08.12.2015 Jahresrückblick 2015 – und zugleich Ausblick in die kommende Saison Beobachtungszeitraum: 1. April bis 30. November 2015 Einleitung Dies ist kein Newsletter, wie Sie ihn gewohnt sind. Anstelle der üblichen rückblickenden wöchentlichen Statistiken erwartet Sie vielmehr eine retrospektive Analyse des Borkenkäferjahrs 2015 im Pufferstreifen des Nationalparks Schwarzwald. Darin eingeschlossen ist auch die Erläuterung der Zusammenhänge zwischen der Populationsentwicklung von Buchdrucker und Kupferstecher und den Einflussfaktorenfaktoren Witterung, Brutraumangebot sowie Art und Intensität der Gegenmaßnahmen (Kontrolle, Einschlag, Abfuhr etc.). Sie finden hierzu entsprechend aufbereitete Daten aus dem Pufferstreifenmonitoring inkl. der Ergebnisse der Intensivbeobachtungsfläche der FVA im Tonbachtal. Abschließend wird auf der Grundlage dieser Informationen ein Ausblick auf die mögliche Entwicklung im nächsten Jahr gegeben und auf die u. U. daraus resultierenden Auswirkungen für das Borkenkäfermanagement eingegangen. Das Ganze wäre nicht möglich ohne das große Engagement der Forstwirtinnen und -wirte, der Revierleiterinnen und Revierleiter vom Nationalpark Schwarzwald, der Stadt Baden-Baden und der unteren Forstbehörden Freudenstadt, Ortenaukreis und Rastatt. Überblick Das relativ kühle und feuchte Frühjahr 2015 führte zu einem verhältnismäßig späten Ausflug der überwinternden Borkenkäfer. Erste Buchdrucker (Ips typographus) schwärmten im Nordschwarzwald Mitte April und damit durchschnittlich ein bis zwei Wochen später als im Vorjahr aus. Der Hauptflug der Parentalkäfer fand in der ersten Maihälfte (KW 19) statt, die zugehörigen Geschwisterbruten wurden Anfang/Mitte Juni angelegt. Nach einem Kälteeinbruch Ende Mai/Anfang Juni und hohen Niederschlagsmengen bis Mitte Juni herrschten erst ab KW 23 sommerliche Bedingungen, die zur Vervielfachung der Fangzahlen beitrugen und die Käferentwicklung vorantrieben. Die anschließend über acht Wochen anhaltenden hochsommerlichen Temperaturen und die nur sporadisch auftretenden, wenig ergiebigen Niederschläge ab Anfang Juli führten schließlich dazu, dass der Buchdrucker neben zwei regulären Generationen auch die zugehörigen Geschwisterbruten anlegte und damit die für diese Region bisher als Maximum angesehene Anzahl an Bruten absolvierte. Die Brutbilder der Fangbäume zeigten außerdem, dass die Ende August angelegte Geschwisterbrut sich zum Teil bereits Anfang Oktober zu Jungkäfern entwickelt hatte. Es muss daher im Folgejahr mit einer relativ hohen Populationsdichte der Buchdrucker gerechnet werden. Allerdings wird die winterliche Mortalität als regulierender Faktor dienen – deren Ausmaß kennen wir nicht. Daher beobachten wir einen Brutbaum vor und nach dem Winter in einer Höhe von 700 m ü. NN und messen hier die Überlebensrate der einwinternden Borkenkäfer. Im Frühjahr 2016 werden Sie die Ersten sein, die diese Ergebnisse bekommen. Im gesamten Monitoring-Zeitraum wurden wie in den Vorjahren deutlich mehr BuchdruckerWeibchen in den Fallen gefangen. Die im Verhältnis meisten Männchen flogen Anfang April zur Anlage der 1. Generation sowie Mitte Juli zur Anlage der 2. Generation und Anfang bis Mitte September auf der Suche nach geeigneten Überwinterungsplätzen. Abbildung 1: Messen, zählen, wiegen, analysieren: Studenten der Universität Freiburg und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FVA bei der Brutbaumanalyse (Foto John) Der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) bildete im Tonbachtal eine Filialgeneration aus, die wiederum eine zweite Generation anlegte, die im Frühjahr 2016 ausschwärmen wird. Die Fangzahlen der Kupferstecher lagen 2015 allerdings weit unter den Werten des Vorjahrs. Unabhängig davon häuften sich die Meldungen, dass es vor allem in jüngeren Fichtenbeständen im vergangenen Jahr zu primärem Kupferstecherbefall gekommen ist. Die im Pufferstreifen erfassten Stehendbefallsmengen blieben trotz der guten Entwicklungsbedingungen im Hochsommer weit hinter den ebenfalls niedrigen Vorjahreswerten zurück und bewegten sich auf einem unkritischen Niveau. Generell ist allerdings eine Zunahme der Befallsintensität im Spätsommer zu verzeichnen. Witterung Der Witterungsverlauf im Aktivitätszeitraum des Buchdruckers hat einen bedeutenden Einfluss auf dessen Populationsentwicklung und lässt in begrenztem Umfang auch Prognosen auf die Gefährdungslage im Folgejahr zu. Die nachfolgende Analyse der diesjährigen Wetterdaten beinhaltet deshalb neben der retrospektiven Betrachtung auch Hinweise auf mögliche Entwicklungspotenziale im Jahr 2016. Als Grundlage für die vor Ort herrschenden Witterungsverhältnisse werden nachfolgend die DWDKlimastation Freudenstadt (747 mm ü. NN) und das mittlere Messfeld der Versuchsfläche Tonbachtal (740 mm ü. NN) herangezogen. Temperatur Abbildung 2 zeigt die Abweichungen der gemessenen monatlichen Durchschnittstemperaturen vom langjährigen Mittel (1981–2010) für die DWD-Station in Freudenstadt sowie die Intensivmessfläche Tonbachtal-Mitte. Das Jahr 2015 zeichnete sich bisher durch überwiegend über dem Durchschnitt liegende Monatsmitteltemperaturen aus, die insbesondere im Juli und August mit bis zu 3 K Abweichung zu einem sehr warmen Hochsommer führten. Nur der Februar sowie die Monate September und Oktober blieben leicht unterhalb des Durchschnitts. Der November wies hingegen wieder außergewöhnlich hohe Temperaturen auf. Die Messwerte deuten darauf hin, dass auch in der Jahresbilanz 2015 zu den wärmeren Jahren – oberhalb des langjährigen Durchschnitts – zu zählen sein wird. Im Vergleich mit 2014 startete das Frühjahr wesentlich kühler, um dann im Sommer – und damit in der käferrelevanten Zeit – fast durchgängig höhere Temperaturen zu erreichen. Die ab September im Verhältnis niedrigeren Werte hatten allerdings keinen Einfluss mehr auf die Anlage neuer Bruten, da die 2. Generation + zugehöriger Geschwisterbrut bereits in den Bäumen angelegt war. Insgesamt wird sich dieses Jahr im langjährigen Vergleich aller Voraussicht nach bei den wärmeren einordnen. 4 Freudenstadt 2015 Tonbachtal 2015 Temperaturabweichung in K 3 2 1 0 -1 -2 Abbildung 2: Abweichung vom langjährigen Temperaturmittel (1981–2010) für die Stationen Freudenstadt und Tonbachtal-Mitte Niederschlag Aus Abbildung 3 wird die Niederschlagsverteilung im Jahr 2015 bzw. deren Abweichung vom langjährigen Mittel deutlich. 40 Niederschlagsabweichung in % Freudenstadt 2015 Tonbachtal 2015 20 0 -20 -40 -60 -80 -100 Abbildung 3: Abweichung vom langjährigen Niederschlagsmittel (1981–2010) für die Stationen Freudenstadt und Tonbachtal_Mitte Das aktuelle Jahr weist seit Februar durchgängig zu niedrige monatliche Niederschlagsmengen auf, wobei die Monate Februar sowie Juli bis Oktober besonders hervorzuheben sind, da hier nur jeweils zwischen 28 und 63 % der sonst üblichen Niederschlagsmenge fielen. Erst im November erreichten die Regenmengen, zumindest an der Station Freudenstadt, wieder ein normales Niveau. Die Bäume und insbesondere die Fichte als Wirtsbaumart des Buchdruckers zeigten z. T. deutliche Trockenstressreaktionen. Betrachtet man das bisherige Jahr kumulativ, so wird deutlich, dass zum Stichtag 31. Oktober mit 856 mm erst 68 % der sonst zu diesem Zeitpunkt üblichen Menge (1575 mm/a) erreicht wurden. Damit herrschten im überwiegenden Teil der käferaktiven Zeitraums potenziell sehr günstige Entwicklungsbedingungen. Fazit Die hohen Temperaturen im Sommer sowie die damit einhergehende Trockenheit erlaubten es dem Buchdrucker, die für die Region maximal mögliche Anzahl an Generationen anzulegen. Wermelinger et al. (1999) ermittelten in einer Laborstudie die Temperaturen, die die Eiablagerate der Weibchen von I. typographus limitieren: Der untere Schwellenwert liegt bei 7,9 °C, der obere bei 33,7 °C, als Optimaltemperatur wurden 28,9 °C ermittelt. Maximales Populationswachstum, bestimmt durch die Eiproduktion, die Entwicklung, das Geschlechterverhältnis und die Mortalität, ist bei Temperaturenzwischen 25 °C und 30 °C gegeben. Die Witterungsbedingungen im Herbst sorgten dafür, dass fast nur Jungkäfer in die Überwinterung gehen. Deren höhere Überlebenswahrscheinlichkeit wird im Frühjahr für eine hohe Ausgangspopulation sorgen, von der ein entsprechendes Gefährdungspotenzial ausgehen könnte. Dass der Buchdrucker diese Bedingungen nicht bereits in diesem Jahr im erwarteten Maße nutzen konnte, hat wahrscheinlich mehrere Gründe: Eine niedrige Ausgangspopulation, ein unzureichendes Brutraumangebot und intensive Stehendbefallskontrollen sind hier beispielhaft zu nennen. Die gute Arbeit der Claim-Betreuer durch Suche, Erkennung von Befall, Markierung, Aufarbeitung und die rechtzeitige Abfuhr aus dem Wald sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt. Es gab nur wenig schneebzw. sturmbedingtes Brutmaterial aus dem Winter und zu Beginn des Schwärmfluges und der Käferentwicklung waren die Witterungsbedingungen für die Entwicklung des Borkenkäfers, wie oben ausführlich geschildert, nicht sonderlich gut. Zudem gab es hohe Bodenwasservorräte im Frühjahr 2015, im Sommer kam es örtlich zu einigen wenigen, kurzen, allerdings nicht sehr ergiebigen Niederschlägen. Diese waren aber in einem Monatsabstand gleichmäßig verteilt. Ob es im nächsten Jahr tatsächlich zu einer Massenvermehrung kommt, hängt auch davon ab, wie der bevorstehende Winter ausfällt und ob das Frühjahr warm und trocken oder frisch und niederschlagsreich verläuft. Ergebnisse aus dem Monitoring-System im Pufferstreifen Das Monitoring-System im Pufferstreifen des Nationalparks Schwarzwald wurde schrittweise ab April 2014 aufgebaut und setzt sich seit der diesjährigen Käfersaison aus insgesamt 32 auf repräsentativen Standorten im Pufferstreifen installierten Pheromonfallen und der Intensivmessfläche im Tonbachtal, bestehend aus drei über einen Höhengradienten verteilten Versuchsanlagen mit Wetterstation, Fangbaum und ergänzenden Fallennetz zusammen. Betreut und finanziert wird das TonbachtalMonitoring durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Pheromonfallen-Monitoring im Pufferstreifen Die bereits im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Witterungsverhältnisse spiegeln sich auch in den Fangergebnissen des Monitoring-Systems wider. Abbildung 5 zeigt hierzu die gemittelten Fangzahlen aller Fallen in der käferaktiven Zeit von Anfang April bis Ende September. Gleichzeitig ist die wöchentliche Maximaltemperatur abgetragen, da diese maßgeblichen Einfluss auf das Schwärmgeschehen hat bzw. den auslösenden Faktor für dessen Beginn darstellt. Abbildung 4: Messung der Rindentemperatur auf Sonnen- und Schattenseite (Foto John) Klar erkennbar ist der relativ verhaltene Schwärmbeginn in der zweiten und dritten Maiwoche (1), der von den überwinternden Parentalkäfern zur Anlage der ersten Generation genutzt wurde. Etwa drei Wochen später erfolgte dann bereits die Anlage der Geschwisterbrut durch deren Weibchen (2). Aufgrund der äußerst günstigen Bedingungen in einem eng gesetzten Zeitrahmen fiel dieser erneute Schwärmflug wesentlich konzentrierter aus und führte zu höheren wöchentlichen Fangzahlen, als sie der Hauptflug erreichte. Nach einer durchschnittlichen Entwicklungszeit von etwa 8 bis 9 Wochen, einer für die Hochlagen des Nordschwarzwaldes eher kurzen Zeit, begann der Schwärmflug der ersten Filialgeneration (3). Begleitet wurde dieser vom Beginn der bereits genannten zweimonatigen Hochsommerphase, in dertlw. Maximaltemperaturen erreicht wurden, die selbst im wöchentlichen Mittel die 30-°C-Marke überschritten. Diese anhaltend günstigen Bedingungen führten Mitte Juli mit der Anlage der zugehörigen Geschwisterbrut zum Aktivitätsmaximum der diesjährigen Käfersaison (4), bei dem innerhalb einer Woche durchschnittlich mehr als 3500 Käfer pro Falle gefangen wurden. Dabei gab es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Standorten. So wurden im Bereich des Hohen 4000 35,0 3500 30,0 3000 25,0 2500 20,0 2 2000 4 3 15,0 5 1500 1 10,0 1000 6 mittlere Tagesmaximaltemperatur in °C Fangzahlsumme aller Fallen (32 Fallen) Ochsenkopfes tlw. mehr als 9000 Käfer in einer Falle gezählt, während bspw. im Langenbachtal zur selben Zeit die Fangzahlen nur knapp oberhalb der 2000 lagen. Hier wird deutlich, wie wichtig das aufgebaute engmaschige Fallennetz ist, um regionale bzw. lokale Unterschiede in Dichte und Aktivität der Buchdruckerpopulationen im Pufferstreifen zu identifizieren und ggf. im Rahmen des Borkenkäfermanagements mit einer entsprechenden Prioritätensetzung zu reagieren. 5,0 500 0 0,0 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 April Mai Juni Juli August September Abbildung 5: Schwärmverlauf sowie korrespondierende wöchentliche durchschnittliche Maximaltemperatur der Käfersaison 2015 im Pufferstreifen des Nationalparks Schwarzwald (Mittel aus 32 Fallen) Im August treten häufig sehr viele verschiedene Entwicklungsstadien des Buchdruckers gleichzeitig in den Beständen auf. Die reguläre Generation überschneidet sich mit Geschwister- und Folgebruten und die Besiedlung verläuft etwas langsamer, was letztendlich auch die Ansprache der frühen Befallsmerkmale erschwert. Begünstigt durch die weiterhin guten Schwärmbedingungen kam es in diesem Jahr zudem nicht zu einer ausgeprägten Schwärmspitze in besagtem Zeitraum (5). Dennoch ist erkennbar, dass sich die zweite Generation vollständig entwickelt hat und auch deren Geschwisterbrut in weiten Teilen noch vor Winterbeginn zu Jungkäfern heranreifen wird. Ab Anfang September (6) lässt die Schwärmaktivität erwartungsgemäß stark nach, da ab diesem Zeitpunkt die für die Brutstimulation erforderliche Tageslichtlänge von ca. 13,5 Stunden nicht mehr erreicht wird. Unterwegs sind dann vor allem Jungkäfer auf der Suche nach geeigneten Überwinterungsplätzen. Intensivmessfeld Tonbachtal Ursprünglich hauptsächlich zur Validierung des Phänonologiemodells Phenips eingerichtet, stellt die Versuchsanlage mittlerweile eine wertvolle Säule des Monitoring-Systems im Pufferstreifen dar. Abbildung 6: Buchdrucker-Schwärmverlauf auf dem Intensivmessfeld der FVA im Tonbachtal Exemplarisch zeigt Abbildung 6 den diesjährigen Schwärmverlauf des Buchdruckers auf den drei Messfeldern im Tonbachtal. Erwartungsgemäß gleicht der Aktivitätsverlauf weitestgehend dem, der auch bei den Fallen im Pufferstreifen (Abbildung 5) verzeichnet wurde. Die Intensität differenziert sich allerdings über dem angelegten Höhengradienten. So weisen die mittlere (745 m) und obere (859 m) Fläche wesentlich höhere Fangzahlen auf als das am niedrigsten gelegene Messfeld. Weitere ausgewählte Ergebnisse Fangzahlvergleich 2014 und 2015 Buchdrucker und Kupferstecher Der Vergleich von Schwärmverläufen unterschiedlicher Jahre lässt in begrenztem Maße Rückschlüsse auf das mögliche Entwicklungspotenzial im Folgejahr zu. Zwar sind eine Vielzahl ebenfalls zu berücksichtigender Einflussfaktoren äußerst dynamisch und nicht genau vorhersagbar, dennoch erlaubt bspw. der jahreszeitliche Verlauf der Käferaktivität Aussagen hinsichtlich der Größe der überwinternden Population und damit des grundsätzlichen Stehendbefallsrisikos im Folgejahr. Buchdrucker In Abbildung 7 sind die wöchentlichen Fangzahlen der mittleren Versuchsfläche im Tonbachtal für die Jahre 2014 und 2015 aufgetragen. Deutlich erkennbar ist der witterungsbedingte Unterschied im unterjährigen Schwärmverlauf. 2014 sorgte vor allem das trocken-warme Frühjahr für außergewöhnliche gute Bedingungen und führte zu einem frühen Aktivitätsmaximum Mitte Mai. Der darauf folgende kühle und feuchte Sommer bremste allerdings die weitere Entwicklung erheblich aus und die Buchdruckeraktivität erreichte bis zum Ende der Saison nicht mehr das anfängliche Niveau. 9.000 Fangzahl (Mittelwert aus 3 Fallen) 8.000 2014 2015 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 März April Mai Juni Juli August September Abbildung 7: Vergleich der mittleren absoluten Buchdrucker-Fangzahlen der Jahre 2014 und 2015 für das Versuchsfeld Tonbachtal - mitte 2015 hingegen begann für den Käfer unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen und die aus der Überwinterung kommende Parentalgeneration hatte nicht die Möglichkeit einen ausgeprägten Schwärmflug zu absolvieren. In der Folge blieb auch der damit einhergehende Stehendbefall aus. Allerdings änderten sich die Bedingungen ab Ende Juni sehr zu Gunsten des Buchdruckers. Eine relativ lange niederschlagslose Periode führte in Kombination mit sehr hohen Temperaturen zu einer intensiven Schwärmaktivität im Juli und damit zur Kulmination der wöchentlichen Fangzahlen in diesem Zeitraum. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 2014 vor allem die 1. Generation gute Entwicklungsbedingungen vorfand, sich dieser Trend im Sommer jedoch nicht fortsetzen konnte. Im Ergebnis kam es häufig nicht einmal zur Anlage einer 2. Generation bzw. konnte diese nicht alle Larvenstadien durchlaufen und die Dichte der überwinternden Käfer blieb entsprechend gering. Völlig anders hingegen die Situation 2015. Zwar begann die Käfersaison sehr verhalten, nicht zuletzt auch wegen der eben beschriebenen Ausgangslage, allerdings baute sich die Population im weiteren Jahresverlauf immer weiter auf und die 2. Generation + Geschwisterbrut konnte sich fast optimal entwickeln. Die in die Überwinterung gehenden Käfer werden somit aller Voraussicht mit einer wesentlich höheren Ausgangsdichte in die Saison 2016 starten, als dies im Frühjahr 2015 der Fall war. Das Risiko für eine Massenvermehrung, zumindest jedoch eine erhebliche Zunahme der Befallsintensität steigt damit deutlich an. Letztendlich ist jedoch erst im nächsten Frühjahr eine gesicherte Aussage unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren möglich. Kupferstecher Die Unterschiede beim Kupferstecher stellen sich im Vergleichszeitraum wesentlich dramatischer dar, als bspw. beim Buchdrucker (Abbildung 8). 2014 hatte zwar auch dieser Ende April und Mitte Mai jeweils ein hohes Aktivitätsniveau, allerdings wird der Kulminationspunkt erst Anfang Juni erreicht. Bedingt durch die geringere jährliche Generationenzahl in dieser Höhenlage wurde zudem im August nur noch eine sehr geringe Schwärmaktivität festgestellt. 90.000 Fangzahl (Mittelwert aus 3 Fallen) 80.000 2014 2015 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 März April Mai Juni Juli August September Abbildung 8: Vergleich der mittleren absoluten Kupferstecher-Fangzahlen der Jahre 2014 und 2015 für das Versuchsfeld Tonbachtal - mitte Im Jahr 2015 verlief der erste Hauptschwärmflug im Frühjahr äußerst verhalten. Das Aktivitätsmaximum wurde dann Anfang Juni erreicht, bewegte sich aber auf einem recht bescheidenen Niveau. Im Gegensatz zum Buchdrucker blieb es in diesem Jahr allerdings bei dieser eingipfeligen Kurfe und bereits im Juli brachen die Fangzahlen, trotz nahezu optimaler Bedingungen, geradezu ein. Die maßgeblichen Unterschiede zwischen den betrachteten Jahren liegen hauptsächlich in der Schwärmintensität, die 2015 bei dieser Versuchsfläche nur etwas mehr als 9% der Vorjahresfangzahlen erreicht. Bei den beiden anderen Flächen (oben und unten) war die Differenz nicht ganz so hoch, mit ca. 15% (unten) bzw. 25% (oben) war aber eine ähnliche Entwicklung festzustellen. Diese Ergebnisse lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass der Kupferstecher hier generell im Rückgang begriffen ist. Dem widersprechen bspw. auch gehäufte Meldungen aus dem Nationalparkumfeld über verstärkten Stehenbefall der ursächlich eben auf diese Art zurückzuführen war. Vielmehr ist anzumerken, dass sich die Versuchsparzellen auf den Sturmschadflächen befinden, die 2012 bei dem über das Tonbachtal hereingebrochenen lokalen Sommersturm entstanden sind. Mittlerweile befindet sich dort allerdings kaum noch bruttaugliches Material und die begrenzte Reichweite der Fallen begründet zumindest tlw. den festgestellten Rückgang bei den Fangzahlen. Geschlechterverhältnis Aus dem Geschlechterverhältnis der in den Fallen gefangenen Käfer lassen sich eine Vielzahl an Informationen gewinnen, die u. a. auch für das Borkenkäfermamagent von Bedeutung sind. So können bspw. Rückschlüsse gezogen werden, ob sich die Population im Aufbau befindet oder welche Phase der Käferaktivität aktuell erreicht ist. In Abbildung 9 ist das Geschlechterverhältnis der Käfersaison 2015 exemplarisch für das Messfeld Tonbachtal mitte dargestellt und zur besseren Gegenüberstellung sind zudem die wöchentlichen Fangzahlen der dortigen Fallen abgetragen. Methodisch ist so vorgegangen worden, dass aus den gefangenen Käfern zufällig jeweils 50 Exemplare ausgewählt und anschließend differenziert wurden. 100% 6000 weiblich 90% männlich Fangzahl 5000 mittlere Fangzahl pro Falle Geschlechterverhältnis 80% 70% 4000 60% 50% 3000 40% 2000 30% 20% 1000 10% 0% 0 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 April Mai Juni Juli August September Abbildung 9: Geschlechterverhältnis der in den Fallen gefangenen Buchdrucker des Versuchsfeldes Tonbachtal - mitte Gut erkennbar ist der mit gewissen Schwankungen über die ganze Käfersaison anhaltende Überhang weiblicher Buchdrucker. Letztendlich gab es 2015 nur eine Woche in der die Zahl der Männchen die der Weibchen überwog. In der 28. Woche betrug das Verhältnis 60% zu 40 % und fiel damit zugunsten Ersterer aus. Insgesamt variierten die Anteile der weiblichen Buchdrucker im Jahresverlauf zwischen 40 % und 94 %, wobei im Mittel aller Wochen ein Wert von 75 % erreicht wurde. Zwar paart sich ein Männchen in der Regel mit mehreren Weibchen, dennoch ist ein solcher Überhang ein Indiz für eine sich aufbauende Population. Der höchste Anteil an Buchdruckermännchen wurde am Beginn und am Ende der Käfersaison verzeichnet, sowie in der bereits genannten Hochphase Mittel Juli. Da sich die Männchen als Pionierkäfer zuerst einbohren und erst nach erfolgreichem Versuch die entsprechenden Aggregationspheromone produzieren, lässt sich zumindest der höhere Anteil am Jahresbeginn erklären. Die klare Abgrenzung der Generationen und insbesondere der Geschwisterbruten, die ausschließlich von den Weibchen angelegt werden, ist anhand der vorliegenden Zahlen leider nicht möglich. U. U. ist auch die leerungsintervallbedingte wöchentliche Aggregierung der Käferfänge für diese Fragestellung noch zu ungenau. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Pheromonfallen vom Typus „Landefalle“ nach Literaturangaben typbedingt mehr Buchdrucker-Weibchen als Männchen fangen. In der Regel ist daher dennoch von einem Geschlechterverhältnis von 1:1 auszugehen. Ein Weibchen legt durchschnittlich 60 Eier. Bei einem Geschlechterverhältnis von 1:1 verdreißigfacht sich somit die Population theoretisch innerhalb einer Generation. Befallsgeschehen Pufferstreifen Trotz der guten Entwicklungsbedingungen für den Buchdrucker, insbesondere in der 2. Jahreshälfte, kam es im Pufferstreifen nicht zudem befürchteten Anstieg der Käferholzmengen. Das verdeutlichen auch die in Tabelle 1 dargestellten Kenngrößen. Tabelle 1: Wichtige Kenngrößen der Befallsentwicklung im Pufferstreifen des Nationalparks Schwarzwald Ergebnisse der terrestrischen Stehendbefallskontrolle Jahreskäferholzmenge zum 26.11.2015 durchschn. Befallsherdgröße maximale Befallsherdgröße 750 Bäume / 1123 m³ 5 Bäume / 7 m³ 25 Bäume / 50 m³ Die intensive Stehendbefallssuche zeigte Wirkung. Mit einer durchschnittlichen Größe von 5 Bäumen waren die erkannten Befallsherde relativ klein, was auf die Entdeckung in einem relativ frühen Stadium schließen lässt. Die Gesamtmenge der erfassten Stehendbefälle beläuft sich auf 1123 m³. Dies entspricht auf den gesamten Pufferstreifen übertragen einer Menge von etwa 0,3 m³ pro Hektar. Im Vergleich zum Vorjahr, welches mit ca. 3000 m³ ebenfalls eine äußerst niedrigen Käferholzanfall zu verzeichnen hatte, kam er zu einem erheblichen Rückgang und damit dem niedrigsten Wert seit Nationalparkgründung. Abbildung 10: Einsatz bei jedem Wetter: im Winter werden die Toughpads getestet, damit sie im Frühjahr und Sommer funktionieren (Foto John) 180 160 100000 Fangzahlsumme Schadholzmenge 80000 140 120 100 60000 80 40000 60 40 20000 Käferholzmenge in m³ Fangzahlsumme aller Fallen (32 Fallen) 120000 20 0 0 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 April Mai Juni Juli August September Abbildung 11: Gegenüberstellung der wöchentlichen Fangzahlen aller Fallenstandorte und der im Pufferstreifen angefallenen Käferholzmenge Bedingt durch den sehr heißen und trockenen Sommer fiel das meiste Käferholz in den Monaten Juli und August an (Abbildung 11). Allein im letztgenannten Monat waren es fast 46 % der Gesamtjahresmenge. In der Abbildung zeigt sich allerdings auch, dass es im Vergleich zur Schwärmaktivität zu einer zunehmenden Verzögerung kam bis der Befall entdeckt wurde. Dies kann unter anderem dadurch erklärt werden, dass es im fortschreitenden Jahresverlauf immer schwieriger wird die frühen Befallsmerkmale wie Bohrmehl oder Harztropfen sicher anzusprechen. Häufig finden sich mehrere Entwicklungsstadien gleichzeitig im Bestand und die Besiedelung der Wirtsbäume verlief, bedingt durch die relativ geringe Populationsdichte, langsamer als dies bspw. bei hohem Befallsdruck zu erwarten gewesen wäre. Staatswald Baden-Württemberg Im Staatswald ist ein ähnlicher Verlauf des Käferholzanfalls zu verzeichnen wie im Pufferstreifen des Nationalparks. Die Mengen konzentrieren sich fast vollständig auf die zweite Jahreshälfte und hier vor allem auf die Monate September und Oktober. Allerdings muss beachtet werden, dass es sich im Gegensatz zum Pufferstreifen um Zahlen aus der Holzbuchführung handelt, die erfahrungsgemäß etwas verzögert Eingang in die Statistiken finden. Die Pufferstreifendaten hingegen werden vor Ort im Bestand unmittelbar nach Entdeckung des Stehendbefalls erfasst, stellen deshalb aber auch Schätzungen dar. 50.000 45.000 2014 2015 Käferholz in m³ 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 Abbildung 12: Käferholzmengen in den Jahren 2014 und 2015 im Staatswald Baden-Württembergs Insgesamt beläuft sich die in diesem Jahr bisher im Staatswald erfasste Käferholzmenge auf ca. 111.000 m³. Das entspricht in etwa dem 1,5fachen des Vorjahreswertes. Es handelt sich jedoch nicht um einen generellen Anstieg. Vielmehr entfällt der größte Teil auf die Regionen des Landes die im Frühjahr von Sturmtief „Niklas“ betroffen waren (Ravensburg, Biberach, Ostalbkreis) und die jetzt überproportional hohe Käferholzmengen beisteuern. Der Rest des Landes bewegt sich auf einem ähnlich unkritischen Niveau wie der Puffertreifen, ist also weit von den Mengen entfernt die bspw. in den Jahren 2001 bis 2006 angefallen sind. Anders verhält es sich beim Sturmholz. Hier hat sich die Menge im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht und liegt aktuell bei etwas mehr als 270.000 m³. Da sowohl nicht aufgearbeitetes Sturmholz selbst als auch die infolge solcher Ereignisse entstehenden Bestandeslücken die Gefahr einer Massenvermehrung erheblich verstärken, müssen diese Bereiche im nächsten Jahr besonders aufmerksam beobachtet werden. Prognose und Fahrplan 2016 Was ist 2016 zu erwarten? Aus den einzelnen Abschnitten beschriebenen Teilaspekten wird der zu erwartende Entwicklung bereits deutlich. Auf Grund der nahezu optimalen Entwicklungsbedingungen in den letzten Monaten ist die in die Überwinterung gegangene Buchdruckerpopulation groß. Hinzu kommt, dass kaum noch anfällige weiße Stadien vorhanden sind und fast ausschließlich Jungkäfer nach vollzogenem Reifungsfraß überwintern, welche generell eine wesentlich geringere Wintermortalität aufweisen. Damit ist eines der für eine mögliche Massenvermehrung maßgeblichen Kriterien erfüllt. Schwieriger einzuschätzen sind die ebenfalls einflussnehmenden Faktoren wie die Witterungsbedingungen in Winter und Frühjahr – ggf. der daraus resultierende Wirtswiderstand –, die Menge an verfügbarem Brutmaterial und winterliche Mortalität durch Antagonisten. Erst wenn alle Kriterien im Zusammenspiel zu günstigen Entwicklungsbedingungen für den Borkenkäfer führen, besteht die Gefahr eine Massenvermehrung. Naturgemäß sind diese Einflussfaktoren allerdings sehr dynamisch und können nur mit kurzen Vorlaufzeiten prognostiziert werden, sodass erst im nächsten Frühjahr verlässliche Aussagen getroffen werden können ob von der überwinternden Population tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Nichts desto trotz sollte im Rahmen des Borkenkäfermanagements alles unternommen werden, um zumindest die beeinflussbaren Größen auf einem für den Borkenkäfer möglichst ungünstigen Zustand zu halten. Dazu zählt bspw. die Sanierung sämtlichen bruttauglichen Materials aus Schneebrüchen und Winterstürmen vor Beginn der Käfersaison und die intensive Kontrolle der Bestände bereits ab dem Flug der ersten Käfer. Ein besonderes Augenmerk sollte auch auf den diesjährigen Befallsherden liegen, insbesondere auf denen die der 2. Generation bzw. ihrer Geschwisterbrut zuzurechnen sind und die erst relativ spät entdeckt wurden. Was ändert sich, was bleibt? Das Jahr 2015 war mit dem ersten Durchlauf des neuen Verfahrens zur Stehendbefallskontrolle quasi auch ein Testlauf. Das gilt in gleichem Maße für das begleitende Monitoring. Im Großen und Ganzen verlief die Käfersaison erfolgreich. Im Rahmen einer Evaluierung konnten dennoch Bereiche mit Optimierungsbedarf identifiziert werden. Es hat sich gezeigt, dass die vom Hersteller angegebene Wirkungsdauer der Pheromondispenser gerade in den sehr warmen Monaten Juli und August zum Teil deutlich unterschritten wurde. Dies führte dazu, dass von den betroffenen Fallen keine Lockwirkung mehr ausging und entsprechende Fangergebnisse für diesen Zeitraum fehlen bzw. fehlerhaft sind. Für den Aufbau langfristiger verlässlicher Zeitreihen ist das problematisch, zumal der genaue Zeitpunkt des Ausfalls häufig nicht sicher bestimmt werden kann. Mit Beginn der Käfersaison werden deshalb feste Wechselintervalle durch die Abteilung Waldschutz der FVA vorgegeben und über den wöchentlich erscheinenden Newsletter kommuniziert. Die Pheromone selbst müssen aber weiterhin in Eigenregie durch die Betriebe beschafft werden. An dieser Stelle sei auf die Möglichkeit der Sammelbestellung hingewiesen, bei der erhebliche Rabatte möglich sind. Bei einem Wechselturnus von durchschnittlich 6 Wochen werden pro Falle mindestens vier Dispenser benötigt! Bitte achten Sie darauf, dass ab Anfang April eine Bestückung der Fallen sichergestellt ist. Der Borkenkäfer-Newsletter wird auch 2016 in der gewohnten Weise fortgesetzt. Neben der retrospektiven Bewertung des abgelaufenen Betrachtungszeitraums werden eine Prognose für die unmittelbare Zukunft und entsprechende Handlungsempfehlungen enthalten sein. Außerdem wird es in unregelmäßigen Abständen wieder Hintergrundinformationen rund um den Borkenkäfer geben. Perspektivisch ist aber die schrittweise Integration in ein internetbasiertes Borkenkäferportal vorgesehen. In eigener Sache Ein frohes Weihnachtsfest und eine gesundes neues Jahr! wünscht das Borkenkäferteam der FVA verantwortlich für diesen Newsletter: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg Abteilung Waldschutz Wonnhaldestraße 4 D-79100 Freiburg i. Br. Tel.: +49 761/4018-220; Fax: -33 Zitierte Literatur bei den Autoren zu erhalten: [email protected] Abbildung 13: Stehendes Totholz im Nationalpark. Lebensgrundlage tausender Arten von Tieren, höheren Pflanzen, Pilzen, Flechten und Algen … (Foto John)
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