effekte
bekannt. Bei bestehender Morphinmedikation kann die Kumulation von
Morphin-6-Glukuronid eine zunehmende Somnolenz verursachen.
Pflastersysteme können aufgrund ihrer trägen Galenik und der eingeschränkten Möglichkeit der Dosistitration leicht zu einer (schleichenden)
Überdosierung führen. Außerdem ist bei Fentanyl und Buprenorphin die
hohe Eiweißbindung zu beachten, die insbesondere bei einer in der
Eiweißbindung konkurrierenden Medikation zu unübersehbaren Interaktionen führen kann.
Vorteile bieten in erster Linie hier das Hydromorphon und Oxycodon, da
beide Opioide sehr gut und individuell steuerbar sind. Hydromorphon hat
keine aktiven Metabolite, eine Plasmaeiweißbindung von nur 8% und die
beste Studienlage hinsichtlich Somnolenz und Verwirrtheit.
Wegen des dualen Wirkmechanismus kann bei Tapentadol erwartet werden, dass bei äquianalgetischer Wirkung die opioidtypischen Nebenwirkungen geringer ausgeprägt sind.
Schluckstörung
Gerade bei Schluckstörungen ist die Einsatzmöglichkeit von Opioiden nur
wenig eingeschränkt, da Morphin als sondenfähiges Granulat vorliegt,
Hydromorphon als filmüberzogenes Granulat nach Öffnen der Kapsel
über eine Sonde gegeben werden kann und L-Methadon sowieso nur in
Tropfenform vorliegt. Alternativ stehen die transdermalen Opioide
Fentanyl und Buprenorphin zur Verfügung, die hier natürlich durch ihre
Drei-Tages- Galenik perkutan trumpfen können. Nicht sondenfähig und
somit nicht einsetzbar ist Oxycodon bei Schluckstörungen.
Tapentadol steht zwar als Suspension zur Verfügung, allerdings nur in
unretardierter Form.
Opioide bei Leberinsuffizienz
Dosisreduktion und / oder Dosisintervall verlängern
Bei ausgeprägter Insuffizienz meiden
Vermeiden
Vermutlich nur geringer Einfluss auf Wirkstärke und Wirkdauer
günstig
Tapentadol
Hydromorphon
Fentanyl TTS
Oxycodon
Naloxon
Oxycodon
L- Polamidon
Morphium ret.
Buprenorphin
transdermal

Ungünstig
Opioide bei Niereninsuffizienz
Tapentadol
Hydromorphon
Fentanyl TTS
Oxycodon
Naloxon
Oxycodon
L- Polamidon
Buprenorphin
transdermal
Morphium ret.
günstig
Dosisreduktion und / oder Dosisintervall verlängern
Bei ausgeprägter Insuffizienz meiden
Vermeiden
Vermutlich nur geringer Einfluss auf Wirkstärke und Wirkdauer
Leberinsuffizienz [LI]
Eine Dosisanpassung nach klinischer Wirkung ist bei allen Opioiden
nötig.
Bei LI kann die Clearence von Naloxon begrenzt sein, so dass bei Oxycodon/ Naloxon- Präparaten ein systemischer Antagonismus entstehen
kann. Es ist mit einer verminderten Clearence von Oxycodon (Demethylierung) und/ oder mit einer verminderten Glucoronidierung des aktiven
Metaboliten Noroxycodon zu rechnen. Bei Morphium ist mit einer Verdopplung der Serumspiegel zu rechnen. Buprenorphin wird bei LI trotz
Dosisreduktion zunehmend schwierig steuerbar wegen der ohnehin trägen Kinetik.
Möglicherweise von besonderem Vorteil ist Methadon, da die Bioverfügbarkeit bei Leberkranken und Lebergesunden gleich ist, so dass nach klin.
Erfahrungen oft keine Anpassung der Erhaltungsdosis unter einer Methadonmedikation bei LI notwendig ist.
Bei transdermalem Fentanyl muss eine Dosisreduktion vorgenommen
werden. Mit einer Akkumulation von Metaboliten ist nicht zu rechnen.
Auch bei Hydromorphon ist durch das Fehlen von aktiven Metaboliten
lediglich mit einer geringeren intrahepatischen Inaktivierung zu rechnen,
so dass eine ausschließlich nach der klinischen Situation angepasste
Dosisreduktion vorzunehmen ist. Tapentadol wird in der Leber glucuronidiert und dann renal ausgeschieden. Es hat keine aktiven Metaboliten.
Niereninsuffizienz [NI]
Ähnliches wie bei der Leberinsuffizienz gilt auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz. Gerade bei Morphin ist hier besondere Vorsicht geboten,
da extrem hohe Morphin-6-Glucuronid- Spiegel durch fehlende renale
Elimination zu vitalen Komplikationen führen kann. Ähnliches gilt für
Oxycodon.
In dieser Situation sind Hydromorphon und Fentanyl von Vorteil, da bei
Niereninsuffizienz für beide Opioide nicht mit Komplikationen zu rechnen
ist, da entweder keine Metabolite entstehen oder diese aber keine opioidtypischen Nebenwirkungen zeigen. Auch hier stellt L- Polamidon eine
Alternative dar: Die Serumkonzentration bei chronischer Niereninsuffizienz steigt nicht nennenswert an, da vermutlich kompensatorisch der
über die Galle eliminierte Anteil ansteigt. Da aber insgesamt die Effizienz
dieses kompensatorischen Ausscheidungsweges individuell schwanken
kann, sollte Methadon insbesondere bei terminaler Niereninsuffizienz
nach der klinischen Situation reduziert werden. Weitgehend inaktive
Metabolite des Buprenorphin akkumulieren bei Niereninsuffizienz, ohne
dass mit Überdosierungen zu rechnen ist.
Ungünstig
Die Angaben berücksichtigen sehr stark persönliche Erfahrungen. Bei schweren Organschäden liegen oft keine Studiendaten vor, so dass in
den Fachinformationen von der Verwendung der Substanzen dann abgeraten wird. Grundsätzlich sind die Fachinformationen zu beachten!
2)
Prophylaxe und Therapie opiodinduzierter Opbstipation
Für ausreichende orale Flüssigkeitszufuhr sorgen!
Stellenwert
Substanz
Dosierung
Wirkeintritt
BasisTherapie
Macrogol
1–3 Btl.
1-2 Tg.
(Alternative)
Lactulose
Erste
Ergänzung
Na-Picosulfat
(Alternative)
Bisacodyl
Zweite
Ergänzung
Rektale
Laxantien
(bedarfsweise)
Ab 7 ml.
ab 10 mg
abends
Paraffin
ab 50 ml
1x tgl.
Mikroklys
ab 1
osmotisch
Erster Tag
6-8 h
prokinetisch
(antiresorptiv)
6-10 h
Gleitmittel
20-30 min
Enddarmwirksam
Bisacodyl
(1)-2 Spp.
Glycerin
2 Spp.
30 min
Amidotrizoat
Individuell
1-2 h
Methylnaltrexon
ab 0,15
mg/kgKG
s.c.
Ultima ratio
Wirkweise
Ca 4 Std.
osmotisch,
prokinetisch
µ-Antagonist
Kombinationen sind oft sinnvoll.
1)
Stark modifiziert nach Thomas Nolte in: STK-Zeitschrift für angewandte
Schmerztherapie, Sonderheft 2003.
2)
Modifiziert nach: Netzwerk Palliativmedizin Essen, Leitlinien zur
medikamentösen Schmerztherapie.
2)
Prophylaxe und Therapie opiodinduzierter Nausea und
Erbrechen (Oft nur während der ersten 10 Therapietage)
Stellenwert
BasisTherapie
(alternativ)
Substanz
Dosierung
Besonderheit
Haloperidol
3x tgl.
0,3-0,5 mg
antiemetisch +neuroleptisch
Domperidon
3xtgl.
10-20 mg
prokinetisch (peripherer
Dopaminantagonist)
Bevorzugt bei Chemo- und
Strahlentherapie induzierter
Übelkeit.
Verstärkt die Obstipation!
5-HT3Je nach
Antagonisten Substanz
Mögliche Ergänzung in
Korticoide
Abhängigkeit von der
klinischen
SymptoScopolamin
matik
Je nach
Substanz
sehr gute Wirkung, gut als
Kombinationspartner,
absteigend zu dosieren
Je nach
Zubereitung
Zentrale Wirkung. Obstipierend Sekretionshemmend
niedrigste
Sehr gut antiemetisch
Weitere
Dosierungen wirksam. ExtrapyramidalNeuroleptika
verwenden
mot. NW.
Kombinationen sind oft sinnvoll.
E. Sumpf
Gesundheitszentrum am Vogelsang
Hann. Münden
11.2014