Inhaber, Herausgeber, Hersteller und Redaktion: Österreichische Ärztekammer Pressestelle M EDIENDIENST DER ÖSTERREICHISCHEN ÄRZTEKAMMER A-1010 Wien, Weihburggasse 10-12 Telefon 01/51406–3312 DW mail: [email protected] PRESSEKONFERENZ Thema: Primärversorgung 2020 Die Alternative der Ärztekammer Teilnehmer: Dr. Johannes Steinhart Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer Zeit: Dienstag, 23.02.2016, 10.00 Uhr Ort: Österreichische Ärztekammer Veranstaltungszentrum, 1. Stock, Saal 4 Weihburggasse 10-12 1010 Wien Die Österreichischen Ärztinnen und Ärzte Aktiv für Ihre Gesundheit „Primärversorgung 2020“ – Die Alternative der Ärztekammer Die Österreichische Ärztekammer hat heute ein neues Konzept „Primärversorgung 2020“ vorgestellt. „Dieses wurde von Ärzten erarbeitet. Also von Praktikern der Gesundheitsversorgung, die den Bedarf der Patienten sehr gut kennen und beurteilen können, welche Ansprüche an eine gut funktionierende Primärversorgung zu stellen sind“, sagte Dr. Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, auf einer Pressekonferenz in Wien. „Primärversorgung 2020“ ist ein konkretes, flexibles Modell für eine Weiterentwicklung der allgemeinmedizinischen Primärversorgung. „Patienten erhalten damit die Möglichkeit, sich unter diesen vielfältigen Optionen der Primärversorgung die auszusuchen, die ihren persönlichen Vorstellungen und ihrem Gesundheitszustand am besten entspricht“, so Steinhart. „Und sie verlieren dabei nicht ihren Hausarzt und profitieren von längeren Ordinationszeiten.“ Hausarzt, Gruppenpraxis, Erweiterte Gruppenpraxis „Primärversorgung 2020“ beruht auf dem Konzept Hausarzt, Gruppenpraxis mit zwei oder mehreren Partnern, Erweiterte Gruppenpraxis. Ein Eckpfeiler ist dabei die Vernetzung von Gesundheits-Einrichtungen, die nach den jeweiligen regionalen Bedingungen abzustimmen ist. „In jeder Einrichtung der Primärversorgung wird ein definiertes MindestLeistungsspektrum angeboten. Je nach dem Ausmaß der Öffnungszeiten, der Vernetzung mit anderen Einrichtungen, der Breite des medizinischen Leistungsangebots oder der Ausbildung von Nachwuchsmedizinern muss auch die Finanzierung durch die Krankenkassen bzw. des Bundeslandes variieren“, führt Steinhart aus. „Weil ein höheres Leistungsangebot in einer Praxis auch einen höheren Aufwand und höhere Kosten und Investitionen bedeutet, muss natürlich einem Mehr an Leistung auch eine dementsprechende Finanzierung gegenüberstehen. Insgesamt sollte auch hier das Prinzip ‚Geld folgt Leistung‘ angewandt werden.“ Steinhart: „Primärversorgung findet ausschließlich im Rahmen des Gesamtvertrages statt, des Kollektivvertrages für Kassenärzte, der zwischen der Ärztekammer und den Sozialversicherungen abgeschlossen wird.“ Für die Erweiterte Gruppenpraxis, aber auch für die regional vernetzten Ordinationen können mobile Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Ernährungsberater, Wundmanager, Ordinationsmanager etc. vom Arzt beschäftigt und/oder von der Gemeinde, den Ländern oder den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. „Ein weiterer Vorteil dieser Zusammenarbeitsformen wären erweiterte Öffnungszeiten sowie die Übernahme von Leistungen aus den Spitalsambulanzen“, so Steinhart. Ein wesentlicher Eckpfeiler von „Primärversorgung 2020“ ist die Vernetzung. „Diese ist nach den jeweiligen regionalen Gegebenheiten abzustimmen, wird also in einer größeren Stadt anders aussehen als in ländlichen Regionen mit langen Wegstrecken zwischen den Institutionen“, führt Steinhart aus. 2016-02-23_PK_Primärversorgung 2020 Seite 2 Beispiel: Vernetzung styriamed.net in Versorgungsregionen im ländlichen Raum à la In ländlichen Regionen wird die Vernetzung gesundheitlicher Angebote an die jeweiligen demografischen und geografischen Bedingungen anzupassen sein. Durch die oft größeren Distanzen wird häufig die elektronische Vernetzung einen hohen Stellenwert haben. Ein gut gelungenes Beispiel ist Styriamed.at. Damit wurden in der Steiermark Allgemeinmediziner und Fachärzte mit und ohne Kassenvertrag sowie Spitalsärzte in einer Art „virtueller Gruppenpraxis“ vernetzt. In einigen Regionen sind bereits auch andere Gesundheitsberufe vertreten. Mit Zustimmung des Patienten kommen alle Befunde direkt zum Hausarzt, der so gezielt alle Phasen der Behandlung „managen“ kann. Auch lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin lassen sich oft dadurch vermeiden, dass die Ärzte untereinander rasch und unbürokratisch über eine „Hotline“ freie Kapazitäten abklärten. Dieses bewährte Modell soll weiter ausgebaut werden, und die dabei gemachten Erfahrungen werden zu seiner ständigen Optimierung beitragen, was auch Vernetzungsmodellen in anderen Regionen zu Gute kommen wird. 2016-02-23_PK_Primärversorgung 2020 Seite 3 Beispiel: Vernetzung Ordinationszeiten im „Grätzel“ optimiert Abstimmung, Kooperation, Im städtischen Raum kann eine Vernetzung im „Grätzel“ zu einer Optimierung der Versorgung beitragen. Ein „Grätzel“ kann, je nach Größe, einen Bezirk umfassen oder Bezirks-übergreifend sein. Steinhart: „Die Einbeziehung des Ärztefunkdienstes und damit die 24 Stunden Betreuung der Patienten müssen gewährleistet sein.“ Es bestehen derzeit auf informeller Ebene bereits lokale Netzwerke von Allgemeinmediziner-Ordinationen, die eng zusammen arbeiten. „Weil es hier vertragliche Restriktionen gibt, arbeiten wir derzeit an einer formalen Ausformung“, sagt Steinhart. Voraussetzungen für die Umsetzung von „Primärversorgung 2020“ „Erforderlich für die Umsetzung von ‚Primärversorgung 2020‘ sind flexible Formen der ärztlichen Zusammenarbeit, etwa Time-Sharing-Praxen, eine Lockerung der VertretungsBestimmungen sowie angemessene Bereitschaftsdienst-Modelle“, erklärt Steinhart. „Damit wird auch den individuellen Lebensumständen von Ärzten Rechnung getragen und zum Beispiel eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie ermöglicht.“ Um „Primärversorgung 2020“ zu verwirklichen, müssen lediglich punktuelle Änderungen im Ärztegesetz und im ASVG vorgenommen werden. Ein eigenes PHC-Gesetz ist nicht erforderlich. (bk) 2016-02-23_PK_Primärversorgung 2020 Seite 4 Statement Dr. Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer Die Österreichische Ärztekammer stellt ein neues Konzept „Primärversorgung 2020“ vor. Dieses wurde von Ärzten erarbeitet. Also von Praktikern der Gesundheitsversorgung, die den Bedarf der Patienten sehr gut kennen und beurteilen können, welche Ansprüche an eine gut funktionierende Primärversorgung zu stellen sind. Jenen also, die tagtäglich tausendfach „live“ miterleben, wo der Schuh drückt. Was in der österreichischen PHC-Debatte bisher schlecht gelaufen ist Bitte lassen Sie mich, bevor ich Ihnen die Details von „Primärversorgung 2020“ vorstelle, einige prinzipielle Aspekte klarstellen: 1. Die Ärztekammer war federführend daran beteiligt, das bisher einzige „Primary Health Care Center“ in Wien Maria Hilf auf den Weg zu bringen. 2. Primärversorgung ist, auch wenn manche Politiker das anders darstellen, nichts Neues oder besonders Modernes. So eine dezentrale und wohnortnahe erste Versorgung von Patienten, die medizinischen Rat und Hilfe brauchen, erbringen Österreichs niedergelassene Ärzte Tag für Tag. Das summiert sich auf 90 Millionen Patientenkontakte pro Jahr. Und das, wie Umfragen zeigen, mit einer Patientenzufriedenheit von 96 Prozent. 3. PHC steht für Primary Health Care, also Primärversorgung. PHC ist definitiv kein Kürzel für Primärversorgungs-Zentrum. Primärversorgung benötigt also keine speziellen Zentren, und schon gar nicht so problematische, wie sie das Gesundheitsministerium bisher präsentierte. 4. Einige dieser PHC-Konzepte haben das Potenzial, den niedergelassenen Ärztebereich, wie man ihn kennt, de facto abzuschaffen. Ebenso wie die freie Arztwahl oder die bisherige Selbstverständlichkeit, einen Arzt zu sehen, wenn man das möchte. Solche Konzepte schaffen die Grundlage für eine Übernahme von PHC-Zentren durch Konzerne, die rein profitorientiert agieren, und nicht nach medizinischen Kriterien. Deshalb hat die Ärztekammer solche Modelle abgelehnt. Und nicht etwa, weil wir gegen eine sinnvolle Weiterentwicklung der Primärversorgung sind, die den Veränderungen in der modernen Gesellschaft Rechnung trägt. Was „Primärversorgung 2020“ bezweckt Die Ärztekammer hat mit „Primärversorgung 2020“ ein konkretes, flexibles Modell für eine Weiterentwicklung der allgemeinmedizinischen Primärversorgung erarbeitet. Es ist eine Alternative zu einem Zentrums-Gedanken: Es beruht auf Freiwilligkeit statt auf Zwang, und bietet Patienten und Ärzten Wahlmöglichkeiten. Patientinnen und Patienten erhalten damit die Möglichkeit, sich unter diesen vielfältigen Optionen der Primärversorgung die auszusuchen, die ihren persönlichen Vorstellungen und ihrem Gesundheitszustand am besten entspricht; und sie verlieren dabei nicht ihren Hausarzt und profitieren von längeren Ordinationszeiten. 2016-02-23_PK_Primärversorgung 2020 Seite 5 Wie „Primärversorgung 2020“ die allgemeinmedizinische Primärversorgung verbessert Zugrunde liegt folgendes Primärversorgungs-Konzept: Hausarzt Gruppenpraxis mit zwei oder mehreren Partnern Erweiterte Gruppenpraxis sowie regional angepasste Vernetzungen Überall wird ein definiertes Mindest-Leistungsspektrum angeboten. Es gilt jedenfalls das Prinzip der Letzt-Entscheidung und Letzt-Verantwortung der Ärztin oder des Arztes. Primärversorgung findet ausschließlich im Rahmen des Gesamtvertrages statt, des Kollektivvertrages für Kassenärzte, der zwischen der Ärztekammer und den Sozialversicherungen abgeschlossen wird. Ein wesentlicher Eckpfeiler ist die Vernetzung. Diese ist nach den jeweiligen regionalen Gegebenheiten abzustimmen, wird also in einer größeren Stadt anders aussehen als in ländlichen Regionen mit langen Wegstrecken zwischen den Institutionen. Für die Erweiterte Gruppenpraxis aber auch für die regional vernetzten Ordinationen können mobile Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Ernährungsberater, Wundmanager, Ordinationsmanager etc. vom Arzt beschäftigt und/oder von der Gemeinde, den Ländern oder den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Zusammenarbeitsformen wären erweiterte Öffnungszeiten sowie die Übernahme von Leistungen aus den Spitalsambulanzen. Welche Erfordernisse müssen dafür geschaffen werden? Erforderlich für die Umsetzung sind flexible Formen der ärztlichen Zusammenarbeit, z.B. Time-Sharing-Praxen, eine Lockerung der VertretungsBestimmungen sowie angemessene Bereitschaftsdienst-Modelle. Damit wird den individuellen Lebensumständen von Ärzten Rechnung getragen und z. B. eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie ermöglicht. Punktuelle Änderungen im Ärztegesetz und im ASVG müssen vorgenommen werden. Ein eigenes PHC-Gesetz ist nicht erforderlich. Je nach dem Ausmaß der Öffnungszeiten, der Vernetzung mit anderen Einrichtungen, der Breite des medizinischen Leistungsangebots oder der Ausbildung von Nachwuchsmedizinern muss auch die Finanzierung durch die Krankenkassen bzw. das Bundesland variieren. Weil ein höheres Leistungsangebot in einer Praxis auch einen höheren Aufwand und höhere Kosten und Investitionen bedeutet, muss natürlich einem Mehr an Leistung auch eine dementsprechende Finanzierung gegenüberstehen. Insgesamt sollte auch hier das Prinzip „Geld folgt Leistung“ angewandt werden. Beispiel: Vernetzung styriamed.net in Versorgungsregionen im ländlichen Raum à la In ländlichen Regionen wird die Vernetzung gesundheitlicher Angebote an die jeweiligen demografischen und geografischen Bedingungen anzupassen sein. Durch die oft 2016-02-23_PK_Primärversorgung 2020 Seite 6 größeren Distanzen wird häufig die elektronische Vernetzung einen hohen Stellenwert haben. Ein gut gelungenes Beispiel ist Styriamed.at. Damit wurden in der Steiermark Allgemeinmediziner und Fachärzte mit und ohne Kassenvertrag sowie Spitalsärzte in einer Art „virtueller Gruppenpraxis“ vernetzt. In einigen Regionen sind bereits auch andere Gesundheitsberufe vertreten. Mit Zustimmung des Patienten kommen alle Befunde direkt zum Hausarzt, der so gezielt alle Phasen der Behandlung „managen“ kann. Auch lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin lassen sich oft dadurch vermeiden, dass die Ärzte untereinander rasch und unbürokratisch über eine „Hotline“ freie Kapazitäten abklärten. Dieses bewährte Modell soll weiter ausgebaut werden, und die dabei gemachten Erfahrungen werden zu seiner ständigen Optimierung beitragen, was auch Vernetzungsmodellen in anderen Regionen zu Gute kommen wird. Diese Form der Primärversorgung hat ihren Erfolg bereits bestätigt. Sie wurde von Ärzten selbst ins Leben gerufen und funktioniert ohne bürokratische Vorgaben seitens des Staates oder der Kassen. Beispiel: Vernetzung Ordinationszeiten im „Grätzel“ optimiert Abstimmung, Kooperation, Ergänzend kann im städtischen Raum eine Vernetzung im „Grätzel“ zu einer Optimierung der Versorgung beitragen. Ein Grätzel kann, je nach Größe, einen Bezirk umfassen oder Bezirks-übergreifend sein. Die Einbeziehung des Ärztefunkdienstes und damit die 24 Stunden Betreuung der Patienten müssen gewährleistet sein. Es bestehen derzeit auf informeller Ebene bereits lokale Netzwerke von Allgemeinmediziner-Ordinationen, die eng zusammenarbeiten. Weil es hier vertragliche Restriktionen gibt, arbeiten wir derzeit an einer formalen Ausformung. 2016-02-23_PK_Primärversorgung 2020 Seite 7
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