FRESENIUS MEDICAL CARE_Dialyse ist nicht genug

2004
2005
2006
MONTAG, 18. MAI 2015, NR. 93
2007
2008
FRESENIUS MEDICAL CARE 27
MONTAG, 18. MAI 2015, NR. 93
2009
2010
2011
2012
2013
80
’15
81,95 €
Hoch
10.4.2015
Rice Powell
Vorstandschef
seit Jan. 2013
Ben Lipps
Vorstandschef
1999 bis 2012
2014
Handelsblatt
la | Fotos: PR (4),
Stand: Schlusskurs; Quelle:: Thomson Reuters
26 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT
60
15.5.2015
Aktienkurs
76,20 €
2.1.2004
18,87 €
40
16,49 €
Tief
22.3.2004
20
Dialyse ist
nicht genug
Weltweit sollen die Arbeitsbereiche effizienter werden, der Einkauf soll gestrafft, die
Strukturen sollen optimiert werden. Der
FMC-Chef hofft, bis 2017 rund 300 Millionen Dollar einzusparen, 65 Millionen Dollar
wurden laut FMC bereits 2014 realisiert.
Das half, den Margenverfall abzufedern; ihn
umzudrehen dürfte nicht leicht werden.
Alles in allem bewegt sich FMC dabei
weiter in einem wachsenden Markt: Die
Zahl der Dialysepatienten nimmt jährlich
um etwa sechs Prozent zu. Der gesamte
Auszüge aus dem Geschäftsbericht
Gewinn- und Verlustrechnung
Segmentberichterstattun
ung
g 2014
in Mio. US-Dollar
Mit unserer
Wachstumsstrategie
haben wir einen
strategischen
Rahmen definiert,
das Kerngeschäft
nachhaltig zu
stärken und
weitere attraktive
Wachstumsfelder
zu besetzen.
Rice Powell
Vorstandsvorsitzender Fresenius
Medical Care
Weil im Kerngeschäft die Einnahmen
gedeckelt werden, muss sich Fresenius
Medical Care breiter aufstellen.
2013
Umsatzerlöse
E
in Jahr des Aufbruchs – so beschreibt Vorstandschef Rice Powell das Jahr 2014 für den weltgrößten Dialysekonzern Fresenius Medical Care (FMC). Die
strategischen Weichen, die er in seinem
zweiten Amtsjahr als CEO für FMC gestellt
hat, wird er den Aktionären auf der Hauptversammlung am morgigen Dienstag erläutern.
Das börsennotierte Unternehmen, das
über die Rechtsform der KGaA von der
Fresenius SE kontrolliert wird, soll mit
dem Kauf von Ärztenetzwerken und Kliniken künftig auch außerhalb des Kerngeschäfts Dialyse expandieren – die Versorgungsleistungen für Patienten mit anderen
chronischen Erkrankungen werden ausgebaut. Im angestammten Bereich Dialyse
will FMC dabei ebenfalls weiter zulegen.
Die vergangenen Jahre haben indessen
gezeigt, dass profitables Wachstum in diesem Segment längst nicht mehr so einfach
zu erzielen ist wie noch vor einem Jahrzehnt. Das spiegelt auch der Jahresabschluss 2014 wider. Der „Aufbruch“ des
Konzerns ist darin allenfalls teilweise erkennbar. Zwar konnte FMC den Umsatz
um kräftige acht Prozent auf 15,8 Milliarden Dollar steigern. Das Betriebsergebnis
dagegen stagnierte bei 2,26 Milliarden Dol-
lar und das Ergebnis nach Steuern bei 1,26
Milliarden Dollar. Der Nettogewinn, der
den FMC-Aktionären zusteht, sank sogar
um sechs Prozent auf 1,05 Milliarden Dollar und war damit im zweiten Jahr in Folge
rückläufig. Unterm Strich hat der DialyseKonzern seit 2010 nur knapp sieben Prozent Gewinnwachstum erzielt, während
der Konzernumsatz im selben Zeitraum
um fast ein Drittel zulegte.
Verantwortlich für die Diskrepanz ist vor
allem der Sparkurs in den Gesundheitssystemen; insbesondere in dem für FMC mit
Abstand wichtigsten US-Markt drücken
entsprechende Maßnahmen auf die Erstattungssätze. Die gute Nachricht für 2014
war, dass die Erstattung für Behandlungen
von staatlich versicherten Patienten in den
USA wenigstens nicht weiter gesunken ist.
Die schlechte: Die Sätze decken nach Einschätzung von FMC die steigenden Behandlungskosten nicht. Als Folge daraus
ist die operative Marge des Konzerns in
den letzten drei Jahren um mehr als zwei
Punkte auf 14,2 Prozent gesunken. FMC
liegt damit zwar noch immer deutlich
über dem Durchschnitt der Dax-Konzerne
(von knapp acht Prozent). Für den DialyseKonzern selbst aber ist es der niedrigste
Wert seit fast zehn Jahren.
Rice Powell begegnet dem Trend mit einem Kostensenkungsprogramm – ein Novum für den erfolgsverwöhnten Konzern.
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2014
Segment Nordamerika
Gesundheitsdienstleistungen
abzüglich Wertberichtigungen auf
Forderungen aus
der Erbingung von Gesundheitsdie
nstleistungen
Gesundheitsdienstleistungen, netto
Dialyseprodukte
Maike Telgheder, Siegfried Hofmann
Frankfurt
Dialysemarkt (Maschinen und Dienstleistungen) wird auf weltweit rund 77 Milliarden Dollar geschätzt und ist 2014 währungsbereinigt um rund vier Prozent gewachsen. FMC als Marktführer hält daran
einen Anteil von elf Prozent und ist global
breiter aufgestellt als die Konkurrenten Da
Vita oder Diaverum. Zusätzlichen Wachstumsspielraum verspricht die Expansion
in neue Bereiche jenseits der Dialyse.
Um diese Chancen zu nutzen, wird der
Konzern allerdings auch erheblich inves-
Gesamt
11 415
12 553
285
303
2014
Umsatzerlöse
in M
Mio. US$
Zahl der Behandlungen
11 130
12 250
3 480
3 582
14 610
15 832
Umsatzkosten
Organisches
Behandlungswachstum
Operatives Ergebnis
Dialyseprodukte
8 267
9 131
1 605
1 705
9 871
10 836
4 738
4 996
Gesamt
Bruttoergebnis vom Umsatz
Operatives Ergebnis
Zinsaufwendungen
Ergebnis vor Ertragsteuern
Konzernergebnis
Änd.
in %
2014
10 500
+9
5 265
+6
26 610 624
+4
16 134 353
+9
in %
3,5
–
4,3
–
1 643
+1
970
+8
–
18,4
–
in %
Umsatzerlöse in den USA aus der Erb
ringung von
Dienstleistung
gen an Patienten
in Mio. US-Dollar
2013
2014
4 411
11
4 677
3 841
1
4 279
393
93
3
433
411
569
9 057
9 958
Medicare-Programm
Private und sonstige Versicheru
erun
unge
ngen
gen
2 256
56
6
2 255
448
495
1 848
1 843
Krankenhäuser
1 045
Umsatzerlöse aus der Erbringung
von
Dienstleistungen an Patienten
1 110
Änd.
in %
in Mio. US$
Operative Marge
Gesundheitsdienstleistungen
Segment
nt In
International
Medicaid und andere staatliche Quel
len
Fünf-Jahres-Übersicht
Cashflow
in Mio. US$
2010
2011
2012
2013
1 368
2014
1 446
2 039
2 035
1 861
-571
-666
-728
-920
861
876
1 373
1 307
941
-764
-1 785
-1 879
-496
147
-1 779
10
263
18
8
Operative Marge
20,5
20
20,9
20,4
19,9
16,2
18,7
Debt/Ebitda-Verhältnis (Verschuld
ungsgrad)
16,5
16,1
15,4
15
4
2,4
14,2
2,7
2,8
2,8
3,1
Cashflow aus betrieblicher Geschäfts
tätigkeit
Nettoinvestitionen in Sachanlagen
Cashflow aus betrieblicher Geschäfts
tätigkeit nach Nettoinvestitionen
in Sachanlagen vor Akquisitionen und
Beteiligungen (Free Cashflow)
Akquisitionen und Beteiligungen
E
Erlöse aus Desinvestitionen
Operative
Kennzahlen
in %
Ebitda-Rendite
Handelsblatt | Quellen: Unternehm
en, Geschäftsbericht 2014, Seiten
156, 157, 171, 211 & 246
-508
tieren und weiter zukaufen müssen. Das
gilt insbesondere mit Blick auf das ehrgeizige Umsatzziel von 28 Milliarden Dollar,
das Rice Powell für das Jahr 2020 ausgegeben hat. Es setzt jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich zehn Prozent voraus, die FMC rein organisch nicht erreichen kann. 2014 trugen Zukäufe rund die
Hälfte zum Umsatzwachstum bei.
Die Expansion durch Akquisitionen indessen wird tendenziell offenbar aufwendiger. Zinsaufwand und Nettofinanzverschuldung sind seit 2010 stärker gewachsen als Umsatz und Betriebsergebnis. Die
Rendite auf das eingesetzte Kapital sank
im gleichen Zeitraum um zwei Punkte und
liegt mit 6,8 Prozent nur noch knapp über
den Kapitalkosten (von 6,4 Prozent). Die
Nettoverschuldung verdoppelte sich seit
2010 und stieg in Relation zum Ergebnis
vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen
(Ebitda) vom 2,4- auf das 3,1-Fache.
Das liegt auch daran, dass sich der eigene finanzielle Spielraum von FMC für Zukäufe zuletzt deutlich verringerte. Unter
anderem als Folge deutlich steigender
Sachinvestitionen ging der Free Cashflow
(operativer Mittelzufluss abzüglich der
Sachinvestitionen) 2014 um 28 Prozent auf
941 Millionen Dollar zurück. Rund 60 Prozent davon wurden für Ausschüttungen
benötigt. Die Akquisitionen von knapp 1,8
Milliarden Euro 2014 musste FMC daher
überwiegend fremdfinanzieren. Die Finanzschulden stiegen in der Folge um 13
Prozent auf 9,5 Milliarden Dollar.
rung für Powell: die sehr hohe Abhängigkeit vom US-Markt zu reduzieren. Derzeit
macht FMC zwei Drittel seines Umsatzes in
Nordamerika, durch die jüngsten Zukäufe
wird der Anteil noch steigen. Von den 10,5
Milliarden Dollar Umsatz wiederum wurde
fast die Hälfte mit Patienten der staatlichen Versicherungen Medicare und Medicaid erzielt.
Die operative Marge sank 2014 in Nordamerika um mehr als einen Prozentpunkt
von 16,9 auf 15,6 Prozent, nachdem sie im
Vorjahr ebenfalls bereits um einen Punkt
geschrumpft war. Durch den Ausbau der
Patientenversorgung macht sich FMC
zwar weniger abhängig von den staatlichen Dialyseprogrammen, das Ungleichgewicht zwischen Nordamerika und dem
In den Zukäufen schlägt sich bereits Powells neue Strategie nieder. So hat sich der
Konzern 2014 unter anderem mehrheitlich
am Ärztenetzwerk Sound Inpatient Physicians sowie Cogent Healthcare beteiligt, zu
denen zusammen 1 750 Ärzte in mehr als
180 Krankenhäusern gehören, die sich
speziell um die Versorgung von Patienten
kümmern. Jenseits der Dialysezentren betreibt FMC mittlerweile Herzkatheterlabore, Zentren für Gefäßzugänge, Speziallabore und Notfallkliniken. Der gesamte Bereich dieses sogenannten Versorgungsmanagements von Patienten erreichte im
vergangenen Jahr eine Milliarde Dollar
Umsatz und soll bis 2020 auf fünf Milliarden Euro Umsatz wachsen.
Die Aktionäre müssen sich jedoch darauf einstellen, dass diese Expansion die
Margen vorerst weiter drücken wird. Denn
zunächst sind weitere hohe Investitionen
von rund einer Milliarde Dollar in dem Geschäft geplant. Das Versorgungsmanagement wirft zudem ohnehin geringere Erträge ab als das Dialysegeschäft. Mit dem
Ausbau wächst eine weitere Herausforde-
Stärken und Schwächen
„Dax-Konzerne ungeschminkt“
nimmt die Aktionärstreffen deutscher
Großunternehmen zum Anlass, deren
Jahresabschlüsse kritisch zu durchleuchten. Die nächsten Serienteile:
19.5.: SAP
20.5.: Deutsche Bank
SERIE
Internationalen Segment dagegen bleibt
weiter bestehen.
Das alles hindert Powell nicht daran, Zuversicht zu demonstrieren sowohl mit seiner Langfristprognose wie auch mit der Dividende. Trotz Rückgang bei Gewinn und
Cashflow soll sie um einen Cent auf 0,78
Euro je Aktie steigen, so dass man die 18.
Erhöhung in Folge ausweisen kann. Auch
die Börse hat er bereits überzeugt, dass der
Dialyse-Konzern unterwegs zu neuen Höhen ist. Die Aktie gehörte 2014 mit einem
Plus von 20 Prozent zu den drei Top-Performern im Dax und hat 2015 bereits ähnlich stark zugelegt. Die passende Bilanz dazu muss der FMC-Chef aber noch liefern.