Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung Am 2. Juli wurde der oben genannten Gesetzentwurf in 2./3. Lesung beraten. Damit setzen wir wichtige humanitäre Vorhaben aus dem SPD-Regierungsprogramm und dem Koalitionsvertrag um. Vor allem schaffen wir endlich ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht für langjährig Geduldete bei nachhaltiger Integration - ein Ziel, das wir seit Beginn der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz vor über einem Jahrzehnt kontinuierlich verfolgt haben. Bleiberecht bei nachhaltiger Integration Voraussetzung für die Bleiberechtsregelung ist für Alleinstehende ein mindestens achtjähriger Voraufenthalt. Für Eltern minderjähriger Kinder reichen sechs Jahre. Dabei haben wir durchgesetzt, dass die Betroffenen keine volle Lebensunterhaltssicherung nachweisen müssen, wie sie im Aufenthaltsrecht sonst üblich ist, sondern nur eine überwiegende. Das betrifft insbesondere Antragsteller, die im Niedriglohnsektor tätig und auf aufstockende SGB II-Leistungen angewiesen sind. Auch diese bekommen jetzt eine dauerhafte Perspektive in unserem Land. Ergänzend schaffen wir eine noch günstigere Regelung für Jugendliche und Heranwachsende bis zum 21. Lebensjahr. Hier reicht ein vierjähriger Voraufenthalt. Aufenthalt während der Berufsausbildung Wir haben eine gesetzliche Klarstellung bewirkt, wonach die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung für Jugendliche und Heranwachsende ausdrücklich als Duldungsgrund gelten kann. Das gibt Rechtssicherheit. Arbeitgeber wissen, dass ihr Auszubildender nicht abgeschoben wird, wenn sie einem Geduldeten oder einem Asylbewerber mit offenem Verfahrensausgang einen Ausbildungsvertrag geben. Der junge Asylbewerber oder Geduldete weiß, dass er die Ausbildung sicher beenden kann. Und für die Zeit danach gilt schon jetzt: Wer eine Ausbildung beendet, kann eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Resettlement-Verfahren Es wird, wie auf unser Drängen im Koalitionsvertrag verankert, eine Rechtsgrundlage für das Resettlement-Verfahren geschaffen. Das ist die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus dem Ausland. Sie werden beim Familiennachzug und dem schnelleren Zugang zur Niederlassungserlaubnis (unbefristetes Aufenthaltsrecht) nach nur drei Jahren mit Asylberechtigten und Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt und sind außerdem BAföG-berechtigt. Familiennachzug für subsidiär Geschützte Subsidiär Geschützte (EU) sind Personen, die von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind, ohne dass ein Diskriminierungsgrund wie bei Asylberechtigung oder Genfer Flüchtlingskonvention vorliegt. Sie unterlagen beim Familiennachzug bisher einer sehr restriktiven Ausnahmeregelung. Nun werden sie Asylberechtigten und Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt. Das ist ein bedeutender menschenrechtlicher Fortschritt für zehntausende hier lebende Menschen. Schutz für Opfer von Menschenhandel Der Entwurf enthält Verbesserungen für Opfer von Menschenhandel: Die Aufenthaltserlaubnis soll künftig erteilt werden. Zuvor war dies nur eine Kann-Regelung, die im reinen Ermessen der Behörde stand. Statt auf sechs Monate soll sie künftig auf ein bis zwei Jahre befristet werden. Familiennachzug ist möglich. Es besteht ein erhöhter Ausweisungsschutz. Bei Verlängerung des Aufenthaltstitels nach einem Strafverfahren besteht Anspruch auf einen Integrationskurs. Dies alles verbessert die Situation der Opfer in erheblichem Umfang. Niederlassungserlaubnis bei humanitären Aufenthaltstiteln Bei humanitären Aufenthaltstiteln, die nicht Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder subsidiärer Schutz sind, wird die bisherige Schlechterstellung bei der Niederlassungserlaubnis - also dem unbefristeten Aufenthaltsrecht - aufgehoben, zum Beispiel für Begünstigte der Bleiberechtsregelung. Die Wartefrist wird von bisher sieben Jahren auf die für andere Titel geltenden fünf Jahre abgesenkt. Anerkennung ausländischer Abschlüsse Es wird eine neue Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung einer Anpassungsqualifizierung zwecks Anerkennung eines ausländischen Abschlusses geschaffen. Neuregelung der Abschiebungshaft Die Neuregelung der Abschiebungshaft hat Kritik erfahren. NGOs und Verbände fürchten eine Ausweitung der Inhaftierung. Dem ist entgegenzuhalten: Erstens bestand die Rechtsgrundlage - Fluchtgefahr - zuvor schon und bleibt unverändert. Mit fünf der sechs Anhaltspunkte (der sechste ist ein Auffangtatbestand) wird nur das ins Gesetz geschrieben, was die Rechtsprechung seit Jahren urteilt. Das ist keine Ausweitung gegenüber dem Ist-Zustand für die Betroffenen. Zweitens gibt die Neuregelung nur Anhaltspunkte für Fluchtgefahr. Es gibt keinen Automatismus, jeder Einzelfall muss gewürdigt werden. Drittens haben wir durchgesetzt, dass die schon in der Vergangenheit bestehende Möglichkeit der Inhaftierung, wenn jemand erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser ausgegeben hat, entschärft wird. Bisher hat die Rechtsprechung dies nur oberflächlich begründet. Wir haben die Darlegungs- und Begründungslast für Behörden und Gerichte erhöht. So wird der Anwendungsbereich gegenüber der bisherigen Rechtsprechung eingeengt. Klarstellung bei der Dublinhaft Europarechtlich sind wir verpflichtet, Anhaltspunkte für Fluchtgefahr auch für Rücküberstellungen nach der Dublin III-Verordnung gesetzlich zu bestimmen. Das tun wir mit dem Gesetzentwurf. In diesen Fällen reicht aber keine einfache Fluchtgefahr. Der Richter muss eine erhebliche Fluchtgefahr feststellen. Das ist eine besonders hohe Hürde. Diese hohe Hürde war aus dem Regierungsentwurf nicht unmittelbar ersichtlich. Deshalb haben wir einen klarstellenden Verweis auf die VO aufgenommen, die die Erheblichkeit ausdrücklich benennt. Ausreisegewahrsam Es wird ein viertägiger Ausreisegewahrsam geschaffen. Das ist kritikwürdig. Aber ohne diesen hätte die Union das Gesetz als Ganzes nicht mitgetragen. Einreise- und Aufenthaltsverbote Es werden neue Einreise- und Aufenthaltsverbote geschaffen. Sie sind aus unserer Sicht ebenfalls kritikwürdig. Gegenüber dem Referentenentwurf wurde ihr ursprünglich zu weiter Anwendungsbereich aber auf ein vertretbares Maß reduziert: Er erfasst nur noch Personen, die aus Sicheren Herkunftsstaaten gekommen und abgelehnt worden sind sowie Personen, die mit dem zweiten Asylfolgeantrag, also insgesamt drei Mal, abgelehnt worden sind. Bei den Einreise- und Aufenthaltsverboten haben wir eine wichtige Klarstellung erreicht, damit die Bleiberechtsregelung in der Praxis nicht ins Leere geht: Die Verbote werden nicht verhängt, wenn beim Ausländer unverschuldet Duldungsgründe vorliegen. Sie werden gegebenenfalls aufgehoben, wenn die Voraussetzungen für die Bleiberechtsregelung oder einen anderen humanitären Aufenthaltstitel vorliegen. Neuordnung des Ausweisungsrechts Das Ausweisungsrecht wird neu geregelt. Das war wegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes erforderlich. Das Gesetz war längst nicht mehr europarechtskonform. Dabei werden auf Drängen der Union die Ausweisungsgründe teilweise verschärft. Das war ein Zugeständnis aus dem Koalitionsvertrag. Zugleich werden aber Verbesserungen beim Ausweisungsschutz, u.a. für Minderjährige und Opfer von Menschenhandel, eingeführt. Zudem ist der Rechtsschutz verbessert: Die Abwägung zwischen Bleibe- und Ausweisungsinteresse ist künftig durch Gerichte in jedem Einzelfall voll überprüfbar. Auslesen von Datenträgern Datenträger insbesondere Mobiltelefone und Smartphones können zur Identitätsfeststellung ausge– – wertet werden, wie es jetzt schon bei Urkunden möglich ist. Wir haben, um effektiven Datenschutz zu gewährleisten, für eine bereichsspezifische Löschungsvorschrift für nicht mehr erforderliche Daten gesorgt. Zulassungsfreie Rechtsbeschwerde auch für Behörden Bei der Abschiebungshaft wollte die Union die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde der Betroffenen in Abschiebungshaftsachen abschaffen. Wir haben uns gegen diese Verschlechterung des Rechtsschutzes gewehrt. Stattdessen haben wir akzeptiert, dass die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde auch für die Behörde zugelassen wird. Härtefallregelung für Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug Auf Drängen der Union haben wir bei den Sprachkenntnissen vor Einreise beim Ehegattennachzug die Aufnahme einer Härtefallregelung ins Gesetz akzeptiert. Wir hätten die Regelung lieber ganz abgeschafft. Das war aber gegenüber der Union erwartungsgemäß nicht durchsetzbar. Zumindest können nun Härten im Einzelfall berücksichtigt werden.
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