SPÄTNEUHOCHDEUTSCH Aufgabe 2 Sicks Text deckt ein relativ breites Spektrum ab. Er soll sowohl informativ (sehr deutlich allein durch die Liste der Präpositionen) als auch unterhaltsam wirken. Viele Schüler/innen werden bei anfänglichen Entscheidungsschwierigkeiten aufgrund der sprachlich-stilistischen Gestaltung vermutlich den Faktor der Unterhaltung in den Vordergrund stellen. Aufgabe 3 Die Schüler/innen könnten sich auf folgende stilistische Mittel und Beispiele beziehen: • Aussagen im Dialekt: – „Die Bayern haben‘s net so mit dem Wes-Fall (Woos is des?).“ (Zn 9/10) • ironische Unverhältnismäßigkeit von Bezügen und Vergleichen: – „das gute Recht eines jeden Volksstammes, sich außer seiner Regierung auch seine eigene Grammatik zu wählen“ (Zn 2/3) – „sie lieben den Dativ wie das Weißbier und die Blasmusik“ (Zn 10/11) – „verzieh man der Sängerin auch gerne den dritten Kasus“ (Zn 11/12) • ironisch überhöhte Bildsprache / insbesondere Kriegs- und Kampfmetaphorik / Personifikation des Genitivs – „Traktat zugunsten des zweiten Falles“ (Z. 5) – „genitivfeindlicher Tiefschlag“ (Z. 13) – „Im Sängerkrieg der Schlagerbarden ist der Genitiv unterlegen. Muss man ihn unter Artenschutz stellen? Einen Verein zu seiner Rettung ins Leben rufen?“ (Zn 26–28) – „Führt der Genitiv nur noch Rückzugsgefechte? […] Er versteht es durchaus, sich zu wehren, und macht sogar Anstalten, fremdes Terrain zu erobern.“ (Zn 39–43) – „Im Falle der Präposition „trotz“ ist dem Genitiv die feindliche Übernahme gelungen …“ (Z. 50) Eike Christian Hirsch: Gnadenlos gut – Ausflüge in das neue Deutsch Text 1: „Kunigunde, ich schwömme“ Text 2: „Klar ist das möglich!“ Text 3: „Sie trägt jetzt kurz“ Text 4: „Auf Ihren Gesundheitszustand“ Schülerarbeitsbuch S. ? Aufgabenstellung • Analyse der in den Texten beschriebenen Entwicklungstendenzen der deutschen Sprache • Suche nach Begründungen • Charakterisierung der Phänomene unter sprachökonomischen Aspekten Hinweise zum Unterricht Die Texte bzw. Textauszüge von Eike Christian Hirsch verdeutlichen, dass es stellenweise gegenläufige Tendenzen in der deutschen Sprache der Gegenwart gibt. Deutlich ausgeprägt ist das Streben nach Sprachökonomie, nach kurzer und konzentrierter Ausdrucksweise. Stellenweise ist aber auch ein Trend zu längeren, analytischen Formen (z. B. zur Umschreibung des Konjunktivs mit „würde“) oder unnötig langen Wortbildungen (Komposita) zu beobachten. © Brinkmann Meyhöfer 13 14 Die Gründe hierfür sind vielfältig. Für die analytische Umschreibung des Konj. Prät. mit „würde“ in indirekter Rede und Konditionalgefügen werden im Allgemeinen drei Ursachen genannt: • Formen des Konj. Prät. der starken Verben werden als veraltet oder gestelzt empfunden (schwömme, böte, gewönne, böge, lüde, erschüfe etc.) • sind in der Unterscheidung zum Präs. Ind. lautlich undeutlich (gäbe – gebe, sähe – sehe) • bei den schwachen Verben stimmen sie mit dem Prät.Ind. überein (schaute, arbeitete, lachte) Insbesondere in der indirekten Rede spielt der Konjunktiv eine wichtige Rolle, da er auch ohne ausdrückliche Umschreibung („wie sie meint“, „angeblich“ etc.) ermöglicht, Distanz gegenüber dem Geäußerten auszudrücken. Im Schriftdeutsch bietet sich der Gebrauch des synthetischen Konjunktivs aus stilistischen und sprachökonomischen Gründen an. Die Bildung von Komposita und Mehrfachkomposita dient im Wesentlichen sprachlicher Verkürzung, besonders in technischen, wissenschaftlichen und behördlichen Fachsprachen. Mit der Tendenz starker Nominalisierung geht die Bildung kurzer (oft parataktischer) Sätze einher; Nebensätze oder längere Attribute können eingespart werden (Drehzahlbegrenzer: Mechanismus, der die Drehzahl eines Motors begrenzt; Konjunkturprogramm: Programm zur Regelung der Konjunktur). Hirsch aber greift das Phänomen unnötig aufgeblähter Komposita auf, das häufig auf wichtigtuerischen Motiven beruhe. Lösungsvorschlag Text 1 Kunigunde, ich schwömme Text 2 Klar ist das möglich! Text 3 Sie trägt jetzt kurz Text 1 Auf Ihren Gesundheitszustand Entwicklungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache Gründe für diese Tendenzen Sprachökonomische Aspekte Vordringen der analytischen Konjunktivumschreibung mit „würde“ auf Kosten der synthetischen Formen / Entwicklung eines „Einheitskonjunktivs“ Vermeidung veralteter, befremdlicher oder falsch klingender Formen des Konjunktivs längere Formen, ggf. Wiederholungen / Häufung von „würde“ Verschmelzung von Alltagsrede und Schriftsprache / Annäherung der geschriebenen an die gesprochene Sprache, illustriert an Beispielen nachgestellter, eingeschobener und vorangestellter Wendungen wie „klar“, „sicher“, „logisch“, „und ob“, „keine Frage“ etc. knappe Bekräftigung des Gesagten / Vermeidung umständlicher und überflüssiger Formulierungen syntaktische Verkürzung, Einsparen von Neben- und Hauptsätzen Weglassen von (präpositionalen) Objekten / stellenweise Verwendung von sprachlichen Stellvertretern wie „so“ / „vielleicht“ a. Vermeidung umständlicher, überflüssiger Zusätze b. bewusst vage gehaltene Formulierungen Verkürzung, z.T. aber auf Kosten sprachlicher Klarheit und Prägnanz Zunahme von Komposita „Imponiergehabe“, „Wichtigtuerei“, Demonstration von „Kennerschaft“ / Fachwissen Unnötig lange Formen / sprachlich unökonomisch © Brinkmann Meyhöfer
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