Ausführliche Darstellung der Systematik und Ziele der WRRL sowie

I. Ausgangssituation
K+S betreibt seit über 100 Jahren Kalibergbau im hessisch-thüringischen Revier – in den heutigen Werken Werra und Neuhof-Ellers – mit über 5.100 Beschäftigten. Diese eher strukturschwache Region ist wesentlich durch den Bergbau geprägt1. Dem Erhalt der damit verbundenen Wertschöpfung und der Arbeitsplätze kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Eine
vorzeitige Produktionseinstellung würde aus betrieblichen Gründen (Kapitalvernichtung bei
K+S) aber auch aus regionalwirtschaftlichen Gründen (Einkommens- und Wertschöpfungsverluste in der Region) gemäß einer Öko-Effizienz-Analyse der Uni Leipzig zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen führen.2
Bei der Kaliproduktion entstehen neben festen Rückständen zwangsläufig salzhaltige Abwässer, die – entsprechend dem weltweiten Stand der Technik3 – seit Jahrzehnten entweder in die
Oberflächengewässer (hier: Werra) eingeleitet, oder in den Untergrund (Plattendolomit) versenkt werden. Daneben haben sowohl Teile der Oberflächengewässer wie auch des Grundwassers in diesem Kali-Revier einen geogenen Salzgehalt, der auf natürlichen Salzablaugungen der Lagerstätte beruht.
Der Chlorid-Gehalt in der Werra konnte in den vergangenen 25 Jahren um rd. 90 % gesenkt
werden, was in Kombination mit dem Beginn der im Jahr 2000 eingeführten Salzlaststeuerung
zu einer erheblichen Verbesserung des ökologischen Zustands4 in Werra und Weser geführt
hat.
1
Siehe hierzu im Einzelnen: GMA/BHP, „Sozio-ökonomische Wirkungen des Werkes Werra“, Februar 2014
2
Uni Leipzig, Öko-Effizienz-Analyse (ÖEA) zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit unterschiedlicher Maßnahmenoptionen zur Umsetzung des Gewässerschutzes Werra/Weser und zum Erhalt der Kaliproduktion im hessischthüringischen Kali-Gebiet, 19.09.2014, S. 95
3
Siehe hierzu Runder Tisch – Gewässerschutz Werra/Weser und Kaliproduktion, Empfehlung vom 29.02.2010
(www.runder-tisch-werra.de)
4
Niedersächsische Landesregierung, Meeresschutz, Drs. 16/2670 vom 10.08.2010, S. 61:„Insgesamt ist zu erwarten, dass … die mit der Einführung der an die Wasserführung angepassten Einleitung seit dem Jahr 2000 festzustellende positive Veränderung des ökologischen Zustands und einiger Fischbestandsparameter fortschreiten
und der in der Regel gute Ernährungszustand der Fische voraussichtlich beibehalten wird.“
-2Im Jahr 2008 hat K+S ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Gewässerschutz verabschiedet, durch das bis Ende 2015 gegenüber dem Bezugsjahr 2006 eine Halbierung der Salzabwassermengen auf rd. 7 Mio. m³ pro Jahr erzielt wird; die Investitionen werden sich insgesamt
auf rd. 400 Mio. € belaufen. Bereits heute sind rd. 90 % der angestrebten Abwassereinsparungen erzielt worden. Hierdurch war es möglich, sowohl die Einleitung in die Werra wie auch die
Versenkung in den Untergrund nochmals deutlich zu verringern5. In der Weser wird heute
schon ab Hameln flussabwärts Süßwasserqualität6 erzielt.
Ziel des Vier-Phasen-Plans ist die Erreichung von Süßwasserqualität in der gesamten Weser
und weitestgehend auch in der Werra unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Produktion und
einer Nachbergbauphase ohne Ewigkeitslasten. Hierzu sind im Wesentlichen folgende Maßnahmen geplant:

Bau und Inbetriebnahme eine KKF-Anlage7 bis Ende 2017, um das anfallende Salzwasser
um weitere 1,5 Mio. m³ auf 5,5 Mio. m³/a zu reduzieren;

Bau und Betrieb einer Ergänzungsleitung an die Oberweser und die damit verbundene Einstellung der Versenkung in den Untergrund sowie der Senkung der Einleitgrenzwerte in der
Werra und

Vollständige Abdeckung der Halden beginnend spätestens im Jahr 2032 zur Verringerung
des entstehenden Haldenwassers auf rd. 1,5 Mio. m³/a.
Danach wird K+S rund 800 Mio. € für die Verbesserung des Gewässerzustandes in Werra und
Weser sowie im Untergrund investiert, eine dauerhafte Lösung der Salzabwasserproblematik
erreicht und einen angemessenen Ausgleich zwischen den sozialen und ökonomischen Erfordernissen der Gewässernutzung und den ökologischen Belangen des Gewässerschutzes in
Übereinstimmung mit dem europäischen und deutschen Wasserhaushaltrecht erzielt haben8.
5
Zulässige Versenkungsmenge bis Ende 2011: max. 9 Mio. m³/a; ab Ende 2015 vor. Ø 2 Mio. m³/a
6
Chloridgehalt < 500 mg/l; Bremer Umwelt Informationssystem: Leitfähigkeit – Salzkonzentration,
http://www.umwelt.bremen.de/de/detail.php? gsid=bremen 179.c.1659.de vgl. auch Schönborn, Risse-Buhl,
Lehrbuch der Limnologie, Stuttgart 2013, S. 645.
7
Kainit-Kristallisations-Flotations-Anlage zur weiteren Gewinnung von Wertstoffen und Senkung der Salzabwassermenge
8
Siehe § 6 WHG.
-3II. Ziel und Systematik der europäischen Wasserrahmenrichtlinie
Das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist die Erfüllung des Kriteriums des guten Zustands aller
Oberflächengewässer und des Grundwassers bis zum Ende des Jahres 20159. Die Frist zur
Zielerreichung kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zweimal um einen Zeitraum
von je 6 Jahren verlängert werden10. Fristverlängerungen über 2027 hinaus sind nur aufgrund
von natürlichen Gegebenheiten zulässig11. Neben den Fristverlängerungen können unter bestimmten Voraussetzungen auch weniger strenge Bewirtschaftungsziele12 festgelegt oder Ausnahmen von den Bewirtschaftungszielen13 gewährt werden. Diese beiden Möglichkeiten stehen
auch nach 2027 zur Verfügung.
Für oberirdische Gewässer wird der durch die Bewirtschaftung zu erreichende gute Zustand in
einen ökologischen und einen chemischen Bestandteil unterteilt14. Der ökologische Zustand
wird anhand von biologischen (Pflanzenarten und Tiere), physikalisch-chemischen15 und hydromorphologischen16 Qualitätskomponenten beurteilt. Grundlage der Bewertung ist der Referenzzustand, d. h. der Zustand eines vom Menschen praktisch unbeeinflussten vergleichbaren Gewässers. Die Regeln für die Ableitung des Referenzzustandes basieren auf einem Leitfaden
der Europäischen Kommission17 und wurden länderspezifisch konkretisiert. Dementsprechend
gibt es keine europaeinheitliche Definition des guten ökologischen Zustands (GÖZ.)18
Da in der Industriegesellschaft die vollständige Rückführung aller Gewässer in einen ökologischen Idealzustand illusorisch ist, werden die Bewirtschaftungsziele für künstliche oder erheblich veränderte Gewässer (z. B. Ems, Elbe, Rhein, Weser) modifiziert: an Stelle des guten öko9
Art. 4 Abs. 1 lit. a) und b) WRRL; §§ 29 Abs. 1, 47 Abs. 1, 2 WHG
10
Art. 4 Abs. 4 lit. c WRRL , § 29 Abs. 3 S. 1 WHG
11
Art. 4 Abs. 4 lit. c) WRRL, § 29 Abs. 3 S. 2 WHG
12
Art. 4 Abs. 5 WRRL, § 30 WHG
13
Art. 4 Abs. 7 WRRL, § 31 WHG
14
Art. 4 Abs. 1 lit. a) ii) WRRL, § 27 Abs. 1 WHG
15
Siehe Anlage 5 OGewV, in der für 162 Stoffe Umweltqualitätsnormen enthalten sind
16
Wasserhaushalt, Durchgängigkeit des Flusses, Morphologie, siehe Anlage 4, Tab. 2 OGewV
17
Europäische Kommission: Ableitung von Referenzbedingungen und Festlegung von Grenzen zwischen ökologischen Zustandsklassen für oberirdische Binnengewässer, CIS-Leitfaden Nr. 10, 2003
18
Um die Vergleichbarkeit der nationalen Bewertungsergebnisse zu gewährleisten, werden sie auf europäischer
Ebene interkalibriert. Dieser Interkalibrierungsprozess ist allerdings noch nicht für alle Oberflächengewässer
abgeschlossen, vgl. z. B. FGG Ems, BWP 2015-2021 Entwurf, S. 60 ff.
-4logischen Zustands treten die verminderten Anforderungen eines guten ökologischen Potenzials (GÖP)19, das geringfügig unter dem „höchsten ökologischen Potenzial“ liegt. Letzteres
wird erreicht, wenn alle technisch möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur an dem Wasserkörper durchgeführt würden, ohne die vorhandenen einschlägigen
Nutzungen signifikant zu beeinträchtigen20. In Deutschland wurden für die Ableitung des guten
ökologischen Potenzials zum zweiten Bewirtschaftungsplan bundesweit einheitliche Verfahren
für Fließgewässer und Seen entwickelt21; ein entsprechendes einheitliches Verfahren auf EUEbene gibt es nicht22. Allerdings werden teilweise länderübergreifende Arbeitsgruppen23 eingesetzt, um die Bewertungsergebnisse – soweit möglich – zu harmonisieren.
Der chemische Zustand wird europaeinheitlich anhand von Grenzwerten für ausgewählte
Stoffe24 (24 prioritäre und 21 prioritär gefährliche Stoffe) definiert. Grenzwerte für den zulässigen Chloridgehalt in Oberflächengewässern bestehen nicht.
Nur wenn alle vorgegebenen Umweltqualitätsnormen eingehalten werden, wird den Oberflächengewässern ein guter chemischer Zustand attestiert.
Auch insgesamt erfolgt die Einstufung eines Wasserkörpers nach dem „one out – all out“-Prinzip. Danach ist der Zustand des Oberflächengewässers auf Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand zu bestimmen25. Das heißt,
überschreitet auch nur ein für die Beurteilung des Gewässerzustandes zu betrachtender Parameter eine definierte Schwelle, so kann das Gewässer insgesamt den angestrebten Zielzustand nicht erreichen.
19
Art. 4 Abs. 1 lit. a) iii) WRRL, § 27 Abs. 2 WHG
20
FGG Ems, BWP 2015-2021 Entwurf, S. 63 f.
21
LAWA, „Handlungsempfehlung zur Harmonisierung der Herleitung des „Guten ökologischen Potenzials (GÖP)“,
2013
22
IFGE Rhein, 2. Bewirtschaftungsplan (Entwurf), S. 48 ff.
23
Z. B. Arbeitsgruppe „Wasserqualität“ des Unterausschusses G der ständigen Deutsch-Niederländischen Grenzgewässerkommission, vgl. FGG Ems, BWP 2015-2021 Entwurf, S. 63 f.
24
Richtlinie 2013/39/EU vom 12.08.2013,
25
Art. 2 Nr. 17, Anhang V RdNr. 1.4.2 Ziff. i) WRRL
-5III. Ergebnisse der Zweiten Bewirtschaftungspläne
1. Allgemein
Den seit Dezember 2014 vorliegenden Entwürfen der Bewirtschaftungspläne für den Zeitraum
2015-202126 ist zu entnehmen, dass das Ziel der WRRL den „guten Zustand“ der Oberflächengewässer bis Ende 2015 zu erreichen, in Deutschland weitestgehend verfehlt wird und dieses
auch bis 2021 nach allen Prognosen nicht erreicht werden kann. Daher werden für fast alle
diese Oberflächengewässer Fristverlängerungen über 2021 hinaus in Anspruch genommen.
Nur in wenigen Fällen (rd. 1 %) wurden bisher schon weniger strenge Umweltziele festgelegt.
Bundesweit verfehlen bis Ende 2015 rund 90 % der Oberflächengewässer den guten ökologischen Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial; sie werden diesen Zustand aufgrund
der vorliegenden Prognosen der zuständigen Wasserbehörden auch bis Ende 2021 nicht erreichen. Hinzu kommt, dass bundesweit für alle Oberflächengewässer Fristverlängerungen
aufgrund der Verfehlung des guten chemischen Zustands in Anspruch genommen werden,
da flächendeckend – mindestens – die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber27 überschritten
wird.
Aufgrund der Begründungen für die Fristverlängerungen und des „one out – all out“-Prinzips ist
schon heute absehbar, dass für diese Oberflächengewässer auch bis Ende 2027 das Ziel der
WRRL mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann28 und somit weitere Fristverlängerungen oder Ausnahmen in Anspruch genommen bzw. weniger strenge Umweltziele
festgelegt werden müssen. Folglich werden die von der WRRL vorgesehenen Ausnahmen faktisch zum Regelfall29. Dies erweitert zwangsläufig auch insgesamt den Auslegungs- und Ge26
22.12.2015 - 22.12.2021
27
Der weltweite Anstieg der Quecksilbereinträge ist vor allem auf den Anstieg der Kohleverstromung insbesondere in Asien zurückzuführen. In Europa ist die Kohleverbrennung ebenfalls der wichtigste Umwelteintrag. Vgl.
hierzu ausführlich FGG Ems, BWP 2015-2021 Entwurf, S. 68 ff.
28
GÖZ/GÖP: Z. B. ist für alle niedersächsischen Oberflächengewässer der FGG Weser die Fristverlängerung mit
natürlichen Gegebenheiten begründet worden; NRW hat die Fristverlängerung für ihre Oberflächengewässer in
der FGG Weser zu 94 % mit unverhältnismäßigen Kosten aufgrund fehlender Flächenverfügbarkeit begründet
(vgl. auch FGG Ems, BWP 2015-2012, S. 114).
GCZ: Für eine Vielzahl chemischer Stoffe sind bereits alle relevanten Maßnahmen getroffen worden, aber die
Belastungen sorgen noch längerfristig für Grenzwertüberschreitungen (vgl. z. B. FGG Ems, BWP 2015-2012, S.
114; FGG Rhein, BWP 2015-2021, S. 27).
29
Reinhardt, Wasserrechtliche Anforderungen an eine dauerhafte Lösung für die Salzwasserproblematik in Werra
und Oberweser, S. 22, 71; in ähnlichem Sinne auch Schlussantrag des Generalanwalts Jääskinnen in Rs. C-
-6staltungsspielraum der Genehmigungsbehörden im Rahmen der Entscheidung über die Gewässerbewirtschaftung30.
2. Einzelfälle
a) Nordthüringer Südharz-Kalirevier
Die Situation im stillgelegten Südharz-Kalirevier in Nordthüringen ist dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundwasser – insbesondere durch salzhaltige Sickerwässer aus den Halden und die
dortigen Oberflächengewässer (Gewässersystem Bode/Wipper und Gewässersystem Unstrut)
– neben der geogenen Salzbelastung31 durch direkte Einleitungen von gefassten Haldenwässern und diffus über das Grundwasser eingetragenes Salz belastet sind. Während für kleinere
Halden bereits Maßnahmen zur Haldenabdeckung und Fassung der Haldenabwässer durchgeführt werden, ist eine Haldenabdeckung der Großhalde in Bischofferode aus technischen
Gründen bisher nicht erfolgt.
Nach einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten können mit der Umsetzung einiger untersuchter Maßnahmenvarianten zwar der Chloridwerte in den Gewässern verbessert werden. Diese Verbesserung führt aber nicht zur Erreichung des „guten Zustandes“32.
Insbesondere wurden die (solare) Abdeckung der Halde in Bischofferode sowie der Bau einer
Eindampfanlage aufgrund der z. T. nicht absehbaren Schwierigkeiten bei der Planung und der
zu erwartenden negativen bzw. zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausreichend abschätzbaren
Auswirkungen auf die Schutzgüter für die Umsetzbarkeit in der Praxis als deutlich schlechter
eingeschätzt33. Die einzige Maßnahme, mit der die Oberflächengewässer deutlich entlastet
461/13, Nr. 83: „Zwar ist ... festzustellen, dass die Mehrzahl der Vorhaben, die einer Genehmigung unterliegen
und zu einer Verschlechterung führen können, unter eine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 7 der WRRL fallen wird,
obwohl sie grundsätzlich unter das Verschlechterungsgebot fielen. Ein solcher Ansatz erscheint mir jedoch angemessen, da er die Umsetzung von Vorhaben erlaubt, die anderen Erfordernissen (insbesondere wirtschaftlichen) entsprechen …“
30
Reinhardt, a. a. O., S. 20 ff., 71.
31
Der geogene Hintergrundwert für Chlorid liegt in der Wipper bei ungefähr 350 mg/l, so dass das gute ökologische Potenzial dadurch nicht erreicht werden kann, siehe Fugro Consult, „Studie zur Ableitung und Begründung
der Inanspruchnahme weniger strenge Umweltziele nach Art. 4 Abs. 5 WRRL bzw. Bewirtschaftungsziele nach
§ 30 WHG für die salzbelasteten Wasserkörper im Thüringer Kali-Südharz-Revier“ vom 12.06.2014, S. 93
32
Siehe Fugro Consult, Studie Kali-Südharz-Revier, S. 96 ff., 105, 107, 128 f.
33
Fugro Consult, Studie Kali-Südharz-Revier, S. 75, 116, 120 ff., 123 f.
-7werden könnten, wäre die Ableitung der gefassten Haldenabwässer durch eine noch zu bauende Rohrleitung in die Saale (ca. 90 km).
Selbst bei einer Umsetzung dieser Maßnahmen würde der Chloridgehalt z. B. in der Unteren
Wipper am Pegel Hachelbach über 1.100 mg/l betragen34. Daher werden für die betroffenen
Oberflächengewässer zunächst Fristverlängerungen über 2021 hinaus in Anspruch genommen.
Der entsprechende Maßnahmenplan35 des Freistaates Thüringen sieht u. a. vor:

Konzeptionelle Untersuchungen zum Einfluss von Kalium und Magnesium auf die Biozönose der Wipper,

Konzeptionelle Untersuchungen zum Bau und Betrieb einer Rohrleitung zur Saale
(ca. 90 km) und Abschlag der gefassten Haldenabwässer in die Saale,

Konzeptionelle Untersuchungen zur Abdeckung der Halde in Bischofferode und

Konzeptionelle Untersuchungen zur Eindampfung der Haldenabwässer.
Auf Basis der Erkenntnisse wird dann für den 3. Bewirtschaftungsplan 2021-2027 entschieden
werden müssen, ob über 2027 hinaus weiterhin eine Fristverlängerung aufgrund von natürlichen Gegebenheiten bzw. Ausnahmen in Anspruch genommen oder – voraussichtlich – verminderte Umweltziele36 festgelegt werden müssen.
b) Weniger strenge Umweltziele
Weniger strenge Umweltziele werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur in wenigen Ausnahmefällen in Anspruch genommen, sofern aufgrund belastbarer Daten festgestellt wurde, das
der “gute Zustand“ bis 2027 nicht erreicht werden kann. Eine detaillierte Begründung erfolgt in
gesonderten Hintergrundpapieren37.
34
Fugro Consult, Studie Kali-Südharz-Revier, S. 102
35
http://www.thueringen.de/mam/th8/tlug/content/wasser/aktion_fluss/lp_gws/masznahmen_bergbau.pdf
36
Fugro Consult, Studie Kali-Südharz-Revier, S. 129: „Daraus ergibt sich das Erfordernis zur Festlegung weniger
strenger Bewirtschaftungsziele entsprechend § 30 WHG.“
37
Z. B. FGG Elbe, Hintergrundpapier zur wichtigen Wasserbewirtschaftungsfrage „Verminderung der regionalen
Bergbaufolgen“; NRW „Hintergrundpapier Braunkohle“.
-8Weniger strenge Umweltziele für Oberflächengewässer werden z. B. festgelegt:

in NRW38 für die Erft aufgrund des Braunkohletagebaus, für eine Reihe von Wasserkörpern am linken Niederrhein und für einige Wasserkörper in ehemaligen Erzbergbaugebieten;

in Niedersachsen39 für 62 Wasserkörper im Harz und Harzvorland aufgrund der Belastungen insbesondere mit Cadmium als Folge des Jahrhunderte lang betriebenen Bergbaus;

im deutschen Teil der Flussgebietsgemeinschaft Elbe40 für 15 Wasserkörper aufgrund von
Altlasten im Einzugsgebiet der Vereinigten Mulde in Sachsen, des Salzbergbaus im Südharz, Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen, Schieferbergbaus im Thüringer Wald
bzw. Erzaltbergbaus im Harz und Erzgebirge.
Weniger strenge Umweltziele für Grundwasserkörper werden z. B. festgesetzt:

in NRW41 für 14 Grundwasserkörper am linken Niederrhein aufgrund des Braunkohlenabbaus und im Raum Mettmann/Wuppertal aufgrund des Kalkabbaus;

im deutschen Teil der Flussgebietsgemeinschaft Elbe42 für 2 Grundwasserkörper in Bitterfeld und Merseburg, für 10 braunkohlebeeinflusste Grundwasserkörper in Brandenburg,
Sachsen-Anhalt und Sachsen und einen vom Uranbergbau beeinflussten Grundwasserkörper in Thüringen.
38
NRW BWP 2016-2021 Entwurf, S. 5-42 ff.; Hintergrundpapier Braunkohle (wird derzeit aktualisiert)
39
Entwurf des niedersächsischen Beitrags zu den Bewirtschaftungsplänen 2015 bis 2021 der Flussgebiete Elbe,
Weser, Ems, Rhein vom 22.12.2014, S. 114, 226 ff.
40
FGG Elbe, BWP 2015-2021 Entwurf, S. 127; FGG Elbe, Hintergrunddokument „Verminderung regionaler Bergbaufolgen“, Stand 05.11.2014; Wismut, „Stellungnahme zur zukünftigen Bewirtschaftung der von der Wismut
GmbH beeinflussten Oberflächenwasserkörper in Thüringen in Umsetzung der EU-WRRL“, Mai 2014
41
NRW, BWP 2016-2021 Entwurf, S. 5-52 ff.
42
FGG Elbe, BWP 2015-2021 Entwurf, S. 133 ff.
-9c) Chlorideinleitungen in Gewässer43
In Deutschland sind im Jahr 2012 mindestens44 7,6 Mio. t Chlorid in Gewässer eingeleitet worden. Die Bundesländer mit den höchsten Einleitungen sind Nordrhein-Westfalen gefolgt von
Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Die am stärksten betroffenen Flussgebiete sind
Rhein45, Elbe/Labe46 und Werra/Weser47.
Die Industriesektoren mit den höchsten Einleitmengen sind mit rund 51 % die chemische Industrie, gefolgt von der mineralverarbeitenden Industrie (inklusive Bergbau) (rd. 27 %) und der
Abfall- und Abwasserbewirtschaftung (rd. 19 %)48.
Im Jahr 2012 war der größte Einzelemittent mit rd. 1,6 Mio. t Chlorid (rd. 21 %) ein Unternehmen der chemischen Industrie in Niedersachsen mit Einleitungen in die Elbe49. K+S hat im selben Jahr im hessisch-thüringischen Kalirevier rd. 0,9 Mio. t Chlorid (rd. 12 %) in die Werra eingeleitet50.
IV. Vereinbarkeit des Vier-Phasen-Plans mit der WRRL
Die Weser hat heute in Hann. Münden einen Chloridgehalt von knapp 700 mg/l und bereits ab
Hameln Süßwasserqualität51. Nach Inbetriebnahme der Ergänzungsleitung ab 2021 wird die
Weser insgesamt – bis auf einen Flussabschnitt von rd. 18 km zwischen der Einleitstelle und
Bad Karlshafen – Süßwasser aufweisen. Dieser Weserabschnitt wird erst in der Nachbergbauphase Süßwasserqualität haben52.
43
Die Daten sind der Datenbank thru.de des Umweltbundesamtes entnommen (www.thru.de)
44
Die tatsächlichen Einleitmengen liegen höher, da Chlorid-Einleitungen nur ab einer Schwelle von 2.000 t/a meldepflichtig sind; nur einige Bereiche – wie etwa der Bergbau – müssen alle Einleitungen melden.
45
3,4 Mio. t (= 44,3%)
46
2,8 Mio. t (= 37,4%)
47
1,0 Mio. t (= 13,5%)
48
Datenbank thru.de, siehe Fn. 43
49
Datenbank thru.de, siehe Fn. 43
50
Datenbank thru.de, siehe Fn. 43
51
Siehe Anhang, S. 13
52
Siehe Anhang, S. 14
- 10 In der Werra wird sich die Chloridbelastung nach Inbetriebnahme der Ergänzungsleitung53 und
nochmals nach Einstellung der Produktion in Unterbreizbach54 weiter deutlich reduzieren. Süßwasserqualität wird allerdings erst nach vollständiger Einstellung der Produktion etwa im Jahr
2060 bis auf einen Flussabschnitt zwischen Phillipsthal und etwa Frankenroda55 erreicht werden.
Es ist heute schon abzusehen, dass der gute ökologische Zustand bzw. das gute ökologische
Potenzial in der Werra aufgrund der geogenen Salzbelastung und einer größeren Zahl anderer
„Stressoren“ selbst dann nicht erreichbar wäre, wenn keinerlei Salzwässer mehr versenkt oder
in die Werra eingeleitet werden würden.
In Betracht kommt eine Fristverlängerung nach § 29 WHG oder die Festlegung abweichender
Bewirtschaftungsziele nach § 30 WHG. Da der Vier-Phasen-Plan ein über sechs Jahrzehnte
angelegtes Bewirtschaftungsmodell umfasst, das damit weit über den von der WRRL vorgesehenen Zeitraum bis Ende 2027 hinaus geht, ist es sachgerecht, den Vier-Phasen-Plan auf
Grundlage des § 30 WHG zu prüfen56.
Die Voraussetzungen des § 30 WHG sind erfüllt, so dass der Vier-Phasen-Plan mit dem geltenden europäischen und deutschen Gewässerschutzrecht grundsätzlich vereinbar57 ist:

Werra und Weser sind durch menschliche Tätigkeiten so beeinträchtigt oder ihre natürlichen Gegebenheiten so beschaffen, dass die Erreichung der Ziele unmöglich oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre58.

Es steht kein milderes Mittel der Zielerreichung zur Verfügung59. Die Uni Leipzig hat zwei
Öko-Effizienz-Analysen erstellt. In der ersten Studie60 hat die Uni Leipzig u. a. die Nord-
53
Reduzierung am Pegel Gerstungen von 2.500 mg/l auf rund 1.700 mg/l
54
Reduzierung am Pegel Gerstungen auf rund 1.000 mg/l
55
Reduzierung am Pegel Gerstungen auf ca. 800 mg/l
56
Der im Übrigen auch strengeren Voraussetzungen als § 29 WHG hat
57
Vgl. im Einzelnen, Reinhardt, Wasserrechtliche Anforderungen an eine dauerhafte Lösung für die Salzwasserproblematik in Werra und Oberweser, S. 29 ff.
58
Vgl. § 30 S. 1 Nr. 1 WHG
59
Vgl. § 30 S. 1 Nr. 2 WHG
- 11 seepipeline und Oberweserpipeline umfassend analysiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beide Fernleitungen als unverhältnismäßig anzusehen sind. Zudem gibt es
erhebliche genehmigungsrechtliche Bedenken, insbesondere in Niedersachsen.
In einer zweiten Studie61 hat die Uni Leipzig die Ergänzungsleitung zur Oberweser sowie
alternative Varianten wie eine „temporäre Nordseepipeline“ und eine „Streckung der Produktion“ analysiert. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass beide alternative Varianten gegenüber dem Vier-Phasen-Plan als unverhältnismäßig anzusehen sind.
Für eine Eindampflösung62 liegen nach Einschätzung des UBA63 nicht die erforderlichen
belastbaren Grundlagen vor, so dass diese kein für den Bewirtschaftungsplan erforderlicher „Maßnahmenvorschlag mit realer Umsetzungschance“ sei. Zudem würde vorerst nur
das Abwasserproblem in der Produktionsphase bis ca. 2060 gelöst, nicht jedoch die danach noch weiter bestehende Haldenwasserproblematik64.

Weitere Verschlechterungen des Gewässerzustandes werden vermieden65. Im Gegenteil,
der Vier-Phasen-Plan sieht eine sukzessive Verbesserung des Zustandes in Werra und
Weser vor.

Die Festlegung abweichender Bewirtschaftungsziele führt auch nicht zur dauerhaften Zielverfehlung an anderen Stellen in derselben Flussgebietsgemeinschaft66. Die Anforderungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie können eingehalten werden.
60
Uni Leipzig, Öko-Effizienz-Analyse (ÖEA) zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit unterschiedlicher Maßnahmenoptionen zur Umsetzung des Gewässerschutzes Werra/Weser und zum Erhalt der Kaliproduktion im hessischthüringischen Kali-Gebiet, September 2014
61
Uni Leipzig, Öko-Effizienz-Analyse (ÖEA) zur Prüfung des Vier-Phasen-Plans, Februar 2015
62
Siehe auch Fugro Consult, Studie Kali-Südharz-Revier, S. 116: „Bei den Maßnahmenvarianten, die … den Bau
einer Eindampfanlage enthalten, führen die z. T. nicht absehbaren Schwierigkeiten bei der Planung und auch
die zu erwartenden negativen bzw. zum heutigen Zeitpunkt nicht ausreichend abschätzbaren Auswirkungen auf
die Schutzgüter zu einer deutliche schlechteren Einschätzung für die Umsetzbarkeit in der Praxis. .. insbesondere [besteht] auch eine erhebliche Unsicherheit bezüglich der künftigen Verwertung/Entsorgung des Eindampfproduktes (NaCl).“
63
Stellungnahme des Umweltbundesamtes, „Versalzung von Werra und Weser“, Oktober 2014, S. 3 ff.
64
UBA, a. a. O., S. 4
65
Vgl. § 30 S. 1 Nr. 3 WHG
66
Vgl. § 30 S. 2 i. V. m. § 29 Abs. 2 S. 2 WHG
- 12 V. Zusammenfassung
Das Ziel der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, spätestens bis 2027 den guten Zustand für
die Wasserkörper zu erreichen, wird in Deutschland für einige Grundwasserkörper und weitestgehend für die Oberflächengewässer verfehlt werden. Daher werden in weitem Umfang Fristverlängerungen über 2027 hinaus festgelegt oder dauerhafte Ausnahmen in Anspruch genommen werden müssen. Folglich werden die von der Europäischen Kommission vorgesehenen
Ausnahmemöglichkeiten zum Regelfall67.
Industrielle und sonstige Einleitungen in Gewässer werden auch künftig in erheblichem Umfang
u. a. aus wirtschaftlichen Erfordernissen erfolgen müssen. Solche Einleitungen sind grundsätzlich mit dem Wasserhaushaltsgesetz und der europäischen Wasserrahmenrichtlinie vereinbar68.
Auch in der Werra und Weser wird der gute Zustand bis 2027 nicht erreicht werden können,
selbst dann, wenn die Einleitung von salzhaltigen Wässern in die Werra und die Versenkung in
den Untergrund sofort komplett eingestellt würde. Grund hierfür ist u. a. eine größere Zahl anderer „Stressoren“.
Durch die Schließung von Standorten im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands zu Beginn
der 1990er Jahre und umfangreiche Maßnahmen von K+S in der nachfolgenden Zeit ist die
Wasserqualität in Werra und Weser bereits erheblich verbessert worden; weitere Verbesserungen werden bis Ende 2015 durch die Umsetzung des Maßnahmenpakets69 und sollen nachfolgend durch die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Vier-Phasen-Plan erfolgen.
Mit dem Vier-Phasen-Plan, der bis in die Zeit nach Stilllegung der Produktion reicht, liegt eine
realisierbare dauerhafte Lösung der Salzabwasser-Entsorgung im hessisch-thüringischen Kalirevier vor, die zu Süßwasserqualität auch in der gesamten Oberweser und in weiten Teilen der
Werra führt. Der Vier-Phasen-Plan stellt einen angemessenen Ausgleich der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Belangen dar und ist mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und dem Wasserhaushaltsgesetz vereinbar.
67
Siehe Fn. 29
68
So ausdrücklich Generalanwalt Jääskinnen in Rs. C-461/13, Nr. 83 (siehe Fußnote 29)
69
Siehe S. 2
- 13 Anhang
Aktueller Zustand und Phase I bis 2021
- 14 Phase II ab Ende 2021
Phase III ab Ende 2032
Phase IV ab Ende 2060
Stand: Februar 2015