Fact Sheet 1: Der Ratifizierungsprozess von TTIP und CETA aus österreichischer Perspektive (Stand: 26. Februar 2016) 1. EU-Kommission schlägt dem Rat Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens vor: Basierend auf dem fertigen Vertragstext schlägt die Europäische Kommission dem Rat der Europäischen Union vor, einen Beschluss zu erlassen, mit dem er die Unterzeichnung des Abkommens im Namen der EU genehmigt (die Unterzeichnung im Namen der EU ist nicht zu verwechseln mit dem Abschluss des Abkommens oder mit der Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten). Im Rahmen dieses Vorschlags schlägt die Kommission dem Rat auch vor, ob er das Abkommen als „gemischtes Abkommen“ behandeln soll oder nicht und ob das Abkommen schon vor seinem Inkrafttreten „vorläufig angewendet“ werden soll. Unter einem „gemischten Abkommen“ versteht man ein Abkommen, das sowohl Zuständigkeiten der EU als auch der einzelnen Mitgliedstaaten betrifft und das deshalb von allen EU-Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene ratifiziert werden muss. 2. EU-Kommission schlägt dem Rat Beschluss über den Abschluss des Abkommens vor: Außerdem macht die Kommission dem Rat einen Vorschlag für einen zweiten Beschluss – und zwar den Beschluss über den Abschluss des Abkommens (diesen kann der Rat erst später fassen; siehe Punkt 9). 3. Rat genehmigt die Unterzeichnung des Abkommens im Namen der EU und entscheidet über „Gemischtheit“ und vorläufige Anwendung des Abkommens: Basierend auf dem Vorschlag der Kommission unter Punkt 1 fasst der Rat einen Beschluss, mit dem er die Unterzeichnung des Abkommens im Namen der EU genehmigt (nicht zu verwechseln mit der Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten). Im Rahmen dieses Beschlusses entscheidet er auch darüber, ob das Abkommen vorläufig angewendet werden soll oder nicht. Falls die Kommission unter Punkt 1 vorgeschlagen hat, das Abkommen nicht als gemischtes Abkommen zu behandeln, kann der Rat mit einer einstimmigen Entscheidung bestimmen, dass das Abkommen dennoch als gemischtes Abkommen behandelt wird. 4. Unterzeichnung des Abkommens im Namen der EU: Basierend auf dem Beschluss des Rats, mit dem er die Unterzeichnung des Abkommens im Namen der EU genehmigt hat (siehe Punkt 3), unterzeichnet eine von der EU-Ratspräsidentschaft festgelegte Person das Abkommen im Namen der EU (nicht zu verwechseln mit der Unterzeichnung durch die EU-Mitgliedstaaten; siehe dazu Punkt 5). 5. Unterzeichnung des Abkommens durch die EU-Mitgliedsstaaten (bei gemischtem Abkommen): Sofern der Rat unter Punkt 3 beschlossen hat, das Abkommen als ein gemischtes zu behandeln, muss das Abkommen nicht nur von der EU, sondern zusätzlich auch von allen 28 Mitgliedstaaten unterzeichnet werden. Im Fall von Österreich schlägt die Bundesregierung dem Bundespräsidenten vor, dem zuständigen Bundesminister eine Vollmacht zur Unterzeichnung des Abkommens im Namen Österreichs zu erteilen („Unterzeichnungsvollmacht“). Auf diesen Vorschlag hin erteilt der Bundespräsident dem zuständigen Bundesminister diese Vollmacht. Basierend auf dieser Unterzeichnungsvollmacht des Bundespräsidenten unterzeichnet der zuständige Bundesminister dann das Abkommen im Namen Österreichs. 6. Rat ersucht das EU-Parlament um Zustimmung: Nach der Unterzeichnung des Abkommens ersucht der Rat das EU-Parlament, seine Zustimmung für einen Ratsbeschluss zum Abschluss des Abkommens (basierend auf dem Vorschlag der Kommission unter Punkt 2) zu geben. Gleichzeitig beginnt im Falle eines gemischten Abkommens zusätzlich die nationale Ratifizierung durch die 28 Mitgliedsstaaten (siehe Punkt 8). 7. EU-Parlament gibt dem Rat seine Zustimmung: Das EU-Parlament gibt mit einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Plenum seine Zustimmung dafür, dass der Rat einen Beschluss zum Abschluss des Abkommens fassen kann. Vor der dafür notwendigen Abstimmung im Plenum kann das EU-Parlament optional ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofes zur Vereinbarkeit des Abkommens mit den EU-Verträgen einholen. Wenn sich das EUParlament zur Einholung eines solchen Gutachtens entscheidet, muss es mit der Abstimmung im Plenum warten, bis das Gutachten tatsächlich vorliegt. 8. Ratifizierung durch die 28 EU-Mitgliedsstaaten (bei gemischtem Abkommen): Im Fall eines gemischten Abkommens beginnt gleichzeitig mit der Einbindung des EU-Parlaments auch der nationale Ratifizierungsprozess in den 28 EU-Mitgliedsstaaten. Die Ratifizierung durch sämtliche Mitgliedstaaten ist Voraussetzung dafür, dass das Abkommen in Kraft treten kann. In Österreich kommt dabei der Ratifizierungsprozess für Staatsverträge nach Art. 50 Abs. 1 Nr. 1 B-VG zum Tragen. Bei diesem ist eine Genehmigung des Abkommens durch den Nationalrat notwendig. Diese erfolgt durch eine einfache Mehrheit (wobei für die Abstimmung mindestens ein Drittel der Abgeordneten anwesend sein müssen). Nach der Zustimmung des Nationalrats schließt der BUNDESPRÄSIDENT den nationalen Ratifizierungsprozess mit seiner Unterschrift ab. Anders als bei Bundesgesetzen, bei denen er mit seiner Unterschrift lediglich das verfassungsgemäße Zustandekommen des Gesetzes beurkundet, hat der Bundespräsident bei Staatsverträgen einen politischen Ermessensspielraum: Er ist nicht zur Unterzeichnung verpflichtet und kann aus politischen Gründen auch "Nein" sagen. Wenn er seine Unterschrift verweigert, bedeutet das, dass Österreich das Abkommen nicht ratifiziert; die Folge ist, dass das gesamt Abkommen nicht in Kraft treten kann, weil dafür ja die Ratifizierung durch sämtliche EU-Mitgliedstaaten notwendig wäre. Die vorläufige Anwendung hingegen ist unabhängig von der Ratifizierung der Mitgliedstaaten: Sofern der Rat unter Punkt 3 beschlossen hat, dass das Abkommen vorläufig angewendet werden soll, kann die Nicht-Ratifizierung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten die vorläufige Anwendung nicht verhindern oder beenden. Der österreichische Bundespräsident hat also keinen Einfluss auf die vorläufige Anwendung des Abkommens. 9. Rat beschließt den Abschluss des Abkommens: Wenn das EU-Parlament dem Rat seine Zustimmung gegeben hat und die nationale Ratifizierung in allen (!) 28 Mitgliedsstaaten abgeschlossen ist, fasst der Rat – basierend auf dem Vorschlag der Kommission unter Punkt 2 – den Beschluss über den Abschluss des Abkommens. Dies ist der letzte Punkt des Prozesses; nach diesem Beschluss tritt das Abkommen in Kraft und wird dadurch rechtlich bindend.
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