punktum. SBAP. Schweizerischer Berufsverband für Angewandte Psychologie Association Professionnelle Suisse de Psychologie Appliquée Associazione Professionale Svizzera della Psicologia Applicata Juni/juin 2015 Organisation Der Totalstaat der Ameisen «Messies» – verloren im Chaos Berufsberatung im Clinch Criminalité organisée d’Europe de l’Est Management by Holacracy 2 Editorial Die Organisation von Organisation Liebe Leserin, lieber Leser Ende März, draussen regiert ein Sturmtief. Der sonst friedliche Haselbach vor unserem Haus tost. Die Bäume beugen sich tief mit dem Wind, nur um gleich wieder in die entgegengesetzte Richtung zu schnellen, nach links, nach rechts. Die Natur ist aufgewühlt, wirkt unorganisiert. Sie stellt unser Streben nach Ordnung auf die Probe. Alle Lebensbereiche haben mit Organisation zu tun – Familienalltag, Partnerschaft, Beruf, Verein, Schule, Politik, Strassenverkehr. Neulich erzählte mir mein 15-jähriger Göttibub voller Stolz und Vorfreude: «Weisst du, Gotta, ich habe das mit der Berufslehre alles organisiert. Ich weiss, welche Lehre ich machen will, wo ich sie machen möchte und welche Erfahrungen ich vorgängig in den Berufs-Schnupperwochen sammeln will. Ich möchte dann auch gerne im Sommer einen Sprachaufenthalt machen und meine Englischkenntnisse verbessern.» Ich war beeindruckt von seinem zielgerichteten Vorgehen. Strahlend nahm er mein Kompliment und meine Begeisterung für seine wohlüberlegten Pläne entgegen. Auf der anderen Seite frage ich mich aber auch, wie viel Organisation denn nötig ist im Leben. Welche Möglichkeiten, welche Chancen entstünden, wenn unser Organisationsgrad eben nicht so hoch wäre? Vor welche He- rausforderungen würde uns ein solches zwar nicht planvolles, vielleicht aber durchaus lustvolles Vorgehen stellen? Was würde passieren, wenn ich meine Organisationsfähigkeit oder -bereitschaft für eine, zwei oder drei Wochen einfach mal in die wohlverdienten Ferien schickte? Was würde ganz sicher – oder auch nur vielleicht – komplett aus dem Ruder laufen? Und was würde besser funktionieren als erwartet? Wir bieten Ihnen, liebe Mitglieder, in diesem Heft interessante, breit gefächerte Beiträge zu Organisation und Nicht-Organisation. So hat unser Redaktionsmitglied Beat Honegger mit dem ehemaligen Jugendstaatsanwalt Peter Curdin Ragaz über Hierarchie im Bereich der Justiz gesprochen (Seite 16). Die Organisation von früher, von heute und in Zukunft in der Schweiz und in Europa beleuchtet unsere Gastautorin Beatrice Kunovits aus der Sicht der Berufs-, Studienund Laufbahnberatung (Seite 8). Die Desorganisationsproblematik beim «Messie-Syndrom» (Seite 10), aktuelle Trends in der Arbeits- und Organisationspsychologie (Seite 6) und Einblicke in das organisierte Verbrechen (Seite 14) sowie in die Organisationsweisen in der Tierwelt (Seite 4) runden zusammen mit weiteren Beiträgen das Thema ab. Und last, but not least: Auch in unserem Verband ist das Thema Organisation zurzeit sehr präsent und zentral. Der Vorstand wird sich nach dem Präsidentenwechsel von Heinz Marty zu Christoph A. Schneider weiterhin mit der Führung und Gestaltung unseres Berufsverbandes auseinandersetzen. Dabei werden einerseits sachliche Aspekte, etwa die Aufgabenverteilung und das Organigramm, beleuchtet. Diese Aspekte sind erfahrungsgemäss gut diskutier- und lösbar. Anderseits machen die eher weichen Faktoren, das heisst die emotionalen Aspekte wie die Kommunikation oder die Art und Weise, wie man miteinander umgeht, sowie die Werthaltungen und Erwartungen solche Nachfolgeprozesse, wie wir sie als Verband und als Vorstand momentan durchleben und gestalten, zur Herausforderung. Mit gegenseitiger Wertschätzung, Respekt vor dem Andersdenken, einer lösungsorientierten und zukunftsgerichteten Haltung, einer konstruktiven Dialogbereitschaft sowie mit viel Elan gehen wir diese Aufgaben an. Dabei bauen wir aber auch auf eine ebensolche Unterstützung und danken Ihnen, liebe Mitglieder, für Ihr Vertrauen in unser Wirken. Und nun wünsche ich Ihnen im Namen des Redaktionsteams viel Freude beim Lesen des neuen punktum. und eine sonnige, leichte, vielleicht zwischendurch auch etwas organisationsärmere Sommerzeit! Lianne Fravi, Redaktionsleiterin punktum. Éditorial L’organisation de l’organisation Chère lectrice, cher lecteur Fin mars. Dehors, la tempête fait rage. D’ordinaire si paisible, le Hasel qui coule devant notre maison n’est qu’un mugissement. Les arbres ploient sous la force du vent, se balançant de gauche à droite, d’un côté, de l’autre. Prise dans la tourmente, la nature est désorganisée. Elle met alors notre besoin d’ordre à l’épreuve. Notre quotidien est régi par l’organisation et ce, dans tous les domaines: vie de famille, couple, profession, association, école, politique, circulation routière. Dernièrement, mon filleul de 15 ans m’a annoncé avec enthousiasme et fierté: «Tu sais, marraine, en ce qui concerne ma formation, j’ai tout organisé. Je sais quel cursus je veux suivre, dans quelle école je vais aller et quelles expériences je vais pouvoir acquérir au préalable lors des semaines d’initiation. Et cet été, j’aimerais bien faire un séjour linguistique afin de perfectionner mon anglais.» J’ai été très impressionnée par une démarche aussi précise. Je lui ai dit que j’étais ravie et l’ai complimenté pour ses décisions mûrement réfléchies. Il était tout content. D’un autre côté, je me demande jusqu’à à quel point l’organisation est indispensable dans la vie. Quelles possibilités, quelles opportunités s’offriraient à nous si notre niveau d’organisation n’était pas aussi élevé? Quels défis devrions-nous relever si nous cessions de tout planifier et vivions au gré de nos envies? Que se passerait-il si, pendant une, deux ou trois semaines, j’envoyais ma capacité d’organisation en vacances (certes bien méritées)? Qu’est-ce qui, à coup sûr – ou seulement peut-être –, deviendrait parfaitement incontrôlable? Et qu’est-ce qui fonctionnerait mieux que prévu? Vous trouverez dans ce numéro, chers membres, une compilation d’articles très intéressants portant sur l’organisation et la non-organisation. Beat Honegger, membre de notre rédaction, nous racontera son entretien avec un ancien procureur des mineurs sur le thème de l’organisation dans le domaine de la justice (page 16). Beatrice Kunovits, invitée comme auteur, nous éclairera sur l’organisation d’hier, d’aujourd’hui et de demain (en Suisse et en Europe) en matière d’orientation professionnelle, universitaire et de carrière (page 8). Parmi les autres sujets abordés autour de ce thème figurent la problématique du manque d’organisation chez les personnes atteintes de syllogomanie (page 10), les tendances actuelles dans la psychologie du travail et des entreprises (page 6) ainsi qu’un aperçu du crime organisé (page 14) et des modes d’organisation dans le monde animal (page 4). Enfin last, but not least: actuellement, l’organisation est également un thème omniprésent au sein de notre association. Suite au remplacement de Heinz Marty par Christoph A. Schneider au poste de président, le comité va poursuivre sa mission de gestion et d’organisation de notre association professionnelle. Cela inclut, d’un côté, les aspects matériels tels que la répartition des tâches et l’organigramme. En règle générale, ces aspects sont propices à la discussion et peuvent être résolus sans problème. Ce qui, en revanche, représente un véritable défi, ce sont des facteurs plus fluctuants – les aspects affectifs, tels que la communication ou l’interaction, ainsi que les valeurs et les attentes induites par ces processus de succession, et la façon dont nous le vivons en tant qu’association et comité. Relever ce défi implique une estime réciproque, le respect de la pensée de l’autre, une démarche orientée solutions et tournée vers l’avenir, une volonté de dialogue constructif et beaucoup d’énergie. Un tel soutien nous permet d’avancer, et nous souhaitons vous remercier, chers membres, pour la confiance que vous nous témoignez. Il ne me reste plus qu’à vous souhaiter, au nom de toute l’équipe de la rédaction, beaucoup de plaisir à la lecture de ce nouveau numéro de punktum. ainsi qu’un été ensoleillé, léger, et – pourquoi pas? – un peu moins bien organisé! Lianne Fravi, Directrice de la rédaction punktum. 3 4 Thema Organisation eines Ameisenstaates Mehr als die Summe der Einzelteile Ameisen sind in Staaten organisiert. Die Arbeitsteilung dabei ist hochentwickelt. Jedes Individuum bringt spezifisches Know-how ein, welches das Gemeinwesen dann in der Summe zu höchster kollektiver Intelligenz befähigt. Eine Ameisenkolonie ist eine Monarchie mit einer Königin als Staatsoberhaupt und Hunderten bis Milliarden von ausschliesslich weiblichen Arbeiterinnen als Volk. An sich ähnelt ein Ameisenstaat unseren Menschenzivilisationen, denn auch bei den Ameisen liegt das Staatsinteresse über dem des Individuums. Trotzdem könnte der Unterschied nicht grösser sein. Wo bei uns Menschen die Staatsoberhäupter regieren, entscheiden und befehlen, was das Volk zu tun hat, da schweigt bei den Ameisen die Königin. Sie hat kein Wort bei der Arbeitsverteilung und den Kriegsstrategien mitzureden – stattdessen widmet sie sich der Fortpflanzung. Das Arbeitervolk entscheidet allein, was zu tun ist, Hierarchien zwischen Arbeiterinnen gibt es nicht. Wie aber organisiert sich eine Ameisenkolonie? Diese Frage stellen sich Forscher aus aller Welt seit vielen Jahrzehnten. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, müsste man für jede Arbeiterin der Kolonie wissen, wohin sie geht, was sie macht und mit welchen anderen Arbeiterinnen sie sich austauscht. Kurz: Man müsste jede Arbeiterin der Kolonie rund um die Uhr verfolgen können. Die Schwierigkeit liegt darin, dass es für unser Auge unmöglich ist, zwei Arbeiterinnen voneinander zu unterscheiden. Hat man sie auch nur für kurze Zeit aus den Augen verloren, ist es unmöglich zu wissen, welche Ameise welche ist. Bis vor kurzem war die einzige Lösung, jede Ameise mit Farbtupfern zu versehen, die Kolonien mehrere Stunden zu filmen und eine Armee von Studenten einzelne Ameisen verfolgen zu lassen. Allerdings ist auch dann der Zeitraum, über den man Daten sammeln kann, begrenzt, da jeder Student nur eine Ameise nach der anderen verfolgen kann und der Zeitaufwand also proportional zur Anzahl von Ameisen und der Länge des Experiments ist. Bräuchte ein Student nur eine Sekunde, um die Position und Kopfrichtung einer Ameise genau anzugeben, dann bräuchte er für einen 24-Stunden-Film (mit 2 Bildern pro Sekunde) von einer Kolonie mit 200 Ameisen trotzdem noch insgesamt 9600 Stunden oder 400 Tage. Allerdings wären Daten über 24 Stunden immer noch unzureichend, um die Organisation der Ameisen zu entziffern. Wie dann haben wir es geschafft, Prinzipien der Ameisenorganisation ans Licht zu bringen? Hochentwickelte Arbeitsteilung Um den Ameisen ihr Geheimnis zu entlocken, haben wir ein System entwickelt, dass es uns erlaubt, alle Ameisen einer Kolonie gleichzeitig und zeitlich unbegrenzt zu verfolgen. Jeder Ameise kleben wir einen individuellen Barcode auf den Rücken, das ganze Volk lebt mitsamt Königin und Brut in einem künstlichen Nest, überwacht von Infrarotkameras. Die Barcodes sind für einen Computer lesbar, der sie in Echtzeit in Positionen und Winkel der Ameisen umrechnet und uns damit erlaubt, Daten rund um die Uhr automatisch zu sammeln. Genau das haben wir in sechs Kolonien über 41 Tage lang getan: Ameisen verfolgt und insgesamt mehr als 2,4 Milliarden Ameisenpositionen und Winkel gesammelt. Das erste Aha-Erlebnis der Datenanalyse war unsere Entdeckung, dass es in einer Ameisenkolonie eine klare Gruppeneinteilung gibt. Nicht alle Arbeiterinnen laufen wild durcheinander, wie es oft so scheint. Stattdessen gehört jede Ameise einer Gruppe an und kommuniziert am häufigsten mit anderen Arbeiterinnen ihrer Gruppe. In unseren Experimentierkolonien der Ameise Camponotus fellah fanden wir systematisch drei Gruppen, in anderen Arten oder grösseren Kolonien mögen es mehr sein. Die nächste Frage war dann, was diese drei Gruppen bedeuten. Aus der Ameisen- und Bienenliteratur war seit langem die hochentwickelte Arbeitsteilung der Insekten bekannt. Einige Danielle Mersch, PhD, hat 2012 an der Universität Lausanne promoviert und arbeitet jetzt als Human Frontiers Science Program Fellow am Medical Research Council, Laboratory of Molecular Biology, in Cambridge, England. Parallel zu ihrer Forschung über das Sozialleben der Ameisen erforscht sie mit Hilfe von Fruchtfliegen, wie sensorische Information im Gehirn zu Verhaltensstrategien verarbeiten werden. Arbeiterinnen kümmern sich um die Brut und die Königin, während andere das Nest säubern und reparieren und wieder andere die Nesteingänge bewachen oder auf Nahrungssuche gehen. Also haben auch wir für jede unserer Arbeiterinnen gezählt, wie oft sie die Brut überprüft, zum Müllhaufen läuft und das Nest verlässt, um auf Nahrungssuche zu gehen. Reparatur und Verteidigung fielen weg, da in unseren künstlichen Nestern nichts kaputtging und auch keine Feinde eindringen konnten. Und siehe da: Ameisen, die der gleichen Gruppe angehörten, widmeten sich hauptsächlich der gleichen Aufgabe. Eine der drei Gruppen kümmerte sich fast ausschliesslich um die Brut und die Königin, eine andere Gruppe ging regelmässig auf Nahrungssuche, und die dritte Gruppe säuberte das Nest am häufigsten. Das deutet darauf hin, dass eines der Thema Organisation eines Ameisenstaates Hauptorganisationsprinzipen einer Ameisenkolonie eine klare Einteilung in Arbeitsgruppen ist. Oft werden Alter und Körpergrösse der Ameisen als Grund angegeben, warum eine Ameise auf Nahrungssuche geht und eine andere sich um die Brut kümmert. Um dieser Idee auf den Grund zu gehen, haben auch wir das Alter und die Grösse aller Arbeiterinnen verglichen. In unseren Kolonien spielte Körpergrösse keine wesentliche Rolle, obwohl manche Arbeiterinnen nur 6 mm lang waren und andere 17 mm aufwiesen. Auch das Alter hatte nur geringen Einfluss auf die Tätigkeiten und Gruppenzugehörigkeit einer Arbeiterin. Im Kolonievergleich durchschnittlich jüngere Arbeiterinnen waren zwar öfter Amme, aber auch viele alte Arbeiterinnen gehörten noch der Ammengruppe an. Karriere einer Ameise Verfolgt man die Gruppenzugehörigkeit einer Arbeiterin allerdings über mehrere Wochen, sieht man, dass jede Ameise Karriere macht. Auch wenn sich eine Arbeiterin über mehrere Tage oder sogar Wochen hauptsächlich einer Aufgabe widmet, so wechselt sie doch auf lange Sicht langsam von einer Gruppe und Aufgabe zur nächsten. Wie unsere Daten zeigen, beruht dieser Wechsel nicht auf Zufall oder Langeweile der Ameise, sondern folgt einem klaren Karriereplan. Eine Arbeiterin beginnt ihr Leben als Amme, wechselt dann zum Putzdienst und geht schliesslich auf Nahrungssuche. So gesehen spielt das Alter der Ameise doch eine Rolle. Der entscheidende Punkt hier aber ist, dass eine Arbeiterin den Wechsel von einer Aufgabe zur nächsten nicht mit einem bestimmten Alter antritt, sondern dass sie flexibel bleibt und selbst entscheidet, wann sie zur nächsten Gruppe und Aufgabe wechselt. Daraus erklärt sich, weshalb das Alter einer Arbeiterin nur bedingt Auskunft über ihre Gruppenzugehörigkeit und ihr Aufgabenprofil gibt. Das Schlüsselprinzip des Staates beruht also darauf, dass jede Ameise denselben Karrierepfad einschlägt und die Verteilung und Weiterentwicklung aller Arbeiterinnen entlang dieser Karriereleiter die Arbeitsteilung des Volkes regiert und kontrolliert. Ein weiteres wichtiges Organisationsprinzip einer Ameisenkolonie ist die räumliche Aufteilung des Nestes. So wie wir unsere Gebäude und Städte in Privat- und Berufssphären, Arbeitsund Wohnungsbezirke aufteilen, so strukturieren auch die Ameisen ihre Nester in funktionelle Bereiche. Die räumliche Aufteilung in unseren sechs Kolonien war sehr stark ausgeprägt, obwohl die künstlichen Nester, in denen die Ameisen lebten, einfache rechteckige Kisten ohne zusätzliche Struktur waren und in denen die Ameisen innerhalb weniger Sekunden alle Ecken ihres Nestes erreichen konnten. Das heisst, dass die Arbeiterinnen aktiv eine Raumteilung geschaffen haben. Kommt hinzu, dass Arbeiterinnen derselben Arbeitsgruppe vorzugsweise denselben Bereich des Nestes bewohnten. Ammen verbrachten die meiste Zeit dort, wo die Brut gelagert wurde, die Futtersammler warteten hauptsächlich am Nesteingang, und die Putzer bewohnten den Rest des Nestes. Das Überraschende war, dass sich die Bereiche der drei Gruppen nur wenig überlappten, es schien, als würden die Ameisen Arbeitsghettos im Nest etablieren, ganz nach dem Motto: Jeder Arbeitsgruppe ihr Zuhause. Ameisen sind nicht wählerisch Da sich Raumnutzung und Gruppenzugehörigkeit so stark überschneiden, fragt man sich, was man daraus schliessen kann. Bestimmt die räumliche Aufteilung welche sozialen Gruppen entstehen, oder sind es im Gegenteil die Kommunikationsvorlieben der Ameisen, welche die räumliche Aufteilung prägen und hervorbringen? Um dies zu testen, müsste man den Ameisen eine Raumaufteilung aufzwingen können oder ihre Kommunikationsmöglichkeiten einschränken; beides war im Experiment unmöglich. Um der Sache trotzdem näher auf den Grund zu kommen, haben wir die Frage umgedreht und gefragt, ob Arbeiterinnen mit Vorliebe mit manchen anderen Arbeiterinnen kommunizieren oder ob im Gegenteil die Kommunikation zwischen zwei Arbeiterinnen nur von der räumlichen Aufteilung, vom eingeschlagenen Weg einer Arbeiterin und deren Kommunikationslust abhängt. Unsere Daten zeigen: Arbeiterinnen sind nicht wählerisch, haben also keine Lieblingspartnerinnen für den Informationsaustausch. Dies deutet darauf hin, dass es die räumliche Aufteilung ist, welche die Arbeitsgruppenstruktur beeinflusst oder sogar bestimmt, und nicht umgekehrt. Das wiederum deutet darauf hin, dass Nachbarschaft die Arbeitsgruppendynamik und – wer weiss? – vielleicht sogar die Geschwindigkeit einer Ameisenkarriere bestimmt; aber das sind Fragen, die noch offen sind. Letztlich bleibt die Frage, ob und was sich zwei Ameisen sagen, wenn sie miteinander kommunizieren, doch dies bleibt so weit noch ein Ameisengeheimnis. Danielle Mersch 5 6 Fachwissen Holacracy™ Ein Ansatz zur Strukturierung, Regelung und Organisation von Unternehmen Holacracy ist ein in den USA entwickeltes Modell, das den Steuerungs- und Managementprozessen in grossen Netzwerken und komplexen Unternehmen eine passgenaue dynamische Struktur gibt. In den letzten 20 Jahren haben Dutzende von Vordenkern festgestellt, dass Unternehmen neue Fähigkeiten entwickeln müssen, um in den Herausforderungen dieses Jahrhunderts bestehen zu können. Diese Leute heben hervor, dass die Grenzen konventioneller Ansichten von Organisation und Führung limitiert sind, und gewähren einen Blick auf neue Möglichkeiten. Doch es hat sich als schwierig erwiesen, die Transformation eines kompletten Systems zu gestalten, wenn neue Grundsätze und Praktiken innerhalb des bisherigen Rahmens angewandt werden. Um wirklich ein neues Paradigma beschreiten zu können, ist ein grundlegend neues Betriebssystem für Organisationen vonnöten – eine Art Upgrade der Art und Weise, wie wir steuern, managen und arbeiten. Beispiel Zappos Einer, der sich diese Überlegungen auch gemacht hat, ist Zappos-CEO Tony Hsieh. Zappos ist ein Onlineshop, der sich auf den Verkauf und Versand von Schuhen und Modeartikeln spezialisiert hat. Und Zappos macht dies ziemlich gut: Der Umsatz wurde seit der Firmengründung 1999 stetig gesteigert und beläuft sich heute auf eine Milliarde US-Dollar. Die Firma Zappos hat es geschafft, indem sie eine Firmenkultur geschaffen hat, welche die Faktoren Team, intrinsische Motivation und Lebensqualität am Arbeitsplatz zu ihren zentralen Werten gemacht hat. Die Leute bei Zappos sind, wie es scheint, ein bisschen «crazy». Sie halten sich an keine Konventionen, was Kleidung, Verhalten oder Ordnung betrifft, und liefern dennoch – oder gerade deshalb – perfekte Arbeit ab. Dabei fällt etwas auf: Tony Hsieh setzt mit seinen 1500 Mitarbeitenden auf eine revolutionär andere Form der Organisationsstruktur im Unternehmen. Auf Holacracy. Holacracy ist ein vom Unternehmer Brian Robertson aus Philadelphia, USA, in dessen Firma Ternary Software Corporation entwickelter Ansatz, welcher der Entscheidungsfindung in grossen Netzwerken und vielschichtigen Unternehmen eine günstige Struktur gibt. Holacracy bietet eine Praxis für Steuerung und Betrieb von Organisationen. Seine transformative Struktur und Prozesshaftigkeit integriert das kollektive «Wir» der Menschen in der Gesellschaft, während die Organisation auf ihren wichtigsten Zweck und eine natürliche Art und Weise des Betriebs ausgerichtet wird. Holacracy integriert die Prinzipien, Ideen und neuen Denkweisen vieler innovativer Vordenker in die derzeitigen Strukturen und Prozesse der Organisation. Dies basiert auf Praxis und führt zu gesteigerter Agilität, Transparenz, Innovation und Verantwortung. Arbeit in «Rollen» und «Kreisen» Holacracy ist ein Ansatz, um Klarheit und Transparenz über die Arbeit in einem Team oder einer Organisation zu gewinnen und Entscheidungsprozesse schlank und effektiv zu halten. Die Autorität, die sonst bei Führungspersonen oder Managern liegt, wird dabei auf Kreise, die aus Rollen zusammengesetzt sind, verteilt. Teammitglieder übernehmen eine oder mehrere Rollen. Über verbindliche Kooperationsregeln und Meetingprozesse stimmen sie sich mit anderen Rolleninhabern ab. Der zentrale Koordinationsaufwand wird so stark reduziert. Management-/Leitungs-/Entscheider-Funktionen werden entlastet. Holacracy betont die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden in ihren Rollen und die Selbstorganisation von Teams und Kreisen. Die Methode kann ab zwei Team-/ Organisationsmitgliedern angewendet werden und eignet sich prinzipiell für alle Branchen. In Holacracy wird Arbeit über Rollen aufgeteilt. Eine Rolle hat einen bestimmten Zweck, der sich am Unternehmensziel ausrichtet. Rollen haben normalerweise festgelegte Verantwortlichkeiten und können die Ho- Christoph Adrian Schneider, Psychologe SBAP., ist seit März 2015 SBAP.-Präsident. Er schloss 2008 das Fachhochschulstudium an der ZHAW in Arbeits- und Organisationspsychologie ab und absolvierte parallel dazu eine Coaching-Weiterbildung. In den anschliessenden vier Jahren leitete er verschiedene Kulturtransformations- und Managemententwicklungsprojekte in verschiedenen Geschäftsbereichen der Swisscom. Von 2012 bis 2014 lebte er mit seiner Familie in Thailand und arbeitete für den Schulvorstand der Swiss School Bangkok. Mit der Rückkehr in die Schweiz machte er sich selbständig und eröffnete im Herzen von Bern eine eigene Praxis für integrative Persönlichkeitsentwicklung und achtsame Lebensgestaltung. heit über bestimmte Entscheidungsbereiche oder materielle Ressourcen haben. Ein Teammitglied kann mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen. Zusammengehörige Rollen bilden einen Kreis. Kreise organisieren sich weitestgehend selbst: Sie definieren ihre Struktur (Rollenaufteilung) selbst und entwickeln sie weiter, indem sie zum Beispiel neue Rollen schaffen, Rollendefinitionen oder -verantwortlichkeiten verändern oder Rollen abschaffen, die nicht mehr benötigt werden. Fachwissen Holacracy™ Verbindlichkeit und Transparenz Holacracy definiert zwei Arten von Meetings: – In taktischen Meetings bringen sich die Mitglieder eines Kreises gegenseitig auf den jeweils aktuellen Stand. Sie prüfen den Fortschritt der laufenden Projekte und bearbeiten Reibungspunkte. Neue Projekte können gestartet und existierende anders priorisiert werden. – In Governance Meetings wird die Struktur des Kreises weiterentwickelt: Rollen werden verändert oder neu geschaffen. Teammitglieder geben einander Einblick in die Projekte, an denen sie arbeiten. Sie sind einander zur Rechenschaft verpflichtet, warum sie an einem Projekt arbeiten und an einem andern nicht. So kann leicht festgestellt werden, wenn Prozesse feststecken. Blockaden können schnell aufgelöst werden. Zwischen den Rollen werden verbindliche Absprachen getroffen. In Holacracy wird die Arbeitsorganisation ständig den neuen Erfordernissen angepasst. Dabei gibt es keinen «Chef» oder «Organisationsplaner»: Die Inhaber der Rollen selbst stimmen sich miteinander darüber ab, wie die Prozesse und Verantwortungsbereiche verändert werden sollen. Der Governance-Prozess stellt sicher, dass dies klar, konstruktiv und zeitsparend abläuft. Anstatt die Organisation zu planen oder zu «designen», entwickelt sich in Holacracy ihre Struktur direkt aus dem Feedback der Realität des Unternehmens: Die Teammitglieder, die selber mit einem Problem konfrontiert waren oder eine Verbesserungsmöglichkeit sehen, stossen die notwendigen Entwicklungen an und integrieren sie über den GovernanceProzess mit den Rückmeldungen und Bedürfnissen der anderen Rollen. Strukturierter, moderierter Prozess Für Entscheidungen, welche die Struktur der Organisation verändern, schreibt Holacracy einen strukturierten Besprechungsprozess vor. Der Governance-Prozess stellt sicher, dass der Austausch sachbezogen geführt wird und in einem konstruktiven Ergebnis endet. Er verhindert, dass persönliche Interessen die Diskussion dominieren. Entscheidungen über neue Projekte oder Veränderungen der Struktur bedürfen in Holacracy keines Konsenses: Nur wenn fundamentale, gültige Einwände bestehen – etwa wenn abgesehen werden kann, dass durch eine Veränderung sicher Schaden entstehen wird –, können Vorschläge gestoppt werden. Blosse Befürchtungen oder andere Meinungen genügen nicht. Vorteile Holacracy stellt einen Prozess bereit, der Information, wo auch immer sie auftaucht, schnell an einen Punkt der Organisation leiten kann, wo sie in sinnvolle, zweckorientierte Veränderung umgesetzt werden kann. So kann ein Unternehmen neue Umwelteinflüsse schnell aufnehmen und verarbeiten und seine Struktur den neuen Gegebenheiten anpassen. Holacracy erlaubt ein experimentelles Vorgehen in der Entwicklung des Unternehmens: Wenn ein Projekt oder eine neue Strukturentwicklung sinnvoll erscheint, kann sie prinzipiell durchgeführt werden. Wenn sie sich später als nicht sinnvoll herausstellt, kann sie wieder rückgängig gemacht werden. So können reale Daten gewonnen und aus ihnen gelernt werden, statt theoretisch zu planen oder zu prognostizieren. Holacracy erlaubt den Mitarbeitenden, sich in ihren Rollen frei zu entfalten und weitgehend hierarchiefrei zu arbeiten. Spannungen, die mit anderen Teammitgliedern auftreten, werden durch die taktischen und die Governance Meetings aufgefangen und in klare Rollendefinitionen und -abgrenzungen umgesetzt. Eine kreative Zusammenarbeit zum Zweck der Organisation entsteht. Holacracy in der Praxis Holacracy wurde von Profit- und Non-Profit-Organisationen in den Vereinigten Staaten und Europa implementiert. Neben dem bereits genannten Beispiel von Zappos sind die bekanntesten: David Allen Company, Medium, Precision Nutrition und Conscious Capitalism. Man darf gespannt sein, wie sich Holacracy weiterentwickeln wird. Die noch junge Community mit ihren Anhängern wächst stetig, und Erfolgsgeschichten wie diejenige von Zappos und Medium tragen dazu bei, dass ein Umdenken auch für klassisch geführte Unternehmen interessant werden könnte. Dabei scheint entscheidend zu sein, inwieweit Geldgeber und Manager bereit sind, neue Wege zu gehen und Teile ihrer Macht und ihres Einflusses dieser neuen Organisationsform unterzuordnen. Christoph Adrian Schneider Brian J. Robertson: Holacracy, The New Management System for a Rapidly Changing World Verlag Henry Holt (erscheint am 2. Juni 2015), 240 Seiten, Fr. 29.90, ISBN 978-1-62779-428-2 7 8 Fachwissen Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung Zwischen Zentralisierung und Diversifizierung Seit ihrer Entstehung agiert die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung zwischen dem makroökonomischen Auftrag, der Wirtschaft genügend und richtig ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, und dem politisch garantierten Recht des Individuums auf eine seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Berufswahl und Karriereentwicklung. – Eine Tour d’horizon. Die Entstehung und Entwicklung der Berufsberatung in der Schweiz vor über hundert Jahren ist verbunden mit dem liberalen Grundsatz der Gewerbe- und Berufswahlfreiheit jedes Bürgers, wie sie auch in der Menschenrechtsdeklaration festgehalten ist. Laut Bundesverfassung ist es die Pflicht der Eltern, ihren Kindern eine ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu ermöglichen.1 Eine öffentlichrechtliche Organisation wie die Berufsberatung leitet ihren Auftrag und ihre Organisationsform von ihrer gesetzlichen Grundlage ab. Die Berufsberatung ist im Bundesgesetz für Berufsbildung geregelt.2 Sowohl Jugendliche als auch Erwachsene sollen bei Laufbahnfragen mit Information und Beratung unterstützt werden. Die Kantone sind für die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zuständig und somit frei, wie sie ihn organisatorisch umsetzen. Die Schweizerische Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Berufs- und Studienberatung (KBSB) koordiniert die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung und vertritt sie gegenüber der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK).3 Bei der Informationsherstellung haben sich von Anbeginn gesamtschweizerische Organisationsformen aufgedrängt.4 Aber mit welcher Methode und für wen Beratung unterstützend angeboten werden soll, wie lange sie dauern und wie viel sie kosten darf, das definieren die 1 Siehe Artikel 302 der Bundesverfassung. 2 Siehe §49 des BBG. 3 Siehe www.kbsb.ch. 4 Heute vom Schweizerischen Dienstleistungszentrum Berufsbildung / Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (SDBB) der EDK im Auftrag von Bund und Kantonen. kantonalen Beratungsstellen in ihren eigenen Strategien und Strukturen. Die heutige Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung mit ihren regionalen BIZ (Berufsinformationszentren) ist in der Öffentlichkeit gut verankert und entsprechend nachgefragt. Seit ihrer Entstehung hat die Berufsberatung auch eine politische Bedeutung und wird entsprechend den politischen Interessen gesteuert. So soll sie zum Beispiel moralisch-fürsorgerisch wirken sowie einen volkswirtschaftlichen Auftrag erfüllen und dafür sorgen, dass die Wirtschaft genügend und richtig ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung hat. Dementsprechend agiert die Berufsberatung bis heute zwischen den Ansprüchen der von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Bildungspolitik und dem politisch garantierten Recht des einzelnen Individuums auf eine seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Berufswahl und Laufbahnentwicklung. Diversifizierung Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich die Berufsberatung in den Kantonen mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und den entsprechenden Bildungsoffensiven in den sechziger und siebziger Jahren rasant entwickelt hat. Nicht nur das Berufsbildungsgesetz, auch das damalige Hochschulförderungsgesetz schrieb Beratung als Förderinstrument vor. Kindern aus der Arbeiterschicht und der Landbevölkerung wurde der Zugang ins Gymnasium und in die Hochschule ermöglicht, Lehrstellen gab es in Hülle und Fülle, Bildung und Berufstätigkeit wurden auch den Mädchen nicht mehr vorenthalten. Es entstanden neue berufliche Grundbildungen mit entsprechenden Berufsmöglichkeiten. Die Studienberatung als eigenständige Organisation half Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten, sich an der Universität zurechtzufinden. Professionalisierung Eine florierende Wirtschaft und vielfältige Bildungswege ermöglichen erst eine uneingeschränkte Bil- Beatrice Kunovits-Vogt, Dr. phil., ist seit 2001 Leiterin der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung im Amt für Berufsbildung und Berufsberatung des Kantons BaselLandschaft. Nach dem Psychologie- und Geschichtsstudium an der Universität Bern mehrjährige Forschung in Sri Lanka, Promotion und Unterrichtstätigkeit in Ethnopsychologie an der Universität Zürich sowie Dozentin an der FHNW im MAS Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. dungs- und Berufswahl. Waren in den Anfängen noch LehrerInnen im Nebenamt für die Berufsberatung zuständig, so entwickelte sich im Laufe der Zeit ein eigener Berufsstand. Die Beratungsmethoden wurden wissenschaftlich fundierter und entwickelten sich vom pädagogischen zu einem psychologischen Verständnis. Testdiagnostische Abklärungen, ressourcen- und lösungsorientierte Beratungsansätze erfüllten die Ansprüche der Kundschaft an eine professionelle Beratung. Eine psychologische Bildung auf Tertiärstufe für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatende wurde Voraussetzung.5 In der Studienberatung arbeiteten PsychologInnen mit Universitätsabschluss. Auch für die 5 U.a. bieten die FHNW und ZHAW einen vom Bund anerkannten MAS Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung an. Fachwissen Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung Informationsaufbereitung waren wissenschaftliche Mitarbeitende tätig. Die Berufs- und die Studienberatung positionierte sich seit den siebziger und achtziger Jahren mit freiwilliger, neutraler und kostenloser Beratung. Diese Grundsätze wurden auch in die kantonalen Gesetzgebungen aufgenommen. Diese damals entstandene professionelle Haltung ging einher mit der organisatorischen Trennung der Berufsberatung von der Berufsbildungsbehörde zu einem fachlich unabhängig geführten kantonalen Amt. 6 Zentralisierung Die wirtschaftlichen Rezessionen in den achtziger und neunziger Jahren führten zu einer Lehrstellenkrise. Der Bund kurbelte Lehrstellenförderungsprogramme an. Dem Staat fehlten Einnahmen. Die öffentliche Verwaltung wechselte von einem input- zu einem outputgesteuerten Aufgabenverständnis. Mangelnde Synergien wurden auch bei der Berufsberatung identifiziert. Aus den vielen regionalen Berufs- und Studienberatungsstellen entstand die integrierte Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung mit den Berufsinformationszentren, die als Kompetenzzentren alle Zielgruppen ansprechen sollen: Jugendliche nach der Volksschule vor der ersten Berufswahl, junge Erwachsene während und nach der Lehre oder einem Mittelschulabschluss, Studierende vor dem Einstieg ins Berufsleben und alle anderen Erwachsenen, die sich beruflich weiterentwickeln möchten oder müssen. Gleichzeitig mit dem Aufbau der BIZ und der Zusammenführung der Berufs- und der Studienberatung wurde die Berufsberatung in den meisten Kantonen wieder mit der Berufsbildungsbehörde zusammengeführt. Es galt, den Weg zu gezielter Berufsbildungsförderung zu finden, ohne die Errungenschaft der Freiwilligkeit und Neutralität der Beratung in den BIZ in Frage zu stellen. Neutrale Laufbahn6 In einigen Kantonen war die Berufsberatung jedoch bis Anfang 2000 noch von Gemeinden oder Zweckverbänden getragen, z.B. SG, AG, Stadt Luzern, Stadt Zürich – Letztgenannte bis heute. unterstützung bedeutete, Arbeitsmarktwissen, Lohn- und Entwicklungsmöglichkeiten und -risiken für die Bevölkerung aufzubereiten und in den BIZ zur Verfügung zu stellen. Die Unterstützung durch Beratung endete bei der vorausgesetzten Umsetzungsfähigkeit. Erwachsene stellten inzwischen die Hälfte der Kundschaft. Das geltende Berufsbildungsgesetz von 2002 wurde im Nachvollzug der Lehrstellenkrise reformiert. Die Berufsberatung ist darin zusammen mit der Studienberatung erwähnt. Die Zuständigkeit bleibt bei den Kantonen, der Bund verpflichtet sich aber bei der Ausbildung der Berufs-, Studien- und LaufbahnberaterInnen und vergibt die Diplome. Methodische Diversifizierung Unterstützung bei der Nachbesserung von Leistungs- und Sozialverhalten und Lehrstellenvermittlung für Jugendliche nach der Volksschule kam um die Jahrtausendwende wieder auf. Damals mussten sich viele Jugendliche auf eine verhältnismässig kleine Zahl offener Lehrstellen bewerben, und die freie Berufswahl war vor allem bei schulisch schwachen Jugendlichen stark eingeschränkt. In der Berufsberatung wurden – finanziell unterstützt von Lehrstellenoffensiven des Bundes – wieder vermehrt Realisierungshilfen für Jugendliche an geboten, damit sie mit sozialpädagogischer Unterstützung den Weg in die berufliche Grundbildung finden können. Zuletzt wurde das sogenannte «Case Management Berufsbildung» ins Leben gerufen, ein ebenfalls mit Bundesgeldern angestossenes Programm für Jugendliche mit mehrfacher Problematik. Der gesetzliche Auftrag der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung hat sich dadurch methodisch weiterentwickelt und diversifiziert. Die neu entstandenen sozialpädagogischen Angebote werden als Abteilung bei den BIZ oder als eigenständige Stellen bei der Berufsbildung oder in deren Auftrag geführt. Auch bei der Laufbahnberatung von Erwachsenen kam es zur Neupositionierung von Angeboten, für welche die Kostenlosigkeit aufgehoben wurde, und zu entsprechenden Organisationsanpassungen in den Berufsberatungsstellen. Trotz der methodischen Vielfalt bei der Laufbahnunterstützung wurde die Idee des BIZ als Eingangstor für alle Laufbahnfragen für Jung und Alt in den Kantonen beibehalten. Dank der Förderung der Berufsbildung, der Berufsmaturität und der Höheren Berufsbildung, verbunden mit einer erhöhten Durchlässigkeit des schweizerischen Bildungssystems, kann der Grundsatz der freien Berufs- und Bildungswahl auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten in den BIZ aufrechterhalten werden: Eine einmal getroffene Wahl, eine Entscheidung unter eingeschränkten Möglichkeiten – seien es eigene oder äussere – kann wieder revidiert und weiterentwickelt werden. Europäische Strategien Das Prinzip einer Berufsberatungsorganisation für alle Zielgruppen mit Fragestellungen zu Laufbahnpassungen und -perspektiven wird auch von der EU-Kommission unterstützt. Sie liess im Rahmen ihrer Strategie des Lifelong Learnings Länderdelegierte aus Bildung, Beratung und Beschäftigung eine Politik der lebensbegleitenden Beratung (Lifelong Guidance) entwickeln. Nebst gutem Zugang zu Beratung, einem wirksamen, qualitativ guten und koordinierten Laufbahnberatungsangebot gehört auch die Förderung der «Career Management Skills», der Laufbahngestaltungskompetenzen, zu den Schwerpunkten, welche das europäische Netzwerk für eine Politik lebensbegleitender Beratung (ELGPN) den Ländern in Europa empfiehlt.7 Die vier Strategien des ELGPN umfassen alle Bildungsbereiche und Anspruchsgruppen, umspannen somit das gesamte Aufgaben- und Methodenspektrum der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung und implizieren für die Zukunft eine starke organisatorische Positionierung von lebensbegleitender Laufbahnberatung. Berufs-, Studien- und Laufbahnbe- 7 Siehe www.elgpn.eu. 9 10 Fachwissen Messie-Syndrom Dem Chaos ausgeliefert Das Desorganisationssyndrom, besser bekannt unter der Bezeichnung Messie-Syndrom, rückt zunehmend ins öffentliche Interesse, nicht zuletzt durch reisserisch aufgemachte Medienberichte, die jedoch hauptsächlich Vermüllungsszenarien und Verwahrlosung in den Vordergrund stellen. Dass diese Sicht dem Phänomen des Messie-Syndroms nicht gerecht wird, zeigt die tägliche Arbeit mit Betroffenen in der psychotherapeutischen Praxis. Menschen, die am Messie-Syndrom1 leiden, sind nicht in der Lage, zwischen gestalteter Ordnung und «gesunder» Unordnung zu wählen. Sie leben in chaotischen Strukturen und sind diesen hilflos ausgeliefert. Gegenstände werden zwanghaft gesammelt und an allen erdenklichen Orten in der Wohnung aufbewahrt. In ausgeprägten Fällen gibt es in den einzelnen Räumen keinerlei Ordnungsstruktur mehr, auch die eigentliche Funktion der Räume ist nicht mehr erkennbar. Geschlafen und gegessen wird da, wo noch eine Restfläche übrig geblieben ist. Von Wohnen im eigentlichen Sinne kann keine Rede mehr sein. Die Haushaltsführung stellt eine permanente Überforderung dar, was in extremen Fällen bis zur vollständigen Vermüllung der Wohnung führen kann. In der gesell- schaftlichen Wahrnehmung wird das Messie-Syndrom daher bislang fast ausschliesslich mit den Teilaspekten Vermüllung und Verwahrlosung verbunden. Abgrenzung zum Vermüllungssyndrom Beim Vermüllungssyndrom wird vom Betroffenen kontinuierlich Müll in den Wohnräumen angehäuft. Verwahrlosung bezeichnet darüber hinaus einen Zustand extremer Wohnverhältnisse mit massiver Selbstvernachlässigung des Betroffenen, die sich auch im äusseren Erscheinungsbild zeigt. Mögliche Folgeerscheinungen sind hygienisch nicht mehr tolerierbare Lebensverhältnisse, Fehlernährung, Flüssigkeitsmangel und Verschlimmerung von Krankheiten. Die Phänomene Verwahrlosung und Vermüllung können nicht scharf voneinander unterschieden werden, die Übergänge sind hier fliessend. 1 Im Hinblick auf den allgemeinen Sprachgebrauch verwende ich im hier wie auch in meinen Vorträgen und Fortbildungen die Begriffe «Messie-Syndrom» bzw. «Messie-Phänomen» sowie für die Betroffenen die Bezeichnung «Messies», wenngleich die Bezeichnung «Desorganisationssyndrom» dem Krankheitsbild und seiner spezifischen Symptomatik besser gerecht wird. Forschungsstand zur Komorbidität Das Messie-Syndrom rückte erst in den letzten zwei Jahrzehnten in den Fokus der Psychotherapie, bisher ist es jedoch nicht als eigenständige Erkrankung im internationalen Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 aufgenommen. Eine wissenschaftliche Studie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die 2009–2012 zur Desorganisationsproblematik durchgeführt wurde, konnte allerdings zeigen, dass das Messie-Syndrom in Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen, besonders mit einer Major Depression, aber auch mit Zwangs- und Angsterkrankungen, auftreten kann, ratung ist im heutigen Bildungs- und Wirtschaftsumfeld in der Schweiz und in Europa ein wichtiger Schlüsselfaktor für die Laufbahngestaltung der Einzelnen und wegen ihres hohen Nutzens ein volkswirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Beatrice Kunovits-Vogt Literatur Bildungsdirektion des Kantons Zürich, Amt für Jugend und Berufsberatung (Hrsg.) (2008): Berufsberatung; in Jugendhilfe Kanton Zürich 1918– 2008. Zwischen Professionalität und politischem Kräftemessen. Lehrmittelverlag des Kantons Zürich, S. 14–19. Veronika Schröter ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Gestalttherapeutin, Jugend- und Heimpädagogin, Altenpflegerin und arbeitet seit 2001 als Messie-Expertin in eigener sozialpsychologischer Praxis in Freiburg. In therapeutischen Seminaren, Gruppen- und Einzelgesprächen arbeitet sie mit Betroffenen und Familienangehörigen. Deutschlandweit bietet sie Schulungen, Fortbildungen und Teamcoaching für Mitarbeiter in psychosozialen, pflegerischen und therapeutischen Einrichtungen sowie Behörden an. Für mehr Infos: www.veronika-schroeter.de Heiniger, Fritz (2003): Vom Lehrlingspatronat zum Kompetenzzentrum für Berufsberatung. 100 Jahre SVB. Dübendorf: SVB. Kunovits-Vogt, Beatrice (2011): Berufsberatung im Spiegel der Zeit, In: Mir wei hirne. Bildung und Wissen im Baselbiet. Baselbieter Heimatbuch 28/2011 (Separatdruck). Liestal: Verlag des Kantons Basel-Landschaft. Fachwissen Messie-Syndrom aber nicht muss. 24 Prozent der Teilnehmer an der Studie wiesen keinerlei weitere psychische Erkrankungen auf. Allerdings werden weitere Untersuchungen notwendig sein, um das Messie-Syndrom in seiner Komplexität zu beschreiben und in seiner psychotherapeutischen Bedeutung einordnen zu können. Aufgrund von unzähligen Fallgeschichten aus der psychotherapeutischen Praxis konnten jedoch bereits – vor allem aus tiefenpsychologischer bzw. psychoanalytischer Sicht – zahlreiche Ursachen für das Auftreten der Störung, besonders in der psychosozialen Entwicklung der Betroffenen, beschrieben werden. Ursachen und Symptomatik Ursache des Messie-Syndroms ist in der Regel eine Wertbeimessungsstörung, das heisst, den Betroffenen fehlen wichtige Entscheidungskriterien, um ihre private Umwelt zu strukturieren. Es ist ihnen schlichtweg unmöglich zu entscheiden, ob etwas für sie wichtig oder unwichtig, nützlich oder unnütz, schön oder nicht schön ist. So bleibt ihnen aus ihrer Sicht nichts anderes übrig, als alles aufzubewahren, zu sammeln, zu stapeln, zu horten. Das Unvermögen, die eigene Umgebung selbstbestimmt zu gestalten, ist also ein grundlegendes Merkmal des Messie-Syndroms, was in der Regel in der frühen Biografie begründet liegt. Sehr häufig wurde die Persönlichkeit des Kindes von seiner Umwelt und besonders von seinen Bezugspersonen nicht wahrgenommen oder bewusst übergangen. Es finden sich frühkindliche Entwicklungsstörungen, Zwangserfahrungen in der Sauberkeitserziehung, autoritäre Erziehungsmuster und unterdrückte kindliche Entwicklungsimpulse. Ebenso können Loyalitätskonflikte zu Bezugspersonen und fehlende verlässliche Beziehungen in der Kindheit Ursachen sein. Das Messie-Syndrom kann des Weiteren durch belastende Lebensereignisse als psychosoziale Auslöser wie Krankheit, Todesfall, Trennung, Scheidung, Berentung oder Arbeitslosigkeit hervorgerufen werden. Diese Erfahrungen – frühe wie auch aktuelle – führen langfristig zu mangelndem Selbstvertrauen, innerer Leere und Strukturlosigkeit, zu reduziertem Körpergefühl bis hin zur Selbstvernachlässigung. Es folgt ein zunehmender Verlust der Selbstachtung und der eigenen Würde. Die Messie-Symptomatik wird begleitet von einer Vielzahl psycho-emotionaler Befindlichkeitsstörungen. So leiden Messies häufig unter Entscheidungsschwierigkeiten, verspüren undefinierbare, lähmende Ängste, empfinden grosse Anspannung mit hohem Stresspegel, wenn vertraute Situationen sich um sie herum verändern, können kaum Prioritäten setzen, verlieren sich in Details und fühlen sich ambivalent und zerrissen. Ein Leben in permanentem Chaos macht Angst, erzeugt Stress und das Gefühl von Inkompetenz. In vielen Fällen führt es darüber hinaus zu psychosomatischen Reaktionen, die auf medizinischem Wege nur unzulänglich behandelt werden können. Auch in ihren sozialen Beziehungen werden Messies immer wieder mit ihrer Lebenssituation konfrontiert. Einladungen werden vermieden, Kontakte abgebrochen, Kinder dürfen keine Spielkameraden mit nach Hause bringen. Die Folge für die Betroffenen ist ein sozial isoliertes, schambesetztes Dasein. Betroffene und ihr soziales Umfeld Messies finden sich in allen Altersgruppen, Berufen und sozialen Schichten – die psychisch bedingte Störung ist weiter verbreitet, als noch vor wenigen Jahren angenommen wurde, und die Dunkelziffer dürfte sehr gross sein. Man geht in Deutschland von bis zu 2,5 Millionen Betroffenen aus. Messies sind häufig beruflich sehr erfolgreich, werden im geschäftlichen Umfeld geschätzt und gemocht – doch sobald sie in ihre eigenen vier Wände zurückkehren, regiert das Chaos. Auch alte Menschen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, sind häufig betroffen. Die zunehmende Vereinsamung im Alter trägt das Ihre dazu bei, und oft tritt erst bei einem anstehenden Umzug ins Alters- oder Pflegeheim die Messie-Problematik zutage. Ein Messie, der in extrem chaotischen Verhältnissen lebt, stellt für die Menschen in seiner Umgebung eine ungeheure Provokation dar. Es ist für Nichtbetroffene schlichtweg nicht vorstellbar, wie jemand in einen solchen Zustand geraten kann und warum er absolut nicht in der Lage ist, augenscheinlich einfache Strukturierungshilfen und Unterstützungen anzunehmen. Die Reaktionen reichen von Ekel, Abwehr, Bevormundung bis hin zu rechtlich bedenklichen Übergriffen: Da wird aufgeräumt, geputzt, entsorgt, Ordnung gemacht, es werden Entrümpelungsdienste angeheuert, Container vorgefahren – und das alles in der Regel gegen den erklärten Willen der Eigentümer oder im besten Falle mit der erzwungenen, aus der Resignation erwachsenen Zustimmung. Folgen externer Intervention Entscheiden sich Angehörige oder externe Hilfskräfte dafür, aktiv einzugreifen und selbst aufzuräumen und zu entrümpeln, wird den Betroffenen die Verantwortung allerdings völlig abgenommen. Deren Gefühl der Inkompetenz verstärkt sich, die bereits erlebte Unfähigkeit verfestigt sich – die Folgen sind zunehmende Resi- Mit Sirius Outdoor sind Sie für alle Aktivitäten bestens ausgerüstet. Ob Bekleidung, Schuhe oder Rucksäcke: Sie profitieren von 20% Rabatt auf das ganze reguläre Sortiment exklusive GPS und GPS-Zubehör. Dieses Angebot bestellen Sie direkt im Onlineshop der FH Schweiz unter www.fhschweiz.ch/onlineshop. SBAP.-spezifische Leistungsangebote finden Sie unter www.sbap.ch/dienstleistungen. 11 12 Fachwissen Messie-Syndrom gnation und Selbstaufgabe, und es dauert meist nicht lange, bis der alte Zustand wieder erreicht ist. Doch nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Beziehung zu ihnen haben solche Aktionen schwerwiegende Folgen. Die Beziehung gerät durch den nicht erwiesenen Respekt in eine Schieflage, Vertrauen wird zerstört. Letztlich lässt sich im persönlichen Kontakt mit einem Messie dessen Störung langfristig auch nicht ausklammern, sodass eine konsequente Distanzierung von der Problematik früher oder später zu einem völligen Abbruch der Beziehung führen muss. Hinwirken auf freiwillige Veränderung Wie kann nun der Umgang mit einem Messie gestaltet werden, ohne dass ständig neue Widerstände entstehen, und wie kann idealerweise sogar eine echte Verbesserung der Situation erreicht werden? Der Königsweg liegt wie so oft zwischen den beiden Polen Passivität und Intervention: im Hin- wirken auf die freiwillige Entscheidung zur Veränderung. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist die Anerkennung der Messie-Symptomatik als tief greifende psychische Störung, die eine empathische und verständnisvolle Betrachtung verdient. Um Missverständnisse zu vermeiden: Dies ist nicht gleichbedeutend mit der Akzeptanz der Verhältnisse! Vielmehr geht es darum, diesem Menschen, der seine Selbstachtung vor langer Zeit aufgegeben hat, mit Respekt zu begegnen. Die ganze Lebensenergie, die in das Sammeln und Anhäufen von Chaos investiert wurde, hat immer einen verborgenen Zweck und ein Ziel. Dieses sollte, auch wenn es noch im Verborgenen liegt, anerkannt und gewürdigt werden. Echte Hilfe ist möglich Wenn ein Messie erfährt, dass er in seinem Leid und Unvermögen ernst genommen wird, öffnet dies die Tür zu einer neuen Deutung seiner Störung. Er muss sich nicht mehr gegen Angriffe und Bevormundung aufleh- Bücher nen, sondern kann beginnen, sich selbst mit seiner Problematik anzunehmen und auseinanderzusetzen. Die Messie-Störung braucht unbedingt eine adäquate therapeutische Behandlung, die nach den zugrunde liegenden Ursachen fragt. Darauf können Angehörige und Betreuer auf der Grundlage des Respekts und der Anerkennung der Störung hinwirken. In der Hinwendung zur eigenen Lebensgeschichte kommen Menschen mit Messie-Syndrom den persönlichen Ursachen ihrer Problematik auf die Spur und lernen, sich selbst mit ihrer Geschichte liebevoll anzunehmen. Wichtigste Voraussetzung für eine dauerhafte Verbesserung der Symptomatik und damit der Lebensqualität ist, dass Menschen mit Messie-Syndrom zurückfinden zur eigenen Würde und Wertschätzung und dass sie beginnen, Schritt für Schritt selbstbestimmt das Chaos zu bewältigen. Dieser Prozess kann im Rahmen einer Therapie, die das Messie-Phänomen als psychische Störung ernst nimmt, gelingen: Am Ende steht als Ziel die Freiheit der Wahl zwischen «gesunder» Unordnung und selbstbestimmter Ordnung. Fachzeitschriften eBooks Datenbanken Brüderl / Riessen / Zens Therapie-Tools Selbsterfahrung mit eBook inside und Arbeitsmaterial 2015, Beltz, 330 S., ca, CHF 55.85 ISBN 978-3-621-28221-5 Selbsterfahrung ist ein wichtiger Bestandteil des Berufslebens eines Psychotherapeuten. Erst die fundierte Selbsteinschätzung und Kenntnis der eigenen Persönlichkeit ermöglicht eine erfolgreiche therapeutische Arbeit. Pfohlmann / Renner-Wiest Gewaltfreie Kommunikation. Achtsam miteinander umgehen Kartenset mit 60 Impulskarten; mit zwölfseitigem Booklet 2015, Beltz, ca. CHF 32.95 ISBN 978-3-621-28219-2 Das Kartenset vermittelt die wichtigsten Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation auf spielerisch-kreative Weise. Ziel ist es, neuen Schwung ins therapeutische Geschehen und Klienten zum Sprechen über emotionale oder schwierige Themen zu bringen. Bestellen Sie ganz einfach: per Telefon: 0848 482482* per E-Mail: [email protected] im Webshop: www.lehmanns.ch * Normaltarif www.lehmanns.ch Therapeutische Begleitung bei Zwangsmassnahmen In extremen Fällen können Zwangsmassnahmen allerdings auch unvermeidbar sein: Sind Betroffene selbst oder andere Menschen gefährdet oder sind die Eigentumsrechte Dritter betroffen, so können und müssen oft auch gegen den erklärten Willen des Betroffenen Massnahmen ergriffen werden, um Schaden abzuwenden. Aber auch in Fällen, in denen Zwangsmassnahmen erforderlich sind, ist eine therapeutische Begleitung unabdingbar. Werden die Auswirkungen für den Betroffenen nicht in dieser Form aufgefangen, muss mit massiver Abwehr und Verweigerung gerechnet werden. Dies zu vermitteln, ist eines meiner Hauptanliegen, sowohl in Vorträgen für Betroffene und deren Angehörige als auch in Fortbildungen für Fachkräfte in sozialen Diensten und öffentlichen Institutionen. Veronika Schröter Anzeige Das aktuelle Kursangebot Weiterbildung S ie : ren r n n i e w s l e t te o b A e N IAP den .c h / haw z . p te r w.ia w w e w s l et n Psychologie & Das aktuelle Kursangebot Klinische Psychotherapie Weiterbildung Leadership, Coaching & Change Management e MAS / DAS / CAS Leadership & Management U bis 4 Semester e MAS Coaching & Organisationsberatung U ca. 8 Semester e MAS Supervision & Coaching in Organisationen U 5 Semester e CAS Change Management, Organisationsberatung & Leadership, Coaching & -entwicklung U 17 Tage Change Management e CAS Beratung in der Praxis (Grundmodul) U 8 Tage e MAS / DAS / CAS Leadership & Management U bis 4 Semester e CAS Beratung in der Praxis (Aufbaumodul) U 9 Tage e MAS Coaching & Organisationsberatung U 66 Tage e CAS Coaching Advanced U 18 Tage e MAS Supervision & Coaching in Organisationen U 5 Semester e CAS Leadership Excellence U 17 Tage e CAS Change Management, Organisationsberatung & e Führung als Herausforderung U 5 Tage -entwicklung U 17 Tage e Führung in der Praxis U 2 Tage + 7 × 3 Std. e CAS Beratung in der Praxis U 17 Tage e Führungskraft als Coach? 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U 5 Tage Human Resources, Development & e WBK Führung als Herausforderung U 6 Tage Sportpsychologie e WBK Führungskraft als Coach U 2 Tage e Neuropsychologische Konzepte in der Führung U 4 Tage e WBK MAS Ausbildungsmanagement (neu auch modular) e WBK Mediation in der Berufspraxis U 2 Tage U 5 Semester e MAS Human Resource Management U 4 Semester e DAS Personalpsychologie IAPDevelopment U 37 Tage Human Resources, & e DAS Ausbilder/in in Organisationen IAP U 47 Tage Sportpsychologie e DAS Sport- & teampsychologische Methoden IAP e MAS Ausbildungsmanagement U 62 ½ Tage U 36 Tage e MAS Human Resource Management U 2 ½ Jahre e CAS Beratung in der Praxis (Aufbaumodul), Vertiefung e DAS Ausbilder/in in Organisationen IAP U 47 Tage HR-Praxisfeld U 9 Tage e DAS Personalpsychologie IAP U 37 Tage e CAS Bildung in Organisationen strategisch & e DAS Sport- & teampsychologische Methoden IAP U 36 Tage interkulturell führen U 17 Tage e CAS HR-Beratung in der Praxis U 17 Tage e CAS Curriculum-Entwicklung für Bildungsprogramme e CAS Bildung in Organisationen strategisch & interkulturell U 16 Tage führen U 17 Tage e CAS Didaktik-Methodik U 14 Tage e CAS Curriculum-Entwicklung für Bildungsprogramme e CAS Komplexe Bildungsaufgaben lösen U 15.5 Tage U 16 Tage e CAS Lernpsychologie in Gruppen U 13 Tage e CAS Didaktik-Methodik U 14 Tage e CAS Personalentwicklung & -diagnostik U 18 Tage e CAS Komplexe Bildungsaufgaben lösen U 15.5 Tage e CAS Psychologisches & mentales Training im Sport e CAS Lernpsychologie in Gruppen U 13 Tage U 3 Semester e CAS Personalentwicklung & -diagnostik U 18 Tage e CAS Teams erfolgreich steuern & begleiten U 14 Tage e CAS Psychologisches & mentales Training im Sport e Interviewtechnik für die Personalselektion U 2 Tage U 23 Tage e Lernprozesse von Gruppen begleiten (Modul2 SVEBe CAS Teams erfolgreich steuern & begleiten U 13 Tage AdA-Baukastensystem) U 4 ½ Tage e WBK Interviewtechnik für die Personalselektion U 2 Tage e Social Media in der Personalentwicklung U 2 Tage e WBK Lernprozesse von Gruppen begleiten (Modul 2 SVEB-AdA-Baukastensystem) U 5 Tage e WBK Supervision für Ausbilder/innen (Teilmodul 5 des SVEB-AdA-Baukastensystem) U 17 ½ Std. e MAS Kinder- & Jugendpsychotherapie U 8 Semester e MAS Systemische Beratung U 6 Semester e MAS Systemische Psychotherapie (in Kooperation mit dem ZSB Bern) U 6 – 8 Semester & Klinische Psychologie e DAS Ressourcen& lösungsorientierte Beratung IAP U 2 Jahre Psychotherapie e Autismus und Asperger-Syndrom im Kindes- und e MAS Kinder- & Jugendpsychotherapie U 4 Jahre Jugendalter U 2 Tage e MAS Systemische Beratung U 3 Jahre e Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) – eine e MAS Systemische Psychotherapie (in Koooperation mit ZSB Einführung U 1 Tag Bern) U 3 – 5 Jahre e DAS Ressourcen- & lösungsorientierte Beratung IAP U 2 Jahre Persönlichkeit & Kommunikation e Bewusster kommunizieren U 5 × 3 ¼ Std. Persönlichkeit & Kommunikation e Emotionale Intelligenz I + II U je 2 Tage e WBK Bewusster kommunizieren U 5 × 3 ¼ Std. e Mit mentalem Training besser auftreten U 2 Tage e WBK Emotionale Intelligenz I + II U je 2 Tage e Persönlichkeit und Führung U 3 Tage + 6 × 2 ½ Std. e WBK Konfliktmanagement I U je 2 Tage e Verhandlungstraining U 2 Tage e WBK Mit mentalem Training besser auftreten U 2 Tage e Wirkungsvolle Moderation U 2 Tage e WBK Persönlichkeit und Führung U 5 Tage e WBK Verhandlungstraining U 2 Tage Berufs-, Studien& Laufbahnberatung e WBK Wirkungsvolle Moderation U 2 Tage e MAS Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung U 4 Semester Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung Information und Anmeldung e MAS Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung U 3 Jahre IAP Institut für Angewandte Psychologie Pfingstweidstrasse 96, Postfach 707 Information und Anmeldung 8037 Zürich IAP Institut für [email protected] Psychologie Telefon + 41 58 934 83 33, Pfingstweidstrasse 96 www.iap.zhaw.ch/weiterbildung 8005 Zürich www.iap.zhaw.ch/newsletter Telefon + 41 58 934 83 33, [email protected] www.iap.zhaw.ch/weiterbildung Weitere Angebote finden Sie online. www.iap.zhaw.ch/newsletter Weitere Angebote finden Sie online. 13 14 Sujet Criminalité organisée d’Europe de l’Est Mythe ou réalité? Dans quelle mesure la Suisse est-elle effectivement la cible de criminels en provenance des pays d’Europe de l’Est? Quel est le niveau d’organisation de ces malfrats? – Une prise de position de l’office féderal de la justice. Touristes criminels, gangs est-européens ou encore mafias de l’Est: la presse ne manque pas de qualificatifs lorsqu’il s’agit de thématiser les infractions commises par des ressortissants des pays de l’ancien bloc de l’Est. Un article de l’hebdomadaire suisse alémanique Weltwoche, qui traitait de la criminalité «d’origine rom», avait même défrayé la chronique en 2012. La page de titre montrait un enfant rom braquant un pistolet en direction du lecteur. Au-delà de ces aspects médiatiques, deux questions se posent d’un point de vue policier: a) Dans quelle mesure la Suisse estelle effectivement la cible de criminels en provenance des pays d’Europe de l’Est? b) Quel est le niveau d’organisation de ces malfrats? Parler de criminels est-européens implique que l’on thématise l’appartenance nationale. Crime et nationalité sont des sujets délicats. Si le fait de connaître le pays d’origine des auteurs d’infractions pénales aide les enquêteurs et analystes à comprendre certains phénomènes, il faut, en revanche, veiller à ne pas attribuer à la nationalité ce qu’elle ne dit pas. Ni l’appartenance ethnique, ni la nationalité ne sont des variables criminogènes. Les statistiques montrent, certes, des disparités au niveau de la représentation de certaines nationalités, mais ces différences sont dues à d’autres facteurs, notamment sociaux-économiques et historiques. Aborder la criminalité est-européenne nécessite également une délimitation de la notion d’Europe de l’Est. Le présent article comprend sous ce terme les pays de l’ancien bloc de l’Est qui ont adhéré à l’Union européenne: la Bulgarie, la Roumanie, la Hongrie, la Slovaquie, la République Tchèque, la Pologne, la Lituanie, l’Estonie et la 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 2011 2012 2013 2014 Figure 1: Nombre de prévenus par année pour infractions au code pénal en provenance des pays de l’Est. Source: Office fédéral de la statistique Lettonie. Contrairement à certaines idées reçues, ces pays sont loin d’être homogènes. Tant la culture que la langue, le système politique ou encore le nombre d’habitants varient fortement d’un état à l’autre. Ce que disent les statistiques La statistique policière de la crimiPrévenus Part (%) Suisse 37487 47.41% Italie 3697 4.68% Portugal 3551 4.49% Roumanie 2939 3.72% Allemagne 2910 3.68% Kosovo 2338 2.96% Serbie/Monténégro 2298 2.91% France 2281 2.88% Turquie 1809 2.29% Macédoine 1122 1.42% Algérie 1095 1.38% Hongrie 408 0.52% Pologne 406 0.51% Bulgarie 368 0.47% Slovaquie 196 0.25% Lituanie 160 0.20% République Tchèque 139 0.18% 79069 100.00% Total Tableau 1: Prévenus pour infractions au code pénal en 2014. Source: Office fédéral de la statistique nalité (SPC) offre le meilleur moyen d’obtenir une vue d’ensemble de la situation. La SPC est publiée annuellement par l’Office fédéral de la statistique. Elle comprend, entre autres, le nombre d’infractions au code pénal et à la loi sur les stupéfiants enregistré durant l’année en question. On y trouve aussi des informations en lien avec les auteurs présumés (prévenus). En 2014, les ressortissants est-européens représentaient moins de dix pour cent du total des prévenus pour infractions au code pénal (cf. tableau 1 et figure 1). La plus grande part d’entre eux provenait de Roumanie, ainsi que, dans des proportions plus restreintes, de Hongrie, de Pologne et de Bulgarie. La Lettonie et l’Estonie ne sont pas listées dans la SPC car ces deux pays comptent chacun moins de cent prévenus. Quant aux infractions à la loi sur les stupéfiants, elles ne sont que très rarement commises par des personnes en provenance d’Europe de l’Est. Si, en comparaison avec l’ensemble des auteurs présumés, les prévenus est-européens restent relativement peu nombreux, la tendance générale est à la hausse depuis 2009, bien qu’une légère baisse ait eu lieu en 2014. Une évolution qui est principalement due aux auteurs présumés d’origine roumaine, dont le nombre a plus que triplé en l’espace de six ans (+222% entre 2009 et 2014). Les autres nations se maintiennent ces Sujet Criminalité organisée d’Europe de l’Est Suisses Pop. rés. étrangère Asile Sans domicile fixe en Suisse Sans indications Voies de fait 5023 4124 331 554 27 Lésions corporelles simples 3121 2654 295 628 14 Lésions corporelles graves 268 187 31 49 0 Meurtres (incl. tentatives) 85 66 13 36 1 Vols par effraction 1150 660 313 2172 53 Vols à la tire 68 74 152 657 4 Vols de véhicule (incl. vélos) 657 368 67 377 20 Brigandages 506 368 83 280 5 Tableau 2: Prévenus par infraction du code pénal (sélection) en fonction du statut de séjour (2014). Source: Office fédéral de la statistique trois dernières années à un niveau à peu près stable (Hongrie, Pologne, Slovaquie, Lituanie, République Tchèque). Seule la Bulgarie connaît une diminution notoire entre 2012 et 2014, dont la cause reste pour l’heure inconnue. Etant donné que la SPC ne prend en compte la nationalité des prévenus que depuis 2009, une comparaison avec la période précédant la suppression des contrôles systématiques aux frontières avec la mise en place de Schengen, en décembre 2008, n’est pas possible. En revanche, la SPC livre d’autres indications intéressantes. On découvre, par exemple, que la majorité des prévenus est-européens n’a pas de domicile fixe en Suisse (c’est-à-dire, pas de permis B ou C). Ainsi, 87% des Bulgares, 75% des Hongrois, 69% des Polonais et même 95% des Roumains, accusés en 2014 d’avoir enfreint le code pénal, résidaient à l’étranger En d’autres termes, ce ne sont pas les Bulgares ou les Roumains qui vivent et travaillent en Suisse qui commettent des cambriolages – l’exception confirme bien sûr la règle – mais ceux venus directement depuis l’étranger. Les données publiées de la SPC ne permettent pas de faire un lien direct entre le détail de chaque infraction et la nationalité des prévenus. En revanche, une comparaison en fonction du statut de séjour est possible (cf. tableau 2). On constate alors de grandes disparités selon le type d’infraction. Ainsi, les crimes et délits contre l’intégrité corporelle (lésions corporelles, etc.) sont avant tout le fait de la population résidante suisse et étrangère. A l’inverse, les infractions contre le patrimoine sont souvent commises par des prévenus non domiciliés en Suisse, une catégorie à laquelle appartient la majorité des malfrats est-européens. De nombreuses informations policières confirment que les criminels en provenance d’Europe de l’Est sont souvent impliqués dans des vols de tout genre, des brigandages et des escroqueries. De façon générale, la SPC montre que les prévenus est-européens ne constituent qu’une petite partie de l’ensemble des prévenus pour infractions contre le code pénal. Leur nombre varie toutefois en fonction des infractions. La grande majorité de ces malfrats n’est, en outre, pas domiciliée en Suisse. Enfin, bien que la SPC constitue un précieux outil, elle ne montre que la partie visible de la criminalité, c’est-à-dire celle dont la police a connaissance. Bon nombre d’infractions et de coupables n’apparaissent pas dans les statistiques officielles. Niveau d’organisation D’un point de vue général, il n’existe pas, en Suisse, de définition de la criminalité organisée. Le code pénal (CP) parle uniquement d’organisations criminelles (art. 260ter CP). Ces dernières sont, selon le CP, des organisations dont la structure et les effectifs sont tenus secrets et dont le but et de commettre des actes de violence criminels ou de se procurer des revenus par des moyens criminels. En dépit d’une formulation plutôt ouverte, les exigences sont, en principe, élevées pour aboutir à une condamnation. Le droit pénal connaît, par ailleurs, la notion de bande (cf. art. 139 et 140 CP), dont les structures et le niveau d’organisation sont moins élaborés et plus dépendants des relations individuelles. Plusieurs informations policières laissent cependant à penser qu’une bonne partie des criminels est-européens agissent dans le cadre de structures se trouvant à mi-chemin entre la notion juridique de bande et l’interprétation actuelle par les tribunaux de l’organisation criminelle. La taille de certains groupes, l’existence de structures durables et un niveau d’organisation élaboré, observés chez certains auteurs est-européens, vont au-delà de la simple bande, mais ne devraient pas suffire à aboutir à une condamnation pour appartenance à une organisation criminelle. De plus, les malfrats est-européens agissent au travers de diverses structures organisationnelles. Dina Siegel, professeur de criminologie aux Pays-Bas, s’est penchée sur les structures de ces organisations1. Tout d’abord, Siegel fait une distinction entre les criminels professionnels et ceux commettant un délit pour assurer leur survie. En ce qui concerne les criminels professionnels, Siegel les classe en trois sous-catégories. La première comprend les criminels itinérants rattachés à une organisation dans leur pays d’origine et qui sont envoyés à l’étranger pour y commettre des actes délictueux. La seconde sous-catégorie comprend les criminels itinérants qui se sont organisés en bande que lorsqu’ils se sont (suite à la page 18) 1 Siegel, Dina (2014): Mobile Banditry. East and Central European Itinerant Criminal Groups in the Netherlands, p. 51–79 ainsi que 130s. 15 16 Fachwissen Peter Curdin Ragaz, Jurist «Jugendanwälte müssen bereit und fähig sein, in einer Hierarchie zu arbeiten» Der Jurist Peter Ragaz ist sofort bereit, über die Organisation in einer hierarchisch geführten staatlichen Institution zu sprechen. An anderen Stellen indes wurde das Unterfangen weniger entgegenkommend unterstützt: Einen Gesprächspartner zu finden, stellte sich als schwieriger heraus als erwartet. Der jugendlich gebliebene, vor gut zwei Jahren pensionierte Jugendanwalt ist überzeugt, dass eine gute Organisation die Voraussetzung ist, um erfolgreich zu arbeiten. punktum.: Herr Ragaz, man sagt, Organisation sei das halbe Leben. Ist Organisation bei Unternehmen und für Staatsorgane noch wichtiger? Peter Curdin Ragaz: Das Sprichwort erscheint mir treffend. Organisation ist das halbe Leben und in der ganzen Berufswelt von grosser Bedeutung. Auch im Justizbereich ist sie meines Erachtens sehr wichtig. Wie ist die Justiz in der Schweiz organisiert? Um von der Strafverfolgung zu sprechen: Es herrscht hier eine hierarchische Organisation. Nehmen wir die Staats- beziehungsweise Jugendanwaltschaften, die sich im Kanton Zürich in der Direktion der Justiz und des Innern befinden. Zuoberst in der Hierarchie steht der Justizdirektor, die Justizdirektorin. Dann kommen die Oberstaatsanwaltschaft und die Oberjugendanwaltschaft, bei denen es sich um zwei Ämter handelt. Diesen je unterstellt sind die einzelnen Staatsanwaltschaften und die Jugendanwaltschaften. In den Jugendanwaltschaften wird im Team gearbeitet, wobei dem Jugendanwalt, der Jugendanwältin jeweils die Verantwortung für die Fallführung zukommt. Neben einem Chef und einem ChefStellvertreter, die auch Fälle führen, gibt es jeweils mehrere JugendanwältInnen, mehrere SozialarbeiterInnen sowie die Kanzlei. Ich selbst war bis zu meinem vorzeitigen Altersrücktritt per Ende 2011 während 17 Jahren als Jugendanwalt für den Kanton Zürich tätig, davon sechs Jahre als Stellvertretender Leitender Jugendanwalt. Wie viele Jugendanwaltschaften gibt es im Kanton Zürich, und wie gross sind sie? Seit der letzten Neuorganisation sind es noch fünf. Die grössten Betriebe sind die Jugendanwaltschaft ZürichStadt mit 18 Personen und See/ Oberland mit 15 Personen. In Letzterer betreute ich während meiner letzten zehn Jahre als Jugendanwalt vor allem Straffälle aus dem Bezirk Meilen. Gesamthaft umfassen die fünf Jugendanwaltschaften im Kanton Zürich etwa 85 Mitarbeitende. Davon sind rund 25 JugendanwältInnen. Unterscheidet sich die Schweiz im Jugendstrafrecht vom Ausland? Ja, gerade in der Jugendstrafrechtspflege gibt es grosse Unterschiede. Bei uns steht im Jugendstrafrecht, neben der Strafe, ganz klar der erzieherische Gedanke im Vordergrund. Der Jugendliche soll auf diese Weise dazu geführt werden, nicht mehr zu delinquieren. In Deutschland beispielsweise zählt hingegen der strafrechtliche Aspekt weit mehr. Auch in der Schweiz werden aber Strafen ausgesprochen, vom Verweis bis zur Arbeitsleistung und zur Einschlies sung, die bei schwersten Delikten bis maximal vier Jahre beträgt. Generell sind die Strafen aber milder, und die Jugendanwälte ordnen auch oder zusätzlich erzieherische Massnahmen an, die aus längeren Heimaufenthalten bestehen können. Wobei für den betroffenen Jugendlichen dann die Möglichkeit besteht, im Erziehungsheim zum Beispiel eine Berufslehre zu absolvieren. Ein besonderes Jugendstrafrecht mit in der Regel milderen Strafen als für erwachsene Straftäter gibt es aber in zahlreichen Staaten. Bis wann wird ein Jugendlicher in der Schweiz gesondert beurteilt? Das Jugendstrafrecht gilt in der Schweiz für Straftaten, die im Alter von 10 bis 18 Jahren verübt werden. Bei stationären Massnahmen kann die Betreuung bis 22 erfolgen. Sehr oft zur Anwendung gelangen bei den Jugendlichen die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, des Betäubungsmittelgesetzes und des Strassenver- Peter Curdin Ragaz ist Jurist aus Überzeugung. Der heute 67-jährige, in Andeer und Tamins aufgewachsene Bündner studierte Jurisprudenz an der Uni Zürich. Nach zwei Jahren Tätigkeit am Bezirksgericht Meilen und nach seiner Dissertation zur Meinungsäusserungsfreiheit in der europäischen Menschenrechtskonvention war er als Dr. iur. während 17 Jahren Stellvertretender Chef beim Jugendamt des Kantons Zürich. Von 1995 bis 2012 arbeitete er als Jugendanwalt mit Amtsbefugnis für den Kanton Zürich. Die letzten zehn Jahre war er für die strafrechtlichen Fälle im Bezirk Meilen zuständig. Er ist Vater einer Tochter und mittlerweile auch Grossvater. Obwohl er noch immer in Zürich wohnt, kehrt er oft zurück in seine Bündner Heimat, in seine Alphütte ob Andeer. kehrsgesetzes, die aber auch für die Erwachsenen gelten. Hat die justiziale Organisation auf gesellschaftliche Veränderungen der letzten Jahrzehnte reagiert? Die äussere Organisation hat sich verändert. Intern sind im Kanton Zürich aus früher elf Jugendanwalt- Fachwissen Peter Curdin Ragaz, Jurist schaften durch Zusammenlegungen hauptsächlich aus Effizienzgründen fünf Einheiten entstanden. Bezirksgerichte gibt es jedoch immer noch in jedem Bezirk eines. Durch das vor einigen Jahren in Kraft gesetzte neue Jugendstrafgesetz wurde auch materiell auf Veränderungen reagiert. Angepasst wurden unter anderem die ausgesprochenen Strafen und die angeordneten Massnahmen. Können Sie ein Beispiel geben? Früher ahndeten Jugendanwälte Straftaten von 7- bis 18-Jährigen. Ein kleiner Bub, der zeuselte und dabei einen grossen Schaden verursachte, musste danach bei uns vortraben. Heute wird erst eine Strafuntersuchung eröffnet und er sodann vorgeladen, wenn er bei Ausübung der Tat mindestens zehn Jahre alt war. Unterhalb dieser Schwelle kümmert sich die Kinderschutzbehörde KESB um einen solchen Fall. Setzt die Organisation bei der Justiz oder der Polizei dem Wirken und Arbeiten eines Jugendanwalts Grenzen? Eigentlich nicht. Nur wenn der oder die Jugendliche in einem anderen Kanton wohnhaft ist, wird der Fall dorthin abgegeben. Da wird dann eine Grenze gesetzt, weil man nicht mehr zuständig ist. Gab es Begebenheiten, wo Sie es bedauerten, dass Sie nicht so frei agieren konnten wie beispielsweise Strafverteidiger? Im Gegenteil! Der Jugendanwalt ist für einen von ihm geführten Fall vollumfänglich verantwortlich und erlässt die notwendigen Anordnungen. Er ist beispielsweise gegenüber der Polizei weisungsberechtigt. Seine Fälle schliesst er mit Entscheiden ab, die rechtskräftig die Wirkung von Urteilen entfalten. Der Jugendanwalt hat demnach auch richterliche Befugnisse. Fast alle seine Entscheidungen werden übrigens akzeptiert und werden somit rechtskräftig. Ich habe mich bewusst für diese Stellung in der Mitte entschieden. Ein Strafverteidiger hat eine andere Rolle – er arbeitet für beziehungsweise im Interesse seines Klienten. Dies natürlich auch bei den Jugendlichen, die er vertritt. Sie schätzten das besonders? Ja, sehr. Als Jugendanwalt muss man allerdings bereit und fähig sein, in einer Hierarchie zu arbeiten. Natürlich hat man als Verteidiger mit einer eigenen Praxis noch mehr Freiheit. Aber die Rolle eines Strafverteidigers ist auch einseitiger und hätte mir nicht gefallen. Jugendanwälte stehen in der Mitte, können abwägen und Urteile fällen. Wobei Jugendanwalt eigentlich ein falscher Begriff ist. Er verteidigt ja nicht die Jugendlichen in Bezug auf die begangenen Straftaten, sondern trifft richterliche Entscheidungen mit Strafen und Massnahmen. Bei sehr schweren Delikten oder für definitive Heimunterbringungen wird er allerdings auch zum Ankläger und reicht seine Anklage beim Jugendgericht ein. Wie ist das Verhältnis der Jugendanwaltschaft zu den Polizeibehörden? Es ist sehr eng. Die Polizei liefert zumeist die Grundlage für die Arbeit eines Jugendanwalts, indem sie der Jugendanwaltschaft einen Polizeirapport zustellt. Auf der Basis dieses Rapports entscheidet der Jugendanwalt, die Jugendanwältin, ob ein Strafverfahren eröffnet wird. Sodann werden der Jugendliche und oft auch seine Eltern für Gespräche und Einvernahmen auf die Jugendanwaltschaft vorgeladen. Jedes eröffnete Jugendstrafverfahren findet durch Entscheid des Jugendanwaltes wieder seinen Abschluss. Ist die Organisation in den beiden Bereichen ähnlich? Ja, wobei die Polizei im Kanton Zürich aber einer anderen Direktion untersteht und sicher noch strenger hierarchisch organisiert ist – fast wie das Militär. Polizeibeamte werden übrigens auch strafrechtlich geschult. Die polizeilichen Einvernahmen und weiteren Ermittlungen führen, wie bereits ausgeführt, zum Polizeirapport. Daraufhin entscheidet der Jugendanwalt, ob eine Strafuntersuchung eröffnet und durchgeführt wird. Die Polizei kann der Jugendanwalt nötigenfalls mit weiteren Ermittlungen beauftragen. Er ordnet gegebenen- Timm Ulrichs (*1940) ordnungordnung ordnungordnung ordnungordnung ordnungordnung ordnungordnung ordnung unordnung ordnungordnung ordnungordnung ordnungordnung ordnungordnung ordnungordnung 17 18 Fachwissen Peter Curdin Ragaz, Jurist falls Hausdurchsuchungen an oder stellt Haftbefehle aus, die von der Polizei dann für die Jugendanwaltschaft vollzogen werden. Wie ist die Arbeit eines Jugendanwalts organisiert? Für mich ist eine strikte Organisation der Fallarbeit sehr wesentlich. Pro Monat erhält ein vollamtlicher Jugendanwalt rund 20 bis 25 neue Fälle zugewiesen. Darüber hinaus gibt es eine Zielgrösse für die Pendenzen. Es gab Kollegen, die zeitweise bis zu 160 unerledigte Fälle im Kasten hatten. Ich selbst bemühte mich stets, nicht mehr als 30 bis 60 Fälle offen zu haben. Da ist eine geschickte zeitliche Organisation sehr wichtig. Wobei es natürlich nicht allein um die niedrige Pendenzenzahl geht, sondern in erster Linie um das im Jugendstrafverfahren geltende und sehr wichtige Prinzip des Beschleunigungsgebots. Denn es ist auch wichtig, dass Jugendliche und ihre Familien nicht länger als nötig im Ungewissen belassen werden. Aber natürlich kann ein Jugendstrafverfahren auch länger dauern, beispielsweise wenn sehr viele Delikte aufgeklärt werden müssen. Immer aber sind eine gute Organisation des Verfahrens beziehungsweise der Abläufe und eine sorgfältige und verantwortungsbewusste Fallbearbeitung wichtig. (suite de la page 15) trouvés à l’étranger. Enfin, les vastes clans formés sur la base de liens familiaux et voyageant d’un pays à l’autre pour y commettre des infractions, avant de rentrer dans leur pays d’origine pour y investir leurs «gains», forment la troisième souscatégorie. Bien que l’étude de Siegel porte sur les Pays-Bas, ses conclusions correspondent aux informations policières récoltées en Suisse. Was sind die Kriterien, damit Straftaten von Jugendlichen vor Gericht kommen? Ein Jugendanwalt hat eine bestimmte Strafkompetenz. Will er eine darüber hinausgehende Strafe aussprechen, etwa bei einem schweren Delikt, hat er einen entsprechenden Antrag an das Jugendgericht zu stellen. Diese Situation tritt allerdings eher selten ein. Häufiger ist ein Antrag an das Jugendgericht für eine definitive Heimplatzierung. Denn der Jugendanwalt kann eine Heimeinweisung nur vorsorglich anordnen. her hat die Jugendanwaltschaft die spezialisierte Beratung weniger oft in Anspruch genommen. Jetzt wird die Palette an Beratungsmöglichkeiten vermehrt beigezogen. Für eine Heimeinweisung oder bei einem schweren Gewaltdelikt werden heute immer psychiatrische oder psychologische Gutachten angeordnet beziehungsweise eingeholt. Ein Jugendanwalt sollte zudem für seine Arbeit über psychologische Grundkenntnisse verfügen. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den PsychologInnen und PsychotherapeutInnen im Lauf der Zeit gewandelt? In den letzten zwanzig Jahren hat sich diese Zusammenarbeit verstärkt. Frü- Sie sind jetzt pensioniert. Führen Sie weiter ein organisiertes Leben, oder geniessen Sie es, spontaner und freier zu agieren? Das ist eine gute Frage (lacht). Ich bin und bleibe ein gut organisierter Chaot. Nur tue ich mir heute keinen Zwang mehr an. Nach der Pensionierung musste ich mich aber zuerst an den neuen Lebensabschnitt gewöhnen. Das Zusammenarbeitsteam, die Jugendlichen und ihre Familien, der Arbeitsweg, der Computer im Büro oder auch der strukturierte Tag sind schlagartig verloren gegangen. Das vermisste ich anfangs und musste mich umstellen. Mittlerweile genies se ich aber die neuen Freiheiten. Ich kann vieles nach Lust und Laune unternehmen. Und wohl etwas vom Wichtigsten: Ich langweile mich keine Minute! Interview: Beat Honegger Conclusion Malgré un passé commun basé sur la doctrine «communiste», les pays d’Europe de l’Est sont tout sauf similaires. Dans la même logique, la criminalité en provenance de ces nations ne constitue pas non plus un phénomène uniforme. En Suisse, le crime organisé est-européen se caractérise avant tout par le fait que la majorité des malfrats réside à l’étranger. Cette criminalité, que l’on peut qualifier d’itinérante, apparaît sous diverses formes dont le degré d’organisation varie au cas par cas et d’un pays ou d’une région à l’autre. D’un point de vue quantitatif, les prévenus est-européens sont encore loin de constituer la majorité des auteurs présumés pour infractions pénales, bien que leur nombre varie en fonction du type d’infraction, notamment dans le domaine des vols, où ils sont très actifs. Enfin, la grande majorité des ressortissants est-européens résidant en Suisse n’a rien à voir avec ces criminels et respecte les dispositions légales de notre pays. Office fédéral de la justice, service d’information et communication Können die Jugendlichen Strafen und Massnahmen anfechten? Ja, selbstverständlich. Gegen jeden Entscheid des Jugendanwalts können der betroffene Jugendliche oder seine gesetzlichen Vertreter ein Rechtsmittel einlegen. Am häufigsten geschieht das bei Haftanordnungen. Generell arbeiten wir jedoch mit den Eltern zusammen, die ja oft die gleichen Zielsetzungen wie die Jugendanwaltschaft haben, insbesondere auch bei sehr schwierigen Jugendlichen. Generell werden unsere Entscheide fast stets akzeptiert. Porträt Vom SBAP. ausgezeichnete Masterarbeit Nutzen und Wirksamkeit einer Intervention im Bereich Distanz-Beratung Die Masterarbeit «Ganz fern und doch so nah! – Nutzen und Wirksamkeit einer Intervention im Bereich Distanz-Beratung – Pilotversuch» untersucht die Wirksamkeit von Distanzberatung und begibt sich dafür in die Welt einer virtuellen Realität namens AULA. Ähnlich wie bei OnlineSpielen oder Spielkonsolen interagiert hierbei der grafische Stellvertreter einer Person, ein sogenannter Avatar, in einer medialen, dreidimensionalen Lebenswelt. Entwickelt vom Karlsruher Institut für Coaching, Personalund Organisationsentwicklung KIC ermöglicht das sich damals noch in der Entwicklungsphase befindende Programm Beratungsgespräche, Trainings und systemische Aufstellungen. Untersucht wurde nicht nur, ob und in welcher Form diese Art der Beratung Wirkung zeigt, sondern auch, ob und in welcher Form eine solche Anwendung überhaupt von Nutzen sein kann. Die für die Arbeit notwendigen Daten wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes um Prof. Hansjörg Künzli an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) erhoben, eingebettet in den Masterstudiengang Arbeitsraum in AULA, Screenshot. als Seminar «Virtuelle Beratung». So konnte sichergestellt werden, eine ausreichend hohe Anzahl an Studierenden (= Berater) und Probanden (= Klienten) für die aufwendige Studie zu generieren. Ermöglicht wurde das Projekt darüber hinaus dadurch, dass die interaktive Onlineplattform dem Forschungsteam für die Dauer der Studie zur Verfügung gestellt wurde. Für die Datenerhebung selbst wurde das Design einer quasiexperimentellen Studie mit zwei Messzeitpunkten gewählt und die Stichprobe (N = 62) in eine jeweils gleich grosse Versuchsund Kontrollgruppe eingeteilt. Die Versuchsgruppe erhielt über einen Zeitraum von acht Wochen circa drei bis vier Interventionen in AULA, beide Gruppen wurden prä und post mit Hilfe eines Fragebogens befragt und die Ergebnisse überwiegend quantitativ, als Ergänzung zusätzlich qualitativ ausgewertet. Untersuchungsgegenstand waren dabei ausschliesslich die Wirkungsweise und der Nutzen für die beratenen ProbandInnen, der Beratungsstil oder die Berater-Kompetenzen spielten für die Datenauswertung keine Rolle, ebenso wenig wie technische Aspekte des Inter- Birgit Blohmann, Psychologin MSc mit Vertiefung in Arbeits- und Organisationspsychologie, eidg. dipl. Grafikerin, selbständige Designerin (www.markenart.com); arbeitet auch als Beraterin und Coach für Firmen aus der Privatwirtschaft und für Non-Profit-Organisationen. 19 20 Porträt Vom SBAP. ausgezeichnete Masterarbeit nets, der virtuellen Realität oder des Computers – es sei denn, deren Beantwortung war für die Fragestellung relevant. Die Prüfung der Wirksamkeit von Avatar-Beratung in AULA fiel positiv aus, sie konnte anhand verschiedener Dimensionen belegt werden. Die zur Operationalisierung der Fragestellung untersuchten Variablen Distanz zur Lösung, Befindlichkeit, Unsicherheit, Zielklarheit, Perspektive und Erwartungen sollten die unmittelbaren Wirkdimensionen einer Beratung messen und veränderten sich in der Versuchsgruppe zwischen den beiden Messzeitpunkten signifikant. Keine signifikanten Werte hingegen zeigten in beiden Gruppen die Variablen der Dimension Inkongruenz, welche ganzheitliche Veränderungen im Bereich persönliche Annährungs- und Vermeidungsziele messen. Diese fehlende Signifikanz bei der Wirksamkeitsbeurteilung der Studie ist jedoch vernachlässigbar in Bezug auf die gemessene Wirksamkeit von Avatar-Beratung. Die Basis der Nut- zenanalyse bildeten die empirisch ausgewerteten Daten, wissenschaftliche Hintergründe wie psychologische Modelle, Theorien zu Medienmerkmalen und Wirkfaktoren, aber auch in der Praxis erworbene Kenntnisse. Der potenzielle Nutzen von Avatar-Beratung liess sich hierdurch in seinem Umfang bereits erahnen, und künftige Investitionen in diesem Bereich könnten den Markt für professionelle psychologische Beratung gravierend verändern. Birgit Blohmann Preis für Masterarbeiten Der SBAP. stiftet jährlich einen Preis für herausragende «angewandte» (im Sinne des FH-Profils) Masterarbeiten im konsekutiven Masterstudiengang am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW. Dabei werden die Masterarbeiten mit Mindestnote 5,0 in den Vertiefungsrichtungen Arbeits- und Organisationspsychologie, Klinische Psychologie sowie Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie berücksichtigt. Ausgezeichnet werden innovative angewandt-psychologische Masterarbeiten, die Neues explorieren bzw. neue, noch wenig bearbeitete Fragestellungen der Angewandten Psychologie bzw. Forschung thematisieren. Pro Vertiefungsrichtung wird ein Preis verliehen, die Preissumme beträgt 500 Franken und ein Jahr Mitgliedschaft im SBAP. (Wert 600 Franken). Eine Jury, bestehend aus VertreterInnen der Vertiefungsrichtungen im SBAP.-Vorstand, dem SBAP.-Präsidenten sowie einer Fachperson des Departements Angewandte Psychologie, ermittelt die PreisträgerInnen. Das punktum. stellt die ausgezeichneten Arbeiten in einer Serie vor. Wussten Sie schon… Bücher Fachzeitschriften eBooks Datenbanken Bannink Lösungsorientierte Fragen Handbuch für die lösungsorientierte Gesprächsführung 2015, Hogrefe, 270 S., ca. CH 51.65 ISBN 978-3-8017-2635-5 Das Handbuch erläutert Schritt für Schritt die Praxis des lösungsorientierten Arbeitens. Mit 1001 lösungsorientierten Fragen liefert es einen Leitfaden für die lösungsorientierte Gesprächsführung. Schick Selbsterfahrung Mann Therapeutische Zugangswege zur Männerseele 2015, Springer, 126 S., ca. CHF 41.95 ISBN 978-3-662-44174-9 Das Buch beschreibt den theoretischen Hintergrund und die zentralen Haltungen und Methoden der von Walter Mauckner entwickelten initiatisch-phänomenologischen Therapie kurz und knapp und erläutert deren Umsetzung. Bestellen Sie ganz einfach: per Telefon: 0848 482482* per E-Mail: [email protected] im Webshop: www.lehmanns.ch * Normaltarif Mit der Hotelcard übernachten Sie in Hunderten Hotels aus dem deutschsprachigen Europa zum halben Preis. Als Mitglied erhalten Sie folgende Spezialpreise: 1-Jahres-Karte für 55 statt 95 Fr. 2-Jahres-Karte für 100 statt 190 Fr. 3-Jahres-Karte für 145 statt 285 Fr. Bestellen können Sie die persönliche Hotelcard online: www.hotelcard.com/fhschweiz. Die genannten Angebote bestellen Sie direkt im Onlineshop der FH Schweiz unter www.fhschweiz.ch/onlineshop. SBAP.-spezifische Leistungsangebote finden Sie unter www.sbap.ch/dienstleistungen. Weitere Angebote auf Seite 35. www.lehmanns.ch SBAP. aktuell Farbe bekennen! Der digitale Auftritt von PsychologInnen Der Einsatz elektronischer Medien und deren interaktive Nutzung haben sich heutzutage nicht nur gesellschaftlich als zeitgemässe Form der Kommunikation etabliert, sondern konnten sich auch für die Erledigung alltäglicher Aufgaben durchsetzen. Der Zugang zum Internet ist in der westlichen Welt praktisch von jedem Ort aus möglich, und die Optionen, zu jeder beliebigen Zeit an gewünschte Informationen zu gelangen, erreichbar zu sein, mit anderen Personen Kontakt zu halten und ad hoc reagieren zu können, machen das Angebot ausgesprochen attraktiv. Die vom Bundesamt für Statistik für das Jahr 2014 veröffentlichten Zahlen spiegeln dies beeindruckend wider: 91 Prozent der privaten Haushalte verfügen über einen Internetanschluss, deutlich mehr als der Durchschnitt der EU28-Länder. 84 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren haben in den drei Monaten vor der Erhebung (Oktober 2013 bis März 2014) das Internet genutzt, 6 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2010, beinahe alle unter 45-Jährigen nutzten es, und auch die höheren Altersklassen holen stark auf. Beim Blick auf den Verwendungszweck lässt sich ein bemerkenswerter Anstieg bei der Nutzung als InformationsbeschaffungsTool erkennen. So ist beispielsweise die Suche nach Gesundheitsthemen eine Online-Aktivität mit grossem Wachstumspotenzial: Waren es 2010 noch 55 Prozent der Internetnutzer, die darüber online recherchiert haben, sind es 2014 schon 64 Prozent – Tendenz steigend. Vor allem die Verbreitung von Smartphones und die damit verbundene mobile Möglichkeit, auch ausserhalb des Zuhauses oder des Arbeitsplatzes das Internet zu nutzen (längst wurde der Laptop als bevorzugtes mobiles Endgerät abgelöst), haben dazu beigetragen, Alltägliches ungehindert von Zeit und Raum zu erledigen. 3,6 Millionen Smartphones wurden 2014 in der Schweiz verkauft, dagegen im gleichen Zeitraum «nur» 2,7 Millionen PCs (inkl. Tablets). Kein anderes Medium und kein anderes Kommunikationsmittel kann es heutzutage mit dem Internet aufnehmen. 24/7, 24 Stunden, 7 Tage die Woche, die Website hat keinen Feierabend. Rund um die Uhr erreichbar, günstig im Unterhalt und mehr als nur ein paar P ixel. Vergleicht man die menschlichen Sinne, so hat die visuelle Wahrnehmung eine ganz besondere Bedeutung. Im Laufe der menschlichen Entwicklung wird sie zwar zuletzt ausgebildet, macht jedoch den grössten Teil der Wahrnehmung aus: Im Durchschnitt werden 80 Prozent aller Informationen von den Augen geliefert. Damit verbunden sind sinnliche Erfahrungen und Erkenntnisprozesse, die das logische Verstehen ganzheitlich machen. Dies erklärt, warum das visuelle Erscheinungsbild – das Corporate Design – eines Unternehmens, einer Institution, eines Dienstleisters so bedeutsam ist. Corporate Design als Summe aller visuellen Gestaltungsmittel, die eine jeweilige Identität, Kultur und Vision unverwechselbar verbildlichen. Dazu gehören beispielsweise der gestaltete Name (der eigene Name oder der Firmenname), der Schriftzug, das Logo, das Firmenschild, Visitenkarten, Adress-Klebeetiketten, Brief- und Rechnungsformulare und die Website. Ziel dabei ist, innere Haltungen und Wertvorstellungen auf Zeichen, Farbe und deren Gestaltung zu übertragen. Ein einheitliches und nach unternehmensphilosophischen Vorgaben gestaltetes Corporate Design vermittelt Kontinuität im Auftreten nach innen und aussen, es wirkt vertrauenfördernd und glaubwürdig. Eine konstante grafische Umsetzung erhöht dabei den Bekanntheitsgrad und den Wiedererkennungswert. Durch ungesteuerte visuelle «Aussagen» hingegen bringt man sich um die Chance, sich oder sein Unternehmen so vorzustellen, wie es wahrgenommen werden soll. «Äusserlichkeiten, das sind doch alles Äusserlichkeiten – auf die inneren Werte kommt es schliesslich an!» Ja und ja. Aber äussere Werte stehen nicht zwangsläufig und grundsätzlich im Widerspruch zu inneren Werten. Und es bedeutet auch nicht, oberflächlich, kategorisierend oder wertend zu sein. Im Gegenteil. Eine überlegte und stringente Steuerung des in Farbe, Formen, Zeichen und Bilder übersetzten Leitbilds eröffnet die Möglichkeit, Authentizität zu vermitteln und das Gefühl von Kongruenz zu erzeugen. Einem unpas- senden Corporate Design, einer unpassenden Website vermag das nicht zu gelingen. Welche Wertvorstellungen stehen hinter mir und meiner Dienstleistung? Wodurch zeichnen sich mein Qualitätsanspruch, mein philosophisches Fundament und mein ethischer Anspruch als Therapeut aus? Meist ist es das Internet, das künftigen KlientInnen und PatientInnen genau dieses erste Gefühl, diese erste Impression von der Person, der Praxis und dem therapeutischen Angebot verschafft. Das visuelle Erscheinungsbild ist auch der Bereich, in dem sich eine Psychologin, ein Psychologe oder eine Institution in der Öffentlichkeit am deutlichsten profilieren und wahrnehmbar von anderen unterscheiden kann. Und ein erster Eindruck bleibt ein erster Eindruck … Der Weg dahin, also die Entwicklung eines Corporate Designs, ist allerdings ein Prozess, der – genau wie ein therapeutischer Prozess oder ein Coaching – Zeit erfordert und einem entsprechenden Prozessverlauf folgt. Das eigene Anliegen sollte geklärt werden, die innere Haltung und die gewünschten Ziele. Erst nachdem dies geschehen ist, wird das Corporate Design in enger Zusammenarbeit zwischen Kunde und Designer entwickelt – im Idealfall gelingt es, die gewonnenen Erkenntnisse verdichtet, konzentriert und auf den Punkt sichtbar zu machen. Ähnlich der Sprache, die zum Ausdruck benutzt wird. «Man kann nicht nicht kommunizieren», so die erste von fünf Grundregeln, die der Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Psychoanalytiker und Philosoph Paul Watzlawick aufgestellt hat, um die menschliche Kommunikation zu erklären. Vor diesem Hintergrund sind sowohl eine fehlende als auch eine unprofessionelle, benutzerunfreundliche oder inkongruente Präsenz im Netz der Ausdruck einer bestimmten Haltung. Ob man will oder nicht. Birgit Blohmann, Psychologin MSc mit Vertiefung in Arbeitsund Organisationspsychologie und Designerin (www.markenart.com) Lesen Sie auf Seite 19 eine Zusammenfassung von Birgit Blohmanns Masterarbeit, die vom SBAP. ausgezeichnet wurde. 21 22 SBAP. aktuell Berufspolitische News Austausch mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG Am 13. März 2015 fand ein Austausch zwischen den verschiedenen Psy-Verbänden und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) statt. Gesprächspartner des BAG waren Stefan Spycher, Leiter Direktion Gesundheitspolitik und Vizedirektor BAG, sowie Marianne Gertsch, Leiterin Fachbereich Psychologieberufe im BAG. In einem wohlwollenden Gespräch wurden erneut die Fakten und die Begründungen diskutiert, weshalb es unseres Erachtens unumgänglich ist, dass die psychologische Psychotherapie endlich in der Grundversicherung verankert werden muss. Themen waren die zu erwartenden Mehrkosten, aber auch die voraussichtlichen Einsparungen, die Ablösung des Delegationsmodells und die bestehende Unterversorgung in der Schweiz. Ein weiteres wichtiges Thema war die Zugangsgerechtigkeit. Dabei geht es darum, dass möglichst alle psychisch kranken Menschen in gleichem Mass Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung erhalten. Ein gerechter Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung kann unserer Meinung nach nur erreicht werden, wenn genügend Therapieplätze zur Verfügung stehen und keine Einschränkungen in der ärztlichen Anordnung bestehen. Das Geschäft «psychologische Psychotherapie in die Grundversicherung» liegt noch immer im eidgenössischen Departement des Innern (EDI). Wir werden alles daransetzen, dass das Geschäft nun Formen annimmt. Aus der Praxis für die Praxis Neuer Weiterbildungslehrgang am ZSB Bern: Postgraduale Systemische Psychotherapieweiterbildung - bindungsbasiert & methodenkombiniert Beginn: Oktober 2015 Richtet sich an Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium in Psychologie oder Medizin und führt nach Abschluss der laufenden Akkreditierungsevaluation zum eidgenössischen Titel in Psychotherapie sowie zum Facharzttitel in Psychiatrie und Psychotherapie. Ausführliche Informationen sowie Anmeldung unter www.zsb-bern.ch Sekretariat: Villettemattstrasse 15, CH-3007 Bern, [email protected] Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) Anfang 2015 wurden von verschiedenen Institutionen Offerten eingeholt bezüglich der Erarbeitung einer Tarifstruktur und der Durchführung einer Praxisstudie. Die FMH, Abteilung Tarife und Verträge Schweiz, wurde von den drei Verbänden FSP, ASP und SBAP. ebenfalls angefragt. Eine Zusammenarbeit konnte zurzeit seitens der FMH wegen personeller Engpässe nicht realisiert werden. Es besteht jedoch ein sehr gutes Einvernehmen zwischen der FMH und der Tarifgruppe (FSP, ASP, SBAP.). Einer weiteren Zusammenarbeit in anderen Geschäften steht nichts im Wege. Der Auftrag bezüglich Tarifstruktur und Praxisstudie wurde am 13. März der FHNW, Institute for Competitiveness and Communication, erteilt. Es fanden seither bereits mehrere Sitzungen statt. Wir sind davon überzeugt, in der FHNW eine kompetente und kundenorientierte Partnerin gefunden zu haben. Bereits im Juni findet ein Workshop mit Fachleuten der drei Berufsverbände bezüglich Tarifpositionen und Tarifstruktur statt. Im November dieses Jahres ist die Praxisstudie geplant. Dabei geht es um die Erhebung der praxisrelevanten Kosten. Alle bereits früher erhobenen Daten werden selbstverständlich mit in die Studie einfliessen. Trotzdem ist eine weitere Befragung unumgänglich. Es geht darum, möglichst gerechte Konditionen zu erlangen. Sie werden zu einem späteren Zeitpunkt über die diesbezüglichen Schritte informiert. Weitere eidgenössisch anerkannte Titel Wie Sie bereits früher informiert wurden, ist im Rahmen des Psychologieberufegesetzes (PsyG) im Januar 2014 die «Verordnung des EDI über Umfang und Akkreditierung der Weiterbildungsgänge der Psychologieberufe» (AkkredV-PsyG) in Kraft getreten. Diese Verordnung legt für die Weiterbildungsgänge in den Fachgebieten der Psychologie den Umfang, die Qualitätsstandards für die Akkreditierung und Einzelheiten des Ak- SBAP. aktuell Berufspolitische News kreditierungsverfahrens fest. In den Anhängen 1 und 2 werden die Bestimmungen für Weiterbildungsgänge in Psychotherapie und in Kinderund Jugendpsychologie detailliert festgehalten. Einige Weiterbildungsgänge in Psychotherapie haben 2014 bereits ihre definitive Akkreditierung in Angriff genommen. Die Qualitätsstandards für den eidgenössischen Titel in Psychotherapie wurden im Januar 2014 verabschiedet. Die Qualitätstandards der weiteren im PsyG verankerten Weiterbildungstitel sind noch ausstehend. Insbesondere die eidgenössischen Titel «Neuropsychologie» und «Klinische Psychologie» sind momentan in Bearbeitung. Es werden die eidgenössischen Titel in «Kinder- und Jungendpsychologie» und in «Gesundheitspsychologie» folgen. Die diesbezüglichen Vorgaben sind in der Verordnung über die Psychologieberufe (PsyBV) zu finden. FH Schweiz Am 13. März wurde unser Vorstandsmitglied Katja Iseli in den Vorstand der FH Schweiz gewählt. Sie löst unser Mitglied Trix Angst im Vorstand der FH Schweiz ab. Wir gratulieren Katja Iseli zur Wahl und freuen uns, mit ihr eine kompetente Fachperson im Vorstand zu wissen. Trix Angst danken wir für die langjährige und innovative Tätigkeit im Vorstand der FH Schweiz. Sie war mit ihrer analytischen und ausgleichenden Art eine würdige SBAP.-Vertreterin. Heinz Marty «Pro Mente Sana»Stiftungsversammlung Als Politische Sekretärin des SBAP. sowie als Vorstandsmitglied des Aktionsbündnisses Psychische Gesundheit Schweiz wurde Heloisa Martino in die Stiftungsversammlung von Pro Mente Sana gewählt. Die Stiftungsversammlung ist oberstes Organ der Stiftung Pro Mente Sana und ist unter anderem für die Genehmigung des Leitbildes und der stiftungspolitischen Ziele und Grundsätze verantwortlich. Die Stiftungsversammlung besteht aus mindestens 15 Personen, darunter Betroffene, Angehörige und Fachleute aus dem Mental-HealthBereich und VertreterInnen diverser Organisationen und Institutionen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen. Die Stiftungsversammlungs-Mitglieder werden für die Amtsdauer von vier Jahren gewählt. Der SBAP. freut sich, mit dieser Wahl die bisherige Zusammenarbeit mit der wichtigsten Organisation für Betroffene psychischer Erkrankungen in der Schweiz auszubauen und zu vertiefen. Mehr Infos: https://www.promentesana.ch; [email protected] SGPP-Jahreskongress 2015: Symposium der Psy-Verbände Der diesjährige Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) befasst sich mit der «Psychiatrie im Spiegel der Gesellschaft». Auch dieses Jahr werden SBAP., FSP und SGPP ein gemeinsames Symposium im Rahmen dieses Kongresses anbieten. Thema des Symposiums wird die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und die Frage sein, was Fachpersonen der Psychologie, der Psychiatrie und der Psychotherapie dagegen tun können. Unter der Leitung von Ex-SBAP.Präsident Heinz Marty, der FSPCo-Präsidentin Yvik Adler und dem SGPP-Präsidenten Pierre Vallon soll diskutiert werden, welche Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten Fachpersonen im Kampf gegen Stigmatisierung von Betroffenen haben. Der SGPP-Jahreskongress findet vom 2. bis 4. September im Kursaal Bern statt. Mehr Infos und Anmeldung zum SGPP-Jahreskongress: http://www.psychiatrie-kongress.ch Heloisa Martino Soziale Arbeit Weiterbildung Machen Sie mehr aus sich. Und aus unserer Gesellschaft. Egal, in welchem Handlungsfeld Sie tätig sind: Mit einer Weiterbildung an der ZHAW kommen Sie gezielt vorwärts. Denn Praxisrelevanz und Aktualität sind bei allen unseren Angeboten zentral. CAS Case Management – beziehungsorientiertes Handeln in sozialen Systemen Case Management verbindet einzelfallorientiertes Vorgehen mit Systemmanagement. Dieser CAS vermittelt Ihnen Fachkenntnisse zur Case-Management-Methodik, zu effektiver und beziehungsbasierter Fallführung sowie zu interdisziplinärer Zusammenarbeit. Start im Januar 2016. NEU: CAS Gerontagogik – Lernen und Unterstützen im Alter Lernen Sie, wie alte Menschen mit Einschränkungen anhand gezielter Methoden und Organisationsformen optimal gefördert werden – damit sie körperlich wie psychisch lernfähig Infoabend bleiben. Start im 23. Sept. 2015 Januar 2016. www.sozialearbeit.zhaw.ch Zürcher Fachhochschule Inserat_punktum_06.indd 1 23 24 SBAP. actualités Des nouvelles de la politique professionnelle Échange avec l’Office fédéral de la santé publique OFSP Le 13 mars 2015 s’est tenue une réunion entre les différentes associations de psychologie et l’Office fédéral de la santé publique (OFSP). Les représentants de l’OFSP étaient Stefan Spycher, responsable de l’unité de direction Politique de la santé et vice-directeur de l’OFSP, et Marianne Gertsch, responsable du projet Lpsy à l’OFSP. Dans une ambiance bon enfant, nous avons exposé à nouveau nos arguments et motivations, expliquant pourquoi, selon nous, la psychothérapie psychologique devait être ancrée dans l’assurance de base. Les thèmes abordés étaient les coûts supplémentaires attendus, mais aussi les économies prévisibles, l’abolition du modèle de délégation et le manque de prise en charge actuellement constaté en Suisse. L’autre sujet important était le droit à l’accès aux soins, l’idée étant de garantir autant que possible à toutes les personnes souffrant de troubles psychiques l’accès à un traitement psychothérapeutique approprié. Selon nous, un nombre suffisant de places pour les patients et l’absence de restrictions dans les prescriptions médicales sont des conditions indispensables pour assurer un accès aux soins équitable. Le projet « Psychothérapie psychologique dans l’assurance de base » est toujours entre les mains du Département fédéral de l’intérieur (DFI). Nous mettrons tout en œuvre pour que ce projet prenne forme. Neue Mitglieder Belting Julia, Zürich PsychologInnen SBAP. Amgwerd Sabrina, Zürich Bach Priska, Zürich Belting Julia, Zürich Berchtold Raffael, Winterthur Burger Yves, Zürich Caduff Stefan, Luzern Cavicchia-Balmer Yvonne, Aurigeno Filliger Andrea, Luzern Grüter Isabel, Luzern Kunkel Sarah Martina, Zürich Müller Karin Helene, Uster Nauli Daniela, Zürich Oppliger Kleiner Sabine, Bern Neue Studentenmitglieder Becker-Wegerich Ines, Uerikon Conrad Nathalie, Zürich Schulz Kathrin, Winterthur Herzlich willkommen! Collaboration avec la Haute École Spécialisée de la Suisse du NordOuest (FHNW) Début 2015, différentes institutions ont émis des appels d’offres pour l’élaboration d’une structure tarifaire et la réalisation d’une étude sur la pratique. Le département Tarifs et Conventions Suisse de la FMH, a également été sollicité par les trois associations FSP, ASP et SBAP.. La collaboration avec la FMH n’a pour l’instant pas abouti, faute d’un personnel suffisant. Il existe néanmoins une très bonne entente entre la FHM et le groupe tarifaire (FSP, ASP, SBAP.). Rien ne s’oppose en effet à une future collaboration sur d’autres sujets. Le mandat concernant la structure tarifaire et l’étude sur la pratique a été confié le 13 mars à la FHNW, Institute for Competitiveness and Communication. Plusieurs réunions ont déjà eu lieu. Nous sommes convaincus d’avoir trouvé en la FHNW une partenaire compétente et orientée vers la clientèle. Dès le mois de juin se tiendra un atelier sur les positions tarifaires et la structure tarifaire, avec des experts des trois associations professionnelles. L’étude sur la pratique est prévue en novembre de cette année. Elle consiste à faire un état des lieux des coûts liés à la pratique de la profes- sion. Toutes les données recueillies auparavant seront, bien entendu, intégrées à cette étude. Néanmoins, il parait indispensable d’effectuer une autre enquête. Il s’agit d’obtenir les conditions les plus équitables possibles. Nous vous tiendrons prochainement informés de l’avancement de ce projet. De nouveaux titres reconnus au niveau fédéral Comme vous le savez déjà, l’«Ordonnance du DFI sur l’étendue et l’accréditation des filières de formation postgrade des professions de la psychologie» (AccredO-LPsy) dans le cadre de la Loi sur les professions relevant du domaine de la psychologie (LPsy), est entrée en vigueur en janvier 2014. Cette ordonnance fixe pour les filières de formation postgrade dans les domaines de la psychologie l’étendue, les standards de qualité pour l’accréditation et les modalités de la procédure d’accréditation. Les annexes 1 et 2 fixent en détail les dispositions relatives aux filières de formation postgrade dans le domaine de la psychothérapie et dans le domaine de la psychologie des enfants et adolescents. Certaines filières de formation postgrade dans le domaine de la psychothérapie ont déjà reçu leur accréditation définitive en 2014. Les standards de qualité pour l’obtention du titre fédéral en psychothérapie ont été votés en janvier 2014. Rossi-Fausch Karin, Grüningen Spiegelberg Stefan, Winterthur Stocker Nebel Claudia, Uster Wichser Andrea Christine, Mollis PsychotherapeutInnen SBAP. Aregger Lisa, Neuenkirch Breymaier Bettina Eva, Basel Gerwig-Kälin Petra, Greifensee Mathys Claudia, Schwanden Rufer Monika, Winterthur Stettbacher Konrad, Männedorf Der SBAP. gratuliert! SBAP. actualités Des nouvelles de la politique professionnelle Les standards de qualité relatifs aux autres titres postgrade ancrés dans la LPsy ne sont pas encore entrés en vigueur. Les titres fédéraux «Neuropsychologie» et «Psychologie clinique» sont en cours de traitement. Viendront ensuite les titres fédéraux dans les domaines «Psychologie des enfants et adolescents» et «Psychologie de la santé». Les directives à ce sujet sont fixées dans l’ordonnance sur les professions relevant du domaine de la psychologie (OPsy) FH Suisse Le 13 mars, Katja Iseli, membre de notre comité, a été élue au Comité de FH Suisse. Elle y succède à un membre de notre comité, Trix Angst. Nous félicitons Katja Iseli pour cette élection et nous réjouissons qu’elle mette ses compétences de spécialiste au service du Comité. Enfin, nous remercions Trix Angst pour l’activité innovante dont elle a fait preuve pendant de nombreuses années au sein du Comité de FH Suisse. Ses capacités d’analyse et sa diplomatie ont fait d’elle une digne représentante de la SBAP. Heinz Marty Assemblée de la fondation «Pro Mente Sana» Secrétaire politique de la SBAP. et membre du Comité de l’Alliance Santé Psychique Suisse Heloisa Martino a été élue à l’assemblée de la fondation Pro Mente Sana. Organe suprême de la fondation Pro Mente Sana, l’assemblée de la fondation est responsable, entre autres, de l’approbation des principes directeurs ainsi que des objectifs et principes politiques de la fondation. L’assemblée de la fondation compte au moins 15 personnes, parmi lesquelles des malades, des proches et des spécialistes du domaine de la santé mentale ainsi que des représentantes et représentants de diverses organisations et institutions du domaine de la santé et du social. Les membres de l’assemblée de la fondation sont élus pour un mandat de quatre ans. La SBAP. se réjouit que cette élection permette d’intensifier et d’appro- fondir la collaboration entretenue jusqu’ici avec les principales organisations œuvrant pour les personnes souffrant de troubles psychiques en Suisse. Pour plus d’informations: https://www.promentesana.ch; [email protected] Congrès annuel 2015 de la SSPP: Colloque des associations de psychologie Cette année, le congrès de la Société Suisse de Psychiatrie et de Psychologie (SSPP) aura pour thème la «Psychiatrie au miroir de la société». La SBAP., la FSP et la SGPP organisent à cette occasion un symposium commun, ayant pour thématique la stig- matisation des maladies psychiques et les moyens dont disposent les psychologues, psychiatres et psychothérapeutes pour s’y opposer. Placée sous la direction de l’ancien président de la SBAP., Heinz Marty, de la coprésidente de la FSP, Yvik Adler, et du président de la SSPP, Pierre Vallon, la discussion portera sur la responsabilité et les possibilités d’action des spécialistes dans la lutte contre la stigmatisation des malades. Le congrès de la SSPP aura lieu du 2 au 4 septembre au Kursaal de Berne. Informations et inscriptions au con grès annuel de la SSPP: http://www.psychiatrie-kongress.ch Heloisa Martino Weiterbildung MAS Kinder- & Jugendpsychotherapie Im Zentrum der berufsbegleitenden Weiterbildung steht eine schulenübergreifende Ausrichtung, die an Ressourcen der Kinder, Jugendlichen und Familien anknüpft und Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie und -psychopathologie integriert. Zielpublikum: Psychologen/-innen und Ärzte/-innen Infoveranstaltung: 19. Mai 2015 um 18.15 Uhr in Zürich Beginn: 22. Oktober 2015 Information und Anmeldung IAP Institut für Angewandte Psychologie Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich Telefon + 41 58 934 83 30 [email protected] www.iap.zhaw.ch/mas-kjpt 25 26 Gelesen Unvirtuelle Erlebnisräume Detlef Scholz: Systemische Interventionen bei Internetabhängigkeit Wer hauptsächlich vorgefertigte Interventionen sucht, wird von diesem Buch vielleicht nicht so begeistert sein. Wer sich jedoch für tief gehende Überlegungen interessiert, die einem ständig zunehmenden hochaktuellen Phänomen umfassend gerecht werden wollen, kann sich freudig an die Lektüre machen. Scholz präsentiert uns ein ansprechendes und gut strukturiertes Buch, in dem er unterschiedliche Erscheinungsformen von Internetabhängigkeit benennt, diese gründlich in mögliche Hintergründe einbettet und viele Anregungen für Interventionsmöglichkeiten gibt. Zugrunde liegt ein Verständnis, welches Sucht nicht als eine «zu tilgende Störung» betrachtet, sondern die in den Suchthandlungen implizierten Bedürfnisse und die dahinter liegenden zum Teil unbewussten Ziele in den Fokus rückt. Erst wenn diese gewürdigt und angegangen werden, können sich neue Erlebnisräume erschliessen. Ein längerer Exkurs wird folglich den Themen Sinn, Glück und Liebe gewidmet. Wenn hier sogenannte existentielle Irritationen vorhanden sind, sucht das System nach Auswegen. Gerade wenn es um Ängste, Leere, Langeweile oder das Bedürfnis nach Verbundenheit und Kontrolle geht, bietet die virtuelle Welt ein Umfeld, in dem positive Erlebnisse direkter und leichter zu haben sind. Besonders eindrücklich zeigt Scholz weiter auf, wie sich Denk-, Funktions- und Handlungsweise verändern können durch exzessives Leben in der virtuellen Welt. Und wie ebendieses Funktionieren und die dazugehörige Terminologie aus der Cyberwelt als Ressourcen genutzt werden können, um den Klienten zu erreichen, Bewusstheit zu schaffen und Veränderungen einzuleiten – allerdings nur, wenn der Klient selber genügend Motivation aufbringt, um den Berater, die Beraterin von seinem Veränderungswunsch zu überzeugen. Die Interventionsmethoden sind hauptsächlich gezielte Fragen und Selbstbeobachtungsanreize. Scholz zeigt dazu kreative und beispielhafte Möglichkeiten auf. Bei diesen geht es vorwiegend darum, den Klienten wieder fitter zu machen für die Herausforderungen der haptischen oder «realen» Welt. Viele der aufgezeigten Mechanismen, Erklärungen und Interventionen lassen sich gut übertragen auf andere Sexualität im Internet Agatha Merk (Hg.): Cybersex Der vorliegende Herausgeberband von Agatha Merk basiert auf einer Reihe von Tagungen, den Psychoanalytischen Arbeitstagen Zürich. Nach einem Geleitwort von Ulrich Moser und einer Einführung ins Thema von Agatha Merk und Ilka Quindeau entwickeln Heinz Müller-Pozzi und Thomas Umbricht im zweiten Kapitel je metapsychologische Konzepte. Das dritte Kapitel beinhaltet Falldarstellungen von Natalia Erazo und Rotraut De Clerck, und im vierten Kapitel beleuchtet Michael Günter entwick- lungspsychologische Aspekte. Martin Dannecker, Jérôme Endrass, Astrid Rossegger und Bernd Borchard bestreiten mit ihren Arbeiten das Kapitel fünf, Sexualwissenschaft und Forensik. Zum Schluss folgt das Kapitel sechs, Kulturwissenschaft, mit zwei Beiträgen von Reimut Reiche und Michael Pfister. Der Ausdruck Cybersex setzt sich zusammen aus den Wörtern Cybernetics (Kybernetik) und Sex. Nach Duden bedeutet Cybersex «sexuelle Stimulation durch computergesteuerte Simu- Detlef Scholz: Systemische Interventionen bei Internetabhängigkeit. Carl-Auer-System-Verlag, Heidelberg 2014, 240 Seiten, Fr. 37.90, ISBN 3-8497-0046-1. Formen von Abhängigkeit. Daher ist dies ein sehr empfehlenswertes Buch für alle, die in irgendeiner Nische im Suchtbereich arbeiten. Susanne Heule Gelesen Bei der «Psychodingsda» Daniela Lempertz: Emmas kleines Wunder Endlich ist es da: das Buch, auf das so viele KindertherapeutInnen, die mit der EMDR-Methode (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) arbeiten, so lange gewartet haben. Aus der Perspektive der achtjährigen Emma wird erzählt, wie sie bei einem Klassenausflug beim Eislaufen so böse gestürzt ist, dass sie sich den Arm gebrochen hat und notfallmäs sig ins Spital musste. Dort dauerte es eine längere Zeit, bis die Eltern dazukommen konnten. Obwohl sie anschliessend zu Hause sehr liebevoll getröstet und umsorgt wurde, bekam sie doch Albträume von Szenen in der Eishalle, und tagsüber konnte sie die Eishalle nicht mehr anschauen, ohne sich schrecklich unwohl zu fühlen. Als ihre Freundin sie zur Geburtstagsparty ausgerechnet in die Eishalle einladen wollte und sie die Einladung abschlug, realisierten die Eltern, wie nachhaltig der Unfall ihr Kind beeinträchtigt hat, und sie wandten sich an ihren Kinderarzt, der sie an die Kinderpsychotherapeutin Frau Rose verwies. Emma war natürlich äusserst skeptisch, was es bringen soll, zu einer «Psychodingsda» zu gehen, konnte sich dann aber doch darauf einlassen. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird erzählt, wie es Frau Rose gelingt, mit Emma eine tragfähige Beziehung aufzubauen, ihr Vertrauen zu gewin- nen, ihr mit Entspannungstechniken zu helfen, erste positive Erfahrungen mit Psychotherapie zu machen. Dann erklärt Frau Rose Emma kindgerecht, wie Traumatisierung wirkt und wie die EMDR-Methode funktioniert. Und als sie dann miteinander eine Traumaverarbeitungssitzung durchführen, kann Emma die Erfahrung machen, dass sie sich danach wieder wie vor dem Unfall erlebt und sogar wieder Spass am Eislaufen hat. Und das erlebt Emma als keines Wunder. Im Anhang findet sich das Glossar «Kleiner Wortschatz Psychotherapie», in dem viele wichtige Fragen und Begriffe gut erklärt werden – eine Fundgrube zur Psychoedukation. Mit «Emmas kleines Wunder» ist der Autorin Daniela Lempertz ein Buch gelungen, das anhand der Geschichte eines kleinen Mädchens traumatisierten Kindern und deren Eltern anschaulich macht, wie eine traumatisierende Erinnerung mit der EMDR-Methode verarbeitet werden kann und die Symptomatik vollständig verschwindet. Das Buch eignet sich nicht nur für therapeutische und pädagogische Fachleute, sondern vor allem für Eltern von traumatisierten Kindern, die das Buch zusammen mit ihren Kindern lesen können, um ihnen die Angst vor ihren Traumasymptomen und vor einer Traumatherapie zu nehmen. Es ist sehr liebevoll und klar geschrieben und mit schönen und humorvollen Bildern von Fred Fuchs illustriert. Hanne Hummel, Trainerin EMDR-Institut / EMDR Europe Agatha Merk (Hg.): Cybersex. Psychoanalytische Perspektiven. Psychospzial-Verlag, Giessen 2014, 257 Seiten, Fr. 40.90, ISBN 3-8379-2252-9. Innerhalb dieses Spannungsbogens nähern sich die verschiedenen Autor Innen aus ihren spezifischen Blickwinkeln dem Thema an. Als Beispiel sei hier auf das Kapitel von Agatha Merk verwiesen. Sie verwendet darin die Metapher der Folie, worauf die PatientInnen ihre Eindrücke hinterlassen, gleichsam agieren und inszenieren. Das Internet als imaginärer Raum, wo sexuelle Wünsche und Phantasien situiert werden. Theoretisch werden diese Überlegungen mit der These der Übergangsobjekte und -räume von D. W. Winnicott untermauert. Das vorliegende Buch nähert sich dem Thema Cybersex in einer umfassenden und differenzierten Weise an und stellt den Lesenden eine Orien- tierung bereit, um die Bedeutung der über das Internet ausgelebten Sexualität besser zu verstehen. Dabei geht es um drängende Fragen wie: Unter welchen Bedingungen wird das Internet zu kreativem Probehandeln genutzt, und wann steht sein Gebrauch im Zeichen des Verlustes einer lebendigen Beziehung zur Wirklichkeit? Insgesamt eine sehr empfehlenswerte Lektüre für PsychoanalytikerInnen, aber auch für PsychotherapeutInnen anderer Schulen sowie für einen weiteren an kulturellen Fragen und Zeitphänomen interessierten Personenkreis. Thomas Merki, Psychotherapeut SBAP. und Psychoanalytiker PSZ lation». Dazu schreibt Ulrich Moser in seinem Geleitwort: «Die Welt der Technik, insbesondere der Computerund Informationswissenschaften, hat den Bereich möglicher sexueller Erfahrungen wesentlich erweitert – dies allerdings basierend auf der bereits erfolgten Enttabuisierung.» Dies führe dann nach Moser zu neuen Problemen, zum Beispiel in Bezug auf das Erleben von Schuld und Scham, Beziehung und Abhängigkeit. Daniela Lempertz: Emmas kleines Wunder. Ein Buch über Psychotherapie für Mädchen und Jungen. Mit Illustrationen von Fred Fuchs. Verlag Mebes & Noack, Köln 2015, 60 Seiten, Fr. 24.90, ISBN 3-939635-02-2. 27 28 Gelesen Sprachbasierte Typologisierung L. Arboleda, V. Zschokke: Die Borderlinestörung gesprächs- und erzählanalytisch betrachtet Hätte ich besser auf den Untertitel («Eine linguistisch-empirische Studie») geachtet, dann hätte ich mir die spontan übernommene Buchrezension noch mal gut überlegt und aufgrund der angedeuteten wissenschaftlichen Dichte wahrscheinlich abgelehnt. So aber sah ich nur den Begriff Borderlinestörung – und fand die Thematik, platziert im Kontext einer gesprächsund erzählanalytischen Betrachtung, schlichtweg spannend. Als ich das mir zugesandte Buch in Händen hielt und darin blätterte, erkannte ich den Schwierigkeitsgrad. De facto ist es eine höchst komplexe Arbeit, die von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich als Dissertation der beiden Autorinnen, Lina Arboleda und Vania Zschokke, angenommen wurde. Mit anderen Worten: Ich hatte voreilig zugesagt, eine bereits mehr als sachkundig geprüfte und anerkannte Studie, die 2014 auch in Buchform erschienen ist, zu rezensieren, sprich: kritisch zu besprechen und inhaltlich zu bewerten. Was im vorliegenden Fall nur schon in fachlicher Hinsicht ein Unding wäre, denn sicher waren die verantwortlich zeichnenden Doktoreltern (Prof. Brigitte Boothe und Dr. Marc Walter) in ihrer Beurteilung alles andere als nachlässig. Nun, das vorliegende Buch ist in seiner fachlichen Dichte – wie erwartet – schwer lesbar und entsprechend zeitintensiv. Eine gewisse Portion therapeutisches Wissen und Neugier ist schon mal vorausgesetzt. Wer sich aber für Borderlinestörungen interessiert bzw. auch mit Borderline-PatientInnen arbeitet, erhält mit diesem Werk zunächst eine breite Informationsbasis zur psychiatrisch-diagnostischen Klassifikation der BPS wie auch zum bisherigen Stand der linguistischen Psychotherapieforschung. Offenbar wurde bislang das Sprachund das damit verbundene Beziehungsgeschehen von BPS-Patienten «in seinem eigenen Recht und mit explorativem, unvoreingenommenem Blick» nur wenig untersucht. Das heisst, dass für diesen Bereich noch keine empirischen Forschungsergebnisse vorliegen. Diese Lücke füllt nun die aufwendige Studie von Arboleda und Zschokke mit dem Fokus auf die inhaltliche und interaktive sprachliche Qualität von Borderline-Patientinnen. Mittels der Erzählanalyse JAKOB (www.phil.uzh.ch) und der ethnografischen Gesprächsanalyse nach Arnulf Deppermann wurden von den Autorinnen insgesamt 15 transkribierte Psychotherapiesitzungen mit BPS-Patientinnen systematisch untersucht. Dabei wurden ausschliesslich der Sitzungsanfang und deren Ende «als exemplarische Szenen interak- Humanistische Psychotherapie mit Schwerpunkt Psychodrama Weiterbildung fürPsychologInnen die den eidgenössisch anerkannten Fachtitel in Psychotherapie und die kantonale Praxisbewilligung erlangen wollen. Und fürÄrztInnen, die den Facharzttitel für Psychiatrie und Psychotherapie FMH erlangen wollen. Start fortlaufend mit den offenen Seminaren und der Einzel-Selbsterfahrung und Supervision an verschiedenen Orten in der Schweiz. Start des Ausbildungsteils in fester Ausbildungsgruppe im 2016 in Konstanz. Weitere Informationen und Anfragen: Roger Schaller, Institut für Psychodrama und Aktionsmethoden, www.ipda.ch / [email protected], Tel. 079 470 48 32 Lina Arboleda, Vania Zschokke: Die Borderlinestörung gesprächsund erzählanalytisch betrachtet. Eine linguistisch-empirische Studie. Psychosozial-Verlag, Giessen 2014, 307 Seiten, Fr. 46.90, ISBN 3-8379-2375-4. tiver Beziehungsgestaltung und als besonders vulnerabler Moment der Beziehungsaufnahme und -lösung» minutiös aufgeschlüsselt. Bei aller Unterschiedlichkeit der untersuchten Fälle von Borderlinestörungen schälten sich aufgrund des Sprachgeschehens und der Beziehungsgestaltung drei erzählanalytische Typen heraus: «Prekäre Verständigung», «Unaussprechliches» und «Mitteilungsversuch». Ergänzt wurde die Analyse jeweils durch die Selbsteinschätzung der jeweiligen Patientin durch Ausfüllen eines Fragebogens und durch Einbezug von psychotherapeutisch empirischem und statistischem Material. Die Namen für die drei herausgearbeiteten Gruppen weisen auf die jeweiligen narrativen Ansätze hin, die dieser sprachbasierten Typologisierung zugrunde liegen. Die akribisch beschriebenen Fallbeispiele lesen sich aufschluss- und lehrreich. Dabei wird die Heterogenität des BP-Störungsbildes von den Autorinnen nicht in Frage gestellt, wohl aber erarbeiteten sie mit ihren eingehenden, jahrelangen Untersuchungen eine überzeugen- Gelesen Winnicott heute Michael Kögler, Eva Busch (Hg.): Übergangsobjekte und Übergangsräume Michael Kögler, Eva Busch (Hg.): Übergangsobjekte und Übergangsräume. Winnicotts Konzepte in der Anwendung. PsychosozialVerlag, Giessen 2014, 205 Seiten, Fr. 32.40, ISBN 3-8379-2308-8. Der wohl bekannteste Begriff des englischen Psychoanalytikers Donald W. Winnicott ist derjenige des Übergangsobjekts. Er bezeichnet das erste vom Kind kreierte Objekt wie den Zipfel eines Tuches oder den eigenen Daumen. Mit seiner Hilfe verschafft sich das Kind Zugang zur äusseren Welt und setzt diese in Beziehung zur inneren. Der Übergangsraum ist der Raum, in dem sich Fantasie und Realität begegnen. In Therapien wird dieser als Möglichkeitsraum in der Beziehung zwischen Patient und Therapeut nutzbar gemacht. Er entsteht, wenn das Kleinkind erlebt, dass es mit seiner zerstörerischen Wut die Mutter angreifen kann und sie das überlebt. Überleben heisst: nicht zu- de Teil-Differenzierung, die in ihrer Methodik eventuell individuell-spezifischere Diagnosen und Therapieindikationen ermöglichen könnten. Und damit therapeutische Erfolge … Catherine Herriger, dipl. psych. IAP/SBAP. rückschlagen oder sich rächen, und dies Hunderte Male, sodass das Kind langsam die Realität der Objekte annehmen kann. Erst dann gibt es nicht mehr das Entweder-oder: die ScheinFantasiewelt oder die als bedrohlich erlebte Umwelt. Diese Spaltung zu vermeiden, sei, so Winnicott, eine lebenslange Aufgabe. In zehn Beiträgen beschreiben Kinder- und Erwachsenen-Psychoanalytiker im Buch, wie sie diese Konzepte in ihrer Praxis umsetzen. Die meisten Beiträge nehmen Bezug auf den Übergangsraum. So wird Identitätsarbeit bei einem Adoleszenten dargestellt als innerer Prozess, der eine Mittelstellung einnimmt zwischen innerer Welt und äusserer Realität. Die Therapie mit einem vaterlosen, von der Mutter sehr abhängigen Mädchen zeigt die Angst vor einem ödipalen Möglichkeitsraum beim Übergang von der Mutterwelt zur Welt des Vaters. Das Fehlen eines Übergangsraums wird sichtbar gemacht anhand eines Erwachsenen-Bindungsinterviews (AAI) mit einem jugendlichen Gewaltverbrecher. In Verbindung dazu wird eine Säuglings- und KleinkindTherapie beschrieben, in der einer Mutter, im Austausch mit der Therapeutin, Raum angeboten wird für ihre Gefühle, damit sie innerlich freier werden kann für die Bedürfnisse ihres Kindes. Im Rahmen der Friedensinitiative Friendship Across Borders wird Winnicotts Konzept auch auf Grossgruppen ausgedehnt. Israeli und Palästinenser versuchen mittels Storytelling, den jeweils andern durch dessen Augen zu sehen. Ein Autor schildert seine Doppelrolle bei der Begleitung einer todkranken Patientin, die weder leben noch sterben konnte. Einerseits indem er ihr gegenüber zu seinen Gefühlen stand. Andererseits indem er in der Supervision dem Personal, in dieser äusserst belastenden Situation, einen Raum gab für dessen aggressive Fantasien. Anhand einer sehr schwierigen analytischen Therapie eines Jugendlichen mit ADHS gelingt es einer Autorin sehr treffend zu zeigen, was Winnicott mit dem Begriff der «ObjektVerwendung» gemeint haben könnte. In nachvollziehbaren Schritten arbeitet sie sorgfältig heraus, wie der sehr verhaltensauffällige Jugendliche unter der – vorerst verleugneten – Ablehnung seines Vaters leidet. Sie schildert, was ein so schwer traumatisiertes Kind seiner Therapeutin an Häme, Hass, ja Zerstörung immer wieder zumuten muss, um wieder Vertrauen in sich selber und andere zu gewinnen. Zwei Autoren möchten mit dem «intersubjektiven Ansatz» die Psychoanalyse neu definieren. Das Gelingen der Behandlung sei im Wesentlichen dadurch bestimmt, dass der Therapeut sich für die Objektverwendung zur Verfügung stellen soll. Das schaffe Raum für Neuerfahrungen und Veränderungen des Selbst. Widerstandsphänomene werden als unverstandene gemeinsame Inszenierung betrachtet und würden eine sorgfältige Analyse der Gegenübertragung des Therapeuten erfordern. Leider wird nicht gesagt, wie die zum grossen Teil unbewusste Übertragung und Gegenübertragung bewusst werden kann. Und wie mit starken Affekten umgegangen wird, die zur Abfuhr und zum Agieren drängen. Erwähnt wird allerdings, dass es zum Rollentausch zwischen Patient und Therapeut kommen kann. Im letzten Beitrag wird sehr differenziert auf Winnicott und seine Überlegungen eingegangen. Konzepte, die ein wichtiger Bestandteil der heutigen Psychoanalyse sind. Dieses Buch richtet sich vor allem an Therapeuten. Aber auch an Berater oder sonst irgendwie Betroffene, die gerne mehr über diese psychoanalytische Vorgehensweise wissen möchten. Klar beschriebene Beiträge und vor allem die gut nachvollziehbaren Konzepte sind sehr anregend für die oft sehr schwierige therapeutische Arbeit. Marianne Zweifel, Psychoanalytikerin, Zug 29 30 Gelesen Interdisziplinarität im Gesundheitswesen Karl Heinz Brisch (Hg.): Bindung und Psychosomatik Karl Heinz Brisch, Facharzt für Kinderund Jugendpsychiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie, veranstaltet die Internationale Bindungskonferenz, die jährlich in München stattfindet. Im Oktober 2013 fand sie zum Thema «Bindung und Psychosomatik» statt. Dieses Buch versammelt zehn wissenschaftliche Beiträge zu diesem Thema. Die Kapitel greifen themenspezifische psychosomatische Krankheitsbilder auf wie Asthma, Anorexie, ADHS, chronischen Schmerz und Fibromyalgie. Verschiedene Aspekte sowie die Dynamik im Werdegang des Menschen (Gene, Umwelt usw.) werden betrachtet und mögliche Zusammenhänge zwischen Psychosomatik und Bindungsforschung aufgezeigt. So etwa die Gefahren, die durch Stress entstehen können oder wenn Oxytocin während und nach der Geburt eines Kindes unzureichend vorhanden ist. Die Beiträge sind wissenschaftlich kompakt. Sie zeigen in einer grossen Spannbreite auf, welche Zusammenhänge in der bio-psycho-sozial-ökologischen Forschung erkannt oder vermutet werden. Die möglichen therapeutischen Theorien scheinen hier komplex zu sein. Die Beiträge sind zum Teil sehr medizinisch ausgerich- tet, auch die erwähnten Therapie möglichkeiten, die mitunter jedoch noch zu wenig erforscht sind, um als konkrete Empfehlung ausgegeben zu werden. Die Mehrzahl der Beiträge zielt auf die Prophylaxe: Die Mutter-Kind-Beziehung sollte mehr Beachtung finden, damit die gesundheitlichen Probleme bei den nachfolgenden Generationen gar nicht erst auftreten. Aufgelistet werden hier Stress, Angst und Depression als mögliche Auswirkungen, wenn die frühe Mutter-Kind-Bindung nicht genügend ausgebildet werden kann. Das gute Zusammenwirken von ambulanter und stationärer Behandlung wird ebenso empfohlen wie die interdisziplinäre Vernetzung im psychosozialen Kontext. Die ganze Mischung von Vermutungen, Untersuchungsresultaten, Behandlungsmethoden und -erfahrungen – die Spannbreite reicht von der Kinderchirurgie bis zu den sozialen Wissenschaften und zur Politik – wird als gesellschaftlich nützlich und notwendig erachtet. Die systemische Denkweise mit der Komplexität in der Lösung bezüglich des Verhältnisses zwischen Krankheit und Gesundheit scheint mehrheitlich Fuss gefasst zu haben. Die konkrete Umsetzung bleibt jedoch noch vage. Mit Psychodynamisches Denken Michael Klöpper: Die Dynamik des Psychischen Psychodynamisches Verstehen ist ein komplexer und anforderungsreicher Vorgang, bei dem der Therapeut ständig zu oszillieren hat zwischen der Empathie dem Patienten gegenüber, seiner eigenen Selbstwahrnehmung und der Reflexion des Wahrgenommenen vor dem Hintergrund der zahlreichen metapsychologischen Theorien. Der Lehranalytiker Klöpper veranschaulicht diese schrittweise Vernetzung didaktisch gekonnt bereits bei der Gliederung des Kompendiums. So werden nach einer Einführung ins Thema und einem breit gefächerten Praxisteil in ei- nem zentral platzierten Wörterbuch die wichtigsten Begriffe erläutert. In sich abgeschlossene Aufsätze im zweiten Teil des Nachschlagewerkes laden zur Vertiefung von metatheoretischem und entwicklungspsychologischem Wissen ein. Eine didaktische Hilfe sind auch die Markierungen, welche einerseits auf die Worterläuterungen im Glossar verweisen und andererseits immer wieder den Zusammenhang zwischen anschaulich dargestellten klinischen Beispielen und wissenschaftlich anerkannten Theorien herstellen. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, stets zwischen den verschie- Karl Heinz Brisch (Hg.): Bindung und Psychosomatik. Klett-Cotta, Stuttgart 2015, 320 Seiten, Fr. 59.90, ISBN 3-608-94867-8. seinen nur minimalen Anregungen im psychotherapeutischen Bereich ist das Buch deshalb vor allem interessierten Fachpersonen des Gesundheitswesens zu empfehlen. Heidi Paulsen, Psychotherapeutin SBAP. Gelesen Gedächtnisinhalte erlebbar machen Franz Ruppert: Frühes Trauma Wenn das naturbedingte Bedürfnis nach umfassender liebevoller Zuwendung, körperlicher Nähe, anregendem Kontakt, Halt, Geborgenheit und sicherer Bindung missachtet und damit zutiefst verletzt ist und sich deshalb in der Folge Emotionalität, Empfindungs- und Beziehungsfähigkeit nicht natürlich entfalten konnten, spricht Ruppert von einem Symbiose- oder Liebes-Trauma. Im vorliegenden Buch beschäftigen sich Ruppert und 15 Autorinnen mit den mehrgenerationalen Traumata. Das Spektrum erfasst frühe Traumata von der Zeugung (Marta Thorsheim: gesunde, von Traumatisierten, mit Gewalt; Annemarie Denk: künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft, Alternativen) über Schwangerschaft aus Sicht der werdenden Mütter und der werdenden Kinder (Alice Schultze-Kraft: mütterliche Ambivalenz; Doris Brombach: Aufstellungen mit Kindern; Birgit Assel: Vorsorgeuntersuchungen, Kaiserschnitt), Frühgeburt (Manuela Specht), Anbindungsprozess (Dagmar Stauss) sowie Fehl- und Totgeburten, Verlusttrauma (Cordula Schulte), «Psychosen» nach der Geburt (Petra Lardschneider), Kinder und Karriere (Christina Freund) bis zu den Traumata durch innerfamiliäre Fremdbetreuung, etwa durch Grosseltern (Andrea Stoffers), oder ausserfamiliäre wie Adoption oder Pflegeeltern (Liesel Krüger). EssStörungen und frühem Trauma wird von Andrea Stoffers und Franz Ruppert je ein Kapitel gewidmet. Die Kapitel sind mit Michael Klöpper: Die Dynamik des Psychischen. Praxishandbuch für das Verständnis der Beziehungsdynamik. Klett-Cotta, Stuttgart 2014, 389 Seiten, Fr. 59.90, ISBN 3-608-94868-6. denen Reflexionsebenen hin und her zu pendeln. Im klinischen Teil beschreibt der Facharzt für psychotherapeutische Medizin ausgewählte Fälle aus seiner reichen Praxiserfahrung. Bei dieser Gelegenheit lässt er die LeserInnen an seinem psychodynamischen Denken in der Weise teilhaben, dass das Wechseln zwischen den Ebenen bis hin zum Verstehen Beispielen aus der Aufstellungsarbeit in den Therapiegruppen der AutorInnen anschaulich und gut nachvollziehbar ausgearbeitet. Über die Einzelarbeit berichtet Vivian Broughton. Die «Aufstellungsarbeit mit dem Anliegen» wird einführend von ihrem Entwickler Franz Ruppert und auch in den einzelnen Kapiteln erläutert. Als zentraler wirksamer Faktor werden das Erlebbar-Machen und damit das Zusammenführen von impliziten und expliziten Gedächtnisinhalten beschrieben. Das Buch besticht durch die sehr persönlichen Schilderungen: Die bezeugte Verletzbarkeit berührt und beteiligt die Lesenden emotional. So schreibt Ruppert: «Es hängt von der Sensibilität einer Menschengemeinschaft ab, was sie als Opfer- und Täterschaft anerkennt.» Schultze-Kraft beschönigt nichts, wenn sie sagt: «Die ursprüngliche schmerzvolle Erfahrung kann nicht ungeschehen gemacht oder in der Therapie ‹korrigiert› werden. Diese Erfahrung ist eine Realität.» Und an anderer Stelle: «Die schmerzvolle Erfahrung kann in bestimmten Situationen immer wieder reaktiviert werden oder das ganze Leben durchziehen mit tiefem Urmisstrauen und chronischem Stress.» Deshalb betont Ruppert: «Aus Liebe entsteht Selbstliebe, Liebe ist zuerst gegen aussen gerichtet und erfordert die Widerpiegelung des eigenen Liebenswert-Seins durch andere.» Abschliessend stellt Ruppert einen um- fassenden Katalog von Präventionsmassnahmen gegen frühe Traumatisierungen (und frühe Interventionen) vor. Gerade durch seine Praxisorientierung empfinde ich das Buch als sehr empfehlenswert für alle, die therapeutisch mit Menschen arbeiten. Bea Schild, MSc in Beratung, eidg. anerkannte Psychotherapeutin von unbewussten Beziehungsdynamiken gut nachvollziehbar wird. Beeindruckend ist auch, mit welcher erfrischenden Souveränität der erfahrene Psychoanalytiker mit der Fülle von metapsychologischen Theorien verfährt. Er stellt die subjektiv getroffene Auswahl an modernen Konzepten vor, mit der er arbeitet. Diese wurden vorwiegend in den letzten beiden Jahrzehnten entwickelt. Sie ergänzen und erweitern die klassische psychoanalytische Theorie. Auch bei einem kohärenten Denkmodell bleiben die Herausforderungen des psychodynamischen Denkens gross. Der langjährige Supervisor weiss darum, wenn er auf das Nicht-Begreifen als permanenten Begleiter hinweist. Gleichzeitig zeigt er auf, dass das interessierte, neugierige Forschen ein wesentlicher Bestandteil der therapeutischen Haltung darstellt. Er ermutigt, das Suchen nach Bedeutung und Zusammenhängen fortzusetzen, weil das Verständnis der Dynamik des Psychischen sowohl bezüglich Diagnostik wie auch in der Therapie wertvolle Orientierungshilfe bietet. Das Praxishandbuch ist für tiefenpsychologisch arbeitende TherapeutInnen, besonders für Lernende, konzipiert. Es ist jedoch auch für interessierte Laien lesenswert. Barbara Hobi, Fachpsychologin Psychotherapie SBAP. Franz Ruppert: Frühes Trauma. Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensjahre. Klett-Cotta, Stuttgart 2015, 309 Seiten, Fr. 47.90, ISBN 3-608-89150-1. 31 32 Gelesen Hochbegabung hautnah Renate Eichenberger: Fluch oder Segen? In diesem Buch geht es um einen Jungen mit sehr ungewöhnlichen Begabungen – auch unter den als Hochbegabten taxierten Kindern fällt er aus dem Rahmen. Sein Leben von der Geburt bis zum Alter von 13½ Jahren wird chronologisch und tagebuchartig von seiner Mutter erzählt. Leider stolpert man im Buch immer wieder über Fehler. Es ist zudem oft nicht nachvollziehbar, warum gewisse Wörter kursiv gedruckt sind. Schon in seinen ersten Lebenswochen fällt Bastian durch seine Wachheit, Neugier und seinen Entwicklungsdrang auf. Mit zwei Jahren kennt er mehrere Buchstaben und kann bald lesen. Seine hohen Ansprüche an sich fallen seinen Eltern früh auf. Bastian reagiert mit heftigen Ausbrüchen und Wut gegen sich selbst, wenn ihm etwas nicht gelingt. Mit drei Jahren beginnt er sich die Ziffern beizubringen und löchert seine Eltern mit Fragen. In diesem Alter kommt er in einen bilingualen (E/D) Kindergarten, in dem er sehr glücklich ist. Gegen Ende seines fünften Lebensjahres beginnt Bastian mit ChinesischUnterricht, einem Tanzkurs und Judo. Mit fünf Jahren wechselt er vom Kindergarten in die ebenfalls bilinguale Schule und wird nach zwei Wochen in der ersten Klasse auf Anraten der Lehrpersonen hin in die zweite versetzt. Bastians Mutter schildert diese ersten Jahre Kindergarten und Schule sehr wertschätzend und zeigt damit auf, dass es möglich ist, einem Kind mit hohen Begabungen schulisch gerecht zu werden, wenn man bereit ist, den Lehrplan dem Kind statt umgekehrt anzupassen. Mit 5½ wird Bastian psychologisch abgeklärt. Die Ergebnisse fallen extrem hoch aus. Die Autorin Renate Eichenberger schildert die Thematik Hochbegabung differenziert. Sie zeigt auf, dass ein hoher IQ für ein erfolgreiches Leben allein nicht reicht. Es brauche auch Wille und Sozialkompetenz, beides bei Bastian in hohem Ausmass vorhanden. Gegen Ende seines sechsten Lebensjahres beginnt er mit Schach und Spanisch. Bastian erklärt seine aus serordentliche Wissensvielfalt so: «Ich habe viele Schubladen in meinem Kopf. Jedem dieser Ablagefächer ist ein Themengebiet oder eine Sprache zugeord- net. Die Schubladen sind beschriftet, sodass es keine Verwechslungen gibt. Wenn ich also z.B. Spanisch spreche, öffne ich die entsprechende Schublade und speichere alles, was neu dazukommt, darin ab. Dann schliesse ich sie wieder.» Mit sechs Jahren wechselt er an die Talenta Basel und ist dort schon bald unterfordert und verzweifelt, weil er sich fragen muss: «Wenn die hochbegabt sind, was bin dann ich? Warum bin ich so anders?» Er fühlt sich fehl am Platz auf der Welt und sagt seinen Eltern, er wolle sterben. Mit 6½ Jahren wird bei ihm eine Depression diagnostiziert, ausgelöst durch eine länger andauernde, permanente schulische Unterforderung. Bastian hierzu: «Ich versuchte, mich immer noch mehr anzustrengen. Doch die vielen zumeist sehr einfachen Aufgaben haben mich mit der Zeit derart gelangweilt, dass ich mich gar nicht mehr anstrengen konnte.» Bastians Vater erhält ein Angebot seiner Firma, in Singapur zu arbeiten. Er und Bastians Mutter ergreifen diese Gelegenheit beim Schopf und siedeln für eineinhalb Jahre dorthin um. Bastian kommt in eine bilinguale Schule mit Chinesisch und Englisch als Unterrichtssprachen. Er geniesst die vielen neuen Anreize in Singapur extrem. «Er bekam sein Kopffutter quasi auf der Strasse», schreibt seine Mutter. Mit sieben Jahren wird er in die vierte Klasse der Chinese International School eingeteilt. Bastians besondere Lernbedürfnisse werden anerkannt. «Akzeptanz, Unterstützung, Verständnis, Hilfsbereitschaft und Förderung in Singapur statt Vorurteilen, Vorbehalten und Vorwürfen in der Schweiz», schreibt die Autorin hierzu. Mit acht Jahren darf Bastian von der vierten gleich in die sechste Klasse wechseln und wird fortan in der chinesischen Native-Speaking-Gruppe unterrichtet. Mit 8½ lässt der Reiz des Neuen langsam nach, Bastians Vater verliert seine Stelle, und die Familie kehrt in die Schweiz zurück. Bastian erhält Privatunterricht, weil seine Eltern den Glauben an eine Schweizer Schule, die wirklich auf ihn eingehen würde, verloren haben. Bastian: «Zum ersten Mal kann ich richtig lernen. Endlich stört mich niemand.» Renate Eichenberger: Fluch oder Segen? Das Leben mit einem hochbegabten Kind. Tredition, Hamburg 2014, 332 Seiten, Fr. 36.90, ISBN 3-8495-8616-2. Der Kanton übernimmt einen Teil der Kosten von Bastians privater Schulung. Mit zehn Jahren absolviert er erste Teile der britischen Matur und besteht sie. Er kommt für einen Teil des Stoffes in eine Klasse mit Leuten zwischen 16 und 23 Jahren. Der Rest wird weiterhin im Einzelunterricht vermittelt. Mit elf Jahren muss Bastian zum ersten Mal in seinem Leben für die Schule wirklich büffeln, was er nicht gewohnt ist. Er beginnt an sich zu zweifeln, ob er wirklich so intelligent sei. «Mit 11 Jahren und 8 Monaten war Bastian klar geworden, dass auch ein begabter Mensch auf etwas hinarbeiten durfte, um Erfolg zu haben, ohne deswegen weniger klug zu sein.» Mit 12½ wird Bastian im Judo in die Gruppe der U15-Talente aufgenommen. Parallel zur Schule hatte er immer intensiv Sport getrieben und Sprachen gelernt, zum Beispiel Rätoromanisch. Das ganze Buch hindurch findet Bastian keine Freunde, was seine Eltern betroffen macht. Seine sozial-emotionale Entwicklung hält allgemein mit seiner kognitiven Begabung mit: «Er war schon immer sehr einfühlsam, konnte sich gut den unterschiedlichsten Situationen und Menschen anpassen und war sich seiner Bedürfnisse immer bewusst. Gelesen Demenz – eine Wegbeschreibung Pauline Boss: Da und doch so fern Dieses Buch ist eine Wegbeschreibung für die mühsame Reise mit Demenz in neun Kapiteln, wobei das Kapitel «Sieben Richtlinien für die Reise» konkrete Hilfe aufzeigt. Dieses Wissen sowie Beratung können Angehörigen und dem Umfeld von an Demenz Erkrankten helfen, die schwierige Situation zu meistern. Zentraler Begriff des Buches ist jener des «Ambiguous Loss», des uneindeutigen Verlusts. Verlust mit schleichendem Beginn und ohne eindeutiges Ende bedeutet unter anderem Abschiednehmen von der Persönlichkeit des oder der Demenzkranken, der Kommunikation, dem gegenseitigen Mitdenken. Die Hilflosigkeit und die Ängste der Angehörigen werden im Umfeld oft nicht erkannt oder stossen auf Unverständnis. Zentral ist die nicht endende Trauer über den laufenden Abschied. Diese wird oft – völlig zu Unrecht – als Depression ausgelegt. Die Trauer soll zugelassen und kommuniziert werden. Stirbt ein Angehöriger, erlebt man Mitgefühl. Demenz wird dagegen oft verharmlost, die Trauer nicht erlaubt, weil die Person ja noch da ist. Daraus entstehen Einsamkeit, Hilflosigkeit, Scham und das Gefühl, nicht verstanden zu sein. Soziale Kontakte auch mit anderen Betroffenen, Aktivitäten und Rituale dagegen geben Kraft. Strategien helfen, Stress durch verbesserte Resilienz abzubauen und durch Oasen Ordnung in die Gedanken zu bringen und so den Kontrollverlust zu verarbeiten. Wer zudem ein Sowohl-als-auch-Denken entwickelt, kann lernen, dass Ab- und Anwesenheit koexistieren. Dazu gehört, sich vom Bisherigen zu verabschieden und die Person anzunehmen, wie sie jetzt ist. So können Wut und Schuldgefühle zusammen mit Liebesgefühlen gelebt werden. Dies ist auch ein Schritt dazu, sich selbst wieder als eigene Persönlichkeiten mit Bedürfnissen, Freundschaften, Visionen und Träumen wahrzunehmen. Die Beziehungsfrage ist zentral, trotzdem wird sie oft vergessen oder tabuisiert. «Darf ich eine neue Partnerschaft eingehen, solange der Demente noch da ist?» oder «Bin ich noch Tochter, wenn ich meine Mutter bemuttere?». Antworten muss jeder selber finden, die Kernbotschaft von Pauline Boss ist, dass man sich vom Perfektionsanspruch in der Beziehung verabschieden muss. Unklarer Verlust führt immer zu Problemen. Das Buch hat eine klare Titelstruktur und am Ende jedes Kapitels Punkte zur Reflexion und Diskussion. So eignet es sich auch als Handbuch, das man bei aktuellen Anliegen konsultieren kann. Es ist Angehörigen, Pauline Boss: Da und doch so fern. Vom liebevollen Umgang mit Demenzkranken. Rüffer & Rub Verlag, Zürich 2014, 240 Seiten, Fr. 37.90, ISBN 3-907625-74-9. dem weiteren Umfeld von Demenz erkrankten und allen, die an Gerontopsychologie interessiert sind, zu empfehlen. Sibylle Wasserfallen, MSc 2. Semester, Dep. P ZHAW Seminar 7. Zürcher Traumatage 9. Schweizer Bildungsfestival Trauma in der Paarbeziehung Chronische Schmerzen Aggression, Depression und Lebendigkeit Michaela Huber (DE) Dr. Catherine Kerr (USA) Dr. Peter A. Levine (USA) Dr. Maggie Phillips (USA) 24. - 25. August 2015 26. - 28. Juni 2015 Heilsame Ressourcen und Grenzen Dr. Peter A. Levine (USA) Lisa Sokolov (USA) Dr. Anngwyn St. Just (USA) 20. - 23. August 2015 in Weggis Zentrum für Innere ÖkologIe Zwinglistrasse 21 | 8004 Zürich | tel: 044 218 80 80 | [email protected] | www.traumahealing.ch Er hat ein grosses Herz», schreibt seine Mutter. Glücklich darüber, dass er begabter ist als andere Leute, ist Bastian bis heute nicht. Zwei Plädoyers von Renate Eichenberger: 1. Entweder anerkenne unsere Gesell- schaft Hochbegabte und fördere sie ohne Wenn und Aber, oder man lasse diese ungeheuren Fähigkeiten ungenutzt und rekrutiere Fachkräfte aus dem Ausland. 2. Wenn Hochbegabte sich als Besserwisser positionieren und den ande- ren das Gefühl vermitteln, diese seien dumm, schiessen sie sich selber ins Abseits. Es gibt jedoch viele hochbegabte Menschen, auf die die Besserwisserei nicht zutrifft. Ania Chumachenco, Fachpsychologin für Kinder und Jugendliche SBAP. 33 34 Gelesen Alternde Gesellschaft Ursula von Kieckebusch: Psychologische Demenzdiagnostik Gemäss BFS wird sich die Zahl dementer Menschen in der Schweiz von aktuell gut 100 000 im Jahr 2030 auf 200 000 und bis 2050 auf 300 000 vervielfachen. Das Thema Demenz wird uns also immer mehr beschäftigen. In ihrem Buch «Psychologische Demenzdiagnostik» bietet Ursula von Kieckebusch nicht nur eine gute Übersicht über Tests und Screenings, sondern stellt die verschiedenen Demenzformen und Beeinträchtigungen von psychischen Funktionen dar. Verbindungen zu neurologischen Befunden werden dabei – so weit wie möglich – dargestellt. Zirka 70 Tests und Screenings werden in den drei Kapiteln «Demenzerfassung», «Tests für kognitive Funktionen» und «Veränderungen der Persönlichkeit» vorgestellt. Tabellarisch werden Tests mit Angaben zur Normierung, Validität, Empfehlung und Kritik aufgelistet. Kritisiert werden die oft ungenügenden Kontrollgruppen, die fehlende Normierung für höhere Alter und die mangelnde Repräsentativität. Auch der Einsatzbereich der Werkzeuge wird eingehend dargestellt, sogar über die Möglichkeiten, (in Deutschland) mit der Krankenkasse abzurechnen, und über die so von Vertreibern beworbenen Einkommenssteigerungen wird berichtet. In einem Kapitel über Gutachten werden Fragestellungen zu Fahreignungsdiagnostik, Waffenbesitz und rechtlicher Betreuung – entspricht der schweizerischen Beistandschaft – gestreift. Die Situation in Deutschland ist mit der Schweiz vergleichbar. Mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht wurde den Behörden die Aufgabe zuteil, über fürsorgerische Unterbringung (geschlossene Abteilungen) zu entscheiden, Handlungsunfähigkeit fest- Ursula von Kieckebusch: Psychologische Demenzdiagnostik. Ernst Reinhardt Verlag, München 2010, 240 Seiten, Fr. 36.90, ISBN 3-497-02173-3. psychotherapieausbildung.ch Institut für Ökologisch-systemische Therapie Weiterbildung in Psychotherapie mit systemischem Schwerpunkt Anerkannte postgraduale Weiterbildung von BAG, FSP, SBAP, SGPP, Systemis.ch und der Gesundheitsdirektion des Kt. Zürich. Die Anforderungen der SGKJPP sind erfüllt. Beginn: Sommer 2016 Einführungskurs: 7. – 8. März 2016 Weiterbildung in systemischer Paartherapie 7 Module und Supervision, 14 Monate Beginn: 17. September 2015 Fortbildungskurse 22. – 23.06.2015: Zwei Seelen wohnen ach! in meiner Brust … Manfred Prior 28. – 29.09.2015: Klärungsorientierte Paartherapie Gregor C. Müller 29. – 31.10.2015: Systemtherapie und transkulturelles Arbeiten Jochen Binder 24. – 25.11.2015: Im Konflikt und doch verbunden Jürg Liechti Weiter- und Fortbildung in systemischer Therapie Klosbachstrasse 123, CH-8032 Zürich, +41 (0)44 252 32 42 [email protected]; www.psychotherapieausbildung.ch zustellen und Beistandschaften zu errichten. Das neue Recht fordert interdisziplinäre Behörden, doch Psychologen sind hier noch dünn gesät – in der Schweiz sind insgesamt kaum ein Dutzend PsychologInnen als Behördenmitglieder in den KESB tätig) –, und die Testwerkzeuge sind mangelhaft. Das Buch zeigt den Stand der Testmöglichkeiten, den Bedarf an psychologischer Diagnostik und auch an gesicherten Testinstrumenten. Es werden nicht nur die Lücken klar aufgezeigt, sondern viele Testverfahren vorgestellt. Das Buch wendet sich an Fachleute, die mit alten und dementen Menschen arbeiten und diese abklären. Es hilft, sich der Grundsätze und der (oft fehlenden) Grundlagen bewusst zu werden. Georg Lachenmeier, Behördenmitglied KESB der Stadt Zürich, Psychologe SBAP. Gelesen Die Problemfokussierung verändern Elvira Muffler: Kommunikation in der Psychoonkologie Elvira Muffler (Hg.): Kommunikation in der Psychoonkologie. Der hypnosystemische Ansatz. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2015, 240 Seiten, Fr. 37.90, ISBN 3-8497-0062-3. «Warum ich?», fragt sich der Krebspatient, die Krebspatientin. Rund 37 000 Menschen erkranken jährlich in der Schweiz an Krebs, und etwa 16 000 sterben daran. Krebs ist nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache und gehört zu jenen Krankheitsgruppen, die für die meisten «verlorenen Lebensjahre» verantwortlich sind1. Seit einigen Jahrzehnten fragen sich Ärzte, Pflegepersonal, Psychologen und Wissenschaftler, wie Menschen mit ihrer Krebsdiagnose leben, woher sie noch Lebensqualität erhalten, wie ihre Symptome durch nichtmedi1 Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP, 2008), http://www. psychologie.ch/fileadmin/user_upload/dokumente/fsp-doks/14.07.08_leit_Leitlinien_D. pdf; Bundesamt für Statistik (Stand der Daten: 27.5.2014), http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/ de/index/themen/00/09/blank/ind42.informations.420018.420005.html; Verlorene potenzielle Lebensjahre sind Lebensjahre, die in einem Kalenderjahr durch Todesfälle vor dem vollendeten 70. Altersjahr verloren gehen. Berechnungsgrundlage bildet die Summe aller Differenzen zwischen dem Todesalter der einzelnen Verstorbenen und einem definitorisch festgelegten Referenzalter von 70 Jahren. kamentöse Interventionen gelindert werden können oder wie es ihren Angehörigen mit der Diagnose geht. Die Psychoonkologie gibt es in der Schweiz seit 30 Jahren, und seit mehr als 10 Jahren existiert die Schweizerische Gesellschaft für Psychoonkologie (SGPO)2. Dieses interdisziplinäre Gebiet umfasst grundsätzlich die psychosoziale und psychotherapeutische Betreuung und Beratung von KrebspatientInnen. Ziel dabei ist es immer, die Bewältigungskompetenzen der Betroffenen und ihres persönlichen Umfelds in allen Krankheitsstadien zu stärken. Das noch recht junge Gebiet hat der Onkologie gutgetan: So berichtete Prof. Jakob Passweg, Präsident der Krebsliga Schweiz, anlässlich der Jahrestagung 2013 der SGPO, dass der Kampf gegen Krebs vielfach mit geradezu kriegerischem Vokabular geführt worden sei. Dass heute eine andere Sprache gepflegt werde, sei der Psychoonkologie zu verdanken. Sie habe ihn die Bedeutung der Kommunikation gelehrt.3 In der Psychoonkologie bilden auch Ansätze aus der klinischen Psychologie Grundlage solcher Interventionen – zum Beispiel die hypnosystemische Therapie. Der Carl-Auer-Verlag hat erst kürzlich zu diesem Thema den Sammelband «Kommunikation in der Psychoonkologie» der Herausgeberin und Autorin Elvira Muffler auf den Markt gebracht. Die deutsche Therapeutin mit breiter Erfahrung in 2 http://www.psychoonkologie.ch 3 Tagesbericht der SGPO (2013); http://www.psychoonkologie.ch/media/ downloads/SGPO_Tagungsbericht.pdf der Leitung von ambulanten Krebsberatungsstellen sowie in psychoonkologischer Beratung und Therapie steht der Hypnotherapie von Milton H. Erickson nahe. Darin spielt die ressourcenorientierte und wertschätzende Haltung dem Patienten und seinen Symptomen gegenüber eine bedeutende Rolle. Diesen Ansatz kombinierte Muffler mit den Strategien der systemischen Therapie und bietet damit eine wichtige kommunikative Methode, um PatientInnen und ihre Angehörigen in einer sie körperlich, psychisch und sozial aussergewöhnlich belastenden Zeit wirkungsvoll zu begleiten. Ein zentraler Aspekt der Hypnotherapie und der hypnosystemischen Kommunikation ist die Suggestion, wobei Muffler darauf hinweist, dass der Begriff in der englischen Wortbedeutung suggestion = Vorschlag verstanden werden sollte. Denn es sind besonders die suggestiven Wirkungen der verbalen und nonverbalen Kommunikation, die innerhalb dieses Ansatzes die ressourcenorientierte Neu-Konstruktion «von all dem, was im kranken Menschen wirkt», vielfältig unterstützen kann. In 13 sehr lehrreichen und spannenden Kapiteln beschreibt das Buch unter anderem die Grundlagen der hypnosystemischen Kommunikation an Beispielen aus Therapie und Beratung, die hypnotherapeutische Vorgehensweise bei KrebspatientInnen, die Wirkung ärztlicher Kommunikation oder wie sich die Vorstellungskraft auf Heilung, Krankheit und Tod auswirken kann. Verena Berchtold-Ledergerber Wussten Sie schon ... ... dass Sie mit SBAP.-Vorteilen entspannt in die Ferien fahren? Gönnen Sie sich Zeit und Musse für Ihre nächste Reisezeit. Und wenn Sie die passende Literatur dazu suchen, bestellen Sie beispielsweise mit 15% Rabatt bei Buchhaus.ch. Oder soll es vielleicht ein Fachbuch sein? Über 450 Titel stehen Ihnen im Online-Shop des Carl-Auer-Verlags mit 15% Rabatt zur Verfügung. Die genannten Angebote bestellen Sie direkt im Onlineshop der FH Schweiz unter www.fhschweiz.ch/onlineshop. SBAP.-spezifische Leistungsangebote finden Sie unter www.sbap.ch/dienstleistungen. 35 36 SBAP.-Agenda 11.06.2015 Betriebsbesichtigung: FREITAG lab. AG, Binzmühle 170B, 8050 Zürich Beginn: 16.00 Uhr – Besichtigung dauert 1½ Stunden. Anmeldungen an: [email protected] – Teilnehmerzahl ist limitiert. Gäste sind willkommen. Für Mitglieder kostenlos – Gäste CHF 20 28.10.2015 SBAP. Ethik-Forum: 19–21 Uhr. Geschäftsstelle SBAP., Konradstrasse 20, 8005 Zürich Redaktion/rédaction: Lianne Fravi (Redaktionsleitung) Heloisa Martino (Produktionsleitung) Heinz Marty Beat Honegger Gülbin Erogul (Anzeigenleitung) Autoren/auteurs: Verena Berchtold-Ledergerber Birgit Blohmann Bundesamt für Polizei, Abt. Kommunikation & Medien Ania Chumachenco Gülbin Erogul Lianne Fravi Catherine Herriger Susanne Heule Barbara Hobi Beat Honegger Hanne Hummel Beatrice Kunovits Georg Lachenmeier Heloisa Martino Heinz Marty Thomas Merki Danielle Mersch Heidi Paulsen Bea Schild Christoph Adrian Schneider Veronika Schröter Sibylle Wasserfallen Marianne Zweifel Inserate/Beilagen/annonces: SBAP. Geschäftsstelle Auflage/édition: 1500 Exemplare/exemplaires Redaktionsschluss/bouclage: Nr. 3/2015: 10. Juli/juillet 2015 Layout: Helmut Estermann Druck und Ausrüsten/imprimé: Druckerei Peter & Co., Zürich Lektorat/lectorat: Thomas Basler, Winterthur Konzept und Gestaltung/concept: greutmann bolzern zürich Adresse: SBAP. 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